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Veröffentlicht am 08.03.2021

Subtil aufgebaut, hält die Spannung bis zum Schluss

Leichenblume
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Der Thriller „Leichenblume“ der Dänin Anne Mette Hancock ist der erste Teil einer Serie, die in Kopenhagen spielt und bei der Heloise Kaldan, eine in den Bereichen Arbeit, Wirtschaft und Verbraucherschutz ...

Der Thriller „Leichenblume“ der Dänin Anne Mette Hancock ist der erste Teil einer Serie, die in Kopenhagen spielt und bei der Heloise Kaldan, eine in den Bereichen Arbeit, Wirtschaft und Verbraucherschutz tätige Investigativ-Journalistin, sowie Kommissar Erik Schäfer sich der Aufklärung von Verbrechen widmen. Der Titel des Buchs bezieht sich auf eine Pflanze gleichen Namens, die einen Aasgeruch absondert. Die Pflanzenart wird von einer sehr wichtigen Figur in der Handlung als ihre Lieblingsblume bezeichnet.

Heloise erhält einen Brief von der gesuchten Mörderin Anna Kiel, während sie aufgrund eines von ihr geschriebenen Artikels mit beinhalteten falschen Informationen um ihre Arbeitsstelle bangt. Das Schreiben ist kryptisch. In weiterer Post erklärt die Briefeschreiberin, dass sie einiges mit der Journalistin gemeinsam hat und nennt Sachverhalte, die nur Heloises engste Bezugspersonen kennen können. Erste Anhaltspunkte führen sie zu einem kaltblütigen Mord an einem Anwalt vor einigen Jahren. Ein besorgniserregender Post auf Instagram führt dazu, dass sie die Kriminalpolizei einschaltet.

In der Zwischenzeit hat Erik von einer Zeugin einen neuen Hinweis auf den Aufenthaltsort von Anna Kiel erhalten. Heloise und er gehen ihren eigenen Weg zur Aufklärung der inzwischen verstrickt vorliegenden Hinweise und werden immer tiefer hineingezogen in ein Verbrechen übelster Art, das für Heloise sogar persönlich wird.
Schon nach wenigen Seiten konnte mich der Thriller in seinen Bann ziehen, denn die Spannung wird gekonnt subtil aufgebaut. Die Autorin bindet neben dem beruflichen auch das private Umfeld, in dem sich ihre Protagonisten bewegen, in die Handlung ein. Heloise ist eine engagierte Journalistin, sie arbeitet mit Leidenschaft in ihrem Beruf. Bald wird aber angedeutet und später wird es zur Tatsache, dass etwas aus ihrer Vergangenheit sie bedrückt.

Erik ist ein erfahrener Ermittler, der gelegentlich zum Sarkasmus neigt, geradlinig ist und glücklich verheiratet. Die Geschichte treibt auf ein ganz bestimmtes Thema zu, welches aber lange im Verborgenen bleibt. Neben den Perspektivenwechseln zwischen Heloise und Erik gibt es auch immer wieder kurze Szenen mit Anna Kiel, die aber rätselhaft sind und auf diese Weise nochmals zur Spannungssteigerung beitragen.

Der Schreibstil ist angenehm zu lesen, auch dank einer sehr guten deutschen Übersetzung durch Karoline Hippe. Durch einige unerwartete Wendungen war ich vom Inhalt gefesselt und wollte endlich erfahren, warum die nach ihrer Tat geflohene Anna jetzt eine Verbindung zu Heloise sucht. Die Spannungskurve hält Anne Mette Hancock in ihrem Thriller „Leichenblume“ bis zum Schluss hoch. Gerne empfehle ich das Buch an alle Leser, die gerne Kriminalromane lesen.

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Veröffentlicht am 06.03.2021

Authentische Schilderung über einen ungewöhnlichen Postboten in einem kleinen italienischen Ort

Der Postbote von Girifalco oder Eine kurze Geschichte über den Zufall
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Der Roman „Der Postbote von Girifalco“ ist das Debüt des Italieners Domenico Dara. Girifalco ist ein kleiner Ort in Kalabrien, wo der Autor aufgewachsen ist. Seine Geschichte lässt er 1969 spielen, einer ...

