Cover-Bild Sekunden der Gnade
(57)
  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
26,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Diogenes
  • Themenbereich: Belletristik - Krimi: Hard Boiled, Roman Noir
  • Genre: Krimis & Thriller / Sonstige Spannungsromane
  • Seitenzahl: 400
  • Ersterscheinung: 23.08.2023
  • ISBN: 9783257072587
Dennis Lehane

Sekunden der Gnade

Malte Krutzsch (Übersetzer)

Boston, 1974. Die Stadt kocht. Künftig sollen schwarze Kinder mit Bussen in weiße Schulen gebracht werden und vice versa. Angst geht um und Hass. Eines Nachts kehrt Mary Pat Fennessys 17-jährige Tochter Jules nicht nach Hause zurück. Mary Pat beginnt Fragen zu stellen, stößt auf Schweigen und Widersprüche, bis sie versteht: Man hat ihr das Letzte genommen, was ihr in dieser Welt Halt gab. Außer sich vor Schmerz macht sie sich auf, um Rache zu nehmen an den Verantwortlichen – und um ihre eigene Schuld abzutragen. Um jeden Preis.

Weitere Formate

Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.10.2023

Rassismus hat viele Gesichter

0

Es ist das Jahr 1974, es gibt Unruhen in Boston, nachdem Richter W. Arthur Garrity Jr. aufgrund einer Sammelklage entschieden hat, dass künftig schwarze Kinder mit Bussen in weiße Schulen gebracht werden ...

Es ist das Jahr 1974, es gibt Unruhen in Boston, nachdem Richter W. Arthur Garrity Jr. aufgrund einer Sammelklage entschieden hat, dass künftig schwarze Kinder mit Bussen in weiße Schulen gebracht werden sollen und weiße Kinder in schwarze Schulen. Als die 17jährige Jules Fennessy nach einem Treffen mit ihren Freunden nicht nach Hause kommt, setzt ihre Mutter Mary Pat alle Hebel in Bewegung, um sie zu finden. In ihrem irischen Viertel stößt Mary Pat auf eine Mauer des Schweigens und ist außer sich vor Schmerz, als ihr klar wird, dass Jules nicht mehr heimkommt. Sie macht sich auf, die Schuldigen zu finden, um sie zu bestrafen. Zu verlieren hat sie nichts mehr.

„Sie erinnert sich nicht an dieses Mädchen, aber sie spürt es noch in sich. Sie spürt seine Verblüffung und sein Entsetzen. Über den Lärm und die Wut. Den Zornessturm, der sie umtobte und im Kreis herumwirbelte, bis ihr so verdammt schwindlig davon war, dass sie für den Rest ihres Lebens lernen musste, darin zu laufen, ohne hinzufallen.“ (Seite 203)

Dennis Lehane war im Sommer des Jahres 1974 neun Jahre alt, als er mit seinem Vater mitten in die Unruhen geraten ist. Dieses Erlebnis war so erschreckend und angsteinflössend, dass er sich entschlossen hat, die geschichtlichen Fakten mit einer fiktiven Geschichte zu verbinden. Mir waren die historischen Fakten unvollständig bekannt, dieses Buch hat dazu beigetragen, dass ich mich mit dem Thema näher beschäftigt und einiges dazugelernt habe. Wer ebenfalls interessiert ist, mehr darüber zu erfahren, dem empfehle ich, sich das Urteil Morgan gegen Hennigan anzusehen und durchzulesen. Ergänzend verweise ich darauf, dass die damalige Sprache nicht zeitgemäß ist und das N-Wort durchgehend im Gebrauch, was der Story eine Authentizität verleiht, die ansonsten fehlen würde.

Die vorliegende Geschichte fing ganz harmlos an, es gab einen Vorfall, der zunächst von mir als nebensächlich eingestuft wurde, bis eine Wendung kam, die dazu führte, dass die geschilderten Ereignisse plötzlich mit im Vordergrund standen. Die raffinierte Verknüpfung erstaunte mich, gab der Erzählung ab da einen ganz anderen Sinn, als ich vermutet habe. So kam es, dass ich mich unerwarteterweise in einem irischen Krimi wiederfand, der vor Spannung platzte, bis es wieder einen Twist gab, der mich sprachlos machte.

