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Veröffentlicht am 22.02.2020

Alice 2020 reloaded by Chess ©️Stella Tack

Night of Crowns, Band 1 - Spiel um dein Schicksal
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Eine Remis inkl. dramatischem Cliffhanger um 2 rivalisierende Internatshäuser mit Todesfluch + X(-Men) Faktor eines Schachspiels Vers. 2.0

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+++ ENTHÄLT SPOILER +++

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Eine Remis inkl. dramatischem Cliffhanger um 2 rivalisierende Internatshäuser mit Todesfluch + X(-Men) Faktor eines Schachspiels Vers. 2.0

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+++ ENTHÄLT SPOILER +++

Die 17jährige Highschool-Schülerin und Cheerleader Alice Salt gerät zwischen die Fronten einer unausweichlichen Schachpartie – die sich seit drei Jahrhunderten alle 30 Jahre festreglementiert wiederholt, und, in der Jäger mit den Gejagten alle 24 Stunden die Rollen tauschen. (K)ein Spiel mit steintoten Folgen: unter Fluch fließt Blut und es drohen sich nach und nach alle 32 Mitspieler zweier rivalisierender Eliteinternate gegenseitig in marmorne Statuen zu verwandeln. Ob Gut oder Böse – egal, denn der Tod ist hier immer Gewinner.
Für welche s/w Seite soll Alice, die einer seltenen Ahnenlinie entstammt, sich nur entscheiden? Hat sie überhaupt eine Wahl, oder wird sie ihr Legat antreten, um sie alle zu erlösen? Jedoch muß erst mal verstanden werden, wie der Hase... die Kampftechniken, der Kriegsbann mit all seinen Strategien, Magie, Intrigen, Kater, Hirnwäsche und 'Liebe'?... ablaufen, vor was Visionen aus der Vergangenheit warnen.
Doch wenn der Wahnsinn zum Zuhause wird und die Hölle Sinn ergibt, kann es dann überhaupt noch Rettung aus diesem Schicksalsspiel geben?

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Welcher verquere (Alb)Traum hat STELLA TACK denn die Idee zu diesem Reboot von „Alice hinter den Spiegeln“ eingeflöst? Verstörende Reime und massig Spinnen, unsichtbar und doch da, welche die Protagonistin plötzlich überall hin begleiten und in die Krise treiben, die neue Art des Stalkings oder nur ominöse Vorboten? Könnte J.R.R. Tolkien bei der Autorin ein gehöriges Kindheitstrauma ausgelöst haben und diese phobische Nachtmahr fand nun endlich Aufarbeitung? Aber das ist noch das kleinste Übel...

Wer voller Spannung Schach-auf-ex oder ein Schachnovellen-Relaunch erwartet, ist fehlgeleitet, denn das Buch mit dieser Geschichte einer modernisierten Adaption des „Alice im Wunderland“-Nachfolgebandes wird hier als Alice-im-Schachwald-auf-Internatsgelände remixed und ganz neu aufgeschlagen. Auch mit dem Spieleklassiker aus dem 15.Jahrhundert hat es nur mehr sehr wenig zu tun.

Sehr vergnüglich hat sich die Autorin aus Carrolls Original bedient, sich nicht nur an dessen Motiven vergriffen, (oder doch eher danach ge-griffen?,) sondern sich zudem die inspirierendsten Pattern rausgepickt aus u.a. Die Tribute von Panem, The Twilight Saga, X-Men und Kollegen, HP & Co. – und dennoch, zu einem ganz eigenen Urban-Romantic-Fantasy-Gespinst für Jugendliche gesponnen. Hat sie damit wirklich gewonnen oder zuviel verloren?

Who the f^^k is Alice? (um es mal im Jargon der Autorin auf den Punkt zu bringen.) Hier wird sie nicht lange weißer Bauer bleiben wie im Urspungswerk. Denn als 33. Spielfigur, sog. Slave, ist sie bisher nur ein bemunkeltes Gerücht und einmalig (?). Eine unbekannte Variable in einem verfluchten Battle zwischen den amerikanischen, jahrhuntertealten Internatsfesten Chesterfield und St. Burrington, die abgeschirmt und geheimnisvoll in einem großen Waldgebiet, abseits der nächsten Stadt, liegen. Jeder der beiden Könige will Alice für sich – als Joker oder Ass im Ärmel oder eher Marionette in seinem eigenen Spiel. Ein Mädchen der besonderen Art, das Wunder, das es nicht geben dürfte, die einzige aNormale in diesem verrückten Spiel, zwischen zwei Seiten der Macht, nein, Farbe – und Jungs? eine Ménage-à-(trente-)trois?

Stella Tack präsentiert der Leserschaft mit Vincent Chesterfield (dem Weißen König und Schulsprecher) einen gebrochenen, berechnenden, düsteren, gedankenbeherrschenden „Traum in blond“, und, mit Jackson St. Burrington (Schwarzer König) zwar keinen Heiligen, aber anbetungswürdig trotz dunkler Magie und (Zigaretten)Rauch, bitter, kuchensüß, und kussecht.
Schnurrendes HIGHLIGHT: kuschelweisser Kater CURSE, der in die Fußstapfen, nope, in die Pfotenabdrücke des Katers Salem [aus der TV-Serie Sabrina–total verhext] zu treteln scheint, aber mit seinen witzigen Bonmots nebst Mentorhilfe Alice schlagfertig wie ein guter Freund auftritt, der viele Geheimnisse hegt, nicht mit allen noch über alles spricht, trotz dunklem, undurchsichtigen Schatten viel sympathischer als die Grinsekatze.

Interessant gezeichnete Gegensätze der Schachdamen:
REGINA weiße aber giftige Queen mit verhärterter, dunkler Seele;
ISOLDE/Issy, die schwarze Königin, mit Gegengift und herzlicher Fürsorge.
Ansonsten: Ein kleiner, individueller Charakterenfächer vieler Schüler der mit der Übersicht im hinteren Buchinnenfaltdeckel dieselbige behält. Jedem ist eine ganz besondere Schachfigur mit außergewöhnlichen Eigenschaften wie coolen Spezialkräften zugeordnet (vom Gestaltwandler, über den Unsichtbaren bis hin zum Elitesoldaten und und und). Mit manch einer tiefergreifenden Persönlichkeitsskizze gelingt es sogar einzelnen Internatsinsassen sporadisch zu berühren.

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Dem ersten Drittel fehlt ein wenig Zug. Was von Alice gehalten werden soll, ambivalent, denn teilweise mag man sie, streckenweise entsetzte mich ihr unreifes, ja naives Verhalten. Da ist dieses bewunderswerte Herausbrechen, dieser energische Tatkraft-Aufschwung einer selbstbewußt mutig werdenden und entschiedenen Frau, der: ‚ich-hole-mir-mein-Leben-endlich-zurück‘-Alice. DA wird sie ganz groß – um flugs wieder zu schrumpfen. Wie im Original eben – oder unbeabsichtig? Was auch total am Anfang verwunderte: ihre "BadumBadum"-(Herzschlaggefühl)-Ignoranz und Hinwendung zur "Tinnitus"-Verblendung (in Anführungszeichen Buchzitate).
Negativ mit welcher Selbstverständlichkeit vom Morden gesprochen wird und Alice all das so für gegeben hinnimmt, voller Bereitschaft, ohne jegliche Widerworte - wir reden hier von Menschen!, keine zu vernichtenden Ungeheuern; auch sie sind vom Fluch betroffen, gefangene Opfer des gleichen Schicksals – in einem Zusammen nach Lösungen zu suchen gibt es nicht. Kein Aufbegehr – dafür schmachtVerzehr nach blondiertem "Venusfliegenfalle-Hirnparasit" wegen Gedankenmanipulation, selbstständiges Überlegen und Orientierung fällt da natürlich schwer. Die Entwicklung zu einer Frau mit Köpfchen, die nach Lösungen sucht, um etwas aktiv zu verändern, eine an Stärke gewinnendes junges großes Mädchen, die sich selbst treu bleibt - erhält man nicht, welch Enttäuschung daß dieser Dämmerschlaf-Prozess sich einfach viel zu lange hinzieht.
Im Folgenden pendelt Alice nur mehr als Spielfigur vom einen, dann im Spielfigur-FarbWechsel zum anderen, und zwischendurch herrscht ein nicht nachvollziehbares Rumgezicke im Wutmodus (ab Mitte des Buches), eine Haltung, die sich weigert die ernst, traurige Tragweite zu verstehen, seltsam unvernünfig, unbedacht, empathielos. Ganz anders wie die Alice vom Anfang. Im bewegenden Cliffhanger ist die starke Alice wieder zurück und richtet endlich ihre Prioritäten.

