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Veröffentlicht am 15.11.2023

Warnung! Dieses Buch verursacht Heißhungerattacken!

Der späte Ruhm der Mrs. Quinn
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Wer das Backen liebt, wird auch Mrs. Quinn lieben - soviel kann man gleich am Anfang sagen. Und wer Kuchen liebt, der wird mit diesem Buch Heißhungerattacken erleiden, denn die Beschreibung der liebevollen ...

Wer das Backen liebt, wird auch Mrs. Quinn lieben - soviel kann man gleich am Anfang sagen. Und wer Kuchen liebt, der wird mit diesem Buch Heißhungerattacken erleiden, denn die Beschreibung der liebevollen Herstellung von Mrs. Quinns Köstlichkeiten ist so gelungen, dass einem das Wasser im Mund zusammenläuft.

Denn Mrs. Quinn ist eine begnadete Bäckerin, schon ihr ganzes Leben lang. Für sämtliche Lebenslagen kennt die rüstige 77jährige die passende Süßigkeit und die Menschen um sie herum bewundern sie für ihre Backkünste. Allen voran ihr Ehemann Bernard, der seit über 60 Jahren an ihrer Seite ist und bald auch 60 Jahre Eheglück mit ihr feiern kann. Doch trotzdieser harmonischen Ehe liegt ein Schatten über dem Paar - denn von der größten Tragödie ihres Lebens hat Jennifer Quinn ihrem Mann nie erzählt.

Als sie sich für eine Fernseh-Backshow bewirbt, bäckt sie sich durch neue und alte Rezepte - und so wie auch Gerüche oft Erinnerungen in sich tragen, wird bei Jennifer durch die Rezepte die schwierigste Zeit ihres Lebens wieder lebendig - ein Umstand, der sie an den Rand ihrer Kräfte bringt. Ist ihre Beziehung stark genug, ein 60 Jahre lang gehütetes Geheimnis zu überstehen?

Dieser Frage widmet sich die Autorin und lässt die Leser teilhaben an dem schwierigen Prozess, sich im Alter noch einmal der Vergangenheit zu stellen. Ihre Hauptfiguren Jennifer und Bernard sind so liebenswürdig gezeichnet, dass man nichts lieber täte, als mit ihnen bei einer Tasse Tee in ihrem Wohnzimmer zu sitzen.

Da die Autorin als Fernsehproduzentin Erfahrung mit den Abläufen bei TV-Formaten hat, lässt sie auch ein realistisches Bild der Dreharbeiten der Backshow entstehen. Die wuselige Atmosphäre, die immer greifbare Hektik, der Stress der Kandidaten... das wird glaubwürdig transportiert und bildet einen interessanten Gegenpol zum beschaulichen Leben der Quinns in ihrem Ruhestand. Und so ergibt sich insgesamt ein rundes Bild, ein Wohlfühlroman der Extraklasse, der mit vielen Kleinigkeiten punktet und ein stimmiges Gesamtbild abgibt.

Wenn man unbedingt was zu meckern finden möchte, dann könnte man anbringen, dass sich die Geschichte doch sehr auf Jennifer konzentriert und die Nebenfiguren gern etwas mehr Raum hätten bekommen können (insbesondere Azeez‘ Geschichte hätte mich interessiert). Aber das sind Marginalien, wenn man das wunderbare Gesamtpaket betrachtet.

Deshalb kann ich nur jedem raten, sich von Jennifer Quinn mitnehmen zu lassen auf eine Reise durch die Rezepte der britischen Inseln, die gleichzeitig auch eine Reise in Jennifers Vergangenheit ist. Genau das richtige Buch für kuschelige Lesestunden am Kamin mit einem saftigen Stück Carrot Cake :)

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Veröffentlicht am 19.10.2023

Die „Sturmlichter“ flackern im Wind...

Sturmlichter
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Eine Saga über drei mutige Frauen, die den Konventionen ihrer Zeit entfliehen, verspricht der Klappentext. Und ja, das ist der Roman auch. Ansonsten sollte man auf den Klappentext nicht gar zu viel geben, ...

