Vom Finden eines neuen Schlaf- und Lebensrhythmus
Der Schlaf der AnderenIn ihrem zweiten Roman erforscht Tamar Noort auf prosaische Art und Weise den Einfluss von gestörtem Schlaf auf unsere Persönlichkeit, unsere Beziehungen, unser Leben. Dabei treffen zwei Frauen Anfang ...
In ihrem zweiten Roman erforscht Tamar Noort auf prosaische Art und Weise den Einfluss von gestörtem Schlaf auf unsere Persönlichkeit, unsere Beziehungen, unser Leben. Dabei treffen zwei Frauen Anfang Vierzig an einem ungewöhnlichen Ort aufeinander: Im Schlaflabor. Janis ist eigentlich ausgebildete Fachkrankenschwester und vollkommen überqualifiziert für ihren Job als Nachtwache in genau diesem Schlaflabor. Sie schaut ihren „Gästen“ dabei zu, wie sie schlafen, und findet dadurch selbst kaum noch geregelten Schlaf. Sina ist Lehrerin kurz vor einer Schlafmittelabhängigkeit, die sich ins Schlaflabor begeben muss, weil der neue Arzt ihr kein Zolpidem mehr verschreibt und sie einen folgenschweren Fehler unter Schlafmangel begeht. Nun treffen die beiden in einer Nacht aufeinander und es entsteht eine Verbindung über dieses rein funktionale Setting hinaus, die über mehrere Monate anhält. Ein Roman über das Leben außerhalb der gesellschaftlichen Norm und eine betörende Freundschaft mit Hindernissen.
Tamar Noort konnte mich direkt mit der ersten Seite ihres Romans für ihren Schreibstil gewinnen. Schnörkellos und gleichzeitig leise poetisch erfasst sie Menschen und Situationen, die irgendwie neben sich selbst und neben der Realität der Mehrheit stehen. Im Wechsel zwischen Kapiteln mit Janis als Hauptfigur und mit Sina als Hauptfigur nähern wir uns diesen Frauen und sie sich selbst an. Langsam erfahren wir immer mehr über ihre Hintergründe und wie sie an diesen Punkt der Schlaflosigkeit in ihrem jeweiligen Leben gekommen sind. Was hält diese beiden Frauen wach? Was lässt ihnen keine Ruhe? Und wir dürfen sie dabei begleiten, wie sie nicht nur einen ganz eigenen Schlafrhythmus sondern auch für sich selbst einen ganz neuen Lebensrhythmus finden.
Beide Frauen unterliegen gewissen Zwängen und beide werden für uns Leser:innen nachvollziehbar dargestellt. Immer sind wir ganz nah dran an ihren unerfüllten Bedürfnissen und Wünschen und ihrem persönlichen Weg aus dem Hamsterrad, ohne uns letztlich eine Pauschallösung anzubieten, sondern lediglich mögliche Wege aufzuzeigen.
So konnte mich dieser kurzweilige und trotzdem tiefgründige Roman um zwei schlaflose Frauen bis zur letzten Seite fesseln, weshalb ich eine Lektüre empfehle und selbst den Debütroman der Autorin auf meine Wunschliste setzen werde.
4/5 Sterne