Extrem und verstörend
Das SeidenraupenzimmerIch weiß gar nicht, was ich erwartet hatte, aber dies nicht. Das verspielte Cover und der Klappentext lassen eher an eine romantische Liebesgeschichte denken und der Beginn ließ mich ganz - aber nur ganz ...
Ich weiß gar nicht, was ich erwartet hatte, aber dies nicht. Das verspielte Cover und der Klappentext lassen eher an eine romantische Liebesgeschichte denken und der Beginn ließ mich ganz - aber nur ganz kurz - an eine Art japanische Version von "Der Sommer, als ich schön wurde" denken.
Yuki ist eine Außenseiterin, obwohl sie es allen nur recht machen will. Sie verbündet sich in den Sommerferien auf dem Land mit ihrem Cousin Yu, in dem sie einen Vertrauten findet, der ihre Fantasien nicht nur teilt, sondern auch beflügelt. Ihr Stofftier Pyut, eine weiße Maus, ist ein Abgesandter des Planeten Pohapipinpopopia und Yuki selbst ein Magical Girl mit einer verzauberten Puderdose und einem Zauberstab. Als Yuki zehn oder elf Jahre alt ist, "heiraten" die beiden auf dem Friedhof und wollen sich lieben, bis ein Raumschiff kommt und Yu abholt. Im nächsten Sommer ist alles anders. Yuki wurde das Opfer eines Missbrauchs. Ihre Fantasien weiten sich aus und sie möchte unbedingt mit Yu intim werden. Die beiden werden von der Familie überrascht. Erst als Yuki 34 Jahre alt ist, sieht sie Yu wieder.
Zunächst fand ich die Geschichte faszinierend, wie sich ein Mädchen in eine Fantasiewelt flüchtet, um den strengen und ungerechten Eltern und ihrer älteren Schwester zu entkommen. Deutlich wird eine Kritik an der japanischen Gesellschaft geübt. Nicht von ungefähr fürchtet sich Yuki vor der "Fabrik", vor der Gehirnwäsche und der Reduktion auf die Produktion von Nachkommen, die wieder als Arbeiter:innen in die Fabrik gehen. Der Missbrauch nimmt einen großen Teil der Geschichte ein und unterstreicht Yukis Hilflosigkeit. Im zweiten Teil wird die Handlung jedoch extrem verstörend und zieht gleichzeitig die Verbindung zum Titel. Es erfolgt eine Einkapselung und eine Verpuppung im Haus auf dem Land, die mich ratlos zurückgelassen hat. Die extreme, mitunter brutale Handlung wird durch die kindliche Sprache der Ich-Erzählerin Yuki ad absurdum geführt, erscheint in Yukis Augen völlig normal. Ein Roman, der sicherlich die Gemüter bewegt und die Leserschaft spaltet.