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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.03.2024

August

Zitronen
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Zitronen – Valerie Fritsch
Anders als der Titel das erwarten lässt, ist dies ein außergewöhnlich düsterer Roman mit nur ganz wenigen positiven Szenen. Überhaupt wirken diese Szenen in denen Zitronen vorkommen, ...

Zitronen – Valerie Fritsch
Anders als der Titel das erwarten lässt, ist dies ein außergewöhnlich düsterer Roman mit nur ganz wenigen positiven Szenen. Überhaupt wirken diese Szenen in denen Zitronen vorkommen, eher gezwungen, wie als ob man den Titel rechtfertigen wollte. Keine Ahnung warum man sich da nicht einfach was anderes einfallen hat lassen…
August Drach hat eine sehr schwierige Kindheit. Kaum ist der prügelnde Vater weg, perfektioniert die psychisch labile Mutter ihr bereits bestehendes Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom. Sie mischt dem Sohn Tabletten ins Essen und sorgt dafür, dass er krank ist und bleibt. Sie selbst sonnt sich im Mitleid und der Bewunderung ihres Umfelds.
Dieses erste Drittel, das Augusts Kindheit behandelt, fand ich ganz große Klasse. Denn neben dem extrem spannenden Thema, erzählt Valerie Fritsch in einer genialen Sprache. Sehr klar und pointiert, dennoch poetisch, sagt sie unheimlich viel mit wenigen Worten. Da gibt es unzählige tolle Stellen, die man sich am liebsten notieren möchte. Durch eine gewisse Distanz, schlägt die unbegreifliche Handlung nur umso stärker ein.
Sprachlich bleibt dieser Roman durchgehend ganz wunderbar, leider kann er aber inhaltlich sein Niveau nicht immer halten. So gibt es einen Mittelteil, der mich kaum berührt hat, wohingegen der Schlussteil mich wieder mit der Geschichte versöhnt hat. August wird erwachsen und bemüht sich nach Kräften seine Mutter und seine Kindheit hinter sich zu lassen. Klar, dass das so einfach nicht ist.
Es ist ein schwieriges Thema und die Autorin macht es einem nicht immer leicht. Das Weltbild ist generell sehr düster und Gewalt spielt eine große Rolle in diesem Buch. Wie beiläufig werden verschwundene Kinder, häusliche Gewalttaten etc. quasi im Nebensatz erwähnt.
Im Endeffekt geht es in diesem Roman darum, wie sehr Erlebnisse in der Kindheit einen Menschen prägen und wie wenig es einem möglich ist, sich vollständig davon zu lösen. Zudem ist dies eines jener Bücher, die beinahe komplett ohne einen einzig sympathischen Protagonisten auskommen. Zu groß ist hier entweder die Distanz, oder zu eklatant die Störung der Persönlichkeit. Man kommt aus dem Kopfschütteln kaum heraus angesichts der ungeheuerlichen Begebenheiten. Oftmals übertreibt es die Autorin auch und wird kitschig bzw. unglaubwürdig. Auf jeden Fall ist dieser Roman eindringlich und intensiv. Aber, wie gesagt, er hat auch seine Durchhänger.
Insgesamt kann der Inhalt nicht ganz mit der Sprache mithalten. Zwischendurch war ich gelangweilt und auch genervt. Dennoch hat diese beeindruckende Geschichte einen starken Eindruck hinterlassen, hat mich nicht kalt gelassen.
Deswegen, trotz aller Kritikpunkte – 4 Sterne

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Veröffentlicht am 13.03.2024

Die Barnes

Der Stich der Biene
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Der Stich der Biene – Paul Murray
Das Autohaus der Familie Barnes läuft nicht mehr und das liegt nicht nur an der allgemeinen wirtschaftlichen Krise. Vater Dickie steckt jedoch lieber den Kopf in den Sand ...

