Profilbild von Dreamworx

Dreamworx

Lesejury Star
offline

Dreamworx ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Dreamworx über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.03.2018

Geschichte hautnah par excellence!

Die geliehene Schuld
0

1949 Berlin. Durch den Krieg hat die Journalistin Vera Lessing ihre gesamte Familie verloren, doch durch diesen schrecklichen Schicksalsschlag lässt sie sich nicht unterkriegen, sondern schaut nach vorn ...

1949 Berlin. Durch den Krieg hat die Journalistin Vera Lessing ihre gesamte Familie verloren, doch durch diesen schrecklichen Schicksalsschlag lässt sie sich nicht unterkriegen, sondern schaut nach vorn und stürzt sich in die Arbeit, die ihr gleichzeitig Halt und Ablenkung bietet. Da ereilt sie die furchtbare Nachricht, dass ihr bester Freund Jonathan Jacobsen, der ebenso ein guter Kollege von ihr ist, während Recherchearbeiten in Köln unter merkwürdigen Umständen ums Leben kam. Als Vera einen letzten Brief von Jonathan in den Händen hält mit der Bitte, seine Arbeiten fortzuführen, entschließt sie sich, seinem Wunsch zu erfüllen und auch die Gründe für seinen Tod aufzudecken. Schon bald findet Vera heraus, dass Jonathan mit einer Sekretärin namens Marie Weißenberg aus dem Stab von Konrad Adenauer persönlichen Kontakt hatte und auch mächtigen Leuten vom Geheimdienst mit seinen Nachforschungen über Kriegsverbrecher auf die Füße getreten ist. Aber mit ihrer Spurensuche begibt auch Vera sich in Gefahr, denn jemand ist ihr auf der Spur, der nicht möchte, dass all diese Dinge ans Licht kommen…
Claire Winter hat mit ihrem Buch „Die geliehene Schuld“ einen sehr fesselnden und spannenden historischen Roman über die deutsche Nachkriegszeit vorgelegt, der sich fast schon wie ein Kriminalroman liest und den Leser von der ersten Seite an mitreißt. Das Buch entwickelt eine regelrechte Sogwirkung, man kann es kaum aus der Hand legen, bis die letzte Seite gelesen ist. Die Autorin ist bekannt für einen flüssigen, intensiven, bildhaften und atmosphärischen Schreibstil, als Leser hat man sofort Bilder vor dem inneren Auge – es ist, als wäre man hautnah mit dabei. Gleichzeitig lässt Winter den Leser das gesamte Gefühlsbarometer rauf und runter durchleben: von wütend bis ungläubig, von zornig bis mitleidig, von traurig bis fassungslos. Die Handlung wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, so kommen hier sowohl Vera als auch Jonathan, Marie und Lina zu Wort. Der Leser lernt so die Geschichte aus verschiedenen Sichtweisen und Handlungsmotiven kennen und bekommt ein vollständiges Bild der Gesamtgeschichte. Die Autorin hat eine sehr akribische Hintergrundrecherche betrieben und diese mit ihrer Handlung sehr geschickt verwoben. Die Nachkriegszeit und die anfängliche Wiederaufbauphase in Deutschland werden ebenso thematisiert wie die Macht der Geheimdienste, der Schutz von Kriegsverbrechern und auch das unrühmliche Verhalten der katholischen Kirche. Hier wurde Realität mit Fiktion so geschickt miteinander verknüpft, dass der Leser das Gefühl hat, einen Tatsachenbericht zu lesen, der so spannend ist, dass man beim Lesen zeitweise sogar das Atmen einstellt.
Die Charaktere sind so vielfältig wie individuell ausgearbeitet und liebevoll in Szene gesetzt. Sie wirken so realitätsnah, lebendig und authentisch, dass der Leser sich mit ihnen gut identifizieren und mitfühlen kann, obwohl ihre Schicksale so unterschiedlich sind. Vera ist eine sympathische Frau, die trotz, oder gerade durch die vielen harten Prüfungen, die sie durchstehen musste, kraftvoll, mutig und selbstbewusst wirkt. Sie kaschiert ihren Kummer durch Stärke. Marie ist wissbegierig und auch etwas naiv, doch je mehr sie Nachforschungen über den Tod ihres Vaters betreibt, umso hartnäckiger wird sie, obwohl sie zum Außenseiter ihrer eigenen Familie wird. Jonathan ist ein Mann, der die Wahrheit sucht und nicht eher loslässt, bis er sie gefunden hat. Er ist wie ein Pitbull und ignoriert dabei die Gefahren, die sich ihm immer drohender in den Weg stellen. Lina hat furchtbares erlebt und überlebt, doch sie gibt den Menschen eine Chance und schenkt ihr Vertrauen kompromisslos. Sie ist nicht nachtragend, aber ebenfalls auf der Suche nach der Wahrheit. Auch die übrigen Protagonisten, von denen einige mehr als böse sind, steigern die Spannung der Handlung und machen das Buch zu einem wahren Pageturner mit hervorragendem Kopfkino als Zugabe.
Mit „Die geliehene Schuld“ ist Claire Winter einmal mehr ein erstklassiger Roman gelungen, der nicht nur durch hervorragende Recherchearbeit und die Verdingung von Fiktion und Wirklichkeit besticht, sondern durch das der Leser Geschichte hautnah miterleben darf. Ein Lesehighlight par excellence! Eine absolute Leseempfehlung ist hier mehr als nur verdient. Chapeau, Frau Winter – besser geht es nicht!!!