Verrückt, oder simpel: die philosophische Frage von Wahrnehmung und Erkenntnis. Vieles nicht für Alice (oder , schade, viel zu spät, erst ganz am Ende), aber für den Leser vorhersehbar und bereits offensichtlich mit der Aktion, als Vince sie in den Schlaf per geistigem Befehl schickt. Deutlicher könnte es über den weiteren Zeitraum hinweg die Autorin doch gar nicht verklickern (Nebel, Migräne, Nadelstiche u. Watte im Hirn, Sirren im Ohr...).
Und das hat Stella Tack immens gut drauf: hervorragend wie sie diese ganz besonderen Trans shif-Momente zu beschreiben und einzufangen vermag, Augenblicke, (vergleichbar mit dem Überziehen des einen Ringes,) diese Sphären/Atmosphären-Verschiebung und Veränderung, dieses Eintauchen in aufziehende Kälte/Dunst/Bedrohlichkeit/Verdüsterung in teils Matrix-die Welt steht still-/Zeitverzögerungs-Stil.

Mittels geschickt eingewobenen Traumvisionen aus der Vergangenheit, in denen Alice in die Rolle einer Madelyn versetzt wird und Madelyn selbst direkten Kontakt mit Alice sucht, führt die Autorin das damalige Geschehen rund um die Entstehungsgeschichte des Blutfluches und der Sklaven eindrücklich aus, um ihr als Warnung und Wegweiser zu fungieren.

Es tritt zwar schon ein kurzes, prägnantes Aufmerken, ein Erkennen, auf, doch bleibt Alice nicht bei sich, sondern verfällt wieder in "Kopfschmerz"-Schema-F, und daß sie hier nicht entwachsen kann, hemmt enorm ihr Potential. Es stagniert als ledigliche Wahrnehmung, ohne wirklich wertendem Bewußtsein.
So unausgewogen und gleichgewichtslos wie Alices Charakter und Gebaren wirken, so verhält es sich bedauerlicherweise auch mit dem SPRACHSTIL. Dies spiegelt sich dort einerseits zwar lobenswert durch spritzige und schlagfertige Beschreibungen, andererseits aber sabotierend in maßlosen Wortwiederholungen und der einfachen und flacher Ausdruckweise,
z..Bsp. auffällig: 45x „Schei-e“(w/sollte hier ein Rekord aufgestellt werden?), 21x "F^^k", auch der Einsatz anderer, immerzu der gleichen Worte (fauchen, huschen, nuscheln, ...), genauso wie über dutzend Fehlerteufel. Warum ist die „4“ ausgeblieben und es folgt auf „Spielregeln im Überblick 3“ „Spielregeln im Überblick 5“? Verantwortlich dafür das vom Ravensburger Verlag bestimmte Lektorat unter Sarah Heidelberger? Einfach unverständlich, warum vor Druck des Buches nicht einfach nochmal das Skript überarbeitet und ausgebaut wurde. Monotone Flüche pfui, außen hui:
Das COVER ist schmuck gestaltet mit rauchsilbern-schimmernden GlitzerGlam-Effekt-Applikationen und Buchüberschrift im Reliefdruck. TOP: im stabilen Klappbrochureformat.

Auch wenn der Serientitel auf Englisch ist (Night Of Crowns) – nicht irritieren lassen: der Band IST auf Deutsch und auch keine Übersetzung, wenngleich das Setting in die USA verlegt und dementsprechend Namen o.dergl. anglisiert sind. Eigentlich schade, weil: so was von gängig. Hätte Stella Tack ihren Roman sich in Deutschland abspielen lassen, (Internate gibt es auch hier; in Kombi von z.B. No-Go-Areas, Gangs, Familienclans, ...), das wäre mal was Neues und ein WOW geworden.

Auszüge aus dem Spielerhandbuch zu diesem außergewöhnlichen Schachspiel fassen nochmal Regeln, die einzelnen Spielfiguren und deren Fähigkeiten zusammen, sind daher für eine Zusammenschau exquisit aber, da ab Mitte des Buches zwischen Kapiteln, umständlich rauszusuchen.
Perfekt wäre es gewesen und viel praktischer zum Spicken und Blättern, überdies kultiger, sie nachschlagen zu können, separat in einer Extra-Beilage en miniature, etwa einem hineingeschobenen LEPORELLO auf der Buchrückseite.

Anmerkung:
"schachmatt" bedeutet keineswegs tot an sich, sondern: besiegt, außer Gefecht, kampfunfähig, dem König ist es nicht mehr möglich, einen Zug zu setzen (weder hinsichtl. Flucht, noch Abwehr) -- deshalb hätte sich die Autorin einen geänderten Begriff ausdenken müssen, da sie sowieso eine ganz eigene Schach-Version entwickelt hat.

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Ziemlich abgefahren, Fantasie, Märchen, Realität, Wahnsinn... so verrückt, daß es schon wieder fast gut sein könnte. Lewis Carroll würde sich im Grabe rumdrehen vor lauter Kopfschütteln – oder, auf diese hippe Youngster-Hommage an ihn eifersüchtig werden?! Was ich von diesem Machwerk des quirligen Schreibwesens, genannt Stella Tack, halten soll... wird mir definitiv erst Teil 2 Aufschluß bringen.
Gen Ende konnte die Prota ja wenigstens (wenn auch unbeabsichtig) die Puppenfäden kappen. Wird Alice SALT im Abgang dieser Dilogie uns alle doch noch überraschen und ihren ganz eigenen Weg finden, um dem Fluch aber gehörig die Blut-Versteinerungs-Suppe zu versalzen? Wird sie das oder den oder die finden, auf deren Suche sie nun aufgebrochen ist, und v.a. sich selbst?

Mit Befürchtung ist um dieses Buch ein Hype-Ausbruch zu erwarten... dem Computerspiele od. filme folgen könnten; oh Graus, statt Eulen, Lamas,.. bestimmen bald Spinnen-Accessoires den Trend, Teens skandieren auswendig im geflüsterten Sprechchor das 2-Strophen-Fluchgedicht sowie den 3zeiligen Versreim auf Latein ... freaky T-Shirts mit Team Vince-White, Team Jack-Black, Bettwäsche gekrönt von Knuddelkater CURSE …

F A Z I T :
Ein streitbares Buch. Hier mutiert Schach zu einer lebendig gewordenen Welt mit Realfiguren und zum wirklichen Kriegsstrategenspiel samt Manipulationen ohne Ende bei unberechenbarem Ausgang. Für Urban Fantasy Fans und solchen von Lewis Carrolls „Alice hinter den Spiegeln“, Manga, Tribute von Panem, Twighlight,... eine krude Story mit zart-prickelnder Romantik, Klischees, Magie, Action und Fähigkeiten der besonderen Art.
Warnung: Schachbegeisterte werden entgeistert sein über die neuen Spielregeln, die sogar in einer Buchszene das reguläre Brettspiel bestimmen, das Superkraft-Können der Spielfiguren und v.a. Stellas Clou der Einführung der Spielfigur mit dem fürchterlichen Namen Slave. Der schnufflig-smarte sprechende Kater CURSE macht diese Geschichte vielleicht allein lesenswert. Lesen also doch? und darüber diskutieren. Zum Rätseln und Theorien-aufstellen, einfach nur belletristische Unterhaltungsflucht, oder versteckte Kritik an einer high-Gesellschaft, die zu oft blind Einflüsterungen Gehorsam leistet. Macht euch selbst ein Bild davon, aber seid gefeit: Spaß und Schrecken sind nicht weit.

