Ergreifend, spannend und wunderbar geschrieben.
King of Ash and Dust„King of Ash and Dust“ setzt knapp vier Wochen nach den tragischen, unerwarteten Ereignissen, mit denen Yvonne Westphal den Auftakt ihrer Vampir-Romance beendete, an und spielt in einem Zeitraum von mehr ...
„King of Ash and Dust“ setzt knapp vier Wochen nach den tragischen, unerwarteten Ereignissen, mit denen Yvonne Westphal den Auftakt ihrer Vampir-Romance beendete, an und spielt in einem Zeitraum von mehr als einem Jahr.
Zugegeben: Band 1 konnte mich nur bedingt von sich überzeugen, doch diese Fortsetzung hat es in sich. Statt sich in Schmachten und Stillstand zu verlieren, ist das Tempo konstant hoch, Ereignisse, unerwartete Offenbarungen und schockierende Informationen reihen sich mit herzzerreißenden Momenten und schweren Entscheidungen aneinander, um eine aufregende, bittersüße Komposition zu bilden.
»Ich habe dich einmal verloren. Ich werde dich kein zweites Mal verlieren.«
Trotz der zahlreichen Vorbehalte, die die treuen Konsuln von Salvatore Massimo di Ferrara hegen, ihrem Wunsch, auf festgefahrenen Wegen zu verweilen und weiter in der Sicherheit der Großstadt auszuharren, sieht sich Alyssa, als neues Oberhaupt, in der Pflicht, die veralteten Strukturen der Vampirgesellschaft zu reformieren und ihren Ruf als Königin des Blutes zu festigen – über die Grenzen Portlands hinaus. Liegt doch in Prag – einst das Herrschaftsgebiet der Untoten, die Geburtsstätte der Nachtwesen und der Ort, an dem sich zwei Größen ihrer Geschichte den Todesstoß versetzten – das, was Vlad Dracula mit kryptischen Worten in seinem Tagebuch als Ende des Kriegs zwischen seinesgleichen und den JägerInnen bezeichnet. Wenn die einstige Vampirhochburg auch schon längst von den Feinden infiltriert wurde …
Abgesehen davon, dass sich der Ort des Geschehens verschoben hat, liegt der Handlungsschwerpunkt nun auf dem Suchen und Finden jener Waffe, die alles zu ändern vermag. Dass auch Abtrünnige und der unerbittliche Jägerclan von deren Existenz wissen, eine Konfrontation unumgänglich ist, sorgt für Action, viele Fragen und eine vorsichtheischende Grundlage. Wir werden in uralte Intrigen gezogen, in Kämpfe und in Hinterhalte, werden Teil von Folter, Verlust und Rachegelüsten. Aber auch von Geschichten, die von der großen und unendlichen Liebe erzählen, von Loyalität bis zum Ende und bedingungsloser Freundschaft.
Alyssa – die ihren inneren Aufruhr, die Schuld und Leere, die Seelenqualen, die das Ableben ihres Gefährten in ihr hinterlassen hat, hinter einer starken und stolzen Haltung verbirgt – nimmt ihren Platz an der Spitze ein. Mit der Unterstützung ihres engsten Kreises und der machtvollen, von Sehnsucht zerfressenen Königin der Nacht geht sie ihren eigenen Intentionen nach – zu Tatsachen, für die niemand bereit scheint …
Kaum wieder bei Bewusstsein wird der Totgeglaubte nicht nur mit schrecklichen Erinnerungsfetzen konfrontiert, mit Empfindungen, die er versucht, tief in sich, hinter Hass, zu verschließen, sondern auch mit der personifizierten Wahrheit seiner Abstammung, mit menschlicher Grausamkeit, fanatischen Plänen und einer Bürde, die schwerer wiegt als Gabriels bloßes Antlitz …
Durch die wechselnden Perspektiven werden wir zwar in die vorherrschenden zwiespältigen Gefühle beider Protagonisten gesogen, jedoch überwiegt der Blick auf die äußere Situation. „King of Ash and Dust“ war durchweg spannend, mitreißend und einnehmend. Die Autorin konzipierte eine durchdachte, von Dunkelheit und Gefahren durchzogene Handlung, in der sich nach und nach einzelne Hintergründe erschließen, sich Lügen herauskristallisieren und Verrat sichtbar wird. Wut. Beißender Schmerz. Dramatik.
Neben ihrem Talent, Stimmungen einzufangen, Settings malerisch zur Geltung zu bringen und eine drückende, mystische Atmosphäre zu erzeugen, hat Yvonne ein Händchen dafür, Emotionen in wunderschöne Worte zu packen, in solche, die nahe gehen. Auch überrascht Westphal mehrfach, sät Misstrauen, lüftet Geheimnisse und platziert gekonnt einige Twists. Ebenso positiv war die Ausarbeitung und Integration verschiedener Nebenfiguren, die der Romance trotz der Düsternis, des melancholischen Tons und hoffnungsloser Prophezeiungen, der mitschwingenden Verzweiflung, eine warme Komponente gaben:
Lucy, die etwas Quirliges mitbringt, Cassandra, die liebevolle Strenge walten lässt, oder Kyle, den wahren Helden. Auch mischen einige neue, schwer einschätzbare Charaktere mit, die zwar Abwechslung bringen, jedoch auch Argwohn entfachen.
Wie schon im ersten Teil war es aber Kataleyna Ferraras, der meine Faszination gehört – wie wäre denn eine tragische Geschichte über die Herrscherin der Nacht?
Die Entwicklung der Story war griffig, jene der Protagonisten – unabhängig voneinander und gemeinsam – authentisch und den Umständen entsprechend. Ihr Sehnen nacheinander und der Widerwille, diesem nachzugeben, ihr Verlangen flossen durchgängig mit und sorgten für kribbelige Vorfreude, für Aufatmen. Gaben dem Geschehen ein prickelndes Feuer. Trotz des Zorns, der Unsicherheiten und Ängste, die in Lincoln und Alyssa schwellen, ist ihre Bindung besonders – wie die Vampirin und ihr menschlicher Gefährte selbst. Aber reicht diese Liebe tiefer als die jahrhundertealte Feindschaft?
„Rise of the Night“: eine verführerische Dilogie, die seicht startet und sich zu einer einnehmenden, ergreifenden Geschichte wandelt.