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Veröffentlicht am 13.05.2020

Persönliche Coming-of-Age-Geschichte der Autorin

Wild Game
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Das Buch „Wild Game“ der US-Amerikanerin Adrienne Brodeur ist die wahre Geschichte der Beziehung zwischen der Autorin und ihrer Mutter Malabar. Der Untertitel „Meine Mutter, ihr Liebhaber und ich“ stellt ...

Das Buch „Wild Game“ der US-Amerikanerin Adrienne Brodeur ist die wahre Geschichte der Beziehung zwischen der Autorin und ihrer Mutter Malabar. Der Untertitel „Meine Mutter, ihr Liebhaber und ich“ stellt die Brisanz der Erzählung heraus, denn Adrienne Brodeur wurde unwillentlich zur Mitwisserin der langjährigen Affäre Malabars. Der Titel nimmt Bezug auf das Schreiben eines Kochbuchs über Wildgerichte, denn das Projekt bildet den Grund für Treffen zwischen den Liebenden ohne das ihre Liaison auffällt.

Ende der 1970er Jahre ist Adrienne, kurz Rennie gerufen, 14 Jahre alt. Jedes Jahr verbringt die Familie ihre Ferien im eigenen Ferienhaus auf Cape Code. Freunde sind hier herzlich willkommen, besonders häufig sind Ben, ein langjähriger Freund von Rennies Stiefvater Charles, und seine Frau Lily zu Gast. Nach einem feuchtfröhlichen Abend mit den Freunden wird Rennie mitten in der Nacht von ihrer Mutter geweckt, die ihr mitteilt, dass Ben sie geküsst hat. Anders als die Ich-Erzählerin erwartet, hat Malabar sich sehr über den Kuss gefreut. Es ist der Beginn eines leidenschaftlichen Liebesverhältnisses in dem Adrienne eine immer aktivere Rolle einnimmt, um ablenkende Situationen zu schaffen.

Anders als bei einem Roman steht die Realitätsnähe hier nicht in Frage. In einleitenden Worten informiert die Autorin darüber, dass die Geschichte ihre Ansicht der Ereignisse darstellt, die sie nicht nur aufgrund ihrer Erinnerungen, sondern auch anhand von Fotos, Aufzeichnungen und weiterer Fakten geschrieben hat. Sie schildert die heiteren Tage ihrer Mutter am Meer, die unterbrochen sind von den trüben Tagen im Alltag. Nicht nur Malabars Name ist ungewöhnlich, sondern auch ihre Vergangenheit. Rennies Mutter steht gern im Mittelpunkt. Ihre glänzenden Kochkünste geben ihr immer wieder kleine Erfolgserlebnisse, doch sowohl Malabar wie auch Ben sind an Ehepartner gebunden, die von Krankheit gezeichnet sind. Ihr Aktionsradius ist daher eingeschränkt, denn sie fühlt sich Charles verpflichtet. Gerne würde sie, die in Indien geborene und in ihrer Kindheit weit Gereiste, Abenteuer erleben und die Welt kennenlernen.

Die noch junge Adrienne hat widerstreitende Gefühle, wenn sie über die Affäre nachdenkt. Einerseits fühlt sie sich durch die Mitteilung des Geheimnisses geschmeichelt und hofft, dass sich dadurch eine besondere Nähe zu ihrer Mutter einstellt, andererseits sieht sie den Seitensprung als verwerflich an, weil ihr bewusst ist, dass das Bekanntwerden beide Ehen zerstören könnte. Sie nimmt die Einschränkungen wahr, die ihre Mutter hinnimmt und sie entscheidet sich dafür, ihr dabei zu helfen, Freiräume zu schaffen, damit Malabar ihre Gefühle ausleben kann. Doch je länger die geheime Beziehung anhält, desto deutlicher werden für Rennie die Auswirkungen auf ihr eigenes Leben durch ihre ständige Bereitschaft zur Organisation von Ablenkungsmanövern. Besonders schwierig wird die Frage, wie sie die Angelegenheit in ihre eigenen Partnerschaften einfließen lassen soll.