HINWEIS:
Nicht abgeschlossen, enthält Cliffhanger zu NIGHT OF CROWNS, Bd. 2: Kämpf um dein Herz / 01. Dez.2020.

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Veröffentlicht am 21.02.2020

leidenschaftlicher Appell für die Rechte der Tiere und eine Ausmerzung jedweder Quälereien – Mensch denke um!

Dr. Rodolfo, Anwalt der Tiere, verklagt den Menschen
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Kurzmeinung:
ungewöhnliche Erzählperspektive intensiviert Einblick in die übelkeiterregende Folter-Realität des Alltags geschundener Tiere

Dem Autor nach ist der Begriff „Menschen“ verfehlt, „Raubtiere“ ...

Kurzmeinung:
ungewöhnliche Erzählperspektive intensiviert Einblick in die übelkeiterregende Folter-Realität des Alltags geschundener Tiere

Dem Autor nach ist der Begriff „Menschen“ verfehlt, „Raubtiere“ für sie wäre passender. Nach der Lektüre der zahlreichen Schilderungen über übelste Körperqualen, maßlose Schmerzen, immense Enge, Angst und Horror aus der Sicht und Gefühlswelt der Tiere kommt man/frau zu dem Schluß: nein, das ist eine Beleidigung für die Raubtiere-Fraktion, Menschen sind regelrecht krank vor Gier nach Geld und (Lust-)Gewinn jedweder Weise, ohne Geist wie vom Teufel besessen, da wäre ja die Beschimpfung als Bestie noch ein Loblied auf sie.

Wie geht der Mensch nur mit den Tieren und der Umwelt um, und das auch noch in einem erschreckenden, routinierten Vorgehen, nicht nur bzgl. Massenabfertigung, die tagtäglich von statten geht - was für Sünden laden wir uns auf (evtl. sogar unbewußt)?!

Um dies in aller Deutlichkeit und Direktheit zu transferieren, um den Tieren eine Stimme zu geben, entschied sich der Autor für eine sehr ungewöhnliche Erzählperspektive, die aber gerade dadurch eine ganz eigene nachdrückliche Dimension eröffnet. Denn läßt sich Leser auf diesen Wartenwechsel ein, entsteht dadurch ein dichterer, unmittelbarer Blick und Wirkung – hier sind es nämlich die Tiere selbst, die wortwörtlich zu Worte kommen.

Jürgen Zwilling nahm seinen eigenen schwarzen, grünäugigen Streunerkater nicht nur für das Cover, sondern als gleichnamiges Vorbild für den Protagonisten Dr. Rodolfo: dieser ist studierter und promovierter Jurist, betreibt eine Anwaltskanzlei zur Durchsetzung von Rechten und Abschaffung von Gräueltaten. Seine assistierende Kollegin dabei ist Katzentigerin Mimi, die eine Art von philosophischen Gedanken und Gedichte zwischenstreut. In einzelnen Kapiteln berichtet die Klientel, - Tiere aller Klassen -, ihr individuelles Leid in expliziten Details dem Rechtsanwalt, gewährt damit Einsicht in ihr ‚Leben‘ (was keines ist) und erbittet Mandatsübernahme.

Im Eingang des Gesprächs sind für jede einzelne Tier’gattung‘ teils mehr, teils knapper konsise Fakten zur Biologie, nebst dem natürlichen Lebensraum, zusammengeführt, sowie mit Zahlen, Daten, Gerichtsurteilen bereichert.

Einem Mantra gleich wiederholt jedes Kapitelende, daß Dr. Rodolfo den jeweiligen Fall übernimmt, er stellt Strafantrag, um zivilstrafrechtlich vorzugehen, verklagt die Menschheit entsprechend dem Strafgesetzbuch auf Mord, Körperverletzung, unterlassene Hilfeleistung, usw.usf..

Was man/frau dem Autor sehr deutlich anmerkt während des Lesens: er hegt beachtliches Einfühlungsvermögen und Liebe für alle tierischen Geschöpfe; sie haben eine Seele und Gefühle, sind wertvolle Lebewesen.
Der Mensch ist ein Folterer und Zerstörer sondersgleichen, der ohne jegliche Gefühlsaufwallung barbarische Qualen und Schmerzzufügungen an Tieren aller Spezien auf der ganzen Welt und der Natur wie selbstverständlich praktiziert, und somit begeht er auch unweigerlichen und gezielten Selbstmord. Ausquetschung des jeweiligen Tages bis zum letzten (Bluts-)Tropfen, Konsequenzen auch hinsichtl. Naturbelastungen und Ressourcenplünderung irrelevant, Gewissen nicht vorhanden, ein abgestumpfter Konsument, Prassen bis zum geht nicht mehr und ein schwelgend-ausuferndes Luxusleben ohne jedweden Sinn noch Verstand.

Darüberhinaus richtet der Autor den Spot auf das Tierschutzgesetz, welches, anstelle die Tiere zu schützen, eher juristische Hintertüren öffnet für die Grausamkeiten am Tier und sie damit sogar legitimiert (Bsp.: horrible, bestialische Schlachtmethoden, Schächten, Umstände in der Massen-/ oder allgemeinen Tierhaltung.)

Was sich v.a. ändern muß: der Rechtsstaat, der gar keiner ist, weil er Spielräume schafft und scheitert beim Durchsetzen neuer Regelungen (als Bsp.: Kükenschreddern oder Schweinemastzucht).

Selbst mit der Frage, ob es eine Tierethik gibt, setzt sich Jürgen Zwilling auseinander. Dabei legt er dar, daß keine gelebte praktische, sondern lediglich eine akademisch theoretische exsistiert.
Der Mensch ist von niederen Beweggründen geleitet (ein Profitjunkie, Neider, Machtbesessender, ein nie zufriedenstellbarer Unersättlicher) - Ethik, Humanität sind ihm Fremdwörter solange sie nicht unmittelbar ihn betreffen. Denn der Mensch sieht nur sich selbst, sein momentanes Los, seine eigenen Bedürfnisse. Das Handeln, keinem Tier (noch Zweibeiner) Leid anzutun, bedarf einer stetigen Reflektion auf sich selbst.

Als unbedingte Pflichtlektüre im Schulunterricht empfiehlt sich dieses wichtige Buch, um als aufrüttelnder Schock-Weckruf noch rechtzeitig Aufmerksamkeit und Bewußtsein zu schüren und sich mit diesem Lebens-Thema auseinanderzusetzen, über die eigene Gedankenhaltung Gewissensforschung zu betreiben.
Vorraussetzung für schulischen Einsatz ist eine Überarbeitung: vor Neuauflage ist der Lesestoff von vorne bis hinten auf alle Druck-Schreib-& Genitiv-fehler zu durchforsten (an die 100 sind wirklich zu viele). Evtl. könnte sich zudem noch etwas einfallen gelassen werden, um die wiederholten Einheitsabsätze im Abschluß eines jeden Kapitels verkürzt darzustellen?

Dem Autor geht es bei seinem Aufschrei nicht darum, von Heute auf Morgen ins Extreme zu ziehen, aber, wenn Fleisch, dann bewußt, weniger ist mehr, d.h. nur einmal die Woche und, wenn auch teurer, von regionalen Bio-‚glücklichen‘ Tieren eines bekannten Hof-Bauern um die Ecke (um die Zustände vor Ort zu sehen). Bei seinem persönliche Einkaufsverhalten im Kleinen beginnen, z.B. auf Biokäseprodukte von mikrobiellen Lab (statt tierischem), auf Wein mit Vegan-Label achten, VERZICHTen auf Fisch aus Aquakultur, auf halal-Produkte, auf Büffel-Mozzarella, auf Plastik, auf Echtpelz, auf chinesisch-tierische „Arzneien“, u.dergl. ... genauer hinsehen, sich selbst fortwährend informieren, und viele weitere Schritte unternehmen.