Der Roman „Der Postbote von Girifalco“ ist das Debüt des Italieners Domenico Dara. Girifalco ist ein kleiner Ort in Kalabrien, wo der Autor aufgewachsen ist. Seine Geschichte lässt er 1969 spielen, einer Zeit zu der er noch nicht geboren war. Dennoch schafft er es, die damaligen Lebensumstände authentisch zu beschreiben. Die Gegend ist karg, Arbeitsplätze sind Mangelware. Einige Einheimische sind ausgewandert, bevorzugt in die Schweiz, wohin auch regelmäßig Fernbusse verkehren.

Im Mittelpunkt steht, wie der Titel schon sagt, der Postbote des Dorfs. Er ist mittleren Alters und alleinstehend. Auffällig sind seine beiden Eigenarten: einerseits liest er den Briefverkehr des Orts und andererseits verschriftlicht er alle Zufälle, die ihm begegnen, was sich im Untertitel des Romans „Eine kurze Geschichte über den Zufall“ widerspiegelt. Jedoch öffnet und liest er nicht nur die Briefe, sondern hat es sich zur Gewohnheit gemacht, dass er auch hin und wieder in das Geschehen eingreift, denn er ist sehr einfühlsam. Durch sein Verhalten möchte er Traurigkeit verhindern und stattdessen den Bewohnern ein wenig Hoffnung geben, aber auch die Lügen der Kommunalverwaltung aufdecken.

Immer mehr konnte ich im Laufe der Geschichte über den Postboten erfahren, auch über seine unerfüllte Liebe. Wie in einem Kriminalroman beginnt er, einen dubiosen Umstand aus der Vergangenheit aufzugreifen und aufzuklären, wie es wirklich gewesen ist. Durch den gesamten Roman zieht sich als roter Faden die Ansicht, die der Postbote durch einen Lehrer erfahren und die sich immer wieder bewahrheitet hat, dass das Leben ständigen Veränderungen unterworfen ist, die für einen inneren Ausgleich der Umstände sorgen.

Dem Roman spürt man die Ortskenntnis des Autors an und dessen Wissen um die Eigenarten der Bewohner, die er detailliert und mit Gefühl darstellt. Dabei reichen seine Beschreibungen von liebkosend und mitfühlend über sarkastisch und frivol bis hin zu einem raueren Tonfall. Einzig die beibehaltenen italienischen Namen und Bezeichnungen sind hinderlich im Lesefluss, verleihen der Schilderung aber auch entsprechende Authentizität. Der Autor lässt seine Erzählung den Postboten umkreisen und ihn mit den Schicksalen der Einheimischen spielen. Ich habe mich gerne von der Geschichte berühren lassen und empfehle sie daher weiter.

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Veröffentlicht am 04.03.2021

Berührende und ansprechende Geschichte, die in der Münchener Nachkriegszeit spielt

Glückskinder
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Griet und Antonia, genannt Toni, sind die weiblichen Protagonistinnen im Roman „Glückskinder“ von Teresa Simon, einem offenen Pseudonym der Autorin und promovierten Historikerin Brigitte Riebe. Die beiden ...

Griet und Antonia, genannt Toni, sind die weiblichen Protagonistinnen im Roman „Glückskinder“ von Teresa Simon, einem offenen Pseudonym der Autorin und promovierten Historikerin Brigitte Riebe. Die beiden Hauptfiguren haben den Zweiten Weltkrieg überlebt und finden auch in der kargen Nachkriegszeit Arbeit und Liebe. Immer wieder blitzt bei ihnen der Gedanke auf, wie glücklich sie sich im Vergleich zu anderen schätzen können. Die Gestaltung des Covers suggerierte mir den Aufbruch in eine neue Zeit. Wie sich später herausstellt, ist diese zwar geprägt von Hunger, Entbehrung und Wohnungsnot, macht aber auch Hoffnung und gibt Chancen.

