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Veröffentlicht am 04.01.2020

Schwierige Entwicklungen auf Morgan's Hall

Zeit der Sehnsucht auf Morgan's Hall
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1956-1959. Um ihre Ehe zu retten, kehrt Isabelle aus Wien gerade rechtzeitig zum 14. Geburtstag ihrer gemeinsamen Tochter Elizabeth nach Morgan‘s Hall und Ehemann John zurück. Doch die Zeiten sind hart, ...

1956-1959. Um ihre Ehe zu retten, kehrt Isabelle aus Wien gerade rechtzeitig zum 14. Geburtstag ihrer gemeinsamen Tochter Elizabeth nach Morgan‘s Hall und Ehemann John zurück. Doch die Zeiten sind hart, die Ernte der Apfelplantage fällt einer Insektenplage zum Opfer und bringt die Familie in finanzielle Schwierigkeiten. Aber auch ihr konkurrierender Nachbar Clark Harrington macht ihnen das Leben schwer, denn er möchte sich unbedingt ihr Land unter den Nagel reißen. Gerade in diesen schwierigen Zeiten kommen sich John und Isabelle wieder näher. Bald schon dürfen sie sich über erneuten Familienzuwachs freuen. Währenddessen ist Tochter Elizabeth heimlich in ihren Stiefbruder James verliebt, der sich derzeit in New York aufhält und dort selbst eine interessante Begegnung macht. Allerdings bemerkt auch er Gefühle für seine Stiefschwester, als er Morgan‘s Hall einen Besuch abstattet. Werden Isabelle und John endlich doch noch glücklich miteinander, und was wird aus Elizabeth und James?
Emilia Flynn hat mit „Zeit der Sehnsucht auf Morgan‘s Hall“ den zweiten Band ihrer Trilogie vorgelegt, der in punkto Spannung und geschichtlichem Hintergrund an den ersten Teil leider nicht ganz heranreicht. Der Schreibstil ist flüssig und mitreißend, lässt den Leser schnell gedanklich in die Vergangenheit reisen, um sich erneut auf Morgan’s Hall häuslich einzurichten und der Familie in der Zeitspanne von 1956-1959 über die Schulter zu schauen. Von der Autorin gut in die Handlung integrierte Rückschauen auf die Geschehnisse im ersten Band machen es dem Leser möglich, sich möglichst schnell wieder in der Geschichte zuhause zu fühlen und den zwischenmenschlichen Beziehungen der Akteure zu folgen. Die bildgewaltigen Beschreibungen der Örtlichkeiten lassen es zu, dass man als Leser ein schönes Kopfkino vor Augen hat, während die Familie einige Schicksalsschläge zu verkraften hat und auch das Liebesleben aller Beteiligten Achterbahn fährt. Das Frauenbild der damaligen Zeit hat die Autorin ebenfalls gut herausgearbeitet. Überraschende Wendungen halten den Leser in Atem und animieren ihn zu Spekulationen, wie es wohl für alle Beteiligten ausgehen wird.
Die Charaktere wurden von der Autorin weiterentwickelt und wirken lebensnah und realistisch in ihrem Auftreten. Der Leser fühlt sich schnell wieder mit ihnen verbunden und erlebt ihre kleinen Dramen und Schicksalsschläge hautnah mit. Isabelle hat sich durch die räumliche Trennung von John von ihrer Tochter Elizabeth entfernt, worunter sie stark leidet. Die Annäherung gestaltet sich schwierig, denn Elizabeth macht es ihr nicht gerade leicht. Elizabeth selbst ist zu Beginn ein noch naiver Backfisch, entwickelt sich aber zu einer attraktiven jungen Frau, die Männerherzen höher schlagen lässt und genau weiß, was sie will. Stiefbruder James ist ein talentierter Pianist, der in New York auf den Durchbruch hofft und sich dort in Olivia verliebt. Aber auch die weiteren Protagonisten wie Phil, Tristan, Violett oder Clark Harrington bringen Spannung in die Handlung und machen sie unvorhersehbar.
„Zeit der Sehnsucht auf Morgan‘s Hall“ wartet wieder mit viel Liebe, Spannung, Drama und Intrigen auf, die ein packendes Lesevergnügen garantieren und den Leser auf den nächsten Teil hoffen lassen, sobald er das Buch beendet hat. Verdiente Leseempfehlung für kurzweilige Lesestunden!