F A Z I T :
Für die/den eine/n Auffrischung mit sogar neuen Details, für andere womöglich grausames Neuland, als unbedingte Pflichtlektüre für den Schulunterricht empfehlenswert (nach Überarbeitung in 2.Auflage)!

Portraits aus einem Gruselkabinett im Umgang mit Tieren in Realität und gelebter ‚Normalität‘(!) – außergewöhnlich aufgrund der tierischen Perspektive, vertreten vom einzigen Fachanwalt, selbst Kater, der die Sprache der Tiere versteht.
Tiere sind Lebewesen! – keine Sache, Rohstoff, billige Wegwerf-Produkte. Dafür ein Umdenken und Bewußtsein zu entwickeln fordert dieses Buch mit Vehemenz auf.
Ein Plädoyer für die Tiere, eine Anklage des sog. Menschen.
Bis ultimo und dann... wird homo sapiens sich selbst und seine Nachkommen vernichtet haben. Ob sich der zerstörte, ruinierte blaue Planet je wieder erholen wird können, bevor ihm eine sich ausdehnende Sonne habhaft wird? Ohne Mensch... besteht vielleicht ein Schimmer Hoffnung. Oder, mit einem neuen Menschen der Gegenwart, der geläutert jedes Leid an Tieren, an der Umwelt wie an seiner eigenen Spezies, ab heute und für eine Zukunft, unterläßt und anfängt, aufzuräumen.

Für alle jene, die ihre Witze über Veganer reißen und für das Schächten/halal sind, ist Folgendes Pflichtprogramm: ZDF-Reportage (2020) „37°: Tiertransporte grenzenlos- Leder für Deutschland“. SCHAUT es Euch an!! und DENKT endlich UM!

Ausblick:
Im bald erscheinenden Nachfolgebuch „Katze Mimis tierischer Menschblick, eine Reise durch die Welt“ wird das Betragen des Menschen aus der Sicht der Tiere beurteilt, mit Schwerpunkt Naturleid – unterstützt wird die Protagonistin mit juristischem Ratschlag vom zeitungslesenden und Presseberichte verfolgenden Dr. Rodolfo.

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Veröffentlicht am 20.01.2020

Schwanger um jeden Preis?

Kalter Zwilling
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Jetzt endlich (Jan.2020) auch als Hörbuch erhältlich:
"Kalter Zwilling" ist nach „Der Puzzelmörder von Zons“ und „Erntezeit (vormals: Der Sichelmörder von Zons)“ der dritte Band der mittlerweile bereits ...

Jetzt endlich (Jan.2020) auch als Hörbuch erhältlich:
"Kalter Zwilling" ist nach „Der Puzzelmörder von Zons“ und „Erntezeit (vormals: Der Sichelmörder von Zons)“ der dritte Band der mittlerweile bereits 9 Teile umfassenden und Jahr um Jahr fortgesetzten Thriller-Reihe, die sich um das kleine mittelalterliche Städtchen Zons abspielt. ZONS ist ein realer Ort, der am Niederrhein zwischen Düsseldorf und Köln liegt und Sehenswürdigkeiten wie Bauwerke bietet, deren geschichtliche Hintergründe in diese Thriller informativ einfließen - und somit ein bißchen historisches Sightseeing mal von einer ganz besonderen, spannenden, sogar einprägsameren Art aufbereitet wird. Ein Lageplan des Ortes liefert i.Ü. Band 1.

Falls jemand sich eher nicht für das MA begeistern kann:
Catherine Shepherd schreibt gleichzeitig noch an zwei weiteren Thriller-Serien (eine um die Berliner Spezialermittlerin Laura Kern, die andere um die Kölner Rechtsmedizinerin Julia Schwarz), die beide auch jährlich je um ein Buch Erweiterung finden.

Die jeweiligen Bände sind, in Hinblick auf die einzelnen Kriminalfälle, in sich abgeschlossen und unabhängig voneinander lesbar. Da aber auf die Vorgänger Bezug genommen wird und damit deren Mörder, resp. die Auflösung gespoilert werden, ist wohl zu einer chronologischen Vor-Lesehaltung zu tendieren. Davon abgesehen entwickeln sich gewisse Rahmenhandlungen, resp. der Protagonistenkreis fortwährend weiter.
In der Vergangenheit des Mittelalters löst jeweils Bastian Mühlenberg von der Zonser Stadtwache Fälle auf, die packend verknüpft sind mit solchen der heutigen Gegenwart, in welcher der Kriminalkommissar Oliver Bergmann ermittelt, die Journalismus-Studentin Emily Richter recherchiert und, im Laufe der Serie, aus diesen beiden ein Paar wird.
Noch zur Info:
Die beiden Vorgänger (Bd. 1 und 2) dieser Reihe sind momentan nur als Download über audible (!) verfügbar, dafür ungekürzt (Erzähler dort: Josef Vossenkuhl).

Beim Hörbuch KALTER ZWILLING handelt es sich um eine lediglich um 11 Min. gekürzte Ausgabe mit ca. 8 Stunden auf einer MP3-CD; die Download-Variante der Online-Buchhändler ist ungekürzt.
Der in Schauspiel ausgebildet, versiert und selbst darüber lehrende Wolfgang Berger spricht sehr klar und deutlich; es ist nicht zu schnell, schon gar nicht monoton, gelesen, denn er weiß gekonnt mittels seiner Stimmmodulation einzelnen Charakteren Leben einzuhauchen, somit Szenen angemessen zu inszenieren.
Top: Auf eine unangenehme Geräuschkulisse oder eingeschobene Möchtegern-Jingles wurde verzichtet.

Extra lobenswert ist zudem die Entscheidung, die hochsensible Scheibe NICHT in einem ollen Pappschuber einzupferchen, sondern hier ist die MP3-CD in sogar einer klassischen Hartplastik CD-Hülle mit Aufsteckmodul (jewel case) kratzsicher aufbewahrbar.
Absolut vortrefflich wäre es, dies beizubehalten und sie auch mal noch mit einem mehrseitigen Info- od. Glossar-booklet auszustatten (z.B. für diesen dritten Band mit noch mehr komprimierten Wissensfakten rund um IvF / seit wann?, wo sind die größten Samenbanken?, zur gesetzlichen Lage in D, in Europa!, Der Trend in GB, wo Mütter für ihre Töchter ihre Eizellen einfrieren lassen; Wer hat‘s eigentl. erfunden?, „Befruchtungstourismus“ / Phänomenales wie Obskures zur Zwillingsforschung, usw.usf.).

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Seit mehr als 40 Jahren wird die künstliche oder Reagenzglasbefruchtung (sprich: IVF = In-vitro-Fertilisation) zur Kinderwunscherfüllung praktiziert. Seitdem sind so, -- gemäß Stand 2016,-- weltweit 6,5 Millionen Kinder zur Welt gekommen. Etwa jede fünfte Reagenzglasbefruchtung führt zu Zwillingsgeburten.

Eizellspenden sind in Europa unterschiedlich geregelt - in Deutschland, wie auch etwa in der Schweiz und Italien, sind sie gesetzlich verboten (d.h.: einer Frau dürfen lt. dem Embryonenschutzgesetz nur eigene, künstlich befruchtete Eizellen, bis zu drei, wieder eingesetzt werden.)

Als im Februar 2013 das Oberlandesgericht Hamm verfügte (Urteil I-14 U 7/12), daß der Arzt verpflichtet ist, dem Kind den Namen des anonymen Samenspenders zu nennen und damit Auskunft über seine genetische Abstammung zu gewähren, schrieb selbigen Jahres Catherine Shepherd diesen Thriller... um einen Fluch über Zwillingskinder in jeder 7.Generation, der sich nun wiederholt.