Veröffentlicht am 24.03.2018

Eine Homage an das Leben selbst

Die Farben des Lebens
0

Die 26-jährige Kim lebt zusammen mit ihrem Freund Clovis auf der kleinen bretonischen Insel Groix. Ihre Mutter starb schon bei ihrer Geburt und ihr Vater wollte von ihr nichts wissen, so wuchs Kim bei ...

Die 26-jährige Kim lebt zusammen mit ihrem Freund Clovis auf der kleinen bretonischen Insel Groix. Ihre Mutter starb schon bei ihrer Geburt und ihr Vater wollte von ihr nichts wissen, so wuchs Kim bei ihrer Großmutter auf. Als sie eines Abends einen Anruf von ihrer Großmutter aus der Schweiz erhält, bricht Kims scheinbar heile Welt zusammen, denn am nächsten Tag ist ihre Oma tot. In ihrer ganzen Trauer erträgt sie das Leben auf Groix nicht mehr und reist, einer Flucht gleich, an die Code d’Azur, um dort eine Stelle als Gesellschafterin der alten Madame Gilonne-Kerjeant anzutreten, die in einer exklusiven Seniorenresidenz lebt. Einst war Gilonne eine bekannte und erfolgsverwöhnte Schauspielerin, die von allen hofiert wurde. Auch heute noch gibt sie sich den alten Zeiten hin und erwartet hartnäckig sowie divenhaft die Aufmerksamkeit aller. Schnell aber gewinnt Kim ihre Sympathie und schon bald unternehmen die beiden so allerlei Dinge gemeinsam. Auch Gilonnes Sohn kümmert sich rührend um die alte Dame, doch umgibt ihn ein Geheimnis, das Kim erst noch ergründen muss ebenso wie die Dinge, die das Leben lebenswert und bunt machen…
Lorraine Fouchet hat mit ihrem Buch „Die Farben des Lebens“ einen wunderschönen und gefühlvollen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig, lebendig und warmherzig mit einer gewissen Leichtigkeit; der Leser wird regelrecht in die Handlung hineingesogen und kann sich nicht mehr trennen, bevor die letzte Seite gelesen ist. Die Geschichte des Buches wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, allerdings nicht nur aus der Sicht der Protagonisten, sondern auch Spiegel, Kühlschrank und andere Dinge kommen zu Wort, was sich erst einmal verwirrend anhört, innerhalb der Handlung aber durchaus Wirkung zeigt. Die Autorin hält dem Leser während ihrer Geschichte immer wieder den Spiegel vor, damit dieser darüber nachdenkt, was das Leben ausmacht, was lebenswert ist und dass es das Leben so zu nehmen gilt, wie es ist, wobei man durchaus Einfluss nehmen kann, die positiven Seiten zu behalten und die negativen auszublenden, um weiterhin hoffnungsvoll nach vorn zu blicken. Zudem besteht Familie nicht nur aus den Menschen, denen man von Geburt an verbunden ist, sondern es gehören auch Freunde und Fremde durchaus dazu, mit denen man so manchen Schicksalsschlag geteilt oder so manches Glücksgefühl erlebt hat.
Die Charaktere sind wunderbar und individuell ausgearbeitet, sie besitzen Herz und Verstand, Lebensweisheit und haben sich eine gewisse kindliche Naivität bewahrt, die hier durchaus positiv zu werten ist. Die Autorin zeigt ein besonderes Einfühlungsvermögen im Umgang mit ihren Protagonisten und lässt sie als ganz normale Menschen agieren. Kim ist eine junge Frau, die durch den Tod der Großmutter völlig aus der Bahn geworfen wird, war sie doch ihr ganzes Leben ihre einzige wirkliche Familie. Kim stellt ihr Leben in Frage und sucht Antworten: auf den Tod der Großmutter, in Bezug auf das Alter und auf das Leben selbst. Gilonne ist eine alte Diva, die sowohl hartnäckig als auch mit einigen Marotten ausgestattet ist. Doch sie hat ein gutes Herz und selbst in ihrem Alter ist sie noch zu manch verrückter Tat bereit. Sie versprüht Lebensfreude, aber ebenso auch Verlässlichkeit. Auch die übrigen Protagonisten wie der einfühlsame Clovis oder Gilonnes Sohn geben der Handlung zusätzlich Spannung und etwas Geheimnisvolles.
„Die Farben des Lebens“ ist ein Roman über das Altern, die Liebe und vor allen über Leben selbst, das ein jeder von uns nur einmal geschenkt bekommt und jede Minute davon mit allen Fasern des Körpers auskosten sollte. Absolute Leseempfehlung für eine gelungene Homage an das Leben!

