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Veröffentlicht am 26.04.2024

Highlight

Demon Copperhead
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Demon Copperhead – Barbara Kingsolver
Im Nachwort schreibt die Autorin selbst, dass sie diesen Roman als Adaption von Charles Dickens‘ „David Copperfield“ geschrieben hat. Und das ist ihr ganz hervorragend ...

Demon Copperhead – Barbara Kingsolver
Im Nachwort schreibt die Autorin selbst, dass sie diesen Roman als Adaption von Charles Dickens‘ „David Copperfield“ geschrieben hat. Und das ist ihr ganz hervorragend gelungen! Zwar hat sie die Handlung von London in die Wälder Virginias verlegt und vom 19. Jahrhundert in die aktuelle Zeit transportiert. Das verstärkt jedoch die Wirkung bloß noch: Denn damals wie heute, hier wie dort, sind die Sorgen und Nöte eines (Halb-)Waisenkindes fast identisch.
In einem hinterwäldlerischen Trailerpark kommt Demon als Kind einer drogenabhängigen Teenie-Mutter zur Welt, der Vater bereits vor seiner Geburt verstorben. Vom ersten Moment an scheint das Leben gegen Demon zu sein. Nichts ist selbstverständlich, laufend wirft es ihm weitere Knüppel zwischen die Beine. Diverse Pflegefamilien, Armut und Drogensucht sind nur einige der „Widrigkeiten“, die ihn die nächsten Jahre begleiten werden.
Oftmals ist Demons Schicksal hart zu lesen. Allerdings hat man den kämpferischen rothaarigen Jungen schnell ins Herz geschlossen. Beinahe unbekümmert und mit kindlicher Naivität lässt er die Leser an seiner Geschichte teilhaben. Seine Kämpfernatur und sein Überlebenswille sind bewundernswert.
Thematisch würde ich den Roman ein wenig in zwei Teile einordnen. Demons Kindheit ist geprägt von verschiedensten Pflegefamilien und sonstiger Unterbringung durch staatliche Stellen. An diesen wird kaum ein gutes Haar gelassen. Demon fühlt sich unverstanden und abgeschoben. Später kommt ein weiteres ganz großes Thema dazu: der Opioidkrise durch verschreibungspflichtige Medikamente. Wichtig und spannend.
Es ist macht betroffen und berührt, Demon und seinen Wegbegleitern zu folgen. Die Startschwierigkeiten von Kindern aus schwierigen sozialen Verhältnissen sind auch heute noch und überall auf der Welt immens. Diese Tatsache führt dieser Roman deutlich vor Augen.
Dieser moderne David Copperfield strotzt wie das Original, nur so vor Sozialkritik und ist dabei absolut fesselnd und unterhaltsam zu lesen. Mit Demon hat Barbara Kingsolver einen jungen Protagonisten geschaffen, der mir vermutlich für immer im Gedächtnis bleiben wird. Ganz große Klasse! Natürlich 5 Sterne.

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Veröffentlicht am 15.04.2024

Abschluss der Glocken-Trilogie

Astrids Vermächtnis
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Astrids Vermächtnis – Lars Mytting
Dies ist der wunderbare Abschluss der Trilogie um die Schwester-Glocken im norwegischen Butangen. Unglaublich spannend und atmosphärisch erschafft Mytting eine Saga, ...

Astrids Vermächtnis – Lars Mytting
Dies ist der wunderbare Abschluss der Trilogie um die Schwester-Glocken im norwegischen Butangen. Unglaublich spannend und atmosphärisch erschafft Mytting eine Saga, die Jahrhunderte umfasst. Er erzählt vom einfachen Leben zwischen Aberglauben und überlieferten Sagen, von vielen starken Frauenfiguren, die ihrer Zeit weit voraus waren, der Übermacht der Natur und immer wieder von den beiden Schwester-Glocken.
Zweifellos ist dies ein grandioses Leseerlebnis. Allerdings sollte man die Bücher in der richtigen Reihenfolge lesen, um das Erzählte richtig einordnen zu können.
Das norwegische Tal ist weiterhin ganz langsam auf dem Weg in die Moderne, als es zwischen den Jahren 1936 bis 1945 durch den Krieg ausgebremst wird. Eine der beiden Glocken hängt in der alten Stabkirche in Dresden; die Deutschen haben es auf das zweite Exemplar abgesehen, wohingegen die Familie Hekne sowie der Pfarrer Butangens auf eine Heimkehr der Glocke hoffen.
Der Autor Lars Mytting hat ein unglaubliches Erzähltalent. Ich bin vollkommen begeistert von seinem Werk! Er schildert Lebensumstände, Sorgen und Nöte dieser einfachen Leute so eindringlich und dabei so literarisch brillant. Dabei hält er immer eine gewisse Distanz zu seinen Figuren und wird niemals kitschig – eher im Gegenteil. Gerade der Dorfpfarrer ist eine zentrale Figur, die schon vom ersten Teil an durchgehend dabei ist und alles zusammenhält. Ein „Zugezogener“, der sich den Respekt seiner Schäfchen erst verdienen musste. Er hat einen ganz besonderen Blick auf alles, was so vor sich geht. So begleitet er das Dorf auf seinem Weg zwischen Traditionen und (Aber-)glaube und langsamen Fortschritt. Dann noch die Geschichte um die Schwesterglocken und den Wandteppich der Hekne-Schwestern macht diese Trilogie zu einem sehr dichten, tiefgründigen, geradezu monumentalen Werk. Fesselnd und berührend, einfach grandios!
Ganz klare 5 Sterne! Hoffentlich kommt von diesem Autor noch mehr!