Gleich dem MA-Erzählstrang beginnt auch die Gegenwart mit einer Rückblende: ein Biologe wird seit 20 Jahren von einem Albtraum an eine Frau heimgesucht, welche damals eine Patientin in IvF-Behandlung war. Albtraumhaft geht es auch weiter mit Tötungen von Tieren im Zeitalter der Vergangenheit. Wird es noch weitere Morde geben und in wieweit hängen sie mit denen der Gegenwart zusammen? +++++

In ausgewogendem Rhythmus pendelt der Thriller zwischen den Mordfällen der Vergangenheit des Mittelalters zu denen in der heutigen Gegenwart.
Trotz selben Sprechers bleibt das Hörbuch dabei erstaunlicherweise immer übersichtlich, und es deutlich, in welchem Zeitabschnitt sich der Zuhörer momentan befindet(, da ja auch jeweils spezielle Personengruppen auftreten) - auch wenn man sich für einen noch perfekteren Lauschgenuß wohl zwei Stimmen und evtl. eine an das MA noch ergiebiger angepaßteren Ausdrucksstil wünschen könnte.

Der Thriller zeigt auf, zu was für Grausamkeiten teuflische Menschen mit „kalter Seele“ fähig sind, damals wie heute, und wie es ihnen ein erfüllendes Bedürfnis ist, einem inneren Zwang folgend, und welch sadistische Freude es ihnen bereitet, anderen, - Tieren wie Menschen,- schlimmstes Leid und brutale Qual zuzufügen.
Die Ermordungsvorgänge wie Morddetails sind fürchterlich, es wird nicht an deren realen Darstellung gespart. So kommen z.B. nicht nur Welpen schockierend zu Tode... doch beginnt das ‚Pervertierte‘ in der Gegenwart nicht schon mit dem Satz „Wählen Sie, egal, irgendeins aus – vernichten Sie den Rest“?! oder spätestens mit der Möglichkeit zur Separierung per, grundsätzlich unbegrenzt langer, Kryokonservierung -- womit die Zwillinge im Pro & Contra auch die sich abblätternde Kehrseite der Medaille von Medizin und deren Errungenschaften versinnbildlichen.

Auch in diesem Thriller von Catherine Shepherd könnte sich das Publikum, im Erzählungsstrang der Gegenwart, mal wieder bis zum Schluß nicht wirklich ganz sicher sein, wer der Täter ist.
Dennoch streut die Autorin sehr wohl einige Hinweise, anhand derer auf den wahren Serienmörder geschlossen werden kann. Und das ist m.u. das generelle Besondere der Thriller von Catherine Shepherd: sie fordert ihre Leserschaft heraus, konzentriert aufzupassen, stets objektiv und skeptisch zu bleiben, sich nichts suggerieren zu lassen, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen - denn oft ist nicht alles so, wie es erstmal scheint.

Hervorragend ist auch ihr Einbau von Wissenswertem, z.B. hier läßt sie die angehende Journalistin Emily eine Recherche mit dem Thema „Gibt es das Böse im Menschen wirklich?“ betreiben, welche fesselnde Fakten und wissenschaftliche Studien nebst neuen Erkenntnissen auf dem Gebiet der Psychopathie dem Zuhörer präsentiert (u.a. Robert D. Hares Checkliste, Skala zur Psychopathie; Businesspsychopathen; Persönlickheitsprofile,-störungen und Gehirnforschung im Zusammenhang mit Psychopathen, welche man z.B. auch aktuell in der Thrillerreihe von Ellison Cooper antrifft).

Allerdings fehlen hier und da noch kleine Infoelemente, mittels derer komplementiert hätte werden können, damit, auch wenn am Ende die Auflösung schlüssig ist, wirklich jede Frage bis in ihre Einzelheiten Beantwortung findet (nur z.B. : begegnen zwei gewisse Frauen noch einem gewissen Mann?)
Weiterer Kritikpunkt:
Hinsichtl. der Konstellation Anna Winterfeld (Emilys bester Freundin) + Bastian Mühlenberg mag die Frage interessant sein: Ist es möglich, seinen Verwandten aus dem MA, bzw. solchen ihnen damals nahestehenden oder mit deren Schicksal verquickten Personen in Träumen oder Visionen zu begegnen? (Noch dazu, da es ja heute Menschen gibt, die behaupten, davon felsenburgfest davon überzeugt zu sein, bereits früher einmal gelebt zu haben. Oder: Reinkarnation, schamanenhafter Kontakt mit Verstorbenen, etc.p.p.) Dieses eigentlich geniale Konzept soll nochmal auf anderer Ebene Perspektiven in die Vergangenheit wie Zukunft, bzw. Gegenwart ausleuchten, um sich dem Täter anzunähern. Aber, dies ist eher nur angeschnitten eingeflossen, noch dazu als romanzierte Sehnsucht dargestellt, wobei doch Bastian in glücklicher Beziehung ist.
Hier, in diesem sich durch die Zons-Thriller-Reihe durchziehenden mystischen Erzählfaden, ist folglich unbedingt ein Ausbau notwendig, so daß er nicht nur für Quereinsteiger greifbarer werden kann und sich besser in das Gesamtwerk einflicht. Und, es aufgrund der bestehenden Partnerschaften auf eher Freundschaft belassen, nicht amourös-angetoucht gestalten.

Beeindruckend ist, daß der Thriller mit einem Eierklau und Fluch beginnt und gewissermaßen auch so Ausgang findet. Auch wenn die Autorin nie Partei ergreift, scheut sie sich nicht das brennende Eisen humaner Reproduktionsmedizin & –biologie anzupacken. So wirken wie ein authentischer Erfahrungsbericht die ungeschönten Einblicke in die klinische (und für Frauen unangenehm eindringliche) Prozedur, ja man vermeint all dem als Zeuge beizuwohnen. Und, es wird aufgezeigt, wie Fakten und Umstände (sogar aktuelle Schlagzeilen! bei eigen-Recherche in den Medien) neutralen Boden verlassen und einfach für sich sprechen, was die aufstürmende Streitfrage entscheiden mag: IVF – Segen? doch vielmehr Fluch. Denn eine gefühlskalte, geschäftsmäßige, gewissenlose Massen-Handhabung auf dem Sektor IvF zeigt fast schonungslos die ‚dreckige‘ Realität, was passieren kann und sogar tatsächlich praktiziert wird, in Labors, per Gesetz, auf Patienten Wunsch, oder aus Größenwahn. Zudem verheerend, was Lügengespinste, Geheimnisse mal wieder für Ausmaße nehmen...

F A Z I T :
Für all jene, die sich gerne in der Täter-Ermittlung herausgefordert sehen gehören wohl Catherine Shepherds Publikationen zum Must-Read.
Bereits hier, in einem ihrer Anfangswerke läßt sich unglaubliches Steigerungspotenzial dieser Autorin erahnen.
Es ist nicht alles Goldmünze was glänzt.
Sehr viele, unterschiedliche Aspekte, ja ein ganzes Spektrum greift Catherine Shepherd auf, wobei wohl die aufwühlenste dabei sein, oder was aus diesem Thriller neben der Zwillingsfrage gen Ende am intensivsten mitgenommen werden kann:
IvF – eine in die Normalität eingegangene alltägliche Praxis, dessen wirkliche Brisanz erst noch die Zukunft uns vor Augen führen wird.
Catherine Shepherds Thriller entzündet beim Leser die Dringlichkeit, sich mal eingehender mit dieser Thematik zu beschäftigen, faktisch wie moralisch. Alles keine Hexerei sondern Wissenschaft, aber eine anscheinend von Anfang an verfluchte Angelegenheit, die teuflisch ausgehen kann.

++++ Bewertung 3,85 von 5 Sternen ++++

AUSBLICK:
Wolfgang Berger liest, neben diesem aktuell als Hörbuch veröffentlichten Bd.3, auch Bd.4 (Auf den Flügeln der Angst/451 Min.) und Bd. 5 der Zons-Reihe (Tiefschwarze Melodie/408 Min.), die Ende Feb. & März 2020 als gekürzte Lesung auf MP3-CDs, auch wieder mit um die 8 Stunden Länge, erscheinen werden.

