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Veröffentlicht am 19.06.2025

Vom Finden eines neuen Schlaf- und Lebensrhythmus

Der Schlaf der Anderen
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In ihrem zweiten Roman erforscht Tamar Noort auf prosaische Art und Weise den Einfluss von gestörtem Schlaf auf unsere Persönlichkeit, unsere Beziehungen, unser Leben. Dabei treffen zwei Frauen Anfang ...

In ihrem zweiten Roman erforscht Tamar Noort auf prosaische Art und Weise den Einfluss von gestörtem Schlaf auf unsere Persönlichkeit, unsere Beziehungen, unser Leben. Dabei treffen zwei Frauen Anfang Vierzig an einem ungewöhnlichen Ort aufeinander: Im Schlaflabor. Janis ist eigentlich ausgebildete Fachkrankenschwester und vollkommen überqualifiziert für ihren Job als Nachtwache in genau diesem Schlaflabor. Sie schaut ihren „Gästen“ dabei zu, wie sie schlafen, und findet dadurch selbst kaum noch geregelten Schlaf. Sina ist Lehrerin kurz vor einer Schlafmittelabhängigkeit, die sich ins Schlaflabor begeben muss, weil der neue Arzt ihr kein Zolpidem mehr verschreibt und sie einen folgenschweren Fehler unter Schlafmangel begeht. Nun treffen die beiden in einer Nacht aufeinander und es entsteht eine Verbindung über dieses rein funktionale Setting hinaus, die über mehrere Monate anhält. Ein Roman über das Leben außerhalb der gesellschaftlichen Norm und eine betörende Freundschaft mit Hindernissen.

Tamar Noort konnte mich direkt mit der ersten Seite ihres Romans für ihren Schreibstil gewinnen. Schnörkellos und gleichzeitig leise poetisch erfasst sie Menschen und Situationen, die irgendwie neben sich selbst und neben der Realität der Mehrheit stehen. Im Wechsel zwischen Kapiteln mit Janis als Hauptfigur und mit Sina als Hauptfigur nähern wir uns diesen Frauen und sie sich selbst an. Langsam erfahren wir immer mehr über ihre Hintergründe und wie sie an diesen Punkt der Schlaflosigkeit in ihrem jeweiligen Leben gekommen sind. Was hält diese beiden Frauen wach? Was lässt ihnen keine Ruhe? Und wir dürfen sie dabei begleiten, wie sie nicht nur einen ganz eigenen Schlafrhythmus sondern auch für sich selbst einen ganz neuen Lebensrhythmus finden.

Beide Frauen unterliegen gewissen Zwängen und beide werden für uns Leser:innen nachvollziehbar dargestellt. Immer sind wir ganz nah dran an ihren unerfüllten Bedürfnissen und Wünschen und ihrem persönlichen Weg aus dem Hamsterrad, ohne uns letztlich eine Pauschallösung anzubieten, sondern lediglich mögliche Wege aufzuzeigen.

So konnte mich dieser kurzweilige und trotzdem tiefgründige Roman um zwei schlaflose Frauen bis zur letzten Seite fesseln, weshalb ich eine Lektüre empfehle und selbst den Debütroman der Autorin auf meine Wunschliste setzen werde.

4/5 Sterne

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Veröffentlicht am 19.06.2025

Spannender Auftakt zu einer (aktuell noch) unkonventionellen Trilogie

Don't
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Lothar Mischke schlägt mit seinem Trilogie-Auftakt „Don‘t“ einen noch (relativ) neuen Weg in der Hard-Sci-Fi-Literatur ein. Ein Weg, der zuvor maximal von weiblichen Autorinnen gewählt wurde. Und zwar ...

Lothar Mischke schlägt mit seinem Trilogie-Auftakt „Don‘t“ einen noch (relativ) neuen Weg in der Hard-Sci-Fi-Literatur ein. Ein Weg, der zuvor maximal von weiblichen Autorinnen gewählt wurde. Und zwar besetzt er sie Stellen der Hauptfiguren in seinem rasanten Weltraumabenteuer mit vorwiegend weiblichem Personal, vor allem auf den Führungsebenen. Hier sind Frauen nicht nur der sexy Sidekick, sondern die Entscheidungsträgerinnen an Bord der Dawnrazor, die sich irgendwann im 22. Jahrhundert auf den Weg macht, sich weiter in das All vorzuwagen, als es die reguläre Raumfahrt bis dahin geschafft hat, nämlich 46 Lichtjahre von der Erde entfernt, um einem scheinbar außerirdischen Artefakt auf die Spur zu kommen. In geheimer Mission macht sich das Schiff auf den Weg und es wird nicht nur ein Rennen gegen die Konkurrenten der chinesisch-afrikanischen Allianz, die einen Spion auf die Dawnrazor schmuggeln konnten, sondern auch gegen die Zeit, denn es nähert sich noch eine ganz andere, unerwartete Gefahr.

