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Veröffentlicht am 26.02.2019

Selten so einen guten Roman über den Wilden Westen gelesen

Das wilde Herz des Westens
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Seit meiner Jugend liebe ich das Buch "Kalifornische Sinfonie" von Gwen Bristow. Als Bertelsmann-Leseclub-Exemplar stand es im Bücherregal meiner Eltern. Und inzwischen habe ich das Buch sicher 10x gelesen ...

Seit meiner Jugend liebe ich das Buch "Kalifornische Sinfonie" von Gwen Bristow. Als Bertelsmann-Leseclub-Exemplar stand es im Bücherregal meiner Eltern. Und inzwischen habe ich das Buch sicher 10x gelesen - das letzte Mal im März 2018 - als ich mit meiner Familie durch den Westen der USA gereist bin. Da waren die ganzen Erinnerungen an den Roman wieder da, der den Treck nach Kalifornien beschreibt und das Leben in Kalifornien Mitte des 19. Jahrhunderts.


Und jetzt endlich habe ich ein neues Lieblingsbuch über den Wilden Westen entdeckt: "Das wilde Herz des Westens" von Alexandra Fischer.
Dieser Roman beginnt mit einem fulminanten Prolog - Briana, ein irisches Einwandererkind. verliert seine Familie durch ein Massaker und überlebt nur mit Glück.
Dann folgt ein Zeitsprung fast ans Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs. Das Mädchen aus dem Prolog ist erwachsen und versorgt Verwundete. Ernst und ruhig ist ihr Wesen - kein Wunder bei ihrer Vorgeschichte. Ganz im Gegensatz dazu das Temperament ihrer Freundin Phoebe, der Tochter des Hauses, in dem sie aufgewachsen ist. Die Freundin ist leichtlebig, verträumt und naiv. Am liebsten liest sie Groschenromane über Cowboys - die Gräuel des Krieges sind ihr zuwider.

Und nach Ende des Krieges beschließt Phoebe, dass sie als sogenannte "Mail-Order-Bride" in den Westen gehen will. Endlich soll ihr Traum von einem Cowboy als Mann in Erfüllung gehen. Briana. das Mädchen aus dem Prolog - begleitet Phoebe. Teils aus Pflichtgefühl - aber mehr noch auf der Suche nach einem Platz in der Welt.

Und so reisen die beiden jungen Frauen gen Westen. Und schon in Missouri müssen sie feststellen, dass einiges anders ist, als erwartet. So erweisen sich Silas, der Bräutigam, und sein Bruder Jesse als gesuchte Banditen. Und der Planwagen-Treck Richtung Montana ist ganz anders als die romantischen Vorstellungen von Phoebe. Es ist hart, entbehrungsreich und gefährlich. Denn nicht nur die Indianer liegen auf der Lauer - auch Silas und Jesse werden gejagt. Und auch Briana gerät aufgrund ihrer Vergangenheit in den Fokus eines skrupellosen Banditen.

Dies alles wird sehr spannend aber auch sehr realistisch erzählt. Gut recherchiert und mit gut ausgearbeiteten Charakteren, die alles andere als eindimensional sind. Wer aufgrund des Covers einen seichten, romantischen Liebesroman mit ein wenig Lagerfeuerromantik erwartet, wird sicher überrascht sein, wie gut und spannend erzählt die Geschichte ist. Ich habe einige Nächte wenig geschlafen, weil ich einfach immer weiterlesen wollte.

Und jetzt habe ich neben "Kalifornische Sinfonie" ein neues Lieblingsbuch über den Wilden Westen.

Veröffentlicht am 26.02.2019

Irrungen, Wirrungen und die Suche nach der Wahrheit

Das Echo der Wahrheit
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"Das Buch der Spiegel" hat mich vor einigen Jahren sehr beeindruckt. Und so war ich gespannt auf das neue Buch des Autors - das aber wohl eigentlich schon vor dem Buch der Spiegel entstand - ...

"Das Buch der Spiegel" hat mich vor einigen Jahren sehr beeindruckt. Und so war ich gespannt auf das neue Buch des Autors - das aber wohl eigentlich schon vor dem Buch der Spiegel entstand - dann aber später noch einmal überarbeitet wurde.

Das Konzept der Geschichte ist gleich: Ein Geheimnis, das schon lange zurückliegt. Und die Suche nach der Aufklärung und nach der Wahrheit. Und dabei psychologische Betrachtungen darüber, was wirklich die Wahrheit ist, inwieweit Erinnerungen überhaupt der Wahrheit entsprechen. Und nicht zuletzt das Thema, wie traumatische Ereignisse sich auf das zukünftige Leben der Beteiligten auswirken.

Das hört sich jetzt trocken an? Ist es aber nicht. Denn es ist ein spannendes Buch, quasi ein Krimi. Die Aufklärung des Geschehens bringt den Leser zunächst in ein Labyrinth aus Briefen, Erinnerungen von vermeintlichen Zeugen und Nachforschungen. Und so entwickelt die Geschichte einen Sog, dem man sich als Leser kaum entziehen kann.

