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Veröffentlicht am 25.03.2023

Gelungener Krimi

Der Bojenmann
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Fassungslosigkeit und völlige Ratlosigkeit beschleichen den Hamburger Kommissar Thies Knudsen und sein Ermittlungsteam des LKA in Altona. Der Bojenmann, eine Holzfigur, montiert auf einer Plattform und ...

Fassungslosigkeit und völlige Ratlosigkeit beschleichen den Hamburger Kommissar Thies Knudsen und sein Ermittlungsteam des LKA in Altona. Der Bojenmann, eine Holzfigur, montiert auf einer Plattform und verankert neben der Fahrrinne in der Elbe, war über Nacht gegen eine ähnlich aussehenden Leiche ausgetauscht worden.
Die Identifizierung und Bergung der Leiche gestalten sich schwierig und sind noch nicht abgeschlossen, als bereits die zweite Leiche in der Außenalster entdeckt wird.
Immer wenn Knudsen nicht mehr weiterweiß, bespricht er die Lage mit seinem Freund Oke Andersen, einem ehemaligen Lotsen, der sein Rentnerdasein in Övelgönne direkt an der Elbe fristet und mit seiner Sicht von außen wichtige Hinweise oder Denkmodelle beisteuern kann.

„Elb-Kolorit und Fischkopp-Charme treffen auf Nordic Noir. Grausig genüsslicher Krimispaß“ Frank Schätzing
Das Zitat von Frank Schätzing finde ich ganz passend. Ich fühlte mich von dem Bojenmann gut unterhalten, in Wellen von knisternder Spannung überrollt, konnte ich manchmal nicht schnell genug lesen, um dann vom hanseatischen Flair und Humor entspannt zu werden.
Das ambivalente Verhalten der beiden Ermittler Thies Knudsen und Dörte Eichhorn hat mindestens genauso viel Spaß bereitet, wie das freundschaftliche Verhältnis der beiden Sturköpfe Knudsen und Andersen.
Wenn „Der Bojenmann“ der Beginn einer neuen Kriminalreihe sein soll, so freu ich mich schon jetzt auf die kleinen Kämpfe und das Geplänkel der Drei.
Neben dem äußerst spektakulären Fall ist mir die liebevolle Werbung für die Sehenswürdigkeiten der Stadt Hamburg aufgefallen. Ich habe Hamburg schon einige Male besucht und jedes Mal neues entdeckt, aber vom „Tschechischen Hafen“ hatte ich noch nicht gehört. Den „Tschechischen Hafen“ und andere im Buch erwähnte, mir unbekannte, Orte konnte ich später in der Hamburg-Karte entdecken. Auch die Beschreibung der Wegstrecken, die die Kommissare mit dem Auto zurücklegten, hat für mich Hamburg wieder lebendig werden lassen.
Der Fall, so spektakulär und tricky er auch war, empfand ich nachvollziehbar und logisch begründet durch die Schilderung der Kindheitserlebnisse des Täters und seinen, in kursiver Schrift geschriebenen Beobachtungen und Gedankengänge.
Kommissarin Eichhorn, Kommissar Knudsen und der ehemalige Lotse Andersen wurden facettenreich beschrieben, so dass ich mich schon jetzt auf weitere Fälle der Drei freue.

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Veröffentlicht am 25.03.2023

Zu skurril, zu wirr, zu traurig

Vilma zählt die Liebe rückwärts
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Vilma, Mitte dreißig, Musiklehrerin, lebt in einem riesigen alten Haus in Oslo.
Neben ihrem Beruf konzentriert sie sich vornehmlich auf ihre lebenserhaltenden und gesundheitsfördernden Ernährung. Einfacher ...

Vilma, Mitte dreißig, Musiklehrerin, lebt in einem riesigen alten Haus in Oslo.
Neben ihrem Beruf konzentriert sie sich vornehmlich auf ihre lebenserhaltenden und gesundheitsfördernden Ernährung. Einfacher Genuss, Romantik oder emotionale und kulinarische Ausschweifungen sind ihr fremd.
Geradezu entsetzt ist sie, als sie vom Tod ihres, ihr unbekannten Vaters unterrichtet wird.