Zu Beginn der Geschichte erlebte ich die junge Niederländerin Griet van Mook auf einem Marsch vom KZ Giesing nach Wolfratshausen. Von den Widerständlerinnen weiß zu diesem Zeitpunkt noch keine, dass sie bald darauf von einem US-Trupp befreit werden. Griet hat ihre Angehörigen verloren und mit der Hilfe eines Captains der amerikanischen Besatzer gelingt es ihr, nicht nur eine Stellung in München zu erhalten, sondern auch eine Unterkunft. Sie wird in der Etagenwohnung von Antonia Brandls Großtante, in der neben Toni auch noch Tonis Mutter, ihre elfjährige Schwester sowie eine Tante und deren erwachsener Sohn leben, einquartiert. Tonis Arbeit als Angestellte bei einem Verlag ruht und so widmet sie sich der Aufgabe, das Lebensnotwendige für die Familie zu besorgen. Griet und Toni schätzen zu Beginn ihrer Bekanntschaft einander falsch ein, doch im Zeitablauf entsteht immer mehr Verständnis füreinander und eine besondere Freundschaft.

Die Geschichten laufen parallel zueinander, in den Kapiteln wechselt der Fokus ständig zwischen den beiden jungen Frauen. Ein Prolog zu Beginn des Romans scheint zunächst nicht im Zusammenhang mit den Protagonistinnen zu stehen und machte mich neugierig darauf, welche Verbindung es hierbei gibt. Dank der sehr guten Recherche der Autorin konnte ich viel über die allgemeinen Lebensumstände der Bevölkerung Münchens in den Jahren 1945 bis 1948 erfahren. Gekonnt und ganz natürlich setzt Teresa Simon ihre Figuren in das Umfeld ein, so dass deren Handeln authentisch erscheint.

Beide Frauen sind starke Charaktere und durchsetzungsfähig, aber ohne dabei ihre Mitmenschen zu vergessen. An ihre Seite stellt Teresa Simon Männer, die einen Teil der Bevölkerung symbolisieren. Dan vertritt dabei die Besatzer, durch ihn erhält man Einblick in deren Agieren. Tonis Bruder Max kehrt unter widrigen Umständen nach dem Krieg aus Frankreich nach Hause zurück. Der windige Louis dagegen, weiß die Situation zu nutzen und widmet sich dubiosen Geschäften.

Gerade in den Nachkriegsjahren herrscht Lebensmittelmangel und bittere Kälte, doch die Autorin gibt anhand ihrer Figuren auch die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung untereinander wieder. Ins Augenmerk rückt Teresa Simon den aufgrund der Nöte wachsenden Schwarzmarkt in der Möhlstraße Münchens. Damit sich der Leser selbst ein Bild der Umstände machen kann, sind dem Buch im Anhang Rezepte mitgegeben, die zeigen, wie aus den wenig vorhandenen Lebensmitteln in der Nachkriegszeit Gerichte zubereitet wurden. Es war ebenfalls schwierig für die Bevölkerung, sich auf die neue politische Situation einzustellen. Das Schicksal der politischen Gefangenen, das die Autorin in die Geschichte einflechtet, ist bewegend. Griets Misstrauen gegenüber den Deutschen ist aus der Sicht verständlich.

Mit „Glückskinder“ hat Teresa Simon eine berührende und ansprechende Geschichte geschrieben, die den Leser mitnimmt nach München in die entbehrungsreichen Jahre zur Nachkriegszeit. Durch ein günstig gesetztes Figurenensemble gelingt es der Autor eine Erzählung zu weben, die viel vom historischen Hintergrund durchscheinen lässt und realistisch nachvollziehbar ist. Gerne vergebe ich eine uneingeschränkte Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 03.03.2021

Zeigt die Bedeutung von Kultur in Form von Kunst und Literatur

Die Bücherfrauen
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In ihrem Roman „Die Bücherfrauen“ verknüpft die US-Amerikanerin Romalyn Tilghman das Leben von Angelina, Traci und Gayle, die in der Kleinstadt New Hope in Kansas einander begegnen. Einigen Frauen vor ...