Eine Saga über drei mutige Frauen, die den Konventionen ihrer Zeit entfliehen, verspricht der Klappentext. Und ja, das ist der Roman auch. Ansonsten sollte man auf den Klappentext nicht gar zu viel geben, denn er ist - mit Verlaub gesagt - nicht gut. Das, was dort als Handlung zusammengefasst wird, setzt die Geschehnisse im Buch in merkwürdige Zusammenhänge - so fragt man sich zum Beispiel, warum sich Torie danach sehnt „mehr als nur Tochter und Ehefrau zu sein“, wenn sie im gesamten Buch nie verheiratet ist. Das abgedruckte Jahr 1914 suggeriert, dass die Handlung genau dann spielt - doch das Buch beleuchtet sowohl Jahre vor als auch weit nach 1914. Kurz - wer nur nach dem Klappentext geht, könnte enttäuscht werden. Vieles was dort steht, passiert übrigens erst in der zweiten Hälfte des Buches.

Es ist ein typischer historischer Frauenroman. Die Mädchen wollen mehr als das, was das Schicksal ihnen zugedacht hat und die Konventionen verlangen. Ihre Wege begleitet man von der Kindheit bis 1926, als sie etwa Mitte zwanzig sind.

Doch nicht jede der drei Figuren bekommt im Text die gleiche Aufmerksamkeit. Den größten Anteil an der Geschichte hat die Pariserin Victoria („Torie“). Diese lernt im Schweizer Internat die Deutsche Clarissa kennen, wobei sich die Mädchen recht früh wieder aus den Augen verlieren. Mia hat eine eigenständige Geschichte. Die Verbindung zwischen den drei Frauen knüpft Maurice. Er ist Victorias Bruder, heiratet später Clarissa, liebt aber Mia. Doch die Wege, die das Buch hier geht, sind sehr verschlungen und von so vielen Zufällen geprägt, dass es auf mich leider sehr konstruiert wirkt. So lernt Clarissa Maurice z.B. nicht über Victoria kennen, sondern begegnet zufällig im riesigen Berlin einem interessanten Mann und findet dann heraus, dass er ausgerechnet der Bruder der Kindheitsfreundin ist. Was für ein glücklicher Zufall! Wie gesagt, ich bin kein Fan solcher Plots, weil es einfach zu unglaubwürdig ist.

Gut gefallen hat mir der Erzählstrang über die Crosière Noire, die von Citroen initiierte Afrika-Expedition (wieviel davon wahr und was Fiktion ist, wird aber leider nicht aufgeklärt, da es kein Nachwort gibt, das die Begebenheiten einordnet). Victoria hat ein Händchen für Motoren und möchte unbedingt mit auf diese Expedition - doch für Frauen ist dort kein Platz. Mehrmals wird sie abgelehnt, obwohl ihre Arbeitsergebnisse als Mechanikerin geschätzt werden. So greift sie zu einem Trick und heuert als Mann bei der Expedition an. Auch da frage ich mich, ob so etwas tatsächlich hätte klappen können - gerade in dem unkomfortablen Umfeld einer solchen Expedition... wäre sie da nicht sofort aufgeflogen? Es geht ja schon damit los, dass sie sich nie einfach an den Wegrand stellen kann um ihren menschlichen Bedürfnissen nachzukommen - wie es wahrscheinlich alle Männer einfach getan haben.

Obwohl ich den Schreibstil sehr genossen habe und es sich flott liest, so wie ein Schmöker eben sein sollte, hat der Plot nicht ganz meinen Erwartungen entsprochen. Zwar habe ich teilweise mit den Frauen mitgefiebert, aber andererseits fand ich die Wendungen zu konstruiert und die Erzählung wirkte auf mich nicht ganz rund. Für meinen Geschmack waren auch zu viele Themen enthalten. Die drei unterschiedlichen Charaktere der Protagonistinnen, Traumata nach dem 1. Weltkrieg, Medizin/Pflege in dieser Zeit, Frauenrechte, Technik/Automobilkonstruktion, die Afrika-Expedition, die Kunstszene in Paris und in Deutschland... hier wäre aus meiner Sicht weniger mehr gewesen, denn so war es schon ein ganz schön turbulentes Potpourri.

Mir persönlich hätte es besser gefallen, wenn das Buch sich nur mit Torie und ihrem Weg als Mechanikerin bis zur Afrika-Expedition beschäftigt hätte. Das hätte die Geschichte mehr fokussiert und man hätte mehr in die Tiefe gehen können. So ist es für mich zwar ein angenehmer Schmöker gewesen, aber kein Buch, das mir im Gedächtnis bleiben wird.

