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Veröffentlicht am 20.07.2022

Braun-kariert

Die karierten Mädchen
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Wieder eine Geschichte aus der Nazizeit. Als gäbe es davon nicht schon genug. Aber doch spiegelt das Leben dieser Kinderheimleiterin einen neuen, bis dato nicht gelesenen Eindruck. Wie war es, als nicht ...

Wieder eine Geschichte aus der Nazizeit. Als gäbe es davon nicht schon genug. Aber doch spiegelt das Leben dieser Kinderheimleiterin einen neuen, bis dato nicht gelesenen Eindruck. Wie war es, als nicht nazibegeisterte, eher unpolitische junge Frau sich mit den Nationalsozialisten zu arrangieren?
Klara hat ein mitfühlendes Herz, aber keine große Lust, sich wirklich mit dem auseinanderzusetzen, was 1933 in Deutschland passiert. Ihr ist es eher lästig, sie findet es sogar unnötig, sich eine eigenen Meinung zum politischen Geschehen zu bilden. Sie will nur durchkommen.
Ihre Ideale, ihr Frauenbild und ihre Fähigkeiten liegen außerhalb/ oberhalb der Tugenden der deutschen Frau, wie sie von Goebbels und Hitler propagiert wurden. Eigentlich hat Klara doch moderne, liberale Ansichten. Ist ganz und gar nicht der Ansicht, dass Frauen nur Gebärmaschinen für das Reich sein sollten. Und doch arrangiert sie sich und funktioniert gut als Rädchen in der Nazi-Maschinerie. Sie leitet schließlich noch sehr jung ein großes Kinderheim und nimmt ein kleines jüdisches Mädchen als ihr eigenes Kind auf.
Die Autorin bezeichnet genau das - es entspricht nicht den tatsächlichen Gegebenheiten im Leben ihrer Großmutter- nämlich die kleine Tolla - als Synonym für die Unschuld. Die Klara verliert, als sie das Kind aus Angst abgibt.
Und genau das ist auch der Grundtenor des ersten Bandes: Klaras Zerrissenheit und schlechtes Gewissen. Hat sie richtig gehandelt, indem sie im Kleinen Gutes tat, aber nie ihre Stimme gegen Unrecht erhob? War sie doch feige? Hat sie beigetragen zum Unrechtsregime?
Als über Neunzigjährige, blind und viel alleine, diktiert Klara einem Kassettenrekorder ihre Erinnerungen. Es sind die einer beherrschten, strengen Lehrerin, die es versäumt hat, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten. Das lastet auf ihr. Die Lektüre ist nicht nicht immer spannend, teilweise von engem Horizont geprägt. Aber sie macht verständlich, wie die Lebensrealität damals war. Alexa Hennig von Lange hat die vielen Tonkassetten ihrer Großmutter mit Achtung und Respekt bearbeitet. Ich folge ihr gerne, sollte es einen neuen Teil der Triologie der karierten Mädchen geben sollte. Ich finde es erfrischend, dass hier einmal eine Heldin eine Stimme bekommt, die menschlich und fehlbar ist. Ich denke so sind die meisten Menschen.

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Veröffentlicht am 18.07.2022

Kanadisch -Spannend

Tief in den Wäldern
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In diesem durchaus spannenden Kanada-Thriller spielt Chevy Stevens mit den Erwartungen ihrer Leser:innen. Hailey, die verwaiste Jugendliche, deren Vater ihr alles zum Überleben in der Wildnis der Wälder ...

In diesem durchaus spannenden Kanada-Thriller spielt Chevy Stevens mit den Erwartungen ihrer Leser:innen. Hailey, die verwaiste Jugendliche, deren Vater ihr alles zum Überleben in der Wildnis der Wälder beigebracht hat, wird so gar nicht warm mit ihrer neuen Ersatzfamilie. Die junge Tante und der kleine Neffe sind nicht das Problem, sondern der schmierige Polizist Vaughn, der sich von Anfang an übergriffig verhält und sowieso einen miesen Ruf genießt. Er schikaniert sie, ihren Busenfreund Jonny und auch die hübsche Ausreißerin Amber, in die Hailey sich verliebt hat. Alles eigentlich fast zu offensichtlich, denn in dem kleinen Städtchen Cold Creek verschwinden seit Jahren immer wieder junge Frauen.

Die geneigte Leserin muss Vaughn verdächtigen, oder nicht?

Und hier setzt meine Kritik an: obwohl Hailey und Jonny und Amber wissen müssten, das Vaughn gefährlich ist, tun sie fast nichts , ihn zu überführen.

Stattdessen flüchtet Hailey und versteckt sich. Amber verhält sich sorglos bis vollkommen unbedarft. Jonny sitzt alles aus.
Kein Wunder, dass es zum üblen Showdown kommen muss.

In der zweiten Hälfte tritt, Beth, Ambers Schwester auf den Plan und gebärdet sich noch verstrahlter. Ich konnte es kaum mitanlesen.

Trotzdem konnte ich das Buch kaum weglegen, denn es ist schon sehr spannend. Auch die Wildnisszenen fand ich gelungen und „Wolf“, den tapferen Streuner mochte ich wirklich gerne.

Für Fans von Spannungsromanen eine nette Urlaubslektüre. Nach Cold Creek würde ich zukünftig nicht so gerne reisen.

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Veröffentlicht am 12.07.2022

Diese Zimmermänner!

Beifang
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Frank ist gescheitert in seinem Leben. Vor allem an seinen Ansprüchen. Die Frau, mit der er einen Sohn zeugte, will schon kurz nach der Empfängnis nicht mehr bei ihm bleiben. Vincent, sein Sohn bekommt ...

