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Veröffentlicht am 15.06.2017

Realistische und schöne Geschichte einer Freundschaft

Als wir unbesiegbar waren
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1995 liegen vier Freunde im Gras auf dem Campus eines Colleges in Bristol und philosophieren über ihre Zukunft, Die natürlich glänzend und erfolgreich sein wird. 2015 werden die vier Freunde immer noch ...

1995 liegen vier Freunde im Gras auf dem Campus eines Colleges in Bristol und philosophieren über ihre Zukunft, Die natürlich glänzend und erfolgreich sein wird. 2015 werden die vier Freunde immer noch befreundet sein - aber inzwischen wird eine Menge passiert sein.


Es wird beruflichen Erfolg und beruflichen Misserfolg gegeben haben, scheiternde Beziehungen, zuviel Alkohol und zu viel Drogen, geplante Kinder und ungeplante Kinder, Das "normale" Leben eben. Aber das werden die vier Freunde noch lernen müssen, Einfach weiterzumachen im Leben, neue Wege zu denken und neue Wege zu gehen. Und das Glück beim Gehen zu finden.


Wahrscheinlich macht jeder Mensch diese Erfahrungen im Laufe seines Lebens. Und genau deshalb ist das Buch so interessant und aufschlussreich. In irgendeiner Person wird sich jeder Leser in irgendeinem Aspekt wiederfinden. Und vielleicht beginnen, darüber nachzudenken, wie das bei ihm selbst so abgelaufen ist.


Der Schreibstil des Buches ist sehr gut, es werden viele Entwicklungen zwischen 1995 und 2015 gut erläutert (Finanzkrise, Kokain aus Partydroge usw.) und die Charaktere im Buch sind gut herausgearbeitet und vielschichtig, bei allem Klischee. Denn wer erinnert sich nicht an die schillernden Künstlerfiguren, die in der Schule eher mittelmäßig waren - aber sooo anders und sooo interessant - vor ihnen lag doch sicher ein tolles Leben - oder?


Die Auflösung gibt es im Buch.

Veröffentlicht am 02.06.2017

Gelungener Auftakt einer neuen Krimiserie aus Schottland

Tödliches Treibgut
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Jim Daley ist DI bei der Mordkommission in Glasgow/Strathclyde, Anfang 40 und so langsam fängt er an zu altern, die Pfunde setzen sich am Bauch fest und auch in seiner Ehe läuft es nicht rund.


Als Jim ...

Jim Daley ist DI bei der Mordkommission in Glasgow/Strathclyde, Anfang 40 und so langsam fängt er an zu altern, die Pfunde setzen sich am Bauch fest und auch in seiner Ehe läuft es nicht rund.


Als Jim Daley zu einem Mordfall auf einem Außenposten der Polizei von Strathclyde in den kleinen Küstenort Kinloch gerufen wird, führt dies zwar zu einer Beförderung zum DCI - aber auch zu vielen Verwicklungen - und zu einer Auseinandersetzung mit seiner Ehefrau.


Der Kriminalfall wird spannend erzählt, es gibt viele Verwicklungen, die alle gut aufgelöst werden. Lokalkolorit gibt es reichlich - und viele sehr schöne Landschaftbeschreibungen. Am liebsten würde man sofort nach Schottland reisen.
Charmant eingebettet ist das Privatleben der Ermittler. Da ist einmal der wenig glamouröse (aber sehr fähige) Jim Daley, Seine sehr komplizierte Ehe. Sein langjähriger beruflicher Weggefährte Scott. Sein mehr als furchbarer Chef, der anscheinend auch mehr als korrupt ist... jedenfalls lässt der Cliffhanger am Ende dies vermuten...



Tödliches Treibgut ist der erste Band einer Reihe um DCI Jim Daley, der jetzt auf Deutsch erschienen ist. Aufmerksam geworden bin ich auf das Buch, weil ich eine Art Vorgeschichte dazu gewonnen hatte. Diese war nur ca. 80 Seiten stark: "Die Mädchen von Strathclyde" aber perfekt gestaltet. Deshalb wollte ich dann unbedingt weiterlesen. Und ich freue mich sehr auf weitere Bände aus der Serie.

Veröffentlicht am 30.05.2017

Ein wichtiges Kapitel der Deutschen Geschichte

Montagsnächte
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Montagsnächte sind in Film und Literatur eher kein Thema. Es geht meistens um Samstagsnächte (siehe: Saturday Night Fever).


Aber für Deutschland waren die Montag-Abende sehr wichtig für den Weg zur ...

