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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.09.2023

Unangenehm

Nichts in den Pflanzen
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Eine sehr gestörte Hauptfigur, die den dunklen Drang hat, zu zerstören, was heil und gut ist. Sie schlägt gerne mal zu, wird gar zur Killerin und ist am Ende doch nur selbst am Ende.
Das Filmbusiness, ...

Eine sehr gestörte Hauptfigur, die den dunklen Drang hat, zu zerstören, was heil und gut ist. Sie schlägt gerne mal zu, wird gar zur Killerin und ist am Ende doch nur selbst am Ende.
Das Filmbusiness, die kalte Ichbezogenheit, das eitle Sein: ein Vergnügen war es nicht, darüber zu lesen. Doch der Schreibstil, die klinisch- methodische Betrachtungsweise menschlicher Schwächen, die kluge, schonungslose Analyse kranker Beziehungen hielt mich dennoch am Ball.
Ich habe lange nichts mehr gelesen, das mich gleichzeitig so abgestoßen und gleichzeitig fasziniert hat. Ich würde aber kein weiteres Buch der begabten Autorin mehr lesen wollen, da die Lektüre tatsächlich meine Laune beeinträchtigt hat. Zuviel finstere Realität für mich.
Ich kann aber verstehen, dass dieser Erstling für Aufsehen sorgt. Für mich liegt so gar kein Reiz mehr in Ironie und Sarkasmus und ich bin womöglich einfach vierzig Jahre zu alt für den Roman.

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Veröffentlicht am 04.09.2023

Prokrastination für Fortgeschrittene

Kleine Probleme
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Lars beim Spinnen seiner Gedankenschleifen, beim konsequentem Nicht-Handeln zuzusehen, tut weh. Und es ist witzig. Bisweilen genial-komisch, traurig, enervierend. Aber gut. Unfassbar, wie es die Autorin ...

Lars beim Spinnen seiner Gedankenschleifen, beim konsequentem Nicht-Handeln zuzusehen, tut weh. Und es ist witzig. Bisweilen genial-komisch, traurig, enervierend. Aber gut. Unfassbar, wie es die Autorin schafft, dieses Nicht-Tun fast zenartig zu beschreiben. Lars zieht es durch, sein ganzes Leben schon: er bringt einfach nichts zum Ende, versackt im „Wollen“, in großen Ideen vom perfekten Roman, dem Fünfstern-Menü, ohne jemals einen Stift oder einen Kochlöffel in die Hand zu nehmen. Und dann, eines Tages kurz vor Silvester gibt es diese vertrackte Alles-Oder-Nichts-Situation. Lars wird sie verlieren, die „beste Ehefrau von allen“, wenn es ihm nicht gelingt an diesem einen Tag bis Mitternacht einen 10-Punkte Plan abzuarbeiten. Noch dazu stehen schier unlösbare Aufgaben bevor. „Es gut machen,“ zum Beispiel. Wie soll er das schaffen?
Kleine Probleme sind in Wirklichkeit riesig. Und der Spaß bei Lesen, der ist es auch.

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Veröffentlicht am 14.08.2023

Lesenswerter Alptraum

Sekunden der Gnade
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Denis Lehane hat mit diesem Roman ein klares Anliegen: er möchte die Hintergründe von Gewalt und Rassismus ergründen. Es ist leicht, zu urteilen, aber schwer, zu verstehen, warum Menschen -scheinbar grundlos- ...

Denis Lehane hat mit diesem Roman ein klares Anliegen: er möchte die Hintergründe von Gewalt und Rassismus ergründen. Es ist leicht, zu urteilen, aber schwer, zu verstehen, warum Menschen -scheinbar grundlos- grausam und rassistisch denken und handeln. In „Sekunden der Gnade“ ( eine mir unverständliche Übersetzung des Originaltitels „Small mercies“) führt uns der Autor ins Boston der 1974 er. Im irischen Viertel kocht das Blut, teils wegen der Hitze, teils angesichts der angekündigten Busse. Die Rassentrennung soll nun auch an den Schulen ganz praktisch aufgehoben werden. Dazu werden Schüler von „schwarzen“ Schulen auf „weiße“ zwangsverteilt und umgekehrt. Im“Southie-Viertel“ gärt die rassistische Empörung. Mit einer Frau, die nichts mehr zu verlieren hat, der gnadenlosen Rächerin Mary Pat, schafft Lehane eine Antiheldin, die ihren persönlichen High Noon durchzieht: Koste es, was es wolle. Mary Pag ist brutal, streetsmart und äußerst effektiv. Und sie lässt nachfühlen, wie es geschehen kann, dass wir verrohen, verzweifeln und warum Gewalt immer weitere Gewalt erzeugt. Ein lesenswerter Alptraum.

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Veröffentlicht am 30.07.2023

Ganz großes Kino

Treacle Walker
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Ich kannte den Verfasser bisher nicht und war natürlich sehr gespannt. Im Klappentext spricht Philip Pulman, selbst ein Superstar in der Szene, von Alan Garner als dem „wichtigsten britischen Fantasyautor ...