Ich habe dieses Hörbuch nach 38 % abgebrochen. Mir war die Geschichte einfach zu skurril, zu wirr und auch zu traurig.
Den beiden Erzählern triff meiner Meinung nach keine Schuld, denn ihre Stimmen und Stimmfarben passte hervorragen zum Text.
Eigentlich hatte ich schon nach zehn Minuten den Eindruck, dass dies kein Hörbuch für mich ist. Ich hatte mehr Komik und Selbstironie erwartet. Natürlich auch etwas mehr Struktur. Stattdessen stolpert Vilma von einem Gefühlschaos ins andere. Sie treibt hilflos zwischen ihren Gefühlen, Gefühlen, die sie ihrer Meinung nach haben sollte, und Anlehnungsbedürftigkeit sowie Liebesbedürftigkeit.
Sie wirkt so traurig und emotional alleingelassen.
Das zu hören wollte ich mir nicht mehr antun, zumal mir immer mehr den Eindruck hatte, dass die Geschichte zu realitätsfremd ist und ich damit nichts anfangen kann.

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Veröffentlicht am 20.03.2023

Zu rührselig

Die letzten Tage unserer Väter
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Paris 1940
Wie viele junge Männer verlässt Paul-Emil seine Heimatstadt, um sich dem britischen Geheimdienst anzuschließen. Nach harter Ausbildung versucht eine ausgesuchte kleine Truppe französischer Freiwilliger ...

Paris 1940
Wie viele junge Männer verlässt Paul-Emil seine Heimatstadt, um sich dem britischen Geheimdienst anzuschließen. Nach harter Ausbildung versucht eine ausgesuchte kleine Truppe französischer Freiwilliger einen geheimen Krieg gegen die Deutschen zu führen.
Die kleine Gruppe schweißt sich zu einer Familie zusammen, denn keiner ihrer Lieben zu Hause weiß, wo ihre Söhne und Töchter agieren und welch gefährliche Aufträge sie ausführen.


Joel Dicker hat in seinem ersten Buch ein wichtiges Thema angefasst. Leider hatte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht seinen sensiblen, aber authentischen Schreibstil.
Ich habe mehrmals das Hören dieses Hörbuchs unterbrochen, aber es immer wieder versucht, weil ich schon mehrere wirklich gute Bücher von ihm gelesen habe. In diesen Büchern habe ich die ruhige und sensible Art seiner Erzählkunst schätzen gelernt. Jetzt fand ich es rührselig, teilweise auch langweilig und viel zu weitschweifend.
Mir war leider nicht bewusst, dass es sich um ein Erstlingswerk von ihn handelt. Manchmal ist es kontraproduktiv, wenn Verlage in Ermangelung neuer Werke, die Anfänge des Autors veröffentlichen. Oftmals erlebt der Leser eine plötzliche Rückwärtsentwicklung seines Liebling Autors. Und ist enttäuscht.
Tobias Kessler, die Stimme des Hörbuchs möchte ich keinen Vorwurf machen. Die Stimme und vor allem die Sprechweise passten hervorragend zu dem Buch.

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Veröffentlicht am 18.03.2023

Max Bischoff - und hoffentlich kein Ende

Mörderfinder – Mit den Augen des Opfers
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Völlig überraschend wird der Fallanalytiker Max Bischoff von der Polizeirätin Keskin, die kein Fan seiner Arbeitsweise ist, zu Hilfe gerufen, um einen zweiundzwanzig Jahre alten ungelösten Fall wieder ...

Völlig überraschend wird der Fallanalytiker Max Bischoff von der Polizeirätin Keskin, die kein Fan seiner Arbeitsweise ist, zu Hilfe gerufen, um einen zweiundzwanzig Jahre alten ungelösten Fall wieder aufzunehmen.
Trotz heftiger Bedenken macht sich Max umgehend auf den Weg nach Klotten, einen kleinen Weinort an der Mosel. Einem Tag nach seiner Ankunft erschüttert eine verstümmelte Leiche die Bewohner des kleinen Orts.
Nicht nur Bischoff sieht bei diesem Verbrechen eine Verbindung zum Cold Case.