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Veröffentlicht am 14.10.2023

Die Geschichte der Leica

Das Licht im Rücken
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Klick - ratsch - summ... wer erinnert sich denn heute überhaupt noch an die typischen Geräusche eines herkömmlichen Fotoapparats? Die Digitalkameras haben sie abgelöst, diese feinmechanischen Wunder, ohne ...

Klick - ratsch - summ... wer erinnert sich denn heute überhaupt noch an die typischen Geräusche eines herkömmlichen Fotoapparats? Die Digitalkameras haben sie abgelöst, diese feinmechanischen Wunder, ohne die unsere heutigen Festplatten voller Fotos gar nicht möglich wären.

Sandra Lüpkes setzt der guten alten Leica (Leitz Camera) ein Denkmal - mit ihrem hervorragend recherchierten Roman Das Licht im Rücken . Sie begleitet die erste (und wohl berühmteste) Kleinbildkamera der Welt und ihre Wegbereiter in einem fulminanten Roman, dessen Handlung sich über mehrere Jahrzehnte erstreckt.

Angelehnt an die tatsächlichen Lebensläufe von z.B. Ernst Leitz II., Elsie Kühn-Leitz oder Oskar Barnack (dem Erfinder der Kamera) sowie mit fiktiven Figuren, die aber ebenfalls oft reale Vorbilder haben, erzählt die Autorin kenntnisreich und mitreißend vom Siegeszug des Fotoapparats. Aber auch von den Erfolgen und Fehlern der Menschen, die eng mit ihr in Verbindung standen - vom ersten bis zum Ende des zweiten Weltkriegs.

Man muss sich nicht brennend für Fotografie interessieren, um diesen Roman mit Begeisterung zu lesen. Aber wenn man es tut, ist es ein doppeltes Lesevergnügen, bei dem man auch noch viel über die Geschichte der Firma Leitz und seines bekanntesten Produktes lernt!

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Veröffentlicht am 12.10.2023

Die sieben Männer der Elizabeth Taylor

Elizabeth Taylor (Ikonen ihrer Zeit 11)
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Sieben Männer und eine alternde Diva... Moment, war da nicht mal was? Ja, doch, ein bisschen könnte man schon auf den Gedanken kommen, dass Taylor Jenkins Reid in der Biografie von Elizabeth Taylor ein ...

Sieben Männer und eine alternde Diva... Moment, war da nicht mal was? Ja, doch, ein bisschen könnte man schon auf den Gedanken kommen, dass Taylor Jenkins Reid in der Biografie von Elizabeth Taylor ein bisschen herumgemopst hat... Aber sei’s drum - hier geht es ja um Elizabeth’s wirkliches Leben.

Und sie hat einiges erlebt! Acht Ehen mit sieben verschiedenen Männern, eine Hollywood-Karriere vom Kinderstar zur Diva, Alkohol- und Tabletten-Abstürze, Depressionen, Höhenflüge. Genau das, was den Stoff für Romane ausmacht und davon jede Menge.

Genau deshalb könnte man auch auf den Gedanken kommen, dass 400 Seiten etwas knapp sind, um sich der Person und ihrem turbulenten Leben wirklich tiefgründig nähern zu können. Ja, diesen Eindruck hatte ich zeitweise.

Denn die Autorin begnügt sich nicht damit, nur einen Ausschnitt aus dem Leben der Hollywoodgröße zu erzählen. Nein, von ihren Kindertagen bis zu ihrem sozialen Engagement in den 1990er Jahren spannt sich der Bogen dieses biografischen Romans, in dem man neben Elizabeth zum Beispiel auch James Dean, Rock Hudson, Richard Burton und Michael Jackson näher kennenlernt. Grundsätzlich gefällt mir das besser, als wenn biografische Romane nur einen kurzen Zeitabschnitt beleuchten, aber so bleibt man eben mit vielen Schilderungen an der Oberfläche.

Oft hätte ich gern noch etwas mehr zu einem bestimmten Kapitel in Elizabeth‘ Leben erfahren, etwas mehr in ihre Seele geschaut (auch wenn mir bewusst ist, dass da viel Spekulation im Spiel sein muss, da man sich auch als Autor nur auf Informationen aus zweiter Hand stützen kann wie Interviews, Filmausschnitte oder Zeitungsberichte).

Aber es wird einem ein buntes Potpourri der Reichen und Schönen Hollywoods geboten und durch die leichte, schmeichelnde Scheibweise zieht alles wie ein bunter Film an einem vorbei - kurzum, das Buch lässt sich sehr gut lesen und man fliegt durch die Seiten.