„Wild Games“ von Adrienne Brodeur ist die sehr persönliche Coming-of-Age-Geschichte der Autorin. Sie thematisiert nicht nur ihre besondere Beziehung zu ihrer egozentrischen Mutter, sondern vor allem deren jahrelang dauernde Liebesaffäre zum besten Freund des Stiefvaters, die nicht nur einen breiten Raum in ihrem eigenen Leben eingenommen, sondern es auch tiefgreifend beeinflusst hat. Zwar ist die Erzählung nicht einzigartig, zeigt aber auf vielfache Weise und bewegend auf, welche Abhängigkeiten und Einflüsse in einem Familienkonstrukt zum Tragen kommen können. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 05.05.2020

Neuanfänge sind möglich, gebotene Chancen sollte man ergreifen

Unsere glücklichen Tage
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In ihrem Debütroman „Unsere glücklichen Tage“ schreibt Julia Holbe über die Freundschaft der vier jungen Frauen Elsa, Fanny, Marie und Lenica. Die drei erstgenannten stammen aus Luxemburg und verbringen ...

In ihrem Debütroman „Unsere glücklichen Tage“ schreibt Julia Holbe über die Freundschaft der vier jungen Frauen Elsa, Fanny, Marie und Lenica. Die drei erstgenannten stammen aus Luxemburg und verbringen jahrelang ihre Sommerferien im Ferienhaus von Elsas Eltern an der Atlantikküste der Bretagne. Lenica wohnt mit ihrer Familie vor Ort und hat sich mit den Frauen angefreundet. In einem heißen Sommer an der Küste bringt Lenica Sean mit, einen Freund seit vielen Jahren. Vom ersten Augenblick an fühlt Elsa sich von ihm magisch angezogen. Doch am Ende der Ferien ist plötzlich alles vorbei, der Kontakt der Frauen zueinander bricht abrupt ab. Etwa 30 Jahre später trifft Elsa Marie durch Zufall wieder. Beiden ist die Sehnsucht nach der gemeinsam verbrachten Zeit deutlich anzumerken und sie beschließen, die alte Gewohnheit wieder aufleben zu lassen.

Julia Holbe lässt von Beginn an keinen Zweifel daran, dass etwas Bedeutsames zum Schluss des Aufenthalts an der Küste geschehen sein muss, so dass die Freundinnen von weiteren Treffen und Telefonaten abgesehen haben. Daher war ich zunächst etwas verwundert über die Freude des Wiedersehens von Elsa mit Marie. Schnell wurde deutlich, dass man schon deswegen nicht an die Vergangenheit anknüpfen konnte, weil Lenica inzwischen verstorben ist. Mir wurde aber auch bewusst, dass der Grund für das jahrelange Schweigen umso tragischer sein musste, denn Elsa war nicht einmal bei der Beerdigung ihrer Jugendfreundin, obwohl sie davon erfahren hatte.

Der Roman spielt in der Gegenwart, die Freundinnen sind inzwischen etwa 50 Jahre alt und stehen mitten im Leben mit all seinen Höhen und Tiefen. Fanny hat den Buchhandel ihrer Mutter übernommen, Marie ist Neurologin und Elsa Lehrerin. Die damaligen Erlebnisse sind scheinbar in Vergessenheit geraten. Die jungen Frauen haben sich weiterentwickelt, ihre eigenen Leben an der Seite anderer Personen gelebt und keine von ihnen möchte wieder in die frühere Rolle schlüpfen: Marie, die Unbeschwerte und Streitlustige, Fanny, die zurückhaltend und für ihre Kochkünste bekannt ist und die unternehmenslustige und sensible Elsa. Obwohl kein Zorn spürbar ist, gehen die Erinnerungen von Elsa, die als Ich-Erzählerin fungiert, oft zurück zu dem Bruch der Freundschaft, der über allem mit der Frage nach dem Warum bis fast zum Ende der Geschichte im Raum steht.

Wer selbst schon einmal den Sommer am Atlantik verbracht hat, wird sich gerne anhand der Schilderungen wieder dahin mitnehmen lassen. Die Sonne brennt, die Luft flirrt, das Wasser wartet kühlend auf den Schwimmer und über allem liegt eine Sehnsucht nach Nähe, Berührungen und Genießen der gemeinsamen Zeit. Nur die Schönheit der ungetrübten Tage möchte man erinnern. Doch Julia Holbe zeigt auf bewegende Weise, dass man seine Vergangenheit nicht beschönigen kann und sie für die Freundinnen auch verbunden ist mit Neid und Eifersucht, mit verletzenden Geheimnissen und Vertrauensbruch. Elsas Beziehung zu Sean wird erst im Laufe der Zeit verständlich, die Schilderungen der gemeinsamen Aktivitäten der beiden führen im mittleren Teil leider zu einigen Längen.