Spannend ist es wieder im Leben des Fallanalytikers Max Bischoff. Dieses Mal wird er von seiner ärgsten Feindin im Kommissariat privat engagiert. Immer wieder hat sie ihm, der mittlerweile Privatermittler ist, Steine in den Weg gelegt. Jetzt sucht sie seine Hilfe.
Mir haben die Wortgefechte zwischen Keskin und Bischoff sowie zwischen Zerbach und Bischoff sehr viel Spaß bereitet. Die jeweiligen Kommentare des Psychologen Wagner: „Ich denke, man muss diesem Ermittlungsextremisten sein Verhalten nachsehen“…. „Er verfügt in seinem Kopf lediglich über eine humanoide Grundkonfiguration und hat einen Polizeiausweis. Gefährliche Mischung.“ waren einfach köstlich und haben die schwere Thematik maximal aufgelockert.
Max Bischoff dabei beobachten zu dürfen, wie er sich zurückzieht, um seine Gedanken zu ordnen, ist auch immer wieder ein Genuss.
Ich finde Mörderfinder ist ein rundum unterhaltsamer und spannender Krimi. Als Thriller sehe ich ihn nicht, aber das ist bekanntlich ja Ansichtssache.
Ich freue mich jetzt schon auf Max Bischoffs vierten Fall.

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Veröffentlicht am 14.03.2023

Einfach fesselnd und lange nachwirkend

Morgen, morgen und wieder morgen
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Sadie und Sam begegnen sich schon als Kinder. Fasziniert von Computerspielen und den jeweiligen Fertigkeiten, lenken sie sich gegenseitig von ihrer schmerzlichen und bedrückenden Wirklichkeit ab. Ihre ...

Sadie und Sam begegnen sich schon als Kinder. Fasziniert von Computerspielen und den jeweiligen Fertigkeiten, lenken sie sich gegenseitig von ihrer schmerzlichen und bedrückenden Wirklichkeit ab. Ihre tiefe Freundschaft wird jedoch durch Missverständnisse abrupt beendet.
Erst über zehn Jahre später begegnen sich die Beiden zufällig wieder.
Dies ist der Beginn einer erfolgreichen, Gewinn bringenden, aber auch schmerzvollen Karriere als Spieleentwickler und Designerin.


Oft lesen wir Ankündigungen, wie: Sensationserfolg des Jahres oder Sensationserfolg aus den USA. Meistens entlocken mir diese marktschreierischen Überschriften beim Lesen des Buches nur ein müdes Lächeln. Hier ist es dann doch anders.
Ich habe selten, sehr selten, ein so komplexes Buch gelesen. Es geht um Freundschaft, um Computerspieleentwicklung, über gleichgeschlechtliche Ehen, über People of Color, über verschiedene Lebensbilder verschiedener Kulturen, über Umweltschutz und noch so viele andere politische Themen. Nichts davon wirkt klischeehaft, konstruiert und schon gar nicht fehl am Platz. Frau Zevin hat all diese Themen in ihrem Buch untergebracht, ohne es zu überfrachten. Ihr Erzählstil ist leicht und eigentlich immer unaufgeregt.
Ihre Protagonisten erleben jedoch ein stetiges auf und ab, mal ein riesiger Hit in der Spielewelt, mal ein Flop, mal Geborgenheit gebende Freundschaft, dann wieder gefühlter Verrat, mal eine Glückssträhne, dann wieder Depression und als Leser geht man jede Emotion mit.
In die Computerspieleentwicklung erhalten wir einen großen Einblick. Nach der Lektüre des Buches habe ich einen anderen Blick auf Computerspiele. Ich habe mir nie klargemacht, wir kompliziert und zeitraubend die Entwicklungsarbeit ist. Vor allem war mir nie klar wieviel Herzblut der Designer in diesen Spielen steckt. Die Erschaffer dieser Internetwelten sind, so mein Eindruck, auch ganz besondere Menschen, die man mit unseren normalen Maßstäben nicht bewerten kann. Sadies und Sams Leben, Leidenschaften, Freundschaften, Beziehungen und Verhaltensweisen können wir nur bestaunen. Ihre Geschichte wird uns sicher noch einige Zeit begleiten.

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