Es ist anzunehmen, daß auch die Zons-Thriller-Bände 6, 7 und 8 noch als Lesung folgen werden.
Band 9 der Zons-Reihe (Sündenkammer) war bereits auf MP3 herausgekommen, und, ist auch als Hörbuch-Download in ungekürzter Lesung erhältlich.

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Veröffentlicht am 29.12.2019

Töten um zu beschützen?

Knochengrab (Ein Sayer-Altair-Thriller 2)
1

Bei KNOCHENGRAB [Buried] handelt es sich um Band 2 der Sayer-Altair-Thriller-Reihe um die gleichnamige FBI Special Agentin.
Wer den ersten Teil nicht gelesen hat, oder dies schon länger her sein sollte, ...

Bei KNOCHENGRAB [Buried] handelt es sich um Band 2 der Sayer-Altair-Thriller-Reihe um die gleichnamige FBI Special Agentin.
Wer den ersten Teil nicht gelesen hat, oder dies schon länger her sein sollte, findet trotzdem unumschränkt fließenden Anschluss, da, abgesehen davon, daß jedes Buch einen abgeschlossenen Fall präsentiert, hier zugegeben eine sehr gelungen, bündige eingeflochtene Zusammenfassung des ersten Bandes erfolgt.
Aber dies dient (dem Quereinsteiger) auch als Hinweis, da damit gespoilert wird (bzgl. der Auflösung zum dortigen Mörder), und deshalb wohl vorzugsweise chronologisch gelesen werden sollte.
Zudem findet die Rahmenhandlung um Sayers vor vier Jahren mysteriös ums Leben gekommenen Verlobten Jake jetzt weiter Fortgang sowie die Auswirkungen des aufgedeckten Korruptionsskandals in den Reihen des FBI.

VIRGINIA im Herbst:
Nach 6monatigem erzwungenen Innendienst aufgrund einer traumatischen Schießerei mit Verletzung wird Sayer, zum Senior beförderte Special Agentin des FBI, die sich in all der Zeit ihren wissenschaftlichen Studien zur Aufarbeitung um Serienmörder widmete, die Ermittlungen zu diesem neuen 'Knochenhöhle'-Fall übertragen:
wie steht der Cold Case um 7 skelletierte Leichen (5 männliche, 2 weibliche) mit den zwei an selbigen Ortes aufgefundenen kürzlich zu Tode geprügelten Frauen und den vier Verschwundenen (Frauen, darunter ein Kleinkind und eine vor 17 Jahren damalig 18jährige) in Verbindung? Zu schneller Aufklärung ermahnt ein auf einem Mordopfer hinterlassener Hilferuf (und -wie!- hinterlegter) das Team um Sayer Altair. Ein am Tatort entdeckter Schwertdolch griechischer Prägung und die damit verbundene Mythologie (Echidna, Opferungsrituale) könnten erste Erkenntnisse liefern...

Man bedenke: über 40.000 Frauen gelten in den USA laufend als vermisst...
Die Atmosphäre ist sehr gruselig und unheilvollgeschwängert beschrieben. Allein schon der Einstieg anhand der glaubwürdigen Schilderung des FBI-Agenten Maxwell Cho um die Verfolgung der Leichenspur sowie vor Ort des Hineinfallens in ein 7m tiefes Erdloch, und seine Wahrnehmungen dieser Situtation geht dem Leser unheimlich nahe, wirkt absolut authentisch und fast wie live, man vermeint schon, selbst mithineingestürzt zu sein, sowie, in eigener Person, im Massengrab auf unzählig brechend-knirschenden Knochenüberesten zu stehen. Beklemmende Gänsehaut stellt sich nicht nur beim Akteur sondern gleichsam beim Leser auf. Wie sich in solch einer gefährlich und schauerlichen Bredouille verhalten?! Da hilft wohl tatsächlich nur Abwarten (der Tatort darf nicht verfremdet werden) und Beten.
Und genauso geht es weiter mit den immer wieder kurz auftretenden Einschüben zu einem anderen, noch entsetzlicheren Szenario GRUBE, welches den Leser regelrecht erschütternd mitleiden läßt, was dort mit den Verschwundenen derweil geschehen ist und fortwährend passiert, denn diese Sequenzen steigern sich ins Unerträgliche, bringen aber Licht in die Hintergründe, die teilweise den parallel ermittelnden Agenten noch unschlüssig bleiben.
Die Leichenschau an sich ist schon nichts für schwache Nerven, und im Verlauf des Thrillers können dem Leser Tränen in die Augen schwellen.
Der Thriller ist durchgehend ohne Längen bemerkenswert homogen, verliert nie an Spannung, ja entwickelt mit der ersten Seite zusehends Sogwirkung, womit das Buch in einem fort durchgelesen werden will.
M.u. stellt sich hierbei dem Leser die zermürbende Gewissensfrage: Wie weit wäre man selbst bereit zu gehen, um die Menschen, die man liebt, zu beschützen?

Das Schicksal der Opfer und die Unsichtigkeit des Falles zehren an der Hauptprotagonistin und doch ist sie nicht nur menschlich sondern erstklassig auch in ihrem Job und versteht ihr unermüdliches, absolut sympathisches Team, das auch noch aufgrund momentanen Personalmangels (wegen eines zähen Ermittlungsverfahrens im Quantico-Untersuchungsausschuß) klein gehalten und damit doppelt belastet ist, stets zu motivieren, die Übersicht nächster Schritte mit Zuversicht und klarem Blick anzuvisieren und als Führungskraft zu vermitteln.

XXXXX Noch zur Charaktere:
Die ca. 30jährige Sayer Altair verlor mit 9 ihre Eltern (ihr Vater stammte aus dem Senegal) und wuchs dann bei ihren elitären Großeltern auf. Sie fährt Motorrad, liebt ihren 3beinigen, treuen Hund und jagt nicht nur fürs FBI Serienmörder sondern erforscht auch als Neurobiologin wissenschaftlich die Gehirne von Serienkillern (Bd.1) und Psychopathen (Bd.2).
In diese Analyse von Gewaltverbrechen und den Befragungsvorgang mit Probanten wird der Leserschaft hier Einblick gewährt und Sayers aktuelles Forschungsprojekt ist sehr verständlich dargelegt und äußerst aufschlussreich zu verfolgen. Beschäftigend ist die Frage, ob es der Forschung je gelingen mag, beim Blick ins Gehirn auch gute von bösen Psychopathen zu unterscheiden zur Prävention sich anbahnender Delikte.
Die Leserschaft wird sich auch über ein Wiedersehen mit ihrer Nana (der 73jährigen Sophia MacDuff), der 18jährigen Ziehtochter Adi Stephanopolous und dem Ex-Verhörspezialist und Untermieter Tino de la Vega sowie Janice Holt, die stellvertende Direktorin des FBI und ihre Chefin, freuen.