Montagsnächte sind in Film und Literatur eher kein Thema. Es geht meistens um Samstagsnächte (siehe: Saturday Night Fever).


Aber für Deutschland waren die Montag-Abende sehr wichtig für den Weg zur Wiedervereinigung. Und zwar besonders die Montag-Abende in Leipzig, wo sich kritische Bürger trafen und konstruktive Vorschläge für eine Neugestaltung der DDR trafen.


In diese Szene kommt die junge Ania, die aus einem kleinen Ort im Harz nach Leipzig zieht, um eine Ausbildung zu machen. Ania kommt aus einer DDR-konformen Familie. Vater LPG Vorsitzender, Mutter Krankenschwester. Und immer ist der Besuch der West-Verwandten schwierig. Aber Ania und ihre jüngere Schwester haben eh andere Probleme: Erste Liebe, Schule usw. Ania verliebt sich in einen Nachbarsjungen, Der ist nicht-konform. Und ihn trifft sie in Leipzig wieder. Als Freund einer guten Freundin.


Diese Dreiecks-Geschichte und die rasante Entwicklung vom Montags-Protest bis zum Zusammenbruch der DDR werden in diesem Buch sehr gut beschrieben.
Das Private wird sozusagen politisch.


Da ich selbst im tiefsten Westen der Bundesrepublik aufgewachsen bin, habe ich damals den Weg zur Wiedervereinigung zwar verfolgt. Aber richtig mitfühlen konnte ich nicht. Zu Unbekannt waren mir die Konflikte in Familie und Gesellschaft, wenn Freunde oder Kollegen in den Westen gegangen waren. Nie ist mir der Gedanke gekommen, dass dies für z.B. die Krankenhäuser in der DDR ein Drama war, wenn von einem auf den anderen Tag Ärzte und Krankenschwester fehlten.


Daher: Vielen Dank für dieses Buch, das diese Zeit wieder hat auferstehen lassen. Und bei mir ein kleines Bedauern darüber ausgelöst hat. wie wenig von den guten Ideen damals in die spätere Politik eingeflossen ist.

Veröffentlicht am 15.05.2017

Einblick in das Arbeitsleben in der Gastronomie

Sweetbitter
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Achtung: Der Klappentext der Deutschen Ausgabe führt etwas in die Irre und kann zu Enttäuschungen führen. Es geht nämlich viel weniger um Genuss und Kulinarisches als dort angedeutet - sondern mehr um ...

Achtung: Der Klappentext der Deutschen Ausgabe führt etwas in die Irre und kann zu Enttäuschungen führen. Es geht nämlich viel weniger um Genuss und Kulinarisches als dort angedeutet - sondern mehr um einen Einblick in das tägliche (Nacht) Leben der Mitarbeiter in der Gastronomie.


Also: Kein kulinarischer Roman. Aber: Ein New York Roman (wird doch immer gern gelesen). Und ein Coming-of-Age-Roman (ebenfalls beliebt). Wenn man das weiß, kann man als Leser sicherlich mehr mit dem Roman anfangen. Allerdings bleibt es für viele sicherlich trotzdem unverständlich, warum der Roman in den USA so gehypt wird. Vielleicht ist es für Amerikaner schon kulinarisch, wenn kurz über Austern und Wein geschrieben wird?


Egal. Zum Buch:
Eine junge Frau, Anfang zwanzig, kommt aus der Provinz nach New York. Hier soll endlich ihr Leben beginnen. Sie mietet ein Zimmer zur Untermiete in Brooklyn und findet mehr durch Zufall eine Stelle als Hilfskellnerin in einem der besten Restaurants New Yorks.


Sie lernt, Austern nach ihrer Herkunft zu unterscheiden. Und die verschiedenen Weine der Welt voneinander zu unterscheiden. Und sie lernt vieles an Gemüse und Salat kennen. Und die Geschmacksrichtungen. Der Name ist Programm: Vieles ist Bitter, manches ist Sweet.


Vor allem aber sucht die Protagonistin nach ihrem Platz im Leben. Nach Freunden und einer Familie. Und nach der Liebe.
Da in der Gastronomie hart und vor allem meist abends gearbeitet wird, unternimmt sie viel mit ihren Kollegen. Und natürlich verliebt sie sich in einen Kollegen. Während sich ein anderer Kollege in sie zu verlieben scheint. Aber welche Chance hat die Liebe in solch einer Situation...


Die Nächte werden lang, der Alkohol fließt in Strömen und Drogen werden auch gerne konsumiert. So taumelt die junge Frau mit ständigem Schlafmangel, ständigen Kopfschmerzen vom Rausch der letzten Nacht und vielen Aufputschmitteln durch den Tag. Und nachts geht das Ganze wieder von vorne los.