Eine kurze Anmerkung noch zum Korrekturlesen/Lektorat - da sind mir ein paar Schnitzer aufgefallen, so z.B. als im Jahr 1949 jemand zu Elizabeth sagt „Sie werden ja strenger bewacht als die Queen!“ - die in dem Jahr noch gar nicht Königin war (und dass sich das auf eine andere Königin beziehen soll, kann ich mir nicht vorstellen). Oder als Elizabeth in Rom einen Film drehte und Rom als die „römische Hauptstadt“ bezeichnet wurde (muss das nicht italienische Hauptstadt heißen?). An solchen Dingen bin ich ab und zu hängen geblieben.

Dennoch - das Buch macht Spaß und gibt einen guten Überblick über das turbulente Leben einer der bekanntesten Schauspielerinnen des 20. Jahrhunderts. Gute 4 Sterne und eine Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 03.10.2023

Berlin am Scheideweg - und Hulda mittendrin

Fräulein Gold: Die Lichter der Stadt
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Was Anne Stern einfach unvergleichlich gut kann: die Leser mitten hinein ziehen in eine Situation, eine Stimmung, eine Zeit. Auch 1929 ist man wieder mittendrin, wenn man Hulda auf ihrem weiteren Lebensweg ...

Was Anne Stern einfach unvergleichlich gut kann: die Leser mitten hinein ziehen in eine Situation, eine Stimmung, eine Zeit. Auch 1929 ist man wieder mittendrin, wenn man Hulda auf ihrem weiteren Lebensweg begleitet.

Seit Band 5 und der turbulenten Geburt ihrer Tochter Meta sind drei Jahre vergangen - nicht für die Leser, denn Band 5 ist noch nicht einmal ein Jahr alt - aber für Hulda und die Menschen um sie herum. Wir schreiben das Jahr 1929 und das Leben in Berlin schwankt zwischen hoffnungsvollem Aufschwung und trauriger Bescheidenheit. Während die Nationalsozialisten weiter Anhänger um sich scharen, versuchen so viele Berliner einfach ihr Auskommen zu finden und von dem wenigen, das sie besitzen irgendwie zu leben.

Diese Gegensätze versteht die Autorin gekonnt in Szene zu setzen, indem sie zum Beispiel genau auf Huldas Kundinnen in der Mütterfürsorgestelle schaut, andererseits aber die gut situierte „Schwiegerfamilie“ von Wenckow porträtiert, mit denen Hulda schon wegen ihrer Tochter immer wieder Berührungspunkte hat. Und so lebt Hulda zwischen den Welten und fühlt sich selbst keiner wirklich zugehörig. Sie ist - zu Recht - stolz, allein für sich und ihre Tochter sorgen zu können. Auch wenn es sich immer wieder schwierig gestaltet.

Doch Hulda beißt sich durch und es ist schön zu lesen, dass sie in diesem Band auch wieder einmal Schmetterlinge im Bauch haben darf - auch wenn sich die Anbahnung der Beziehung nicht gerade einfach darstellt.

Wie immer habe ich Hulda sehr gern durch Berlin begleitet und die Nebenhandlung mit der Einbruchsserie rund um Huldas Wohn- und Arbeitskiez bringt Spannung in den Roman. Dennoch hatte ich das Empfinden, dass die Krimi-Elemente diesmal hinter dem „gesellschaftlichen“ Erzählstrang zurückblieben.

Doch das tat dem Roman keinen Abbruch! Ganz im Gegenteil. Je länger ich Hulda begleite, desto mehr möchte ich von ihr und ihrem Umfeld erfahren. Ich brauche keine Krimihandlung (mehr), um mich mit Hulda wohlzufühlen und an ihrem Schicksal Anteil zu nehmen. Insofern bin ich jetzt schon gespannt, was Hulda in dem bereits angekündigten Band 7 widerfahren wird („Nacht über der Havel“ soll im Dezember 2024 erscheinen - eine Leseprobe ist dem jetzt erschienenen Band auf den letzten Seiten bereits beigefügt).

Mir hat es wieder viel Vergnügen bereitet, Hulda in ihrem Alltag und auch im Nachtleben Berlins zu begleiten - wie ich finde, ist und bleibt „Fräulein Gold“ eine der besten deutschen Roman-Reihen über die 1920er Jahre!


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