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Veröffentlicht am 07.04.2024

Teagan und Aaron

Soul Searching
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Teagon und Aaron
Bei diesem Titel bin ich tatsächlich etwas zwiegespalten. Denn hier wimmelt es nur so vor lauter Problemen und Traumata. Ich fand die Geschichte damit etwas überladen und es war einfach ...

Teagon und Aaron
Bei diesem Titel bin ich tatsächlich etwas zwiegespalten. Denn hier wimmelt es nur so vor lauter Problemen und Traumata. Ich fand die Geschichte damit etwas überladen und es war einfach etwas zuviel des Guten. Wobei mich besonders eines von Teagons "Problemen" sehr interessiert hätte. Aber irgendwie ging das im Wust der Schwierigkeiten beinahe etwas unter. Und das Happy End war dann schon recht einfach und unglaubwürdig. So läuft das halt nicht im echten Leben.
Ansonsten eine schöne Liebesgeschichte!
3 Sterne

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Veröffentlicht am 06.04.2024

Kehrseite des amerikanischen Traumes

Hotel Amerika
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Hotel Amerika – Maria Leitner
Einen Tag in einem New Yorker Luxushotel in den vierziger Jahren beschreibt die von Reclam wieder entdeckte und neu herausgegebene Autorin Maria Leitner.
Eine große Hochzeit ...

Hotel Amerika – Maria Leitner
Einen Tag in einem New Yorker Luxushotel in den vierziger Jahren beschreibt die von Reclam wieder entdeckte und neu herausgegebene Autorin Maria Leitner.
Eine große Hochzeit steht an und die Vorbereitungen im Hotel laufen auf Hochtouren. Unter anderem lernen wir die irische Wäscherin Shirley, das schwedische Zimmermädchen Ingrid und den deutschen Küchenjungen Fritz kennen.
Maria Leitners Intention ist klar erkennbar. Sie wirft etliche soziale Fragen auf und ist damit vermutlich ihrer Zeit weit voraus. Gerade die Arbeitsbedingungen und die soziale Ungleichheit prangert sie an. Der berühmte amerikanische Traum funktioniert nur für einige wenige; die meisten schaffen es niemals aus ihrem Hamsterrad und wenn überhaupt, dann nur auf Kosten anderer.
Wie gesagt, die Aussage ist eindeutig und gerade auch durch die im Anhang gelieferten Informationen zum bewegten Leben der Autorin besonders interessant. Sowieso finde ich diese neu erschienene Hardcover-Ausgabe aus der Reihe „Reclams Klassikerinnen“ wunderschön.
Weniger begeistert war ich tatsächlich von der sprachlichen und erzählerischen Qualität des Romans. Sprache und Dialoge sind genauso wie die Figurenzeichnung arg einfach und eindimensional gehalten. Ein bisschen mehr Rafinesse wäre hier wünschenswert gewesen. Humor sucht man ebenfalls vergebens. Es ist schade, weil die Figuren und die Geschichte dadurch unnötig blass und nichtssagend bleiben.
3 Sterne.

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Veröffentlicht am 29.03.2024

Das Hausmädchen

Mein Name ist Estela
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Mein Name ist Estela – Alia Trabucco Zeran
Nachdem sie sehr lange kaum etwas zu sagen hatte, spricht Estela nun, erzählt ihre Geschichte als Hausmädchen einer reichen Familie. Berichtet von der unüberwindbaren ...

Mein Name ist Estela – Alia Trabucco Zeran
Nachdem sie sehr lange kaum etwas zu sagen hatte, spricht Estela nun, erzählt ihre Geschichte als Hausmädchen einer reichen Familie. Berichtet von der unüberwindbaren gesellschaftlichen Kluft zwischen ihr und ihren Arbeitgebern, der gegenseitigen Abneigung, ja Abscheu – und von ihrer Einsamkeit in diesem fremden Haushalt. Sie erzählt von vielen kleinen Begebenheiten, tausend Nadelstichen und davon, wie es letztendlich zum Tod des kleinen Mädchens kommen konnte, das sie sieben Jahre lang aufgezogen hat.
Wir erfahren nur Estelas Perspektive, des stillen chilenischen Hausmädchens. Die Tragödie ist passiert und Estela stellt ihre Sicht der Dinge dar. Das geschieht in einem angenehmen Plauderton, wobei der Leser oft direkt angesprochen wird.
Die Klassenunterschiede sind zementiert. Gleichzeitig befindet Estela sich rund um die Uhr in der Familie und wird Zeuge intimsten Familienlebens, das in den eigenen vier Wänden alles andere als perfekt ist.
Es ist eine spannende Erzählweise. In Umwegen berichtet Estela sehr ausführlich, aber niemals langweilig von ihren Jahren als Haumädchen der Familie. Da der Tod des Mädchens von Anfang an bekannt ist, jedoch nicht das Wie oder Warum, meint man als Leser immer wieder eine fatale Entwicklung vorauszuahnen – meistens falsch. Ein bisschen führt einen Estela damit an der Nase herum, aber es ist eine wirklich kurzweilige Leseerfahrung. Und es steckt ja soviel mehr in diesem Text, als „nur“ die Aufklärung des Todes. Es ist ein Psychogramm der chilenischen Gesellschaftsordnung. Ein Thema, mit dem ich mich bisher nicht auseinandergesetzt habe.
Spannend und tiefgründig – äußerst lesenswert! 5 Sterne.

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