Veröffentlicht am 24.03.2018

Lebensakrobatinnen

Töchter der Lüfte
0

2. Weltkrieg. Astrid wuchs in einer Zirkusfamilie auf und wurde schon früh als Artistin ausgebildet. Am Trapez verzaubert sie die Menschen, doch niemand weiß, dass ihr wirklicher Name Johanna und sie Jüdin ...

2. Weltkrieg. Astrid wuchs in einer Zirkusfamilie auf und wurde schon früh als Artistin ausgebildet. Am Trapez verzaubert sie die Menschen, doch niemand weiß, dass ihr wirklicher Name Johanna und sie Jüdin ist. Nun soll sie die 16-jährige Holländerin Isa am Trapez ausbilden. Isa wurde von einem deutschen Soldaten geschwängert und von ihrem Vater vor die Tür gesetzt. Nachdem man ihr das Baby wurde nach der Geburt weggenommen und zur Adoption gegeben hat, musste Isa sich allein durchschlagen. In einem Zug findet sie ein jüdisches Baby und nimmt sich seiner an. Auf ihrer Reise treffen sie auf den Zirkus und kommen dort unter. Mit Astrids Hilfe versucht Isa nun, ein neues Leben im Zirkus aufzubauen und ihren Lebensunterhalb durch Artistik zu bestreiten, immer in der Angst, erwischt zu werden. Eine Angst, die sie mit Astrid teilt…
Pam Jenoff hat mit ihrem Roman „Töchter der Lüfte“ einen sehr eindringlichen, spannenden und sehr gefühlvollen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und lebhaft, der Leser ist sofort in der Handlung gefangen und durch die laufenden Perspektivwechsel ist er mal an Astrids, mal Isas Seite bei ihrem täglichen Kampf ums Überleben, ihren Gedanken und Gefühlen. Die Autorin hat gut recherchiert und lässt den Leser durch ein Nachwort wissen, dass sie als Vorlage für ihren Roman Informationen eines Zirkusses benutzt hat, der während des Krieges jüdische Artisten deckte und mitreisen ließ. Dem Leser gewährt sie einen schönen Einblick in die hart arbeitende und entbehrungsreiche Welt der Artisten, die sich zum Teil aus vielen verschiedenen Nationen zusammensetzen. Durch die detaillierten Beschreibungen kann man sich das Wanderleben der Zirkusleute wunderbar vorstellen. Die Zeit während des Krieges war zudem gerade für Zirkusmenschen schwierig, das sie im Nationalsozialismus zwar für die Unterhaltung der Bevölkerung nützlich waren, jedoch meist ebenso verfolgt wurden wie Juden, da sie meist als Zigeuner galten.
Die Charaktere sind sehr unterschiedlich und individuell ausgestaltet, sie besitzen alle ihre Eigenheiten und wirken gerade deshalb sehr lebendig und authentisch. Astrid ist eine Frau, die schon einige Schicksalsschläge zu verkraften hatte. Sie ist pragmatisch und als Realistin macht sie sich nichts vor. Sie lebt nicht nur am Trapez einen Drahtseilakt, denn ihre falsche Identität kann jederzeit auffliegen. Angst ist ihr ständiger Begleiter. Doch sie muss bei ihrem Trapezakt auch immer hochkonzentriert und verlässlich sein. Allerdings muss sie auch anderen Vertrauen entgegenbringen, damit die aufgeführte Nummer gut gelingt. Isa ist noch ein sehr junges Mädchen, das viel zu schnell erwachsen werden musste. In ihrer Naivität hat sie sich verliebt und musste teuer dafür bezahlen, denn sie verlor nicht nur ihr Kind, sondern auch ihr Zuhause. Die Sehnsucht nach ihrem Baby ließ sie ein anderes vor dem sicheren Tod retten, und nun lebt sie in Angst, dass man sie überführt. Sie versteckt sich und muss nun nicht nur sich, sondern auch das Kind ernähren. Dass sie für ihren Lebensunterhalt im Zirkus eine Gegenleistung erbringen muss, hat sie nicht bedacht. Die Angst vor Höhe, der eigenen Courage und vor allem einem anderen sein Leben anzuvertrauen, bringt sie an ihre Grenzen, lässt sie aber auch erwachsen werden.
„Töchter der Lüfte“ ist nicht einfach ein Roman über Zirkusartisten, sondern ein sehr emotionaler Roman über den Krieg, seine Folgen, Verfolgung, Freundschaft, Vertrauen und das Überleben. Ein wunderbares Buch, das eine absolute Leseempfehlung verdient!