„Einmal blickt er zur Seite, als sie ihn gerade mit einem verstohlenen Lächeln ansieht, und erwägt die Möglichkeit, dass das Gegenteil von Hass nicht Liebe ist. Sondern Hoffnung. Denn Hass braucht Jahre, um sich zu entwickeln, aber Hoffnung kann um die Ecke gefegt kommen, wenn man nicht mal hinsieht.“ (Seite 170)

Ich schwankte zwischen Mitleid, Verständnis und Zorn, fühlte mich machtlos, gefangen in der Spirale von Hass. Ich litt zusammen mit Mary Pat, hielt den ermittelnden Beamten die Daumen, weinte mit trauernden Eltern, schrie mit der Menge, erlebte die Gewalt und platzte vor Wut. Manchmal musste ich innehalten und das Buch zur Seite legen, zu groß waren meine Emotionen; sie überfluteten meinen Körper und Tränen verschleierten meinen Blick. Was für ein Drama, welch eine Tragödie, grandios in Worte gefasst, erzählerisch eine große Wucht. Dieses Buch wird mir lange im Gedächtnis bleiben! Ein Highlight für mich, das fünf Sterne mit Sternchen bekommt und eine Leseempfehlung dazu.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 06.10.2023

einfach nur toll

0

Von moehawk
Boston 1974. Ein junger Schwarzer wird tot auf den Zuggleisen gefunden. In der Stadt brodelt es bereits, denn die Stadt hat beschlossen, dass es keine Rassentrennung in den Schulen mehr geben ...

Von moehawk
Boston 1974. Ein junger Schwarzer wird tot auf den Zuggleisen gefunden. In der Stadt brodelt es bereits, denn die Stadt hat beschlossen, dass es keine Rassentrennung in den Schulen mehr geben darf und dass man schwarze Kinder an weiße Schulen schicken möchte und umgekehrt. Wenn nötig auch gegen den Willen der Eltern und der Gemeinde. Da kommt ein Toter wie dieser sehr ungelegen. War es wirklich ein Drogentod? Oder war es Mord? Am gleichen Abend verschwindet eine junge Weiße und deren Mutter ist ist keine die sich mit fadenscheinigen Beruhigungen abspeisen lässt. Denn Mary Pat Fennessy ist ziemlich schnell klar, dass das Verschwinden ihrer 17jährigen Tochter mit dem Toten auf den Gleisen zu tun hat. Und sie will die Wahrheit herausfinden, egal was es sie kostet.

Dennis Lehane erzählt eine Geschichte von Rassenhass und Vorurteilen. Die alltägliche Gewalt auf mitten in der Bevölkerung ist beklemmend und sehr realistisch. Mary Pat macht sich keine Illusionen. Sie weiß, wie das Gefüge von Dealern, Polizei und normalen Bürgern funktioniert. Sie scheut selbst nicht vor Drohungen und harten Mitteln zurück, um zu erfahren, was in jener Nacht wirklich passiert ist. Dabei lernt sie sich selbst auf eine ganze neue Art und Weise kennen. Und sie muss erkennen, dass auch sie nicht frei von Vorurteilen war und dass das Leben eine verdammt ungerechte Sache sein kann.

Ich liebe die Art, wie Lehane erzählt. Seine Hauptpersonen berühren, man kann mit ihnen mitfühlen. Man erkennt ein bisschen besser wie die Menschen ticken, wie die Welt funktioniert. Noch immer funktioniert. Denn da muss man ehrlich sein. Viel besser läuft es auch heute noch nicht.

Veröffentlicht am 27.09.2023

Tief-gehend und emotional

0

Der Autor war mir vor allem bekannt durch das Buch, auf dem der Film "Shutter Island" mit Leonardo DiCaprio basiert. Das Diogenes Cover, welches im Design gut zu den anderen Büchern des Verlages passt, ...

Der Autor war mir vor allem bekannt durch das Buch, auf dem der Film "Shutter Island" mit Leonardo DiCaprio basiert. Das Diogenes Cover, welches im Design gut zu den anderen Büchern des Verlages passt, gefällt mir leider nicht so gut wie das englische Originalcover, welches besser mit dem Inhalt des Buches harmoniert, trotzdem hat es etwas an sich, wodurch es ins Auge fällt.

Der Schreibstil nimmt einen ein und man gar nicht mehr aufhören das Buch zu lesen. Es ist eine gut durchdachte, komplexe Geschichte mit vielschichtigen Charakteren.

Insgesamt ein interessantes Buch, mit einer fesselnden Geschichte, in der nicht in gut und böse unterteilt werden kann, in einer Geschichte, die wirklich damals in den 70er Jahren in den USA vorzufinden war und das Zeitgeschehen gut umgesetzt hat.