Julia Holbe schildert in ihrem Roman „Unsere glücklichen Tage“ die enge Freundschaft von vier jungen Frauen, die am Ende eines heißen Sommers plötzlich endet. Obwohl die Erinnerung verblasst, bleibt ein Schatten, der darauf wartet, an die rechte Stelle gerückt zu werden. Die Autorin zeigt, dass Neuanfänge möglich sind und macht Mut, gebotene Chancen aufzugreifen. Gerne empfehle ich den Roman weiter.

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Veröffentlicht am 27.04.2020

Die Wahrheit zu finden ist schwierig, aber faszinierend

Die Wahrheit ist
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Seinen Roman „Die Wahrheit ist“ hat der israelische Autor Eshkol Nevo auf eine besondere Weise gestaltet. Er setzt sich zusammen aus den Antworten, die ein Alter Ego des Schriftstellers als fiktiver Ich-Erzähler ...

Seinen Roman „Die Wahrheit ist“ hat der israelische Autor Eshkol Nevo auf eine besondere Weise gestaltet. Er setzt sich zusammen aus den Antworten, die ein Alter Ego des Schriftstellers als fiktiver Ich-Erzähler auf über hundert Fragen gibt, die ein Onlineredakteur aus einer Reihe von Fragen der User ausgewählt hat. Der Ich-Erzähler vermutet, dass es sein letztes Interview sein wird, denn er rechnet mit einem Herzinfarkt in den nächsten zwei Jahren, wobei seine Befürchtung auf seinen familiären Erfahrungen beruht.

Momentan schreibt er an keinem neuen Roman, weil es noch kein Jahr her ist, dass sein letztes Buch erschienen ist und er in der Zeit nach der Veröffentlichung immer besonders offen dafür ist, sich neu zu verlieben. Bereits nach dieser Aussage auf einer der ersten Seiten, stellte ich in Frage, ob der Erzähler sich tatsächlich an sein Versprechen dem Leser gegenüber hält, die Antworten der Wahrheit entsprechend zu geben, so wie es auch der Buchtitel andeutet, doch dazu weiter unten mehr. Im Cover drückt sich aus, dass sich Teile eines Ganzen, wie hier zum Beispiel die Wahrheit, in Ihrer Gestaltung verschieben lassen und dadurch ein neuer Eindruck entsteht.

Der Roman hat keine durchgehende Handlung und setzt sich aus vielen kurzen Geschichten als jeweilige Erwiderung zusammen. Lediglich zwei bis drei Fragen beantwortet der Protagonist täglich, so dass der Handlungsspielraum sich über einen längeren Zeitraum zieht. Aus den Antworten ergibt sich immer mehr das Bild eines Schriftstellers, der sich seine Wahrheiten zurechtbiegt entsprechend seiner Wünsche und Vorstellungen vom Leben. Die Schilderungen sind teils wie Vexierbilder doppeldeutig. Den Wahrheitsgehalt zu finden ist schwierig. Beispielsweise gibt er sich gerne als Liebhaber, obwohl er seit vielen Jahren verheiratet ist. Später nimmt er seine Aussagen zurück, auch weil seine Ehe darunter leidet.

Problematisch ist ebenfalls, dass er eigene Erfahrungen in seine Romanhandlungen einfließen lässt. Seine älteste Tochter hat dafür kein Verständnis und ihre Konsequenzen daraus gezogen. Auch in anderer Hinsicht hat er Sorgen, denn aufgrund eines lukrativen Auftrags hat er sich zur Unterstützung einer Meinung entschlossen, die nicht seine ist. Als er weitere Tätigkeiten dieser Art ablehnt, wird er vom Auftraggeber unter Druck gesetzt. Es wird deutlich, dass er auf ein positives Bild von sich in der Öffentlichkeit bedacht ist.

