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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.03.2017

Portait der Gegenwart

Die Zeit der Ruhelosen
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Die französische Schriftstellerin Karine Tuil  ist eine große Stilistin und beim Anlegen der übergroßen Figuren hält sie sich mit der Eindringlichkeit nicht zurück. Im Mittelpunkt steht der reiche Manager ...

Die französische Schriftstellerin Karine Tuil  ist eine große Stilistin und beim Anlegen der übergroßen Figuren hält sie sich mit der Eindringlichkeit nicht zurück. Im Mittelpunkt steht der reiche Manager François Vély, der Politiker Osman Diboula und der aus Afghanistan zurückgekehrte Romain Roller
Dann gibt es noch Marion, die Francois heiratet und mit Romain eine Affäre anfängt. Leider wird nicht aus ihrer Perspektive heraus erzählt.
Die Autorin bringt den Leuten die Verfassung dieser Protagonisten näher und zeigt psychologische Zustände auf. Sie alle tun sich schwer im Leben, trotz Erfolge, doch Veranlagung oder äußere Umstände lassen sie ruhelos sein.
Die Figuren sind zwar interessant, aber streckenweise kalt und eignen sich kaum zur Identifikation. Man liest deswegen mit einer gewissen Distanz. Zudem ist das Buch thematisch düster gefärbt und komplett ironiefrei.
Dennoch bleiben mir die Figuren nicht gleichgültig, besonders Romains innere Qualen sind berührend, er musste mit ansehen, wie in Afghanistan mehrere seiner Leute bei einem Abschlag getötet oder schwer verletzt und verstümmelt wurden. Das hinterlässt bei ihm eine posttraumatische Belastungsstörung.
Für Francois Probleme habe ich weniger Verständnis, da er letztlich an den Skandalen mit verantwortlich ist. Später trifft es ihn aber unverdient schwer.
Thematisch ist das Buch ambitioniert, doch oft gerät die Handlung ins Stocken. Richtig packend ist aber das Finale, das sich überraschenderweise teilweise im Irak abspielt.
Für mich ist das Buch kein Meisterwerk, das wäre übertrieben, doch dank Karine Tuils glasklarer Prosa ist der Roman ein ästethischer Genus

Veröffentlicht am 25.03.2017

Berührend und Realistisch

Unsere Seelen bei Nacht
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Unsere Seelen bei Nacht - Kent Haruf

Dieser in ruhiger Sprache geschriebene Roman ist ein Kleinod. Der Autor war mir kein Begriff, schade aber vielleicht finde ich noch mal etwas von ihm, er ist ja leider ...

Unsere Seelen bei Nacht - Kent Haruf

Dieser in ruhiger Sprache geschriebene Roman ist ein Kleinod. Der Autor war mir kein Begriff, schade aber vielleicht finde ich noch mal etwas von ihm, er ist ja leider nicht mehr am Leben.
Addie und Louis sind Nachbarn, beide Rentner und über 60 als Addie Louis bittet bei ihr zu übernachten, nur damit sie nicht so allein ist.
Man kann sich ja vorstellen, wie sie in einer amerikanischen Kleinstadt erst mal zum Stadtgespräch werden. Louis Tochter und Addies Sohn sind auch nicht begeistert.
Berührend wird es, als Addies Enkel Jamie eine Zeit bei ihr wohnt und an Alpträumen leidet.
Zusammen mit Louis geht es dem Jungen langsam besser. Wunderschön sind die Ausflüge und Aktivitäten der Drei beschrieben. Ich konnte mich so richtig hineinfühlen.
Der Roman ist sehr realistisch gehalten und ich war traurig, das der Roman so schnell durchgelesen war. Aber nur so ging es, es gab keine Längen.
Für mich war es eine gute Lektüre und ich kann „Unsere Seelen bei Nacht“ nur empfehlen.

Veröffentlicht am 25.02.2017

Fesselnd und Einfühlsam

Betrunkene Bäume
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Betrunkene Bäume von Ada Dorian
Das Hörbuch wird gelesen von Adam Nümm.

Der Roman spielt in Berlin und in Sibirien, in der Gegenwart und der Vergangenheit.

Der Forscher Erich hat in seiner Jugend eine ...

Betrunkene Bäume von Ada Dorian
Das Hörbuch wird gelesen von Adam Nümm.

Der Roman spielt in Berlin und in Sibirien, in der Gegenwart und der Vergangenheit.

Der Forscher Erich hat in seiner Jugend eine Expedition in die Taiga unternommen und das Wachstum der Bäume beobachtet.
Jetzt ist er achtzig Jahre alt und immer noch an Bäumen interessiert. Bei ihm ist dieser Splean schon ziemlich extrem und gewöhnungsbedürftig..
Langsam nehmen seine Mobilität und seine Wahrnehmungen ab.
Wie er seine Marotten vor seiner Tochter immer wieder versteckt und sich herausredet ist kurios.