Veröffentlicht am 03.01.2020

Donner im Erzgebirge

Tod und kein Erbarmen
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Vor 10 Jahren verschwand die 8-jährige Violetta Hartwig in dem kleinen erzgebirgischen Ort Pöhla, und die Polizei war nicht in der Lage, den Fall aufzuklären. In all den Jahren gab es keine Spur, Violetta ...

Vor 10 Jahren verschwand die 8-jährige Violetta Hartwig in dem kleinen erzgebirgischen Ort Pöhla, und die Polizei war nicht in der Lage, den Fall aufzuklären. In all den Jahren gab es keine Spur, Violetta ist nie wieder aufgetaucht. Nun ist Kriminalhauptkommissar Erik Donner zum Ausspannen in dem kleinen Kaff und will dort einfach nur vergessen, dass seine Lebensgefährtin Annegret tot ist und seine Gefühle in Alkohol ertränken, um nichts mehr zu fühlen. Ausgerechnet in dieser Stimmung sucht ihn Violettas Cousine Linda Groß auf und bittet um seine Hilfe bei der Aufklärung 10 Jahre alten Falls. Doch Donner will davon nichts wissen. Als Linda Groß einen Tag später selbst tot aufgefunden wird, gilt Donner als Hauptverdächtiger…
Elias Haller hat mit „Tod und kein Erbarmen“ den siebten Thriller um den sächsischen Kriminaler Erik Donner vorgelegt. Der Erzählstil ist flüssig-leicht, fesselnd und bildhaft, der Leser wird regelrecht in die Handlung hineingeworfen und darf sich in dem kleinen Örtchen Pöhla mit der Polizei auf Spurensuche begeben. Durch kurze Kapitel und die zeitlichen sowie perspektivischen Wechsel erfährt der Leser nicht nur nach und nach etwas über den alten Fall aus der Vergangenheit, er lernt auch die Sicht des Täters kennen und beteiligt sich an der Polizeiarbeit in der Gegenwart, wobei nicht nur die Unschuld Donners zu beweisen ist, sondern auch der alte und der neue Fall aufzuklären sind. Der Autor versteht es sehr gut, den Leser an die Seiten zu binden, denn in dem kleinen Erzgebirgsort scheint so mancher Leichen im Keller zu haben. Der Bergbau spielt eine zentrale Rolle in dieser Geschichte, ebenso sind die zwischenmenschlichen Beziehungen innerhalb der Dorfgemeinschaft als auch zwischen den Polizisten sehr gelungen beschrieben. Die Landschaftsbeschreibungen machen es dem Leser leicht, sich sofort in die Umgebung einzufügen. Der Spannungsbogen wird gleich zu Beginn recht hoch angelegt und hält den Leser dauerhaft bis zum Ende in Atem, während er miträtselt.
Ein bunter und skurriler Haufen Charakter ist lebendig und realistisch ausgestaltet, sie wissen mit individuellen Ecken und Kanten zu faszinieren. Dem Leser fällt es nicht schwer, sich an ihre Fersen zu heften. Erik Donner ist ein recht eigenwilliger Protagonist. Zum einen ergeht er sich vom Kummer getrieben in die Sauferei, andererseits ist er verbissen, wenn es um die Aufklärung eines Falles geht. Wie ein Pitbull lässt er nicht locker. Auch die Polizisten Vogel und Winter sind Originale, wissen durch ihre Eigenschaften zu punkten. Aber auch Linda Groß, Violettas Eltern oder dieser merkwürdige Schrat, der in der Wirtschaft lebt und ständig mit Unsichtbaren zu sprechen scheint sowie die gesamte Dorfgemeinschaft tragen erheblich dazu bei, dass dieser Thriller durchweg ein Pageturner ist und man als Leser regelrecht bei der Spurensuche gefordert wird.
„Tod und kein Erbarmen“ ist ein wirklich spannender Thriller, der den Leser durchweg in Atem hält und die überraschende Auflösung erst in aller Minute preisgibt. Toll gemacht und mit einer verdienten Leseempfehlung ausgestattet!

Veröffentlicht am 31.12.2019

Vom Suchen und Finden

Geteilt durch zwei
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2017. Nadja Kleman ist Anfang Vierzig und mit ihrem Leben eigentlich rundum zufrieden, denn sie führt eine glückliche Ehe und hat mit Lena eine 21-jährige Tochter, mit der sie ein Herz und eine Seele ist. ...