Die vorgenannten Gründe haben sicher auch dazu beigetragen, dass er unter einer ständigen Missstimmung leidet und vermutlich auch zu seiner momentanen Schreibblockade führten. Die Interviewfragen sind meist typisch für solche, die Schriftstellern gestellt werden und beziehen sich auf alles rund ums Schreiben, selten kommt es vor, dass Fragen zum familiären Hintergrund gestellt werden. Sie stehen in keiner Reihenfolge und führen zu Antworten, in die eine permanente zeitliche gegenwärtige Entwicklung einfließt, jedoch gehen die Gedanken des Ich-Erzählers häufig zurück zu Erinnerungen, die nicht immer positiver Art sind. Die örtlichen und zeitlichen Wechsel störten immer wieder meinen Lesefluss.

In seinem Roman „Die Wahrheit ist“ schreibt Eshkol Nevo über einen Autor, dem er seinen eigenen Namen gibt. Unweigerlich habe ich beim Lesen begonnen nach Parallelen zwischen Verfasser und fiktivem Schriftsteller zu suchen. Ähnlichkeiten zu sehen ist jedoch müßig, weil der Ich-Erzähler nach eigener Aussage die Schilderungen seinen Erwartungen an ein schönes Leben anpasst. Es ist unmöglich, die Wahrheit herauszufiltern, was den Roman überaus faszinierend macht. Gerne vergebe ich hierzu eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 20.04.2020

Verstörende historische Ereignisse verknüpft mit aktuellen Fallermittlungen

Der Himmel so rot
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Im Krimi „Der Himmel so rot“ von Marion Feldhausen ermitteln die Duisburger Hauptkommissarin Sofia Barucchi und ihr Team zum ersten Mal. Die Polizei wurde durch einen anonymen Anruf darüber informiert, ...

Im Krimi „Der Himmel so rot“ von Marion Feldhausen ermitteln die Duisburger Hauptkommissarin Sofia Barucchi und ihr Team zum ersten Mal. Die Polizei wurde durch einen anonymen Anruf darüber informiert, dass auf dem Kaiserberg, in der Nähe des bekannten Duisburger Zoos, das Skelett einer Frau aufgefunden wurde, die jemand dort vermutlich in den1980er Jahren vergraben hat. Die Identifizierung ist schwierig und führt schließlich nach Italien. Barucchi, deren Vater Italiener ist, stellt den Kontakt her. Unterdessen treffen sich Mitglieder einer Motorradgang in Duisburg und rangeln neben den Absprachen zu weiteren Verbrechen um ihre Führungsrollen.

Auch wenn es zunächst so aussieht, als ob die Handlungsstränge nichts miteinander zu tun haben, so sind sie doch miteinander verknüpft und führen beide in das Jahr 1944 zurück. Der Titel des Buchs, der einer Textzeile eines alten Kriegslieds entnommen ist, deutet an, dass das damalige Geschehen im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg steht. Marion Feldhausen greift dabei eine wenig bekannte Tatsache von Verbrechen der deutschen Wehrmacht in Italien auf, die erst durch die Entdeckung des „Schranks der Schande“ im Palazzo Cesi, in dem Einzelheiten dazu von den Alliierten archiviert wurden, an die Öffentlichkeit traten.

Die Handlungsorte werden mit wenigen Worten skizziert. Marion Feldhausen hat einen eigenen Sprachstil, der auf Dialogen fokussiert. Im Kommissariat geht man locker miteinander um. Die Charaktere sind interessant gestaltet, aber ich hätte mir manchmal noch mehr Einzelheiten über das Leben der Figuren in ihrem Umfeld gewünscht. Das Alter einer Figur in Bezug auf dessen Vergehen verwirrte mich. Die Autorin erzählt mit klaren, deutlichen Worten den geschichtlich eingewobenen Aspekt ihres Krimis und beschreibt und beispielhaft die Gräuel der Wehrmacht. Das Thema erschütterte mich, vor allem die Folgen der Geschehnisse.

Bei den Ermittlungen greift Marion Feldhausen auch zu unkonventionellen Aufklärungsmethoden, die ich mir gut im Rahmen alltäglicher Fallermittlungen vorstellen konnte. Von Beginn an baut sie Spannung auf, die sie durch einige unerwartete Wendungen und parallellaufende Handlungen aufrechterhält, in denen nach und nach immer mehr Fakten zu Tage treten.

In ihrem gut komponierten Buch „Der Himmel so rot“ verbindet die Autorin Marion Feldhausen auf Fakten beruhende, verstörende Ereignisse im Zweiten Weltkrieg in Italien gekonnt mit spannenden kriminellen Handlungen in Duisburg, die erst wenige Jahre zurückliegen. Gerne empfehle ich den Krimi an alle Leser des Genres.