Ich kannte den Verfasser bisher nicht und war natürlich sehr gespannt. Im Klappentext spricht Philip Pulman, selbst ein Superstar in der Szene, von Alan Garner als dem „wichtigsten britischen Fantasyautor seit Tolkien“.
Das ist schon mal ein Brett. Erstaunt war ich von der geringen Seitenzahl des Büchleins, das Genre ist ja ansonsten für dicke Wälzer bekannt, am besten noch Mehrteiler, bekannt. Der Lumpensammler, der titelgebende „ Treacle Walker“ wird in 158 schmalen Blättern erzählt und jedes Wort hat Gewicht. Ich bin sehr versucht, mir das Original zu holen, denn Wortspiele, wie sie hier häufig vorkommen sind nunmal schwer 1:1 zu übersetzen. Die Geschichte um den jungen Joe, der einsam in einem Haus auf einem Berg lebt, böse Comics liest und nicht ganz von dieser Welt zu sein scheint, hat mich sofort in ihren Bann gezogen: ein Märchen, eine Fabel, ein Mysterium. Das „Jetzt“ existiert auf mehreren Ebenen und ist grundverschieden und doch immer ähnlich. Joe, ein naives Kind wirkt gleichzeitig wie ein Erwachsener, der sich weigert Magie anzuerkennen, selbst wenn sie ihn an den Haaren packt. Der Treacle Walker ist ein Freund sein oder doch eher eine Bedrohung? Nicht umsonst bekommt der Junge ein „Auge“, das ihm eine andere Wahrnehmung ermöglicht. Das ist jedoch nicht ungefährlich. Phantasie und Realität zu trennen erscheint notwendig, aber nicht immer sinnvoll. Die Geschichte zu ergründen, macht Spaß. Nicht mit dem Verstand, sondern mit dem Herzen möchte das Buch gelesen werden.
Ein Interview mit dem Autor zu seinem Alterswerk fand ich sehr erhellend. Er sagte, er habe beim Schreiben versucht, sein Alltagsbewusstsein komplett auszuschalten. Seiner Meinung nach kommen originelle Ideen ausschließlich aus dem Unterbewussten. Der Verstand stört da nur.
Ich denke, in diesen Text kann viel hineininterpretiert werden, er kann irritieren, sogar verärgern, weil er die LeserIn so verwirrt, an vielen Rezensionen sehe ich genau das. Aber er kann genauso gut bezaubern und inspirieren. Ich habe mich für Letzteres entschieden.

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Veröffentlicht am 21.07.2023

Empty Nest Syndrom

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
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Die Autorin und ihre Protagonistin erzählen in der Ich-Form von ihrem Mitvierziger-Leben, in einer Phase in der die Zwillinge der Alleinerziehenden gerade Abitur gemacht haben und flügge werden. Sie haben ...

Die Autorin und ihre Protagonistin erzählen in der Ich-Form von ihrem Mitvierziger-Leben, in einer Phase in der die Zwillinge der Alleinerziehenden gerade Abitur gemacht haben und flügge werden. Sie haben sehr viel gemeinsam. Beide sind in ähnlichem Alter, Mutter von Twins, beide sind schriftstellerisch-journalistisch tätig. Das klingt äußerst autobiographisch und authentisch.

So weit so gut. Ich mochte die Rückblicke in eine Kindheit, die durch ein Aufwachsen als sprichwörtliches fünftes Rad am Wagen. In einer Familie mit zwei Zwillingspärchen als ältestes Einzelkind geprägt war. Dass es problematisch sein kann wenn man als Einzige kein Gegenstück hat und außerdem noch weniger attraktiv aussieht, als die superblonden, hübschen Geschwister, kann ich mir gut vorstellen. Dieser Part war interssant. Es klang an, dass auch eine vergleichsweise unspektakuläre Vergangenheit, ein ständiges eher Übersehen-Werden Spuren, hinterlassen kann.

Aber wie schon die Therapeutin der Protagonistin im Buch einmal bemerkt: irgendwann ist ein so unspektakuläres Thema auch ausgereizt. Die Story um den Auszug der Kinder, die Wohnungssuche und den Einzug in eine kleinere Butze, all das gibt eben nicht so viel her. Es passiert quasi nichts in diesem Roman, das nicht durch und durch alltäglich wäre. Mir kommen die Probleme der Protagonistin tatsächlich nichtig vor und es ist ja auch völlig in Ordnung, wenn jemand ein solches Leben führt. Aber warum, darüber schreiben? Mir fehlt das Motiv, weiterzulesen. So ist es eine Selbstbespiegelung ohne wirklichen Mehrwert. Weder sehe ich interessante Erkenntnisse, noch Entwicklung. Aber womöglich tangiert mich das Thema als Frau, die keine Mutter ist, einfach zu wenig.

Den Schreibstil der Autorin mochte ich wirklich gern. Inhaltlich hat mich der Text wenig berührt..

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