Frank ist gescheitert in seinem Leben. Vor allem an seinen Ansprüchen. Die Frau, mit der er einen Sohn zeugte, will schon kurz nach der Empfängnis nicht mehr bei ihm bleiben. Vincent, sein Sohn bekommt eine Bilderbuch-Patch- Nobel-Familie und ist ihm bald entfremdet. Und Frank? Fragt sich noch immer, was er da in dieser unbelebten Berliner „Übergangswohnung“ überhaupt will. Da ist die Liason mit der jungen, schicken Marie. Aber die ist verheiratet und hat eine kleines Kind. Eigentlich klar, dass da nicht mehr geht. Da ist seine Arbeit als Journalist und Drehbuchautor, die er halbherzig und ohne Feuer betreibt. Und dann gibt es noch diese riesengroße, ziemlich schräge Familie väterlicherseits. Zwölf Geschwister hatte der Vater und es gibt nicht viel, was Frank über sie weiß. Noch weniger über den Großvater, der seinem Sohn eine rote Kiste hinterlassen hat. Eben diese weckt nun die Neugier in Frank. Wo soll er auch sonst noch schauen, was mit ihm los ist, wenn nicht in der Vergangenheit.
Eben! Auf nach Beifang. So heißt der wirklich existierende Stadteil von Selm, eher unbekannt und im Ruhrgebiet verortet. Und Beifang ist hier wirklich doppeldeutig. Denn genau wie all die versehentlich ins Netz geratenen Fische, sind auch alle Familienmitglieder irgendwie im Traumanetz der „Zimmermänner“ geraten. Dazuzugehören ist Fluch und Heimat.
Für Frank, der sich immer raushalten wollte aus allem wird klar, dass er genau das nicht mehr tun sollte. Also steigt er hinab in die finsteren Abgründe.
In schöner Sprache, komprimiert und spannend hat der Autor eine Familiengeschichte hingelegt, die fesselt und bewegt. Ich werde sicher noch mehr von ihm lesen.

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Veröffentlicht am 05.07.2022

Eine Frau in Indien

Die Hennakünstlerin
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Ich habe mich immer gefragt, wozu die Henna- Malerei eigentlich dient, denn schön fand ich sie noch nie. Aber im Roman wird deutlich, welch große Wirkung sie auf die Frauen und Männer haben kann, die in ...

Ich habe mich immer gefragt, wozu die Henna- Malerei eigentlich dient, denn schön fand ich sie noch nie. Aber im Roman wird deutlich, welch große Wirkung sie auf die Frauen und Männer haben kann, die in der indischen Tradition aufwachsen. Dass ein bestimmtes Bild, Verlangen wecken kann, sogar die Empfängnisbereitschaft steigern, warum nicht. Und Geschmack ist ja bekanntlich Definitionssache. Was wir schön finden, entscheidet nicht zuletzt unser kultureller Background. Die Hennakünstlerin vermittelt aber weit mehr als Ästethik.. Sie ist Psychologin, Kräuterkundige Krankenschwester und eine echte Künstlerin.
Den harten Weg einer traditionell erzogenen Bramahnin, die mit 15 verheiratet wird und ihrem unpassenden Ehemann aus purer Verzweiflung fortläuft und sich ein florierendes Geschäft aufbaut, zu verfolgen, hat mir Freude bereitet. Und zu mehr Verständnis der indischen Kultur und des Kastenwesens beigetragen. Ich freue mich immer über Bücher, die auch bilden. Dass die Autorin ihren ersten Roman erst mit zweiundsechzig Jahren veröffentlicht hat, finde ich bemerkenswert. Und erst recht, welchen Erfolg das Buch erringen konnte. Da hat bestimmt wieder Reese Witherspoons Bookclub seinen Teil beigetragen. Die Frau macht Romane durch ihre Empfehlung immer wieder zu Bestsellern.

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Veröffentlicht am 06.06.2022

Mainstream Massenware

Das Haus der stummen Toten
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Den Titel fand ich schon etwas befremdlich und er passt auch eigentlich nicht zur Story. Was mir gut gefallen hat, ist die beklemmende Atmosphäre in besagtem Haus. Dass die Protagonistin keine Gesichter ...

Den Titel fand ich schon etwas befremdlich und er passt auch eigentlich nicht zur Story. Was mir gut gefallen hat, ist die beklemmende Atmosphäre in besagtem Haus. Dass die Protagonistin keine Gesichter erkennen kann ist natürlich ebenfalls eine gute Idee.Das habe ich so auch noch nie gelesen. Sie hat den Mörder ihrer Großmutter gesehen, aber würde ihn nicht wieder erkennen, selbst wenn er ihr gegenübersteht. Sehr gruselig. Dass das Angst macht ist verständlich. Aber leider kommen dann weniger überzeugende Passagen. In einen Küchenaufzug gestoßen zu werden, zu wissen, ob ich wirklich geschubst wurde, oder mir das nur eingebildet habe. Hä? Total die Orientierung zu verlieren, dem eigenen Freund nicht zu vertrauen und doch in seine Hände zu begeben, den Notar bei seltsamen Telefonaten zu belauschen, ohne daraus Konsequenzen zu ziehen? Schon alles sehr spooky.
Im weiteren Verlauf hat mich der Roman nicht wirklich gefesselt, denn ich fand die Personen nicht überzeugend lebendig. Aber die Story ist gut geplottet und liest sich flüssig. Trotzdem kein Thriller, der mir im Gedächtnis bleiben wird.

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