Das Team: die zarte, ca.50jährige DANA Wilbanks, forensische Anthropologin u. erfahrende Rechtsmedizinerin, die von ihrer Arbeit aus einem afrikanischen Kriegsgebiet kommt, eine Expertin wie Temperance Brennan aus BONES nur mit viel mehr Gefühl; MAXwell Cho koreanischen Einschlages, der u.a. bei der Fallschirmrettung als Rettungsspringer in einer Spezialeinheit bei der US-AirForce und heute als FBI Agent tätig ist (vllt. ein bißchen was von Kimball Cho aus The Mentalist, aber verschmitzter); EZRA Coen, bester Datentechniker & Computerexperte des FBI mit einem Trauma sondersgleichen und einem untrüglichen Lebenswillen von beeindruckenden Kampfesgeist; und auch mitfühlend die Rangerin des Nationalparkes PIPER MacLaughlin, eine die Natur liebende Einsiedlerin (die irgendwie an Brienne aus GOT erinnern mag?). XXXXX

Sehr interessant gestaltet sich die neurowissenschaftlichen Forschungen hinsichtlich Psychopathen, die im Grunde genommen bloß eine Summe ganz spezifischer Eigenschaften aufweisen (wortgewandt, narzisstisch, sich für Götter haltend, die Suche nach dem ständigen Kick, dem Hang zu lügen und der gravierenden Empathielosigkeit, manipulativ, ausnützend)
[zur Ergänzung, die Erwähnung fehlt im Krimi: das sind die Kriterien der allseits bekannten Psychopathy Checklist (PCL) des kanadischen Kriminalpsychologen Robert D. Hare von 1980, die quasi Psychopathie erkennen läßt, die hier in Europa, in der Diagnostik und Kriminalprognostik, aber erst in den letzen 15 Jahren als revidierte Version (PCL-R) Eingang fand]. Auf einen Psychopathen im Gefängnis kommen ca. 30.000 in Freiheit mit fehlerhaft arbeitendem paralimbischen System.
Wem ist noch zu trauen? wenn selbst in höchsten Geheimdienst-Kreisen Seltsames von statten geht... Nicht zu vergessen mit welch Leichtigkeit es manchen Psychopathen gelingt, ihre wirkliche Persönlichkeit zu verstellen und meisterlich zu maskieren (womit dann die Hare-Checklist gar nicht als Diagnose-Instrument zum Tragen kommen kann).

Beiseite: die eingestreuten Schilderungen zu Leichenspürhunden, die als Stöber- sich von Mantrailerhunden unterscheiden, sind faszinierend auch hinsichtlich über welch Fähigkeiten solche Hunde verfügen und gezielt ausgebildet werden können.
Wunderbar ist z.B. die vertrauens- wie liebevolle Beziehung zwischen Max und seiner Hündin dargestellt, daß er sie so gut kennt und ihre Reaktionen ganz exakt zu deuten und zu verstehen vermag, und sich damit dem Ernst der Lage voll bewußt ist, und zeitgleich die Hündin seinen diversen Anweisungen exakt Folge leistet.
Was bei Knochenmarksspende passieren kann ist wohl auch nicht jedem bewußt❗️und wird mit dieser Lektüre unvergesslich.
Ergreifend ist die Zentralaussage, daß viele die Fähigkeit zum Bösen besitzen, (zum Monster werden können,) und doch auch genauso zum Heldentum.

F A Z I T :
Die Autorin Ellison Cooper versteht brilliant ihre Fachstudien und polizeilichen Erfahrungen dem Leser verständlich und kompetent und damit in voller Authentizität zu vermitteln.
⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️ Grausam, unheimlich, real, bewegend! ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️
Ein Must-Read für Wissbegierige! Für alle Fans von ergreifenden Thrillern um starke Frauen und der TV-Serie BONES empfehlenswert, ein Vormerker auf kommende Bände - denn wer sich hinter dem geheimnisvollen Probanden 037 (volle 40 Punkte auf der Hare-Skala; mit Verbindungen zur NSA?) verbirgt, will unbedingt erfahren werden!

Bewertung: 4,75 v. 5 Sternen

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Veröffentlicht am 08.12.2019

Auf dem Dach der Hölle ... Nicht von dieser Welt!

Eiskalte Hölle
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+++++ horrible - bewegend – eiskalt – herzbrechend – tiefengeschachtet +++++ 4,75 v. 5 Sternen +++++

Ein kleiner Ort im norditalienischen Hochtal, umgeben von Tausenden Hektar verscheinten Wäldern, ...

+++++

horrible - bewegend – eiskalt – herzbrechend – tiefengeschachtet

+++++ 4,75 v. 5 Sternen +++++

Ein kleiner Ort im norditalienischen Hochtal, umgeben von Tausenden Hektar verscheinten Wäldern, vereisten Schluchten und zugefrorenen Abhängen. Und so bitterkalt ist der Winter in diesem idyllischen Paradies, daß selbst die Herzen einer eingeschworenen Dorfgemeinschaft finster schlagen, denn so manch fröstelndes Geheimnis soll verborgen bleiben.

Hier übernimmt die erfahrene Commissario Teresa Battaglia, mit Frischling Ispettore Massimo Marini, die Ermittlungen zu einem ungewöhnlichen Mord, welcher die Kriminalkommissarin & Profilerin aufgrund seiner Art von Ritus, Verstümmelung und Staging nur auf weitere, kommende Tötungen schließen läßt.

Wird dieser mysteriöse Fall Teresa an physische wie psychische Grenzen treiben? Denn der Täter, der mit seiner Umwelt zu verschmelzen scheint, ist von solch andersartigem Wesen, einem Geist, welchem man so noch nie zuvor begegnet ist. Nicht von dieser Welt... ...

+++++

Ilaria Tutis Debüt EISKALTE HÖLLE (Fiori sopra l’inferno ~ Blumen über der Hölle) ist latent von unheilvoller wie düsterer Grundstimmung und schwelender Schaurigkeit spürbar durchzogen, was der Autorin ALLEIN schon per immer mal wieder kurz einfließenden Wetterlage- wie Naturbeschreibungen mit Grandezza gelingt. Und sie hätte diese auch gerne noch öfters oder ausführlicher einbringen können. Die konzise dabei facettenprächtige Darstellung des Settings im Naturgepräge, selbst bis hin zum einfallenden Buran, verdeutlicht dem Leser nur zu gut, daß die Autorin genau weiß von was sie da schreibt - ihren Wurzeln, ihrem Heimatland, ihren Bergen. Trotz dieser komprimiert gehaltenen Einschübe schimmert die omnipräsente Natur fast wie eine eigenständige und sehr wichtige Charaktere durch, anhand derer die Lebenssituationen vieler Akteure gespiegelt und somit beim Lesen noch bewußter hervorgebracht werden; zum anderen, tritt sie wie ein Mahnmal der Kostbarkeit wie Vergänglichkeit des Lebens, des Kreislaufs von Verfall und Werden auf.

Auf der allerersten einen Seite, - meine Begeisterung muß ich hier einfach zu ePapier bringen,- im Wimmern des Windes, z.Bsp., vermeint der Leser fast tote Seelen zu vernehmen, die nie zur Ruhe kommen können, so als ob es Unausgesprochenes, Verheimlichtes drängt, endlich Gehör zu finden. Geister vergangener Zeiten, Opfer der Gegenwart, Auswirkungen auf Ungeborene der Zukunft? Die Natur, der ja selbst Wunden eingeschlagen werden, scheint Trägerin, Übersetzerin, Vermittlerin eines Leids zu sein, das schwärend nie vergehen kann, einer Sehnsucht nach erlösender Gerechtigkeit, die nie verhallt, Sinnbild eines ständigen Überlebenskampfes aller. Die Natur ist auch wie eine Freundin der vier um die 10 Jahre alten Kinder (Mathias, Diego, Lucia, Oliver), die sich hier immer wieder zu friedlichen Freizeit-Treffen gemeinsam verabreden. Doch noch jemand anderes beobachtet sie. Wieso und warum? Das erste Opfer stammt schon mal aus deren Umfeld...

Der Thriller liest sich in einem fort durch, manche Kapitel sind etwas länger, manche knapp, und nicht mal der ein oder andere datierte Zeitsprung in die Vergangenheit noch das Pendeln zwischen diversen Perspektiven hemmen die Übersicht. Überhaupt läuft das Buch wie auf einer Kinoleinwand gleich einem Krimifilm vor dem geistig inneren Auge ab.

Die versierte und überlegene Teamleiterin Teresa, Jahrgang ’58, (also um die 60 Jahre alt,) an Übergewicht leidende Diabetikerin, beeindruckt mit ihrem großen Verantwortungsbewußtsein und der Anteilnahme für die Opfer gleichsam wie ihrer Empathie gegenüber den Tätern. Ein wenig harsch und grumpy arbeitet die Chefin entschlossen bis hin zur Erschöpfung für die Aufklärung dieses Falles, ohne jedoch je ihre Einfühlsamkeit zu unterlassen, wobei Kinder einen besonderen Platz in ihrem Gemüt einnehmen. Auch ihrem neuen Kollegen gegenüber, einem selbstgefälligen ‚Sturm&Drang‘-Jungspund, der sich erst noch als vertrauenswürdiger Partner beweisen muß, nimmt sie nie ein Blatt vor den Mund und läßt dann doch Nachsicht walten, fördert den ambitionierten Massimo in akkuratem Hinsehen und warnt ihn, sich nicht zu übereilter Abfertigung hinreißen zu lassen.