Veröffentlicht am 24.03.2018

Wunsch nach Selbstbestimmung

Tulpenliebe
0

17. Jh. Holland. Die 26-jährige Hester Falliaert stammt aus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie und liebt nichts mehr als die Malerei, wofür sie auch ein großes Talent beweist. Zu gern möchte sie als Frau ...

17. Jh. Holland. Die 26-jährige Hester Falliaert stammt aus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie und liebt nichts mehr als die Malerei, wofür sie auch ein großes Talent beweist. Zu gern möchte sie als Frau Mitglied in der Lukas-Gilde werden, was zur damaligen Zeit noch unmöglich war. Als ihr Vater stirbt, steht sie allerdings mit leeren Händen da und heiratet den Maler Christiaan Blansjaar, um abgesichert zu sein. Allerdings ist ihr Ehemann eifersüchtig auf ihr Talent und macht ihr das Leben zur Hölle, so dass Hester schon bald große Selbstzweifel plagen. Währenddessen schwingt sich in Holland der Handel mit Tulpenzwiebeln in ungeahnte Höhen und ein regelrechtes Handelsfieber bricht aus. Als Hesters Ehemann Christiaan ebenfalls davon angesteckt wird, wittert Hester ihre Chance…
Femke Roobol hat mit ihrem Buch „Tulpenliebe“ einen sehr unterhaltsamen und gleichzeitig spannenden historischen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft, schnell gelingt es dem Leser, in das 17. Jahrhundert einzutauchen, um Hester kennenzulernen und sie bei ihren Gedanken, Gefühlen und ihrem beschwerlichen Weg hin zu ihrem Traum zu begleiten. Die Autorin hat gut recherchiert und den historischen Hintergrund schön mit ihrer Handlung verwoben. Sie gibt dem Leser einen guten Einblick in die damaligen gesellschaftlichen Gepflogenheiten, über den Tulpenzwiebelhandel sowie über das Leben der holländischen Künstler und die Wichtigkeit der Malerei. Ebenso wird die Stellung der Frau zu jener Zeit hervorgehoben, die als Künstlerin wenig bis kaum erfolgreich sein konnte, da es als reine Männerdomäne galt, künstlerisch tätig zu sein.
Die Charaktere sind sehr detailliert ausgearbeitet und mit individuellen Eigenheiten versehen, die sie sehr lebendig und realitätsnah wirken lassen. Hester ist in ihrem Alter eigentlich schon als alte Jungfer gilt. Sie ist künstlerisch sehr talentiert und hat den großen Traum, von ihrer Malerei selbstbestimmt leben zu können. Doch im 17. Jh. war man für solche Ansichten noch nicht reif genug und machte es den Frauen doppelt schwer. Obwohl sie den Tod des Vaters noch nicht ganz verkraftet hat, muss sie sich darum kümmern, wie sie überleben will. So kommt nur eine Heirat in Frage, auch wenn sie ihren Ehemann nicht liebt. Hester geht Kompromisse ein für die Absicherung. Leider entpuppen sich diese als völlig kontraproduktiv für sie selbst, und so mobilisiert sie mit Geduld und kluger Planung ihr Leben als Malerin. Christiaan ist Hesters Ehemann und selbst Maler. Er ist allerdings ein unbarmherziger und neidzerfressener Mann, der ein anderes Talent nicht neben sich duldet. Er denkt nur an sich selbst, ist egoistisch und übt Druck und seine Macht als Ehemann aus, um seinen Willen zu bekommen. Gleichzeitig ist er auch ein gieriger Mann, der nie genug zu haben scheint.
„Tulpenliebe“ ist ein spannender und sehr unterhaltsamer historischer Roman, der ein Sittengemälde Hollands im 17. Jahrhundert zeichnet und Einblicke gibt in die Welt der Künstler und den spekulativen Tulpenhandel. Für Historienfans auf jeden Fall eine Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 24.03.2018