2017. Nadja Kleman ist Anfang Vierzig und mit ihrem Leben eigentlich rundum zufrieden, denn sie führt eine glückliche Ehe und hat mit Lena eine 21-jährige Tochter, mit der sie ein Herz und eine Seele ist. Nadja weiß schon lange, dass sie selbst adoptiert wurde, jedoch hat es ihr bisher nie etwas ausgemacht, denn sie hatte ein liebevolles Zuhause. Unterschwellig aber vermisst Nadja irgendetwas in ihrem Leben, von dem sie sich selbst nicht erklären kann, was es ist, und ihre Adoptiveltern sind nicht gerade auskunftsfreudig, was ihre leiblichen Eltern betrifft. Als Nadja eines Tages im Radio ihre eigene Stimme hört, ist sie völlig perplex und will der Sache auf den Grund gehen. Dabei findet sie mit Zwillingsschwester Pia ihr Gegenstück, von dem sie bis heute nichts wusste. Bald machen sich die beiden Schwestern daran, ihre Vergangenheit zu erforschen und wie es dazu kam, dass sie getrennt aufwuchsen. Werden Nadja und Pia als Zwillinge doch noch zusammenwachsen, wie es eigentlich sein sollte?
Barbara Kunrath hat mit „Geteilt durch zwei“ einen sehr emotionalen und tiefgründigen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig, gefühlvoll und vor allem authentisch, so dass es dem Leser leicht fällt, sich sofort auf die Geschichte einzulassen, die ihn so bald nicht mehr loslässt, selbst wenn das Buch bereits beendet ist. Durch wechselnde Perspektiven aus der Vergangenheit der 1970er Jahre, die sich mit der Gegenwart abwechseln, darf der Leser sich nicht nur unsichtbar an Nadjas Seite niederlassen, sondern erfährt auch verschiedene Sichtweisen aus der damaligen Zeit, die nach und nach die ganze Tragik der Familiengeschichte offen legen und eine Erklärung für die Trennung der Zwillinge liefert. Die Autorin bedient sich einer eher pragmatischen Sprache, was gut zu dem sehr emotionalen Thema passt. Sie drückt nicht auf die Tränendrüse, sondern schildert eine dramatische und traurige Familiengeschichte, die nicht nur viele Fragen aufwirft, sondern auch beantwortet und den Leser mitten ins Herz trifft. Die Suche der beiden Schwestern nach ihren Wurzeln bietet jede Menge Spannung und lässt den Leser rätseln, welche Umstände zu deren Trennung geführt haben mögen. Auch die langsame Annäherung der beiden Schwestern, die sich sowohl ähnlich als auch fremd sind, ist spannend zu beobachten.
Die Charaktere sind sehr unterschiedlich konzipiert und verlangen dem Leser einiges ab, denn sie sind nicht gerade Sympathieträger. Trotzdem heftet der Leser sich an ihre Fersen und kann sich ihnen nicht entziehen. Nadja ist eine Frau, die anscheinend alles hat, doch insgeheim immer auf der Suche ist. Sie wirkt unsicher und wägt ständig ihre Entscheidungen ab, als benötige sie einen doppelten Boden, um ja nicht zu fallen. Pia wirkt eher spröde und abweisend, was dem Überraschungseffekt über die gefundene Schwester geschuldet sein mag. Aber auch Tante Sybille, Corinna und die weiteren Akteure tragen einen erheblichen Teil zur spannenden Handlung und der dramatischen Entwicklung der Geschichte bei.
Mit „Geteilt durch zwei“ ist der Autorin eine tiefgründige und spannende Familiengeschichte gelungen, die dem Leser noch eine Weile im Kopf herumspuken wird. Sehr gekonnt erzählt und mit einer verdienten Leseempfehlung ausgestattet!

Veröffentlicht am 31.12.2019

Die tiefgreifenden Entscheidungen der Charlotte Windley

Die englische Gärtnerin - Blaue Astern (Die Gärtnerin von Kew Gardens 1)
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1920 England. Kurz nach dem ersten Weltkrieg lebt die junge Botanikerin Charlotte Windley mit ihren Geschwistern und einer kranken Mutter nach dem Tod des Vaters über dessen ehemaliger Arztpraxis, die ...