Der Stich der Biene – Paul Murray
Das Autohaus der Familie Barnes läuft nicht mehr und das liegt nicht nur an der allgemeinen wirtschaftlichen Krise. Vater Dickie steckt jedoch lieber den Kopf in den Sand und schickt sich an, einen Bunker im Wald zu bauen um für die möglicherweise drohende Apokalypse vorbereitet zu sein. Der Niedergang der Firma hat aber auch Auswirkungen auf den Rest der Familie. Mutter Imelda, die hart am Statusverlust zu knabbern hat, Tochter Cass, die mit typischen Teenager-Problemen zu kämpfen hat und bereits in den Startlöchern steht, das Chaos hinter sich zu lassen und ein eigenes Leben zu beginnen. Und dann ist da noch Sohn PJ, der irgendwie zwischen allen Fronten steht und dennoch kaum wahrgenommen wird.
Murray zeichnet ein umfassendes Bild dieser irischen Familie Barnes. Nicht nur in der Gegenwart, sondern er geht auch ein Stück weit zurück in die Vergangenheit und in die Kindheit der Eltern. So entsteht ein vielschichtiges, verschlungenes Porträt dieser Familie. Und es ist so einiges, was die einzelnen Familienmitglieder erleben – kein Wunder bei 700 Seiten!
Alle Figuren bekommen genug Platz um ihre eigene Sichtweise der Geschehnisse zu erzählen. Das ist gut, denn es zeigt unterschiedliche Perspektiven und rundet das Gesamtbild erst ab. Außerdem hilft es auch dabei, beispielsweise die Beziehung zwischen Imelda und Dickie zu verstehen und deren Reaktionen und Verhaltensweisen.
Sprachlich ist dieser Roman teilweise etwas speziell. Imeldas Abschnitte sind beispielsweise ohne Satzzeichen geschrieben, auch Gänsefüßchen bei wörtlichen Reden fehlen komplett. Mich persönlich hat das hier aber überhaupt nicht gestört. Satzanfänge sind mit Großbuchstaben erkennbar und habe mich problemlos zurechtgefunden, auch wenn mir der Grund für diese Stilmittel nicht klar wurde.
Der Autor hat ein hervorragendes Gespür für seine Figuren. Ob es sich um ein Teenie-Mädchen handelt oder um die Midlife-Crisis von Dickie – der Erzählstil ist immer absolut authentisch und empathisch. Die Barnes werden durch etliche Höhen und Tiefen begleitet und es menschelt ganz gewaltig. Denn alle Figuren haben ihre Fehler und trotzdem wachsen sie einem ans Herz.
Trotz seiner beträchtlichen Länge wird dieser moderne Familienroman niemals langweilig. Es ist spannend und es ist tragik-komisch, wobei das Drama deutlich überwiegt. Es ist das echte Leben, obwohl man schon den Eindruck bekommt, als bliebe dieser Familie nichts erspart.
Ich habe mich köstlich amüsiert und ordentlich mitgefiebert! 5 Sterne

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Veröffentlicht am 07.03.2024

Jimmy und Tristan

Der ehrliche Finder
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Der ehrliche Finder – Lize Spit
Für mich ist dieser neue Roman der Autorin Lize Spit ein wenig kurz geraten mit gerade mal 125 Seiten. Davon abgesehen ist ihr wieder eine berührende Geschichte gelungen.
Jimmy ...

Der ehrliche Finder – Lize Spit
Für mich ist dieser neue Roman der Autorin Lize Spit ein wenig kurz geraten mit gerade mal 125 Seiten. Davon abgesehen ist ihr wieder eine berührende Geschichte gelungen.
Jimmy ist ein Einzelgänger und freut sich als er mit dem Flüchtlingskind Tristan aus dem Kosovo endlich einen Freund findet. Er hilft ihm und unterstützt ihn und seine große Familie. Es ist jedoch eine etwas seltsame Freundschaft, die da entsteht. Es fehlt die Augenhöhe und irgendwo auch das Verständnis Jimmys gegenüber dem von Krieg und Flucht traumatisierten Tristan – allerdings kann man das von einem Kind auch nicht erwarten. Die Geschichte behandelt also aktuelle und wichtige Themen wie eben Flucht und Krieg, leben in der Fremde und Asyl – mehr oder weniger aus der Sicht von Kindern. Da sind berührende und beklemmende Situationen dabei, die Jimmy im Prinzip gar nicht einordnen kann – der Leser aber schon. Und wie das bei Lize Spit immer so ist, spürt man irgendwann, dass sich im Hintergrund ein Unheil zusammenbraut, das einschlägt wie eine Bombe.
Sprachlich ist die Autorin betont klar und deutlich. Da gibt es nichts misszuverstehen. Außerdem passt das zu den kindlichen Protagonisten.
So ist dies eine packende Geschichte, die ich mir nur etwas länger gewünscht hätte um die Figuren besser kennenzulernen, beispielsweise auch Jimmys Familie, die sehr im Dunkeln bleibt. Trotz der Kürze und der eher schlichten Sprache entwickelt sich doch eine feine psychologische Tiefe. Sehr interessant.
4 Sterne.

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Veröffentlicht am 01.03.2024

Einfallsreich

Gras
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Gras – Bernhard Kegel
Diesen Roman würde ich irgendwo zwischen Wissenschaftsthriller und Dystopie einsortieren. Auf jeden Fall ist es ein extrem spannendes Setting.
Die Geschichte wird in zwei Handlungssträngen ...

