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Veröffentlicht am 10.12.2023

Die Faszination der Bücher

Die Bibliothek im Nebel
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1917 flieht der Bibliothekar Artur aus Russland nach Leipzig. 1928 findet das Mädchen Liette an der Côte d‘Azur im Hotel ihrer Familie die Besitztümer russischer Gäste der Vergangenheit. 1957 wird der ...

1917 flieht der Bibliothekar Artur aus Russland nach Leipzig. 1928 findet das Mädchen Liette an der Côte d‘Azur im Hotel ihrer Familie die Besitztümer russischer Gäste der Vergangenheit. 1957 wird der Journalist Thomas mit der Suche nach der Russin Mara beauftragt.
Künstlerisch werden in diesem Roman die Geschichten der Orte und Figuren zu verschiedenen Zeiten miteinander verwoben. Gefahren lauern mal in politischen Umständen, wie der russischen Februarrevolution, oder in vertrauten Personen, die zu Morden fähig sind.
Auch wenn Bücher und Bibliotheken eine große Rolle spielen, haben Cover und Titel meine Erwartungen in die Irre geführt. „Da drinnen ist eine Bibliothek. In meiner Erinnerung ist sie voller Nebel, auch wenn die Luft draußen klar war.“
Statt um besagte Bibliothek ging es vielmehr um die Verstrickungen der Figuren, die Macht ausüben, gegeneinander kämpfen, sich verlieben und aus dem ein oder anderen Grund durch halb Europa reisen. Das ist spannend, herzerwärmend und manchmal auch ein bisschen mystisch - ein guter Schmöker für die kalte Jahreszeit.

Veröffentlicht am 03.12.2023

Vom Leben und Verlust

Die Schuhe meines Vaters
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Andreas Schäfer schreibt über seinen Vater, über ihre letzte Begegnung, dessen Leben und den Verlust, den er nach seinem Tod empfindet.
Der autobiografische Text ist in drei Teile eingeteilt. Zu Beginn ...

Andreas Schäfer schreibt über seinen Vater, über ihre letzte Begegnung, dessen Leben und den Verlust, den er nach seinem Tod empfindet.
Der autobiografische Text ist in drei Teile eingeteilt. Zu Beginn erleben wir die beiden gemeinsam, wie sie Rituale abspulen und über die bereits prekäre gesundheitliche Situation fast kein Wort verlieren. Schließlich landet der Vater im Krankenhaus, und der Sohn muss die schwere Entscheidung treffen, ob die Maschinen abgestellt werden sollen. Nach dem Tod setzt er sich mit dem Leben des Vaters auseinander, analytisch die Stationen abgehend, die ihn ausgemacht haben. Und schließlich begibt sich der Sohn selbst auf eine Reise, um auf den Spuren des Vaters zu wandeln.
„Kein Sohn will die Achtung vor dem eigenen Vater verlieren, und natürlich ist mit diesem Buch auch die sprachmagische Hoffnung verbunden, mithilfe neutraler Sätze die (falls noch vorhandenen) letzten Spuren der frühen Verächtlichkeit ihm gegenüber zu tilgen und ins rechte Sohnes-Verhältnis zurückzufinden.“ Im Vergleich mit anderen vergleichbaren Werken habe ich Schäfers Art eher als kühle, distanzierte Berichterstattung empfunden, die weniger seine Gefühle offenbart. Seine Sprache und Einteilung habe ich als ansprechend empfunden.

Veröffentlicht am 26.11.2023

Aus eigenem Antrieb

Ehrgeiz
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In der Reihe „übermorgen“ veröffentlicht der Kremayr & Scheriau Verlag Essays unter jeweils einem plakativen Oberbegriff, in diesem Fall „Ehrgeiz“. Es handelt sich also weder um einen Ratgeber zur Selbsthilfe ...