Der smarte Inspektor Massimo Marini ist zwar anmaßend, aber keineswegs gleichgültig sondern mitfühlend und versucht umtriebig sein Allerbestes zu geben, und überzeugt dann durch seinen weichen Kern und seiner Teresa schenkenden Loyalität. Von der Großstadt in die Provinz hatte er sich versetzen lassen, wie ein geblendetes Wildtier, ist jetzt zwar einsam aber endlich frei. Mehr über seinen wissenswerten Hintergrund werden wohl erst Folgebände preisgeben und die Leserschaft wird diesen und jene kaum erwarten können.

Die oft abweisende wie schroffe Haltung der Protagonistin erklärt sich dadurch, daß sie selbst gebeutelt ist, einerseits von einer sich verschlimmernden Krankheit, andererseits von einem ihr eingebrannten Trauer-und Traumaschmerz, der nie verschwindet, nur seine Form veränderte. Ihr wurde Verwerfliches von einer ihr nahe stehenden Person zugefügt, was den Leser erschüttert und berührt, und, das ist ihr Schatten und deshalb ist sie auch so begabt darin, Abgründe zu erkennen. Und herrausragend ist, daß Teresa dennoch nie aufgibt, sich couragiert Herausforderungen stellt, daß sie weiterhin kämpft mit sensiblem Herz und zäher Kraft einer Kriegerin. So erfechtet sie sich zudem auch mal ihre unkonventionelle Überzeugung mit voller Durchsetzungsfähigkeit, aber doch nur um das Richtige zu tun.

Die gesuchte mordende Kreatur gibt Teresa ominöse Rätsel auf, sie hält sie gar für un- oder übernatürlich, da so widersprüchlich und zweigeteilt.

Mit gespanntem Interesse und aufschlussreichem Bildungsgewinn verfolgt man als Leser, wie vorbildlich die Kriminalkommissarin mittels ihrer akribischen Beobachtungsgabe, ihres analytischen Verstandes sowie Feingespürs und eines gefächert profunden Fachwissens fortwährend und quasi von Kapitel zu Kapitel an dem Profil dieses Täters feilt, welches das Abbild dessen Psyche modeliert und damit zu seiner Identität führen kann. Tief gräbt Teresa sich methodisch wie pragmatisch in die Denkweise und das Verhalten und somit der Vorgehensweise von Serientätern, wobei sogar unbeschönigt auf zwei Realkriminalfälle (True Crime Story) Bezug genommen wird (Edmund Kemper!, Igor Rosman). Dabei bleibt sie aber ohne Mutmaßungen zu stellen auch vorsichtig, für gewagte, abwegig erscheinende Hypothesen offen, bzw. die Dringlichkeit auf eine Art Dinge zu betrachten, die man sich nicht einmal vorstellen kann.

Den Zentralkern umkreisen folgende den Leser beschäftigenden und ergreifenden Fragengeflechte:

Wie sollte ein Nest wahrhaft definiert sein? Was geht vor, wenn die Welt aus Stille, aus dem Flüstern des Windes und den Rufen der Tiere besteht?

Was ist man ohne seine Gedanken, Erinnerungen, Hoffnungen und Träume, worin Persönlichkeit und Würde liegen? Wie begegnet man Einsamkeit?

Der Killer entstellt grauenvoll, tötet wie eine Bestie, lädt horrible Schuld auf sich – doch, ist der Mörder wirklich ein Tier? Das eigentliche Monstrum ist hier wer? Wo, in wem, und in was ist es (noch) zu suchen?

Leadership, Schutz der Gemeinschaft, Naturverständnis, fehlende Elternliebe bilden weitere ausführende Komponenten.

Bis in die Nebenfiguren legt die Autorin eine besondere Sensibilität in die jeweilige Persönlichkeitsstruktur, sei es bspw. bei den einzelnen der vier Kinder (die angesichts gefühlskalter Eltern überleben, kämpfen und trotzdem lieben) oder beim Pathologen (Antonio Parri) der die Verstorbenen, seine Gäste, mit Respekt behandelt, und mit seiner Menschlichkeit das Institut für Rechtsmedizin adelt und ihm so einen gewissen Teil seines Schreckens nimmt.

Natürlich kommt auch die Stereotype eines eigenmächtigen Sturkopfes von Dorfpolizeivorstehers vor (Capo Knauss), der Teresas hohe Kompetenz zu untergraben sucht und ihr entgegenarbeitet, aber genau hier wird nur wiederholt Teresas Engagement betont, was ihr allen Kampf abverlangt (und somit nur ihrem Nachnamen gerecht wird).

Certo, sicherlich, man hat seine Vermutungen über den Plot, Stück für Stück setzen sich die detailreichen Teilchen wie Schneeflockenkristalle dicht um dicht zusammen; v.a. mit den eingewobenen Rückblicken in den November des Jahres 1978 auf das Treiben in einem verlassen wirkenden Waisenhaus mit angeschlossener Schule in Österreich (bereits mit Kapitel 12), und allerletztlich via den im Schreibmaschinendruck abgesetzten präzisen Aufzeichnungen von 1993 skizziert sich die Auflösung klar ab - und DOCH fährt die endliche Einfassung aller Aspekte, die psychologische Tragweite und tiefgeschachtete Auflösung mit einer derartigen Wucht unter die Haut des Lesers, daß sie einem das stockend Herz bricht und man total erschüttert in Tränenströmen im Anblick der ‚Blütenblätterblume‘ aufgelöst innehalten muß.

+++++ „Das Leben machte Angst, wenn man seinen häßlichen Seiten ins Auge sah, und dennoch blieb es heilig, unverletzlich, ein außergewöhnliches Abenteuer, dem man mit wild schlagendem Herzen und einem Sinn für das Wunderbare begegnen sollte, selbst wenn es so viel Schmerzliches bereithielt.“ (S.89). +++++

F A Z I T : Man rüste sich mit dickem Fell: dieser Thriller zieht wie kriechende Eiseskälte über den Rücken. Ilaria Tuti – ein Naturtalent, noch Geheimtipp und gewiss bald INTERnationale Bestsellerautorin zeichnet mit großer Begabung und innigem Feingefühl einen psychologischen Thriller wie ein aufsteigender Stern dieses Genres. Auf dem Dach der Hölle gelingt ihr Unglaubliches: dem Leser die Entdeckung von Blumen nahezubringen (oder dem, der sich nur auf Blumen konzentriert, die Augen durch die Oberfläche zur präsenten Hölle zu öffnen). Man merke sich ihren Namen, halte Ausschau nach ihren Werken, diese Seelenberührung und Bereicherung für ein gutsortiertes Bücherregal möchte nicht mehr gemisst werden. Auf zahlreiche Folge-Bände und eine lange Thrillerreihe: in bocca al lupo!

AUSBLICK:

Der gerade auf Italienisch erschienene zweite Teil dieser Serie von Ilaria Tuti heißt und handelt von NINFA DORMIENTE (~Schlafende Nymphe), ein Gemälde von sagenhaft magnetischer Schönheit, von einem jungen ital.Partisankämpfer in den letzten Tagen des II. WKs erarbeitet. Dieses Kunstwerk trägt jedoch in sich ein schrecklich schockierendes Geheimnis, verborgen in den roten Pigmenten auf der Leinwand – denn es wurde mit Blut gemalt, mit Blut eines menschlichen Herzens. Wem gehörte dieses Herz? Die Blutspur führt Teresa Battaglia nach Resia, einer kleinen 1200 Seelengemeinde im Nordosten Italiens - einer Enklave perfekten Genpools...

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