Haben die beiden weiblichen Hauptfiguren Joan Landor (Captain der Dawnrazor) und Dr. Lana Hayward (Wissenschaftsoffizierin) zu Beginn noch etwas Startschwierigkeiten bezüglich ihrer Figurenzeichnung, so entwickelt nicht nur diese beiden sich im Laufe der mehrmonatigen Geschehnisse kontinuierliche weiter und können ihre bekannten und unbekannten Kompetenzen komplett ausagieren. Zu Beginn werden die Frauen leider zu sehr darauf reduziert, dass sie sich an Männer ranschmeißen, bevor sie ihr volles Potenzial der Leserschaft beweisen können. Vor allem die kommandierende Offizierin Joan Landor, die angeblich über jahrelange Gefechtserfahrung als Pilotin verfügt, wird als äußerst impulsiv, überbordend emotional und selbstunsicher dargestellt. Das prägt zunächst ein Frauenbild, welches jahrhundertelang in unserer Historie dazu geführt hat, dass Frauen keine Führungspositionen zugetraut wurden. Passagierflugzeuge durften sie auch erst ab den 1980/90ern fliegen, da sie ja „zu hysterisch“ und vor allem „an den gewissen Tagen im Monat zu unzurechnungsfähig“ seien, um ihnen die Leben anderer Menschen anzuvertrauen. Zum Glück dürfen nicht nur die beiden genannten sondern auch andere weibliche Figuren in Mischkes Roman im Laufe der Geschehnisse beweisen, dass sie über sich hinauswachsen und einen kühlen Kopf bewahren können.

Da mit fortschreitender Geschichte auch immer mehr technisch sehr präzise und gleichzeitig verständlich ausgeführte Details eingebaut werden, hat mir das Buch zum Ende hin am besten gefallen. Es tauchen verschiedenste Gefahren auf, die sich die Bordcrew stellen muss, die nicht nur actionreich sondern vor allem auch wissenschaftlich plausibel angegangen werden. Und in einer Szene können die Entscheidungsträgerinnen dann noch einmal zeigen, worin ihre heutzutage schon wissenschaftlich nachgewiesene psychologische Stärken liegen: Verhandlungsfähigkeit und Kommunikation.

Mischke findet hierfür immer eine solide, kurzweilige süffige Sprache, die niemals Längen entstehen und die 412 Seiten wie nichts weglesen lässt. Das Ende des Buches verspricht mehr und darauf freue ich mich bereits. Sehr gern verfolge ich diese Hard-Sci-Fi-Reihe weiter und bin gespannt darauf, was der Autor für den nächsten Band plant.

Als Anmerkung für Personen, die eher von epubli-, books on demand- etc.-Veröffentlichungen zurückschrecken, da ihnen die Druckqualität nicht zusagt: Hier kann ich Entwarnung geben. Die Papierqualität ist sehr gut, nicht zu stark gebleicht und der Satz verursacht keinen Augenkrebs. ;)

Insgesamt hat mir die Lektüre des Romans gefallen und mein Interesse an der Trilogie geweckt. Und da wir ja nun die „Männergeschichten“ abgehandelt haben, kann es in den nächsten Bänden gern so weitergehen, wie es sich in der zweiten Hälfte von „Don‘t“ schon abzeichnet.

3,5/5 Sterne

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Veröffentlicht am 15.06.2025

Gehalt- und gewaltvolle Geschichte um eine maorische Familie

Auē
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So facettenreich wie der abgebildete Vogel aus einem Kunstwerk des neuseeländischen Künstlers Totaea Rendell entfaltet sich auch der Debütroman der neuseeländischen Autorin mit Maori-Vorfahren Becky Manawatu. ...

So facettenreich wie der abgebildete Vogel aus einem Kunstwerk des neuseeländischen Künstlers Totaea Rendell entfaltet sich auch der Debütroman der neuseeländischen Autorin mit Maori-Vorfahren Becky Manawatu. Dort lernen wir zunächst den achtjährigen Arama und seinen siebzehnjährigen Bruder Taukiri kennen, deren Eltern scheinbar ums Leben gekommen sind. Taukiri liefert seinen kleinen Bruder bei deren Tante Kat und Onkel Stu einfach nur ab und verschwindet danach auf die Nordinsel Neuseelands. Während sich die Wege der beiden Brüder trennen erlebt jeder Bruder für sich seine ganz eigene Hölle und auch ganz eigenen, leider nur seltene positiven Momente. Sie müssen nicht nur den Verlust ihrer Eltern verarbeiten sondern auch ihren Weg im Leben finden. Diesen Weg als holprig zu bezeichnen wäre massiv untertrieben, da Arama mit einem gewalttätigen Onkel zu kämpfen hat und Taukiri mit einem Abwärtsstrudel, der ihn zu verschlingen droht.