1920 England. Kurz nach dem ersten Weltkrieg lebt die junge Botanikerin Charlotte Windley mit ihren Geschwistern und einer kranken Mutter nach dem Tod des Vaters über dessen ehemaliger Arztpraxis, die ihr Bruder sobald als möglich wieder zum Laufen bringen soll, denn die finanziellen Mittel der Familie sind begrenzt. Charlotte ergattert sich die erhoffte Stelle im berühmten Kew Gardens, obwohl das den meisten Frauen in einer reinen Männerdomäne meist verwehrt bleibt. Aber Charlotte will in die Forschung und hofft darauf, auch an Expeditionen teilnehmen zu können. Tatsächlich soll sie aufgrund ihres Sachverstandes bald mit auf Expedition gehen, allerdings macht ihr das Schicksal einen Strich durch die Rechnung. Ihr Bruder landet im Rollstuhl und ist somit nicht mehr in der Lage, die Praxis zu führen, was auch eine finanzielle Katastrophe für die Familie bedeutet. Nun ist es an Charlotte, die Familie zu retten und für deren Unterhalt zu sorgen, was sie dazu veranlasst, eine Vernunftehe mit dem Deutschen Victor Bromberg einzugehen. Aber wird Charlotte sich mit dem Leben an der Seite eines reichen Ehemannes zufrieden geben?
Martina Sahler hat mit „Die englische Gärtnerin - Blaue Astern“ den ersten Band ihrer historischen Gärtnerinnen-Trilogie vorgelegt und damit sogleich einen wunderbaren Start hingelegt. Der Erzählstil ist flüssig, gefühlvoll und vor allem bildhaft, der Leser darf nicht nur in die Vergangenheit reisen, um Charlottes Schicksal hautnah mitzuerleben, sondern bewegt sich auch durch den farbenprächtigen Kew Gardens, einem der ältesten botanischen Gärten der Welt, der berühmt ist für seine Artenvielfalt und unzähligen Themengewächshäuser. Die Autorin hat den historischen Hintergrund sehr gut recherchiert und mit ihrer Geschichte verwoben. Nachdem der Krieg vorbei war, in dem Frauen die Stellung gehalten und auch Männerarbeiten verrichtet haben, wurden sie von den Männern bald wieder in eine untergeordnete Position gedrängt, was allerdings einige nicht mit sich machen ließen. Charlottes Zwiespalt, zum einen die Familie zu unterstützen, zum anderen ihre Karriere zu verfolgen, wird in der Geschichte wunderbar wiedergespiegelt. Mit ungeahnten Wendungen und einigen Überraschungsmomenten versteht es die Autorin sehr gut, den Leser bei Laune zu halten und ihre Geschichte zu einem wahren Pageturner zu erheben.
Die Charaktere wurden liebevoll mit Leben versehen und wirken mit ihren individuellen Eigenschaften sehr authentisch und real. Der Leser kann sich gut in sie hineinfühlen und mit ihnen fiebern, hoffen und bangen. Charlotte ist eine sehr zielstrebige und selbstbewusste junge Frau, die ihren Lebensweg genau durchgeplant hat und nicht davon ablassen will. Doch das Schicksal kommt ihr in die Quere und zwingt sie zum Umdenken und Neuarrangieren, wobei man ihren Mut und ihre Stärke immer wieder bewundern muss, denn sie gibt nie auf und nimmt die Dinge selbst in die Hand. Charlottes Ehemann Victor trägt seine Frau auf Händen und liest ihr praktisch jeden Wunsch von den Lippen ab, was ihn manchmal schwach erscheinen lässt. Schwester Debbie schlägt mit ihren Anwandlungen völlig aus der Art, denn sie will sich keinen Konventionen beugen, während Charlottes Bruder ein arroganter Snob ist, der schnell in seine Schranken gewiesen wird. Aber auch die weiteren Protagonisten wie Aurora oder Charlottes Mutter haben einigen Einfluss auf die Handlung.
„Die englische Gärtnerin - Blaue Astern“ ist ein schöner und unterhaltsamer Auftakt, der den Leser neugierig auf die weiteren Romane der Trilogie macht. Wunderbar erzählt, so dass man das Buch kaum aus der Hand legen kann. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 30.12.2019

"Das ist die Berliner Luft..."

