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Veröffentlicht am 15.09.2016

Hat mich nicht berührt

Die Straße der Geschichtenerzähler
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Vivian Rose Spencer. Jung und aus wohlhabendem englischem Hause, darf zum ersten Mal bei einer archäologischen Ausgrabung in Labraunda mitwirken. Gerade als sie erkennt, dass der alte Familienfreund Tashin ...

Vivian Rose Spencer. Jung und aus wohlhabendem englischem Hause, darf zum ersten Mal bei einer archäologischen Ausgrabung in Labraunda mitwirken. Gerade als sie erkennt, dass der alte Familienfreund Tashin vielleicht doch mehr sein könnte als nur ein Freund, bricht der erste Weltkrieg aus und sie muss zurück nach London. Der Türke Tashin bleibt zurück.
Der Krieg verändert auch das Leben des Inders Qayyum Gul. Er kämpft für das britische Empire in Frankreich.
Das „exotische“ Setting in Peschawar macht den großen Pluspunkt dieses Buches aus. Die Autorin entführt den Leser gekonnt und schafft ein gewaltiges und buntes Bild der Stadt. Gleichzeitig zeigt sie die gesellschaftlichen Unterschiede zwischen Engländern und Indern sehr gut auf. Das Unabhängigkeitsstreben Letzterer macht einen großen Teil der Story aus und wird ebenfalls sehr realistisch dargestellt. Auch die Rolle, die indische Soldaten im ersten Weltkrieg gespielt haben, wird zumindest angerissen, da hätte ich mir aber doch etwas mehr Fleisch auf den erzählerischen Rippen gewünscht. Etwas fehlplatziert wirkte das Thema Archäologie, ich habe es Vivian nie so wirklich abgenommen, dass sie sich dafür interessiert. Obwohl die Autorin viel tut um es mich glauben zu lassen. Völlig untergegangen ist die vom Klappentext suggerierte Liebesgeschichte mit Tashin. Das mag jetzt mancher als Spoiler empfinden, wenn aber Inhalt und Klappentext so gar nicht zueinander passen wollen, dann will ich das hier schon auch ansprechen. „Die Straße der Geschichtenerzähler“ ist also auf keinen Fall eine nette kleine Lovestory.
Ich weiß nicht warum, aber die Story kam mir einfach nicht so recht nah. Qayyums Schicksal hat mich immer ein bisschen mehr interessiert als Vivs, doch insgesamt ließen mich ihre Leben doch eher kalt. Auch der Schreibstil war nicht ganz meins, obwohl ich niemand bin, der überall und immer Action und Spannung braucht, habe ich mich doch ab und an gelangweilt. Gerade in der ersten Hälfte des Buches springt der rote Faden doch etwas ziellos hin und her; in der zweiten Hälfte bessert sich das, sodass ich mit etwas mehr Begeisterung weitergelesen habe. Am Ende kann die Story dann noch mal punkten, aber insgesamt bleibt doch etwas Enttäuschung zurück.
Fazit: Interessant sind eigentlich nur die Ausführungen zum indischen Freiheitskampf. Der Rest eher mau.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein Märchen aus 1001 Nacht

Der Architekt des Sultans
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Chota, ein junger weißer Elefant wird dem Sultan des osmanischen Reichs zum Geschenk gemacht. Der Junge Jahan wird sein Mahut und muss sich selbst erst mal mit dem Leben am Hof von Istanbul zurechtfinden. ...

Chota, ein junger weißer Elefant wird dem Sultan des osmanischen Reichs zum Geschenk gemacht. Der Junge Jahan wird sein Mahut und muss sich selbst erst mal mit dem Leben am Hof von Istanbul zurechtfinden. Eine weitere Veränderung steht ihm bevor, als der große königliche Architekt Sinan auf ihn aufmerksam wird und ihn zu einem seiner wenigen handverlesenen Schüler macht.