Gras – Bernhard Kegel
Diesen Roman würde ich irgendwo zwischen Wissenschaftsthriller und Dystopie einsortieren. Auf jeden Fall ist es ein extrem spannendes Setting.
Die Geschichte wird in zwei Handlungssträngen erzählt, die beide in naher Zukunft liegen. Mitten in Berlin taucht ein bisher unbekanntes Gras auf, das zuerst niemandem auffällt. Durch sein rasantes Wachstum und die schnelle Verbreitung ist es jedoch bald nicht mehr zu übersehen. Die Neugier der Biologin Natalie ist geweckt, will sie doch unbedingt herausfinden, was es mit diesem Gras auf sich hat. Ist es eine Laune der Natur oder menschengemacht? Berlin befindet sich bald in einer monumentalen Krise, denn das Gras legt den Verkehr lahm und sorgt damit für allerlei Probleme. Es scheint nicht zu stoppen zu sein. Im zweiten Handlungsstrang vier Jahre später beschäftigt Natalie sich mit den Auswirkungen und der Entwicklung der „Gras-Invasion“, kämpft darüber hinaus aber auch um ihre eigene Sicherheit und nicht zuletzt ihr Leben.
Wie ich finde ist das eine faszinierende Ausgangssituation. Auch die Umsetzung fand ich recht interessant. Gerade der erste Handlungsstrang liest sich sehr wie ein Wissenschaftsthriller, während das Berlin „nach dem Gras“ dystopisch anmutet. Sprachlich ist es jetzt nicht der größte Wurf, aber in Ordnung. Überhaupt war es mir an manchen Stellen fast zu actionlastig. Man muss es als Unterhaltungsliteratur lesen, dann funktioniert das. Es ist spannend und teilweise auch etwas verrückt (ein Mammutbaby – ernsthaft?), aber es ist durchaus schlüssig erklärt.
Eine fesselnde und unterhaltsame Lektüre, die ich sehr gerne gelesen habe. 4 Sterne.

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Veröffentlicht am 25.02.2024

Potential verschenkt

Oben in den Wäldern
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Oben in den Wäldern – Daniel Mason
Dieses Werk hat mich leider sehr zwiegespalten zurückgelassen. Das erste Drittel ist absolut wunderbar, dafür reichen eigentlich fünf Sterne nicht. Denn der Autor zeigt ...

Oben in den Wäldern – Daniel Mason
Dieses Werk hat mich leider sehr zwiegespalten zurückgelassen. Das erste Drittel ist absolut wunderbar, dafür reichen eigentlich fünf Sterne nicht. Denn der Autor zeigt hier so richtig was er kann und Schreiben kann er, das ist ganz unglaublich. Das Buch ist jedoch eher eine Aneinanderreihung von Geschichten und Texten. Nach dem ersten Drittel gibt es leider einen Bruch und es wird ein wenig langatmig, bzw. hat mich einfach weniger angesprochen. Im weiteren Verlauf spielen zunehmend spirituelle Merkmale eine große Rolle und das Ganze entwickelt sich eher in Richtung Grusel-/Geistergeschichte. Das habe ich nicht kommen sehen und war ehrlicherweise entsetzt darüber. Auch das Frauenbild wird immer fragwürdiger.
Im Mittelpunkt dieses opulenten Romans steht ein Haus. Ein abgelegenes Häuschen in den Wäldern Massachusetts. Über viele Jahre kommen und gehen die Bewohner. Mason erzählt von dem Soldaten, der eine Apfelplantage aus dem Boden stampfte, von seinen Töchtern, Zwillingen, die ihr ganzes Leben an diesem Ort verbringen. Von einem liebeskranken Maler und noch von so vielen Menschen mehr, deren Zuflucht dieses Haus oben in den Wäldern ist. Die Entwicklung des Hauses über die Jahrhunderte, sowie die Beständigkeit der Natur im Gegensatz zur Bedeutungslosigkeit des Menschen, sind wunderbar atmosphärisch ausgearbeitet.
Elegant und atmosphärisch ist der Schreibstil Masons und dabei sehr klug. Mühelos beschreibt er stilvoll die unterschiedlichen Charaktere und die sie umgebende, dominante Natur. Auch die amerikanische Geschichte spielt immer wieder eine große Rolle. Angefangen bei den Siedlerbewegungen und Indianerkonflikten bis hin zu den Rassenunruhen – all das spielt im Hintergrund eine Rolle, auch wenn praktisch keine Jahreszahlen genannt werden. Es ist ein anspruchsvoller Erzählstil mit vielen Anspielungen und detaillierten Naturbeschreibungen. Es wird ganz deutlich, dass diese überwältigende, zum Großteil noch unberührte Natur, soviel größer und mächtiger ist als der Mensch.
Das Haus und die Natur sind das verbindende Element für die ganz unterschiedlichen Geschichten, die in der Geschichte des Hauses immer wieder zusammentreffen. Ergänzt werden diese noch durch informative Texte zu Themen wie Obstbaumschnitt, Schafzucht, Baumschädlinge, Balladen, Gedichte und künstlerische Bilder. Dadurch entsteht schon etwas Unruhe. Ein einheitlicher Roman ist das nicht.
Wie eingangs bereits erwähnt, finde ich den Erzählstil von Daniel Mason ganz große Klasse. Die Fragmentartigkeit dieses Werks und insbesondere die inhaltliche Richtung, die es (ohne Not!) einschlägt, mochte ich jedoch leider gar nicht. Was hat er sich nur dabei gedacht, aus dieser tollen Idee eine Geistergeschichte zu machen? Gerade die zweite Hälfte dieses Romans habe ich kopfschüttelnd zugebracht. Wie schade!
Leider nur 3 Sterne.

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