Dann gibt es noch die siebzehn jährige Katharina, die unter der Trennung der Eltern leidet und von zu Hause ausreisst.
Die beiden so ungleichen Personen freunden sich an und helfen sich gegenseitig.

Die Autorin schreibt einfühlsam über das Altern, die Einsamkeit, die Erinnerungen und Enttäuschungen.
Wenn Erich an seine Zeit in Sibirien denkt, fühlt man die Stimmung und das sibirische Klima . Sein Führer Wolodja ist ein besonderes Unikum, ihn mochte ich besonders gerne, Ihn und seinen Hund.

Und Adam Nümm liest mit geschulter Stimme einfühlsam diesen schönen interessanten Roman.

Das Cover gefällt mir und die Existenz dieser betrunkene Bäume aus dem Titel, gibt es wohl tatsächlich.

Mich hat das Hörbuch gefesselt und ich konnte nicht genug bekommen.
Ich hoffe Ada Dorian schreibt noch mehr so einfühlsame Romane. Sie ist für mich eine Neuentdeckung.

Veröffentlicht am 21.02.2017

Erwachsen werden mit Charme

Der Mann, der Luft zum Frühstück aß
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Radek Knapp hat mit „Der Mann, der Luft zum Frühling aß“ eine schöne Erzählung mit einzigartigem Stil geschrieben, Es ist nicht gerade spannend aber trotzdem fesselnd.
Der Titel und das Cover sind ansprechend.

Der ...

Radek Knapp hat mit „Der Mann, der Luft zum Frühling aß“ eine schöne Erzählung mit einzigartigem Stil geschrieben, Es ist nicht gerade spannend aber trotzdem fesselnd.
Der Titel und das Cover sind ansprechend.

Der Protagonist Walerian erzählt sein Leben ab der Kindheit an. Der Stil ist besonders. teilweise ernst mit im Nachhinein witzigen Aspekten.
Wie kann eine Mutter ihren Sohn nach einem Schlafmittel nennen.
Und was er mit seiner Mutter erlebt ist Irre. Sie lässt ihren Sohn 12 Jahre bei ihren Eltern in Polen und dann reisst sie ihn Hals über Kopf aus seiner Umgebung und nimmt ihn nach Wien mit.

Mir gefällt diese ruhige Erzählung besonders gut. Waleriams Versuche mit der fremden Sprache und den ganzen Ansprüchen ohne Hilfe der Mutter sein Leben zu meistern, werden besonders detailliert wieder gegeben.

Immer wieder ist er mit seinem weiterkommen leicht zufrieden zu stellen, er arbeitet in mehreren Berufen und wurde mir immer sympatischer.

Hier wird uns das Leben von den Emigranten nahe gebracht. Man denkt doh gleich an die Flüchtlinge, die die Sprache noch nicht kennen und nicht wissen wie ihr Leben weiter lebenswert wird und sie eine Heimat bekommen.

Dieses dünne Büchlein besitzt einen besonderen Charme, mit einem Thema, das gerade aktuell ist.

Veröffentlicht am 17.02.2017

flott geschriebenes Buch

Im Sommer wieder Fahrrad
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Hier erzählt ein Berliner Mädel von sich, selbstbewusst und forsch.
Lustig ist ja auch schon das Cover mit Lea in der Tonne.
Was vordergründig so leicht und munter wirkt, hat aber auch eine andere Seite, ...

Hier erzählt ein Berliner Mädel von sich, selbstbewusst und forsch.
Lustig ist ja auch schon das Cover mit Lea in der Tonne.
Was vordergründig so leicht und munter wirkt, hat aber auch eine andere Seite, zum Beispiel eine Krebserkrankung. Lea Streisand geht mit den wichtigen Themen nicht leichtfertig um.
Eine wichtige Person für Lea ist ihre Großmutter, die ein aufregendes Leben führte.
Mütterchen, wie ihre Großmutter genannt wird, ist eine starke Frau, dickköpfig, lebensklug und mit viel Humor. Eine die immer wieder aufsteht.

Es wechseln die Handlungsabschnitte zwischen Leas Krankheitsverlauf und Therapie und Mütterchens Lebensgeschichte, und damit auch die Welt des Theaters im 20 Jahrhunderts, denn sie war ehemals Schauspielerin und Regieassistentin.

So wird es ein flott geschriebenes Buch über zwei liebenwerte Menschen, die schweres durchmachen mussten, aber nie ihren Humor und ihren Mut verloren.