In ihrem Roman „Die Bücherfrauen“ verknüpft die US-Amerikanerin Romalyn Tilghman das Leben von Angelina, Traci und Gayle, die in der Kleinstadt New Hope in Kansas einander begegnen. Einigen Frauen vor Ort liegt der Erhalt von Bibliotheken besonders am Herzen, die vor allem von den Spenden des industriellen US-Amerikaners Andrew Carnegie zwischen 1883 und 1929 errichtet wurden, 59 davon in Kansas.

Die in Philadelphia wohnende Angelina Sprint ist eine der drei Protagonistinnen. Sie schreibt seit vielen Jahren an ihrer Doktorarbeit über eben jenen Carnegie. Ihre Großmutter war eine der Aktivistinnen, die sich vor vielen Jahren in New Hope für eine Bibliothek eingesetzt und bei Angelina die Liebe zu Büchern wachgerufen hat. Inzwischen wurde aus der Bibliothek ein Kulturzentrum. Zur Leitung diverser Kurse wird die Künstlerin Traci aus New York angestellt. In ihrer Bewerbung hat Traci ihre Vergangenheit verschleiert. An einem der von ihr geleiteten Kurse nimmt Gayle teil, die aus dem Nachbarort Prairie Hill stammt. Dort wütete vor kurzem ein Tornado und machte alles dem Erdbeben gleich, auch ihr Wohnhaus. Von der Bibliothek blieb nur noch eine Wand stehen. Das Engagement für eine gemeinsame Sache lässt die Gäste und die Einheimischen immer mehr zueinander finden.

Romalyn Tilghmans Hauptfiguren sind sehr unterschiedlich, vom Alter und vom Charakter her, aber für alle drei wird New Hope im wahrsten Sinne des Wortes zu einer Hoffnung auf einen Neuanfang. Angelina und Traci suchen aus eigenem Interesse nach einer Veränderung in ihrem Leben, Gayle dagegen ist ein Opfer der Umstände. Es ist sogar so, dass die Bewohner der beiden Nachbarorte aufgrund bestimmter gegensätzlicher politischer Meinungen sich nicht besonders mögen. Und doch vermag Gayle über ihren Schatten zu springen und sich an gemeinsamen Aktivitäten mit den Bewohnern von New Hope einzulassen, so dass sie nicht nur ihre eigene Zukunft im Blick hat, sondern durch ihr Verhalten auch für ihren Heimatort einer Annäherung entgegengeht. Gemeinsam lachen, aber auch Sorgen teilen, bringt Verständnis untereinander und man wächst zusammen. Dabei bildet das Quilten, ein sehr beliebtes amerikanischen Hobby, den Anlass für die Treffen. Bei den Beschreibungen der farblichen Zusammenstellung der Stoffe bekommt man Lust mit dem Nähen selbst zu beginnen.

Eine besondere Rolle nehmen in diesem Roman die Bibliotheken ein und zeigen damit auch ein Stück Historie der USA. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts waren es hauptsächlich die Frauen, die eine Chance im Austausch von Büchern sahen und zwar nicht nur zur Unterhaltung, sondern auch in der Möglichkeit, dadurch ihr Wissen und das ihrer Familie zu erweitern. Aus diesem Grund engagierten sie sich für die Errichtung von Büchereien, in denen die Bücher gesammelt und von anderen ausgeliehen werden konnten.

Romalyn Tilghman vermittelt in ihrem Roman „Die Bücherfrauen“ US-amerikanisches Lebensgefühl und zeigt, wie wichtig Kultur in Form von Kunst und Literatur für die Identitätsfindung ist. Sie ermöglicht einen konstruktiven Austausch von Meinungen, der auch persönliche Gefühle transportiert und so zum Verständnis untereinander beiträgt. Mir hat das Buch gut gefallen und daher empfehle ich es gerne uneingeschränkt weiter.

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Veröffentlicht am 03.03.2021

Wie man durch Freundschaft zu sich selbst finden und emotional reifen kann

Hard Land
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Der Roman „Hard Land“ von Benedikt Wells beginnt mit zwei Feststellungen, die nicht nur neugierig auf die vorliegende Geschichte machen, sondern gleich zeigen, dass der Protagonist sich mit sehr gegensätzlichen ...