Mut ist, wenn man Angst hat
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Die 49-jährige Hanauerin Olga Faust reist mit zwei Koffern nach Berlin, um dort einen Neustart zu wagen. Sie hat ungesehen ein Zimmer in einer Schöneberger WG und einen Job als Anwaltsgehilfin ergattert. ...

Die 49-jährige Hanauerin Olga Faust reist mit zwei Koffern nach Berlin, um dort einen Neustart zu wagen. Sie hat ungesehen ein Zimmer in einer Schöneberger WG und einen Job als Anwaltsgehilfin ergattert. Schon die WG stellt Olga vor Herausforderungen, denn die skurril zusammengewürfelte Gemeinschaft bietet von allem etwas. Die 86-jährige Wohnungsbesitzerin und Altberliner Pflanze Fritzi, die nicht nur durch ihr breites Berlinern besticht, sondern auch mit ihren erschaffenen Skulpturen die Räume füllt, der 16-jährige Enkel Tom mit Hund Wotan, der keinen Bock auf Schule hat, der arbeitslose Herbert und Fritzis Lebensgefährte Egon sorgen dafür, dass Olga kaum zur Ruhe kommt. Die Arbeit in der Anwaltskanzlei ist ebenso unkonventionell, denn der Empfangschef Clemens ist eine Seele von Mensch ebenso wie das „Seelchen“, eine Anwältin für Migrationsprobleme, während „Steppi“ den Kommandoton drauf hat. Die 65-jährige Zufallsbekanntschaft Theo sorgt ebenfalls für unvorhersehbare Abwechslung in Olgas neuem Leben, während sie sich immer noch nicht klar darüber ist, was sie eigentlich will…
Brigitte Heinrich hat mit „Mut ist, wenn man Angst hat“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt, der recht kurzweilig zu lesen ist aufgrund des flüssigen Schreibstils, des eingepflegten Dialekts der original Berliner Schnauze und der Wahl ihrer Protagonisten. Der Leser steht Olga von der ersten Seite an bei ihrem Neustart bei und darf sich während der Geschichte in ihrem Herzen und ihrer Seele umsehen. Während Olga zuerst Zurückhaltung übt, um sich zu orientieren, machen es ihr die Bewohner der WG recht leicht, sich zu akklimatisieren, denn sie wird sofort gut aufgenommen und in so manches Geheimnis eingeweiht. Die Autorin hat ein breites Spektrum an Themen in ihre Geschichte aufgenommen. Da geht es um die erste Liebe, Arbeitslosigkeit, langgehegte Schuldgefühle sowie das Verstecken von abgewiesenen Asylsuchenden – alles auf recht unterhaltsame Art miteinander verwoben, dem Leser aber dennoch genug Stoff zum Nachdenken bietet. Farbenfrohe Beschreibungen der Berliner Örtlichkeiten lassen sofort Bilder im Kopf des Lesers entstehen und in den Straßen von Schöneberg wandeln.
Die Charaktere sind lebendig und vor allem glaubwürdig gezeichnet, der Leser fühlt sich in ihrer Mitte sofort wohl und wird als unsichtbarer Gast in alle Belange miteinbezogen. Olga ist eine Frau am Scheideweg. Sie hat Angst vor Nähe, gibt sich sehr kühl und zurückhaltend, jedoch merkt man schnell, dass sie sich nach einer Schulter zum Anlehnen sehnt und nicht allein durchs Leben gehen möchte. Zu Beginn wirkt sie etwas naiv und unbedarft für ihr Alter, andererseits kann man ihren Mut und ihre Abenteuerlust nur bewundern, sich in der Mitte des Lebens ins Unbekannte zu wagen. Fritzi ist eine herzensgute Frau, die heimlich an einer alten Schuld trägt. Egon ist ein stiller Mann, der meist als Beobachter agiert, während Fritzis Enkel Tom für einigen Wirbel sorgt. Der arbeitslose Herbert ist fordernd und bestimmend, allerdings auch sehr gebildet und macht aus seinem Herzen keine Mördergrube. Theo ist verheiratet, hat mit dem Altwerden zu knabbern und möchte sich noch einmal lebendig fühlen.
„Mut ist, wenn man Angst hat“ ist ein sehr kurzweiliger Roman über einen Neustart mit einigen Verwicklungen, wie es im richtigen Leben auch vorkommt. Mit trockenem Humor und viel Berliner Schnauze bietet die Geschichte gute Unterhaltung. Verdiente Leseempfehlung!