TWs (Trigger Warning), die im Buch vorzufinden sind: veranschaulichte Gewalt, rassistische und homophobische Beleidigungen und Benutzung von Drogen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.09.2023

Rassismus endete nicht mit der Aufhebung der Rassentrennung

0


In Dennis Lehanes Roman “Sekunden der Gnade“ geht es um eine wichtige Phase der amerikanischen Geschichte: die Aufhebung der Rassentrennung an den Schulen. Im Jahr 1974 trat das Gesetz in Kraft, begleitet ...


In Dennis Lehanes Roman “Sekunden der Gnade“ geht es um eine wichtige Phase der amerikanischen Geschichte: die Aufhebung der Rassentrennung an den Schulen. Im Jahr 1974 trat das Gesetz in Kraft, begleitet von gewalttätigen Auseinandersetzungen. Die Krankenschwester Mary Pat Fennessy lebt in Boston in einem problematischen Armenviertel. Ihr erster Mann ist gestorben, der zweite hat sie verlassen. Jetzt lebt sie allein mit ihrer 17jährigen Tochter Jules, nachdem ihr geliebter Sohn nach seiner Rückkehr vom Kriegseinsatz drogensüchtig wurde und an einer Überdosis starb. Eines Nachts verschwindet ihre Tochter spurlos. In derselben Nacht kommt ein junger Farbiger ums Leben, nachdem sein Auto in einem weißen Viertel eine Panne hatte. Er wurde am Bahnhof tot aufgefunden, offensichtlich das Opfer eines Verbrechens. Bei dem Toten handelt es sich ausgerechnet um Augustus Williamson, den Sohn einer Kollegin von Mary Pat. Eine Gruppe Jugendlicher, u.a. Jules, wurde am Bahnhof gesehen und war irgendwie in die Tat verwickelt. Mary Pat sucht verzweifelt nach ihrer Tochter und geht allen möglichen Spuren nach. Dabei hat sie nicht nur Kontakt zur Polizei, sondern legt sich auch mit dem organisierten Verbrechen in ihrer Stadt an. Diese Männer bleiben durch Korruption unbehelligt und gehen ihren kriminellen Geschäften nach, darunter auch Drogenhandel. Als Mary Pat erfährt, dass ihre Tochter tot ist, beginnt sie einen Rachefeldzug, bei dem sie ihr eigenes Leben riskiert. Sie hat ohnehin alles verloren, was ihr Leben lebenswert machte. Der Roman enthält eine Reihe von brutalen Szenen, aber das ist nun einmal die Realität – bis heute noch. Rassismus ist in den USA noch immer weit verbreitet.
Mir hat der interessante und spannende Roman sehr gut gefallen. Es war für mich das erste Buch dieses Autors und wird bestimmt nicht das letzte sein. Empfehlenswert ohne Einschränkung!

Veröffentlicht am 21.09.2023

harte Kost

0

Ich schätze Lehane sehr. Seine Bolivar-Reihe ist mir ans Herz gewachsen. Und die Stand-Alones sind oft Spiegelbilder einer harten amerikanischen Wirklichkeit.

Sekunden der Gnade wirft einen Blick auf ...

Ich schätze Lehane sehr. Seine Bolivar-Reihe ist mir ans Herz gewachsen. Und die Stand-Alones sind oft Spiegelbilder einer harten amerikanischen Wirklichkeit.

Sekunden der Gnade wirft einen Blick auf eine besonders dunkle Zeit in der Geschichte der USA. Rassenhass und Rassentrennung sind noch immer oberste Maxime bei einer großen Schicht der Amerikaner. Man versucht dies mit einem ungewöhnlichen Feldversuch an den Schulen aufzubrechen aber es liegt fast auf der Hand, dass das zu mehr als einem Eklat führen wird. Als eine farbiges Mädchen vermisst wird, macht sich deren Mutter auf die Suche nach ihr. Und sie findet eine harte grausame Wahrheit. Aber dieses Mal entschließt sich die Frau, dies nicht zu schlucken, nicht klein beizugeben sondern Rache zu nehmen.

Das Buch geht wirklich ans Eingemachte. Die Frage nach Gesetz und Gerechtigkeit und was die beiden überhaupt gemeinsam haben, ist nur eine der Fragen, die man sich als Leser hier stellt. Wie würde ich handeln? Sollten Opfer sich auf diese Weise wehren und straffrei ausgehen dürfen? Rechtfertigt Gerechtigkeit Gewalt?

Ein typischer Lehane nach bester Thrillermanier. Von mir 5 Punkte. Ich mag einfach, sie dieser Autor erzählt.