Die Geschichte beginnt mit einem Multimillionär, der kurz vor seinem Tod mit Hilfe von Hypnose noch den Hergang einer Nacht in Paris vor vielen Jahren rekonstruieren will. Damals kam eine junge Frau ums Leben. Und der Multimillionär hat die Befürchtung, selbst der Mörder gewesen zu sein. Der bekannte Psychiater Cobb wendet die Hypnose-Therapie an - kann aber den Sachverhalt nicht abschließend klären. Aber die Frage, was damals wirklich geschah, lässt Cobb nicht los. Auch nicht nach dem Tod seines Patienten. Und so beginnt er nachzuforschen. Mithilfe eines Privatdetektivs dringt er immer tiefer in die Materie ein, sucht Zeitzeugen aus der damaligen Zeit auf - und es wird immer undurchsichtiger und verwirrender. Bis zu einem sehr unerwartetem Ende.

Mich hat auch dieses Buch von Chirovici sehr gut unterhalten. Außer Joel Dicker mit "Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert" habe ich noch keinen Autor gefunden, der so gut solch verzweigte Geschichten schreiben kann.

Veröffentlicht am 21.02.2019

Sprachgewaltiger erster Teil einer Norwegen-Saga

Die Glocke im See
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Ein abgelegenes Tal in Norwegen um 1880. Das Leben ist hart, die Winter lang und die Gottesdienstbesucher (er)frieren in der kalten Stabkirche. Der neue Pfarrer möchte endlich eine neue, moderne, gut beheizbare ...

Ein abgelegenes Tal in Norwegen um 1880. Das Leben ist hart, die Winter lang und die Gottesdienstbesucher (er)frieren in der kalten Stabkirche. Der neue Pfarrer möchte endlich eine neue, moderne, gut beheizbare Kirche. Um dies zu finanzieren, hat er Kontakt zur Kunstakademie Dresden aufgenommen, die die alte Kirche abreißen und in Deutschland neu aufbauen würde, um dieses architektonische Kleinod zu erhalten. Ein Kunst-Architekturstudent wird nach Norwegen geschickt, um den Abbau der Kirche vorzubereiten. Und so kommt die Moderne in das norwegische Tal. Dort hängt man noch mehr den alten Sagen und Mythen an, als es dem Pfarrer recht ist, der die Menschen in ein modernes Leben führen möchte - und den alten heidnischen Volksglauben ausrotten will - am besten direkt mit der alten Kirche zusammen.


Doch bei einigen Einwohnern regt sich leiser Widerstand. Vor allem bei Astrid Hekne, deren Vorfahren einst die Zwillings-Glocken spendeten, die in der alten Kirche läuten. Und die auch von alleine läuten können - wenn Gefahr herrscht.
Astrid ist eine junge Frau, die sich einerseits mehr vom Leben erhofft als das, was die Gegend normalerweise für Frauen bereit hält. Aber sie hat auch ein Gespür für die Gesamtheit aus Vergangenheit und Gegenwart und schaut über den Tellerrand. Daher ist der Student aus Deutschland fast ein Wesensverwandter für sie - aber auch mit dem Pfarrer verbindet sie ein tiefes Verständnis. Gleichzeitig sind alle in den Traditionen und Werte-Vorstellungen ihrer Zeit gefangen. Was wird das Schicksal für Astrid bereithalten? Werden die Glocken im Tal verbleiben? Wird Astrid im Tal bleiben?

Dieses Buch ist der erste Teil einer geplanten Trilogie. Beeindruckend ist die Sprache, in der der Autor die Geschichte erzählt. Bildhaft mit einigen mystischen Anklängen werden Tragödien und kleine schöne Momente beschrieben. Es überwiegt die Tragik - was angesichts der Zeit damals nicht anders möglich ist - die Lektüre aber manchmal fast schmerzlich macht.

Aber die nächsten Teile der Trilogie werde ich trotzdem gerne lesen - manchmal muss gute Literatur eben auch schmerzlich sein

Veröffentlicht am 22.01.2019

Gelungener Auftakt einer neuen Krimi-Reihe

Doggerland. Fehltritt (Ein Doggerland-Krimi 1)
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Doggerland ist eine Inselgruppe in der Nordsee zwischen Großbritannien und Dänemark, die vor ca. 8.000 Jahren untergegangen ist.. In dieser neuen Krimi-Serie existieren die Inseln aber noch. Die fiktive ...

Doggerland ist eine Inselgruppe in der Nordsee zwischen Großbritannien und Dänemark, die vor ca. 8.000 Jahren untergegangen ist.. In dieser neuen Krimi-Serie existieren die Inseln aber noch. Die fiktive Bevölkerung ist eine Mischung aus Skandinaviern, Niederländern und Briten. Die Ortsnamen wirken skandinavisch - aber es gibt Pubs wie in England. Und die Landschaft wirkt ein wenig wie in Wales oder Schottland.

So genau kann ich das nur beschreiben, weil die Autorin sehr viel Wert auf detaillierte Beschreibungen der Gegend verwendet. Das reicht von der Aufzählung, wo in der Hauptstadt die guten und die weniger guten Wohnviertel sind bis hin zu Landschaftsbeschreibungen und Erläuterungen über das soziale Gefüge auf den Inseln.