Elif Shafak baut eine sehr schöne fiktive Geschichte um die Realperson Sinans. Seine Arbeit, seine großartigen Bauwerke und Methoden spielen eine große, aber nicht die Hauptrolle im Buch. Der Fokus bleibt immer auf Jahan. Der mausert sich vom kleinen schüchternen Jungen zum belesenen und intelligenten Architekten. Immer dabei: Chota. Die Beziehung zwischen den beiden wird sehr einfühlsam beschrieben, auch wenn es sich „nur“ um einen Elefanten handelt merkt man Jahan an, dass er ihn wie einen echten Freund betrachtet. Die Autorin schafft ein opulentes Bild der Zeit, sehr detailreich und oft etwas blumig erzählt sie ihre Geschichte. Doch auch die Schrecken der Pest, des Krieges oder der Sklaverei finden ihren Platz, sodass man ein interessantes Rundumbild jener Epoche erhält. Leider werden manchmal kleine Episoden etwas zusammenhangslos aneinandergereiht, da gab es dann doch den einen oder anderen kleinen Bruch. Auch mit dem Ende des Buches war ich nicht ganz so glücklich, insgesamt hat mir dieses Märchen aus 1001 Nacht jedoch sehr gut gefallen.

Fazit: ein interessanter und märchenhafter Ausflug nach Istanbul.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Erotischer Schleichwerbungsthriller

Maestra
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Judith Rashleigh hat einen Fuß in die Tür der Londoner Kunstszene bekommen, naja einen Zeh zumindest. Sie arbeitet in einem der großen Auktionshäuser, geht in ihrem Job völlig auf. Eines Tages stößt sie ...

Judith Rashleigh hat einen Fuß in die Tür der Londoner Kunstszene bekommen, naja einen Zeh zumindest. Sie arbeitet in einem der großen Auktionshäuser, geht in ihrem Job völlig auf. Eines Tages stößt sie auf Ungereimtheiten bezüglich der Echtheit eines Gemäldes. Statt den Kopf einzuziehen, forscht sie nach, was sie letztendlich ihren Job kostet. Doch Judith hat sich an die luxuriöse Umgebung gewöhnt und sucht sich neue Mittel und Wege um weiterhin bei den Reichen und Schönen mitspielen zu können. Ohne Rücksicht auf Verluste.

Das ist wieder mal ein Buch, bei dem man den Klappentext liest und etwas völlig anderes erwartet. Ja, es geht durchaus um die Kunstszene, um ein falsches/echtes Gemälde. Vor allem geht es aber um eine skrupellose Frau, die Sex als Waffe einsetzt, über Leichen geht und hemmungslos dem Luxusmarkenwahn verfallen ist. Gerade letzteres hat mich beim Lesen oft gestört, die Autorin zählt (unendlich wie mir schien) Markennamen auf. Kleid von x, Jacke von y, Armband in gelbgoldlilablassblau von z. Ich kann mich für solcherart penetrante Schleichwerbung nicht begeistern und so war ich beim Lesen immer mehr davon genervt. Auch die Hauptfigur war mir nicht immer sympathisch, vielleicht, weil ich anhand der Leseprobe eine andere Person erwartet habe. Zudem fand ich sie irgendwie unrund, nicht alle Handlungen und Gedanken habe ich als in sich stimmig empfunden. Judith hat ein offenherziges Verhältnis zu Sex und Männern, wer kein Freund von entsprechend detaillierten Szenen ist, sollte dieses Buch vielleicht nicht lesen.
Gut gefallen haben mir die (leider doch seltenen) Ausflüge in die Kunstwelt, die Autorin beschreibt die Bilder sehr gekonnt und so hat man eine gute Vorstellung von ihnen. Den Erzählstil fand ich auch ansprechend, Hilton versteckt so manchen prägnanten Satz in ihrem Buch und Judiths sarkastische Art lies mich so manches Mal grinsen.
Insgesamt hat mich Maestra recht gut unterhalten, ich hatte aber etwas anderes erwartet und die tatsächliche Richtung der Geschichte hat mich einfach nicht soooo sehr interessiert.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Familie

Was ich euch nicht erzählte
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„Lydia ist tot. Aber das wissen sie noch nicht… Lydia – der unfreiwillige Mittelpunkt ihrer Familie – hielt jeden Tag die Welt zusammen.“

Celeste Ng erzählt zart und feinsinnig aus den Tagen um Lydias ...