Schicksalshafte Toskana

Der Mitternachtsgarten
0

Lucy Whittaker hat die Nase voll von London, wo das Schicksal ihr nicht gerade wohlgesonnen war. Deshalb entscheidet sie sich für die ihr angebotene Stelle als Hausmädchen und reist dafür in die Toskana, ...

Lucy Whittaker hat die Nase voll von London, wo das Schicksal ihr nicht gerade wohlgesonnen war. Deshalb entscheidet sie sich für die ihr angebotene Stelle als Hausmädchen und reist dafür in die Toskana, um dort auf dem Castillo Barbarossa neu zu starten. Hauptsache, London liegt hinter ihr. Leider lässt sich ihre neue Arbeitgeberin Vivien Lockhart, eine einstmals berühmte Hollywood-Größe, erst einmal nicht blicken, sodass Lucy sich erst einmal mit deren Assistentin Adalina zufrieden geben muss und auf ein Zusammentreffen mit der geheimnisvollen Vivien noch warten muss. Als Lucy durch Zufall ein altes Tagebuch findet, ist ihre Neugier geweckt und sie beschließt, den Dingen auf den Grund zu gehen…
Victoria Fox hat mit ihrem Buch „Der Mitternachtsgarten“ einen unterhaltsamen und gleichzeitig spannenden Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und fesselnd zugleich, der Leser findet sich schnell an der Seite von Lucy wieder und begleitet sie auf Schritt und Tritt, erfährt dabei ihre Gedanken und Gefühle und gleichzeitig erlebt er auch eine spannende Reise in die Vergangenheit ins Jahr 1972. Die Handlung wird in zwei Zeitebenen erzählt, die eine gibt die Gegenwart um Lucy wieder, die andere schildert die Vergangenheit von Vivien. Die Landschaftsbeschreibungen sind sehr bildhaft und geben dem Leser die Möglichkeit, in Gedanken in der wundervollen Toskana zu wandeln und sich wie auf einem Kurzurlaub in Italien zu fühlen.
Die Charaktere sind sehr differenziert angelegt und individuell ausgestaltet. Aufgrund ihrer Eigenheiten wirken sie sehr authentisch und realitätsbezogen. Lucy ist eine junge Frau, die noch Träume hat, aber in jüngster Vergangenheit sehr verletzt wurde, wodurch so mancher Wunsch zerplatzt ist. Sie ist hilfsbereit, offen und fleißig, aber auch sehr neugierig, weshalb sie natürlich in Dingen stöbern lässt, die sie eigentlich nichts angehen. Doch ihre Erkenntnisse helfen ihr dabei, ihr eigenes Leben neu auszurichten. Vivien ist eine geheimnisvolle Frau, die erst einmal nicht in Erscheinung tritt, sondern nur aufgrund der Tagebucheinträge lebendig wird. Sie wuchs in einem streng gläubigen Elternhaus auf und musste unter ihrem hartherzigen und brutalen Vater leiden, was sie dazu veranlasste, der Familie so schnell wie möglich den Rücken zu kehren. Sie baute sich unter vielen Schwierigkeiten eine Karriere in Hollywood auf und verliebte sich, doch leider stand diese Liebe unter keinen guten Stern, es kam zu einer Tragödie, die Vivien veranlasste, fortan zurückgezogen zu leben. Sie hat sich praktisch ein eigenes Gefängnis geschaffen. Adeline ist Viviens Assistentin und übt gleichzeitig nicht nur die Rolle der Vermittlerin zwischen Lucy und Vivien aus. Auch die übrigen Protagonisten steigern die Spannung der Handlung durch ihr Erscheinen.
„Der Mitternachtsgarten“ ist ein fesselnder Roman über dunkle Familiengeheimnisse, Schicksalsschläge, Liebe und Vergangenheitsbewältigung. Ein Buch für alle, die gern Geschichten über verschiedene Zeitebenen und unterschiedliche Lebenswege lesen und dabei selbst rätseln möchten, was am Ende wohl herauskommt. Auf jeden Fall eine Leseempfehlung!