Der Roman „Hard Land“ von Benedikt Wells beginnt mit zwei Feststellungen, die nicht nur neugierig auf die vorliegende Geschichte machen, sondern gleich zeigen, dass der Protagonist sich mit sehr gegensätzlichen Gefühlen in jenem einen besonders erinnerungswürdigen Sommer seiner Jugend auseinander zu setzen hat: er wird sich verlieben und er wird seine Mutter verlieren. Dabei bleibt die Beziehung zu ihr und die mit ihrem Verlust verbundenen Empfindungen anfangs noch offen und riefen eine gewisse Erwartung an die Erzählung bei mir hervor. Der Titel bezieht sich auf einen preisgekrönten Gedichtzyklus des fiktiven Lyrikers William Morris. In dem von Benedikt Wells geschriebenen Text nimmt er Bezug auf die harte Arbeit, die der eigene Grund und Boden dem Besitzer abverlangt, ein Leben lang, über die Jahreszeiten und Jahre hinweg.

Der fünfzehnjährige Sam wohnt im Jahr 1985 mit seinen Eltern in einem kleinen Ort in Missouri. Seine ältere Schwester Jean lebt seit einigen Jahren an der Westküste der USA, sein bester Freund ist mit seiner Familie vor Kurzem weggezogen und der Kontakt nahezu abgebrochen. Sams Vater ist arbeitslos, seine Mutter arbeitet trotz ihrer schweren Krankheit in ihrer eigenen Buchhandlung. Eigentlich soll er den Sommer bei Verwandten in Kansas verbringen, doch ein Aushang am Kino bringt ihn auf die Idee, dort auszuhelfen. Hier begegnet er der Tochter des Besitzers und zwei beliebten älteren Jungen, die er von der Schule kennt und die ebenfalls dort angestellt sind. Mit ihnen und durch sie wird der Sommer unvergleichbar und unvergesslich.

Ich finde es mutig von Benedict Wells, eine Coming-of-Age-Geschichte zu schreiben, die nicht dort spielt, wo er selbst aufgewachsen ist und die in einer Zeit spielt, die er selbst nicht erlebt hat. Dennoch meistert er diese Hürden mit Bravour. Dank seines hohen Einfühlungsvermögens versetzt er sich gekonnt an Ort und Zeit und vermittelte mir auf diese Weise Bilder und Gefühle, die ich nachvollziehen konnte. Auch ich habe in eben jener Zeit einen unvergessenen Sommer an der Seite von Freunden erlebt und kann auf ähnliche Erfahrungen zurückgreifen. Die Beschreibungen des Autors haben mich erreicht und die Empfindungen von Sam stellten sich für mich als authentisch dar.

Es ist ein Wechselbad der Gefühle, die Sam in jenem Sommer 1985 erlebt hat. Sam wird bewusst, dass er seine Schüchternheit überwinden muss, damit er nicht zur Verwandtschaft geschickt wird, die er aus bestimmten Gründen meiden möchte, wie seine Eltern es für ihn vorsehen. Seine Eigeninitiative ist der erste Schritt zur Selbstverwirklichung und Selbstbewusstsein. Verbunden ist dieser Schritt mit Freude und Leid, mit Lachen und Weinen. Es gibt viele nie erlebte Situationen, neue Eindrücke für ihn, die man gar nicht schnell genug verarbeiten kann und die sich zu einem ganz neuen Lebensgefühl steigern, bei dem die Welt einen kleinen Moment still zu stehen scheint, in dem aber andernorts sich die Erde weiterdreht und für Ereignisse sorgt, bei denen man später vielleicht bedauert, anwesend gewesen zu sein …

Benedict Wells hat mit „Hard Land“ einen Roman geschrieben, bei dem man die Sommerhitze knistern spürt und die Musik der 1980er vibriert. Mit seinem empathischen Schreibstil hat der Autor eine bewegende Coming-of-Age-Geschichte verfasst, die zeigt, wie man durch Freundschaft zu sich selbst finden und emotional reifen kann. Gerne vergebe ich hierzu eine Leseempfehlung.

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