Becky Manawatu inszeniert ihren Roman sehr geschickt, indem sie nur nach und nach Informationen zu den einzelnen Protagonisten freigibt und sich Zusammenhänge, die bis in die Großelterngeneration der beiden Brüder zurückgehen langsam aufdeckt. Das macht den Einstieg in den Roman nicht leicht, lohnt sich aber mit jeder weiteren gelesenen Seite. Die mit den Namen der im jeweiligen Kapitel verfolgten Personen überschriebenen Kapitel folgen nicht nur Arama und Taukiri sondern auch deren Vorfahren Jade und Toko. Auf diesen beiden Zeitebenen der Vergangenheit und Gegenwart nähern wir uns einem fulminanten Finale an, das Kapitel für Kapitel einen beim lesen gefangen nimmt. Wir erkennen, dass das Leben dieser Familie schon lange Zeit von Gewalt und Drogen geprägt ist und bis zum Schluss eine Gefahr für alle Beteiligten darstellt. Wobei es sich hier keinesfalls um ein reines Actionspektakel handelt, ganz im Gegenteil. Mitunter sehr leise und mit großartigen, wiederkehrenden sprachlichen Bildern arbeitet Manawatu die einzelnen Facetten ihrer Figuren und deren (Innen-)Leben heraus. Figuren, die zunächst von Grund auf böse erscheinen, bekommen im Verlauf eine mehrdimensionale Tiefe verliehen, selbst mit nur ganz kurzen Szenen und Sequenzen. Spiralen der Gewalt und Angst aber auch der Zusammenhang mit Liebe und Anziehung werden psychologisch authentisch an den Beispielen der Figuren aufgeschlüsselt. Und durch die Hinzunahme der Erzählebene um Jade und Toko bleibt der Roman auch kein reiner Coming-of-Age-Roman mit kindlichen/jugendlichen Protagonisten, sondern entfaltet seine Anziehungskraft auch für Leser:innen, die sich eher weniger in diesem Genre wohlfühlen. Letztlich habe ich mit allen Hauptfiguren bis zum Schluss mitgefiebert und konnte das Buch kaum noch aus der Hand legen. Durch den Stil des nach und nach Offenbarens lohnt hier sicherlich auch eine Zweitlektüre, um noch mehr Feinheiten der Geschichte erfassen zu können.

Sprachlich zeigt die Autorin ein besonderes Talent, atemberaubende Metaphern für grundlegende, menschliche Bedürfnisse und Zwänge zu entwerfen. Wobei ihr Stil niemals „drüber“ ist, sondern trotzdem bodenständig und verständlich. Etwas „drüber“ finde ich allerdings den Drang des Verlags im Anhang im Rahmen des Glossars alle möglichen Begrifflichkeiten zu erläutern. Vollkommen hilfreich, sinnvoll und wissenswert ist dies bei den vielen Begriffen aus der maorischen Sprache, die im Text vorkommen. Das hat die Übersetzerin Jana Grohnert, ebenso wie natürlich beim gesamten Romantext, ganz hervorragend gemacht. Allerdings werden neben den maorischen Begriffen auch Worte der gegenwärtigen Sprachkultur wie Chewbacca, Hacky Sack oder Snapchat im Glossar erklärt, was kurios bis lächerlich wirkt. Hier hätte sich der Verlag meines Erachtens auf die maorischen Begriffe beschränken sollen. An einer Stelle ging es dann auch bei einer Anspielung auf den Film „Die Reifeprüfung“ mit der Übersetzerin oder dem Verlag durch, denn dort bieten sie im Glossar eine komplette Deutung der Anspielung im Roman an. Das hat nach meinem Empfinden dort nichts zu suchen und sollte dem Kombinationsvermögen der Leser:innen überlassen bleiben. Leider kennzeichnet der Verlag die im Glossar auftauchenden Worte auch nicht im eigentlich Romantext. Meine persönliche Präferenz wären hier Fußnoten direkt auf der entsprechenden Seite im Roman gewesen.