Dieses ausufernde Feiern, kombiniert mit viel Arbeit hat mich persönlich in diesem Roman angesprochen. Hat es mich doch an meine eigene Zeit Anfang zwanzig erinnert, als ich als Reiseleiterin gearbeitet habe. Und viel mit Gastro-Leuten gefeiert habe.
Wer also einmal wissen möchte, wie es hinter den Kulissen der Gastronomie aussieht - der wird hier viel erfahren.


Ansonsten sehe ich das Buch als klassischen Coming-of-Age-Roman. Die Protagonistin macht viele (auch ernüchternde) Erfahrungen




Das Buch lässt sich gut und flüssig lesen, obwohl Sprache und Stil manchmal seltsame Blüten treiben. Für mich ergaben die Gedichtform und die anderen Sprachexperimente zwischendurch wenig Sinn.
Ich weiß auch immer noch nicht, ob das Buch noch mehr zu sagen hat. Man könnte viel hineininterpretieren. Vieles wirkte so, als sollte es mit Macht zum Interpretieren anregen - statt mehr zu erzählen. Für mich war manchmal zu vieles nur angerissen. Und wurde nicht wieder aufgenommen.


Ich habe das Buch in einer Leserunde gelesen und dort ging es sehr lebhaft zu. Von kompletter Ablehnung aufgrund von zu viel Drogen, zu viel Alkohol und zu viel Sex bis hin zum großen Lob für die poetische Sprache war alles dabei.
Alleine wegen der Leserunde und der Diskussion dort hat es sich gelohnt, das Buch zu lesen,

Veröffentlicht am 17.04.2017

Subtile psychologische Spannung

Wenn das Eis bricht
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Am Anfang ist es blutig und grausam. Eine Frau wird ermordet aufgefunden, geköpft. Und der Kopf zeigt in Richtung Eingang.
Zunächst tappt das Ermittlerteam im Dunkeln, bis die Psychologin Hanne hinzugezogen ...

Am Anfang ist es blutig und grausam. Eine Frau wird ermordet aufgefunden, geköpft. Und der Kopf zeigt in Richtung Eingang.
Zunächst tappt das Ermittlerteam im Dunkeln, bis die Psychologin Hanne hinzugezogen wird. Sie hat vor 10 Jahren die Kriminalpolizei in einem ähnlichen Fall beraten.

Die Geschichte wird aus drei Perspektiven erzählt: Da ist Hanne, die Psychologin, die nur beratend bei der Kriminalpolizei eingesetzt wird. Sie leidet im Anfangsstadium unter Demenz und hat Angst, wie diese Krankheit ihr Leben bestimmen wird. Aber zunächst analysiert sie ihr Leben und trifft weitreichende Entscheidungen. Dazu gehört auch die Analyse ihrer früheren Beziehung zu Peter, einem der Ermittler, er bildet die zweite Perspektive. Peter ist ein schwieriger Mensch, recht unsympathisch. Er kümmert sich kaum um seinen Sohn und hat bisher alle Beziehungen mit Frauen in den Sand gesetzt. Die dritte Perspektive stammt von Emma, einer jungen Frau, die in einem Geschäft arbeitet, das zu der Modehauskette gehört, die von dem Besitzer des Hauses geleitet wurde, in dem das Mordopfer aufgefunden wurde. Ist Emma die ermordete Frau? Oder jemand anders?

Sehr subtil und ruhig schreitet die Handlung voran. Es gibt kein weiteres Blutvergiessen, keine Gewalt - nur Rückblicke in die Vergangenheit und Einblicke ins Gefühlsleben der drei Personen, die erzählen. Und erst zum Schluss kommt es zum spannenden Finale.

Zugegebenermaßen hatte ich etwas Angst, als ich das Buch sah: Fast 600 Seiten - und ein Psychothriller. Ich hatte Angst vor viel Blutvergießen. Aber die Spannung ist wirklich rein psychologisch. Und wird durch den Perspektivenwechsel gesteigert. Die einzelnen Abschnitte sind lang genug, um sich in die einzelnen Personen einfühlen zu können. Und die Wechsel sind gut gemacht, so dass man als Leser nicht den Überblick verliert.

Ich habe das Buch in knapp zwei Tagen ausgelesen, weil mich die Geschichte und der Spannungsaufbau gefesselt haben. Für alle Fans von skandinavischen Krimis sehr zu empfehlen.