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Veröffentlicht am 17.04.2020

Vergnügliche Geschichte mit kriminellen Handlungen

Mathilda oder Irgendwer stirbt immer
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Die Titelfigur „Mathilda“ im gleichnamigen Roman von Dora Heldt nimmt im Prolog der Geschichte Rückblick auf die vergangenen turbulenten Monate und verrät dabei einiges, was in dieser Zeit geschehen ist. ...

Die Titelfigur „Mathilda“ im gleichnamigen Roman von Dora Heldt nimmt im Prolog der Geschichte Rückblick auf die vergangenen turbulenten Monate und verrät dabei einiges, was in dieser Zeit geschehen ist. Ein wenig lässt auch der Untertitel des Buchs „Irgendwer stirbt immer“ vermuten, dass die Dorfidylle von Dettebüll, dem Ort, in dem Mathilda nun schon über 60 Jahre lebt, durch unerwartete Ereignisse gestört wurde. Noch vor Aufblättern der ersten Seiten führt das Cover mit einer beschaulichen Szene des Landlebens stimmungsvoll in die Erzählung ein.

Gemeinsam mit ihrem Mann Gunnar, der inzwischen in Rente ist, wohnt Mathilda in einer Haushälfte, die ihrer Mutter Ilse gehört. Sie hat zwei erwachsene Kinder, die nicht mehr vor Ort leben. Obwohl sie gern im Dorf lebt, muss sie sich mit einigen Dingen, die ihr weniger oder gar nicht gefallen, arrangieren. Dazu gehört zum Beispiel ihre in der anderen Hälfte des Hauses wohnende Mutter, der sie zwar Respekt zollt, die sich aber auf ihre eigene Weise in sämtliche Belange einmischt, ihre Meinung kundtut und dabei immer auf der Suche nach einer wenig konstruktiven Auseinandersetzung zu sein scheint. Mathilda liebt Frieden und ist immer bereit, einzulenken und Streit beizulegen. Und eines Tages geschieht ein Unfall, der für Ilse nicht gut endet, aber für Mathilda vieles verändert. In der Zwischenzeit kehrt ihr Bruder Pit, ein Kneipenwirt in Hamburg, ohne ihr Wissen in besonderer Mission in sein Heimatdorf zurück. Er ahnt nicht, dass er selbst seinen Teil dazu beitragen wird, dass ungewöhnliche Ereignisse im Dorf geschehen, mit denen niemand gerechnet hat.

Mathilda ist ein sympathischer Charakter. Liebevoll kümmert sie sich sowohl um die ihr anvertrauten Menschen wie auch die ihr übertragenen Aufgaben. Viele Erledigungen sind für sie Routine und werden selten von ihr hinterfragt. Die Beziehungen innerhalb der Dorfgemeinschaft haben sich über Jahre herausgebildet, Freundschaften werden gepflegt, Widersacher gemieden. In Dettebüll kennt jeder jeden und weil so wenig geschieht, tragen sich Neuigkeiten schnell weiter, denn alle freuen sich über neue Gesprächsthemen. Dora Heldt schafft Figuren, denen sie einen eigenwilligen, nicht immer liebenswerten, manchmal überspitzt dargestellten Charakter verleiht, der sich aber im Laufe der Ereignisse auch ändern kann. Die Absichten einiger Personen sind schwierig vorherzusehen und tragen zu den ereignisreichen Begebenheiten bei. Mit der Zeit erhält die Handlung einige kriminelle Elemente. Über allem liegt ein durchgehend amüsanter Unterton, auch durch die Verknüpfung von Handlungen, die über den Zufall hinausgehen. Allerdings führte der gekonnt konstruierte Handlungsablauf mit immer neuen Verwicklungen zum Ende hin zu wenigen Längen.

In ihrem Roman „Mathilda“ schildert Dora Heldt zwar ein lauschiges Landleben, doch demgegenüber stellt sie auch die Vorteile des Wohnens in einer Stadt. Sie vermischt eine vergnügliche Geschichte mit kriminellen Handlungen, die sie aber passend zur Story als unerheblich erscheinen lässt. Gerne empfehle ich das Buch an Leser, die nach einer Erzählung für unterhaltsame Stunden suchen.

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