In der Reihe „übermorgen“ veröffentlicht der Kremayr & Scheriau Verlag Essays unter jeweils einem plakativen Oberbegriff, in diesem Fall „Ehrgeiz“. Es handelt sich also weder um einen Ratgeber zur Selbsthilfe noch um ein psychologisches Sachbuch, sondern um die freie Auseinandersetzung mit dem Thema.
Andrea Stift-Laube geht es aus ihrer Sicht als Schriftstellerin an, zeigt beispielsweise, wie die Herangehensweise an ein neues Buchprojekt ist. Ihre persönliche Darstellung wirkt authentisch und selbstreflektiert. An einer Stelle gibt sie sogar „offen zu, dass das unwissenschaftliche Polemik ist. Aber das hier ist ein Essay, der darf auch ein wenig polemisch sein.“
Darüber hinaus finden sich zahlreiche allgemeingültige Aufhänger, wie Selbstoptimierung oder Leistungsdruck, die dazu einladen, die Gedanken schweifen zu lassen. Mir gefiel es sehr gut, wie die Autorin ernste Beobachtungen auf eine locker-leichte Art vermittelt.

Veröffentlicht am 22.11.2023

Ein Lied von Hygge

Lieder aller Lebenslagen
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„Meine Nerven verkraften es nicht, wenn Zwangshygge und Konkurrenzkampf miteinander kollidieren.“ In der als Genossenschaft organisierten Wohneinheit soll alles harmonisch geregelt werden, doch manchmal ...

„Meine Nerven verkraften es nicht, wenn Zwangshygge und Konkurrenzkampf miteinander kollidieren.“ In der als Genossenschaft organisierten Wohneinheit soll alles harmonisch geregelt werden, doch manchmal brodelt es eben unter der Oberfläche.
„Lieder aller Lebenslagen“ ist nichtsdestotrotz ein hyggeliges Buch, so wie es das Zusammenleben der Bewohner schildert, die vielleicht mal sticheln, aber niemals wirklich bösartig agieren. Auch wenn ihnen der Zusammenhalt von ihrer „Anführerin“ vorgelebt wird, ergibt sich Gemeinschaft schließlich irgendwie von selbst.
Die Besonderheit ist, typisch für die Autorin, dass in den Handlungsfluss andere Texte eingebaut werden, in diesem Fall Horoskope und Lieder. Diese bilden eine schöne Abwechslung und spiegeln doch die Grundstimmung des Romans wider. Auch wenn die episodenhafte Beleuchtung der Figuren mich eher von oben auf das Geschehen blicken ließ, als mich mit ihnen mitzufiebern, habe ich mich doch gerne von der lyrischen Art der Darstellung verzaubern lassen.

Veröffentlicht am 19.11.2023

Düstere Zeiten

Als wir an Wunder glaubten
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In einem kleinen Ort in Norddeutschland herrscht in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg so etwas wie Aufbruchsstimmung, als die Maschinen kommen, die das Moor trockenlegen sollen. Und doch hängen die Anwohner ...

In einem kleinen Ort in Norddeutschland herrscht in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg so etwas wie Aufbruchsstimmung, als die Maschinen kommen, die das Moor trockenlegen sollen. Und doch hängen die Anwohner noch im Aberglauben alter Zeiten fest, wo es Moorgeister und Hexen gibt. „Schließlich war Krieg gewesen und die Sünden, die begangen worden waren, wogen so schwer, dass da nichts zu vergeben war. Der Teufel würde sie alle holen. Zwar sprach das keiner laut aus, aber viele dachten so.“
Im Laufe des Romans folgen wir unterschiedlichen Dorfbewohnern, wie dem Mädchen, das noch seinen Platz in der Welt sucht, oder der Frau, die als Hexe verschrien ist. Wir begegnen aber auch einem Mann, der aus dem Krieg zurückkehrt und aufgrund des Traumas sein Gedächtnis verloren hat. Die Zusammenführung dieser Handlungsstränge hat mir gut gefallen und einen Gänsehautmoment verschafft.
Die Sprecherin schafft es, den Situationen durch das Verstellen der Stimme oder die Aussprache des Plattdeutschen Authentizität zu verleihen. Auf Dauer war mir die Atmosphäre vielleicht etwas zu düster, doch fand ich es durchaus interessant, mittels Fiktion ein durchaus realistisches Phänomen der Zeit zu ergründen.