„Lydia ist tot. Aber das wissen sie noch nicht… Lydia – der unfreiwillige Mittelpunkt ihrer Familie – hielt jeden Tag die Welt zusammen.“

Celeste Ng erzählt zart und feinsinnig aus den Tagen um Lydias Tod. In beachtenswerter Art und Weise rollt sie das Geschehen auf, gewährt dem Leser tiefe Einblicke in die Köpfe der Lees. Die Tragödie hinterlässt tiefe Risse im zerbrechlichen Familienleben, denn mit der Tochter sind auch langgehegte Träume begraben worden. Die Zukunftspläne der Mutter, der soziale Erfolg, die endgültig gelungene Integration des Vaters, der unter seiner chinesischen Abstammung leidet. Auf Lydias Schultern lastete hoher Druck, das wird dem Leser schnell klar. Zu viel Ungesagtes, zu hohe gesellschaftliche Erwartungen. Und so kann man den Strudel der Ereignisse nachvollziehen, jedoch nicht aufhalten. Die Autorin hat einen wunderbaren Weg gefunden verschiedene Perspektiven und Zeitachsen zu einem großen Ganzen zu verweben, das mich einfach mitgerissen hat. Ihre Geschichte ist bedrückend, traurig, hilflos und trotzdem wunderschön.

Fazit: toll geschriebener, sehr berührender Roman ohne Kitsch.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Die Anfänge vom Sonderdezernat Q

Erbarmen
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Dänemark, 2002: die junge Politikerin Merete Lynggaard verschwindet spurlos von einer Fähre. Die Ermittler folgen einigen Spuren, doch sie bleibt unauffindbar.
2007: nach einem fatalen Einsatz hat sich ...

Dänemark, 2002: die junge Politikerin Merete Lynggaard verschwindet spurlos von einer Fähre. Die Ermittler folgen einigen Spuren, doch sie bleibt unauffindbar.
2007: nach einem fatalen Einsatz hat sich Vizepolizeikommissar Carl Mørck einige Monate lang erholt um bei der Rückkehr an seinen Arbeitsplatz festzustellen, dass er aufs tote Gleis geschoben werden soll. Sein zukünftiger Wirkkreis sind die Cold Cases von ganz Dänemark, die er nur mithilfe einer ungelernten Hilfskraft Hafez el-Assad lösen soll. Carls minimale Motivation sinkt schon beim Anblick seines verstaubten Kellerbüros.

Dieser Auftakt zur Reihe hat mir sehr gut gefallen. In zwei Handlungssträngen rollt Adler-Olsen die Geschichte um Merete auf und der Leser fiebert die ganze Zeit mit. Carl und Assad als Ermittlerpaar sind klasse gemacht; auf der einen Seite der muffelige Carl, der eigentlich auch damit zufrieden wäre seine Tage im Büro zu verschlafen. Der sich dann aber natürlich doch in den Fall verbeißt und seine ermittlerische Klasse zeigt. Auf der anderen Seite Assad, der ursprünglich nur als Telefonist und Putzhilfe gedacht war, der dann aber durch seinen Grips und seine Neugier Carls wertvollste Stütze wird. Zudem scheint er eine interessante Vergangenheit zu haben, die nur sehr langsam ans Tageslicht kommt. Auch Merete ist dem Autor hervorragend gelungen, er beschreibt ihre Gefühle und Gedanken unglaublich realistisch. Überhaupt ist der Stil von Adler-Olsen zwar oft nordisch gemütlich, aber immer mitreißend. Schnell ist man mittendrin und mag nicht mehr aufhören zu lesen. Kleine Abstriche gibt es für den nicht ganz so gut gelungenen Familienclinch von Carl (nein ich brauche keinen 354ten Ermittler, der sich gerade von seiner Frau getrennt hat) und für etwas konstruiert wirkende Ereignisse wie den Hackerangriff.

Fazit: ein toller Reihenauftakt. Weiter geht es mit Teil 2 „Schändung“