Und eine Krimi-Handlung gibt es auch. Diese verläuft zwischendurch etwas langatmig - da eben erst einmal das Setting erläutert werden muss, das Verhältnis der Personen zueinander - und außerdem ist es mehr als realistisch, dass Ermittlungen eben dauern. Und es manchmal falsche Fährten gibt.

Aber die Lektüre wurde mir nie langweilig. Zu schön war es, in diese fiktive - aber doch so realistische - Welt einzutauchen. Die Sticheleien gegen weibliche Führungskräfte, unerträgliche Arroganz von Männern gegenüber Frauen - alles mehr als realistisch. Leider. Außerdem waren die Charakterzeichnungen sehr gut. Viele gebrochene Menschen, die trotzdem oder weiterhin auf der Suche nach ein wenig Glück und Zusammenhalt und Freude im Leben sind. Oder das Leben nach einem Schicksalsschlag einfach nur ertragen - wie Karen Eicken Hornby, die Ermittlerin, die ihre Chance bekommt, einen Fall als Leiterin eines Teams zu lösen - und daran fast scheitert.

Zum Schluss nimmt die Handlung richtig Fahrt auf - nach vielen Wendungen - und es gibt eine Auflösung, mit der wirklich niemand rechnen konnte. So muss Krimi.

Ich bin jetzt schon gespannt auf die weiteren Folgen!

Veröffentlicht am 27.12.2018

Scheitern Ehen an gesellschaftlichen Umbrüchen?

Fast schon ein ganzes Leben
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Birgit und Paul wachsen in der DDR auf, lernen sich während ihres Studiums der Ökonomie kennen, verlieben sich, heiraten und bekommen ein Kind.

Beide haben sehr unterschiedliche Zukunftsvorstellungen. ...

Birgit und Paul wachsen in der DDR auf, lernen sich während ihres Studiums der Ökonomie kennen, verlieben sich, heiraten und bekommen ein Kind.

Beide haben sehr unterschiedliche Zukunftsvorstellungen. Paul ist eigentlich zufrieden mit dem Leben in der DDR. Er will die bestehenden Verhältnisse verbessern - und verzweifelt in seinem Beruf in der Materialwirtschaft oft an mangelnden Lagerbeständen. Birgit dagegen will ".. schicke Klamotten. Reisen überallhin..." (S. 146). Sie will ein westliches Leben - allerdings nur aus Konsumgründen - nicht aus politischer Überzeugung. Und obwohl sie Ökonomie studiert hat, will sie beleibe nicht selbst etwas dafür tun, dass es ihr wirtschaftlich gut geht. Nein, Paul soll es richten. Er soll Karriere machen. Sie arbeitet nur halbtags. Und treibt dafür den Sohn zu schulischen Höchstleistungen an.
Diese Einstellung von Birgit hat mich - als in Westdeutschland aufgewachsene Frau - doch sehr verwundert. In Westdeutschland gab es viele solcher Frauen. Aber ich dachte immer, in der DDR wären die Frauen emanzipierter gewesen.

Im ersten Teil des Buches wird sehr anschaulich das normale Alltagsleben einer kleinen Familie zwischen Arbeit, mangelnden Konsumgütern und privatem Glück gezeigt. Danach kommt die Zeit der Wende. Und Birgit und Paul geraten in einen Konsum- und damit auch Glücksrausch. Aber als Leser wird einem schon ein wenig mulmig - schließlich weiß man, dass sich die Wünsche und Träume vieler Ex-DDR-Bürger nicht erfüllt haben. Und auch Birgit und Paul geraten in ernsthafte finanzielle Probleme. Und ihre Ehe steht vor dem Scheitern....

Die Frage könnte daher sein, ob das Paar an den gesellschaftlichen Umbrüchen gescheitert ist - oder an von Anfang an unterschiedlichen Zukunftsvisionen. Für mich persönlich waren es ganz klar die unterschiedlichen Lebensvorstellungen. Aber das kann man sicherlich unterschiedlich sehen - und diskutieren.

Mir hat die Sprache des Buches sehr gut gefallen, diese bildhafte Sprache. Und auch das episodenhafte Erzählen hat mir meist gut gefallen. Nur manchmal hatte ich das Gefühl, dass mir zwischendurch eine Episode fehlte. Und am Ende war es mir zu viel an Handlung in zu gedrängter Form.

Was mir an dem Buch nicht gefallen hat, waren die Protagonisten. Birgit als verhindertes Luxusweibchen war so gar nicht mein Fall - solche Frauen sind mir ein Graus. Und Paul? Er lässt sich von Birgit einspannen - auch nicht gerade ein Held.

Aber ob einem als Leser die Protagonisten eines Buches sympathisch sind oder nicht, ist kein Maßstab für die Qualität eines Buches.

Daher empfehle ich diesen Roman als Zeitzeugnis des alltäglichen Lebens in der DDR und in der Zeit nach der Wende.