Da diese Kleinigkeiten bezogen auf den Anhang zum Buch allerdings meine einzigen Kritikpunkte am Buch darstellen, ich ansonsten inhaltlich wie sprachlich den Roman wirklich toll finde ebenso wie die Covergestaltung, kann ich eine Lektüre aus diesem ansonsten in der deutschsprachigen Übersetzung nur selten vertretenen Region der Erde nur dringend empfehlen.

4,5/5 Sterne

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Veröffentlicht am 12.06.2025

Diese Schrecken sind meine und doch nicht meins

Die Schrecken der anderen
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Die Autorin Marina Clavadetscher konnte mich mit ihrem Roman „Die Erfindung des Ungehorsams“ seinerzeit sowohl erzählerisch als auch inhaltlich überzeugen. Auch dieser vorherige Roman der Autorin ist zunächst ...

Die Autorin Marina Clavadetscher konnte mich mit ihrem Roman „Die Erfindung des Ungehorsams“ seinerzeit sowohl erzählerisch als auch inhaltlich überzeugen. Auch dieser vorherige Roman der Autorin ist zunächst ähnlich verwirrend aufgebaut, wie der vorliegende „Die Schrecken der anderen“, nur konnte mich hier die Geschichte leider nicht überzeugen.

Es geht um die Machenschaften von Alt-Nazis und Jung-Nazis in der Schweiz mit Blick auf die historischen Verwicklungen von Schweizer Geldhäusern und reichen oder noch-nicht-reichen Schweizern zu Zeiten des Nationalsozialismus als Staat, der die Neutralität ja angeblich mit Löffeln gefressen hat. Es geht darum, dass unter dem Deckmantel der Neutralität und Verlässlichkeit eine hässliche Fratze versteckt ist, die es aufzudecken gilt, sonst „wiederholt sich Geschichte“. Geschichte kann sich ja als solche nicht wiederholen, es kann nur zu ähnlichen Bewegungen in der Gesellschaft kommen und diese treten heutzutage aus dem Hintergrund immer mehr zutage. Altes Geld wartet darauf, alte reaktionäre Anliegen in den Händen von neuen Akteuren zu unterstützen. Wir müssen also nicht nur wachsam sein, sondern auch aktiv dagegen vorgehen. Dies ist die Quintessenz des Romans.

Vermittelt wird dies durch mehrere Erzählstränge, die sich immer stärker annähern. Weiß man zunächst noch nicht, was der agoraphobische Archivar der Polizei mit dem auf seine Millionen wartenden Erben oder die komische alte Hippie-Frau aus dem Wohnwagen mit der hundertjährigen Mutter des wartenden Erben zu tun hat und das alles mit einem Toten in einem gefrorenen Bergsee, so kommt nach und nach alles zueinander.

Sprachlich macht dies die Autorin wieder einmal top. Es gibt Sprachbilder, die mir im Gedächtnis bleiben werden und unglaublich stark sind. Wie eine Beschreibung der strengen Prägung durch die hundertjährige Mutter auf den mittlerweile nun auch nicht mehr jungen Sohn auf Seite 16, wenn sie mit der Naturgewalt von mächtigen Gesteinsbewegungen eines Bergmassivs verglichen wird:

„Sie sitzt tadelnd in ihm, egal wohin er selbst in Gedanken geht, ihre verbalen Anfälle geschehen direkt in deinen Hirnwindungen. Ihre eisigen Worte schieben sich wie eine Gletscherzunge durch sein Gehirn, und am Ende bleibt das Geröll in seinem Gedächtnis liegen, verdreckt und schwer. Jede Mutter hinterlässt ihre Ablagerungen.“

Und trotzdem konnte mich der Kniff der Autorin neben der Handlung her auf der Metaebene zu arbeiten und die Handlung literaturwissenschaftlich zu hinterfragen und zu definieren nicht überzeugen. So wird die Struktur der Geschichte immer wieder offen gelegt. Es heißt vom Verlag, damit „macht [Martina Clavadetscher] den unsichtbaren Elefanten im Raum sichtbar und fragt nach der Verantwortung von Literatur“. Und genau diesen Part habe ich schlicht und ergreifend nicht verstanden. Beziehungsweise habe ich das Gefühl es nicht in dem Ausmaße verstanden zu haben, wie es die Autorin vielleicht intendierte. Der Tote im Eis heißt McGuffin mit Nachnamen. Sie spielt auf einen Begriff an, den Hitchcock prägte, und der ein beliebiges Objekt oder Person beschreibt, das oder die die Handlung vorantreibt, ohne selbst von besonderem Nutzen zu sein. Ja, so ist es auch mit unserem Toten. Aber was will mir das sagen? Was soll diese Krimihandlung, wenn es der Autorin doch um das Wiedererstarken des rechten Gedankengutes geht? So muss sie uns auch zwischendurch immer wieder darauf hinweisen, was sie mit ihrem Roman auf anderer Ebene vorhat: „Bei undurchsichtigen Geschichten geht es oft um Ausdauer. Und um den richtigen Handlungsträger.“ (Ausdauer der Leserin: Check. Richtiger Handlungsträger: offen, eher nein.) Oder: „Nichts läuft je ins Leere. Alles ist miteinander verbunden.“ (Okay, ja. Und nun?) Und „Was passiert war, war passiert.“ (Amen.)

So bleiben außer ein paar griffigen Sätzen und ein paar genaueren historischen Informationen, wie in und nach der Zeit des Nationalsozialismus Schweizer bekannten Nazis geholfen haben nicht nur Gold, Kunstwerke sondern auch sich selbst aus Europa wegzuschaffen, nur Fragen aus dieser Lektüre. Ich habe immer noch auf den großen Clou gewartet, aber er kam nicht und letztlich war ich einfach nur froh, dass die Lektüre vorbei war. Sehr schade.

2,5/5 Sterne

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Veröffentlicht am 18.05.2025

Eine Frau, die nie aufgegeben hat

Schwebende Lasten
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Die in Magdeburg geborene Autorin Annett Gröschner beschäftigt sich in ihrem Roman „Schwebende Lasten“ mit dem gesamten Leben einer Frau, die bis auf eine kurze Unterbrechung mit Aufenthalt in Berlin durchgängig ...

Die in Magdeburg geborene Autorin Annett Gröschner beschäftigt sich in ihrem Roman „Schwebende Lasten“ mit dem gesamten Leben einer Frau, die bis auf eine kurze Unterbrechung mit Aufenthalt in Berlin durchgängig in Magdeburg lebte, arbeitete und eine Familie gründete. Dabei umspannt das nur 280 Seiten dünne Buch einen Zeitraum von über 80 Jahren, tangiert kurz die Weimarer Republik, die Zeit des Dritten Reichs, die Entstehung der DDR und deren Übernahme durch die BRD. All diese Geschichte passiert hier allerdings vorwiegend am Rande, denn eigentlich geht es um Hanna Krause, die früh ihre Mutter verliert, der polnische Vater nie anwesend, quasi als Vollwaise von ihren Halbschwestern aufgezogen, ausgebildet als Blumenbinderin und mit eigenem Blumenladen ein wenig erfolgreich, wird sie Jahrzehnte lang dafür kämpfen ihre Familie zusammenzuhalten und nicht immer erfolgreich dabei sein. In der zweiten Hälfte ihres Arbeitslebens wird sie in der DDR Kranführerin sein und letztlich daran wachsen. Hier gibt es viel Last, die diese Figur tragen muss, aber auch Momente, die wie ein Dahinschweben in der Zeit wirken.

Sprachlich unaufgeregt erzählt Gröschner von diesem Leben, welches von Höhen und Tiefpunkten gezeichnet ist, aber die Figur Hanna niemals in die Knie gänzlich zwingt. Nach meinem Empfinden passiert dies größtenteils mit einer Distanz zur Figur und einer Art Abgeklärtheit, die viele Ereignisse auf wenige Seiten packt, sodass ich selbst nur selten Hanna und ihrem Befinden nah sein konnte. Nur in einzelnen Szenen, wie ein Feuersturm bei einer Bombardierung Magdeburgs und dessen Folgen, packte mich der Erzählstil und ich konnte mir die Ausmaße dieser Katastrophe sehr genau – wenn natürlich auch nicht ansatzweise originalgetreu – vorstellen. Insgesamt ging mir alles zu schnell, um richtig mit Hanna und ihrer Familie mitzuschwingen. Ihr soziales Umfeld blieb für mich größtenteils nur Namen, ohne konkretes Bild zu ihnen und ihrer Persönlichkeit.

Stilistisch treten den Kapitelanfänge hervor, welchen jeweils ein Eintrag zu verschiedenen Blumensorten vorangestellt ist. So wird hier ein Blumenstrauß zusammengestellt, bei dem man sich fragt: Kann ein Mensch das überhaupt alles erlebt haben? Ähnlich einem Strauß, zu dessen Anfertigung Hanna gebeten wird, der aber gar nicht so zu binden geht, weil die Pflanzen zu ganz unterschiedlichen Jahreszeiten blühen. Hanna Krause hat zu ganz unterschiedlichen historischen „Jahreszeiten“ gelebt und ihr Leben wird in diesem Buch geschickt zusammengebunden zu einem eng verknüpftem, sehr durchmischten Strauß. Sehr interessant gemacht.

3,5/5 Sterne

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