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Veröffentlicht am 07.12.2020

Blindes Vertrauen

Kalte Liebe
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Eigentlich ist Kommissarin Nina auf den Weg zum Flughafen um gemeinsam mit ihrem Bruder nach Mallorca zu fliegen, als sie zufällig mithört, dass ihre Kollegen einen brutalen Mord an einem 15-jährigen Mädchen ...

Eigentlich ist Kommissarin Nina auf den Weg zum Flughafen um gemeinsam mit ihrem Bruder nach Mallorca zu fliegen, als sie zufällig mithört, dass ihre Kollegen einen brutalen Mord an einem 15-jährigen Mädchen aufdecken müssen. Ein neuer Kollege, Roman Nolte, hat sich ihrer Gruppe zur Unterstützung angeschlossen. Kurz entschlossen schaltet sie sich in die Ermittlungen ein und verzichtet auf ihren Urlaub.

Nachdem die Leiche, deren Todesumstände brutal und undurchsichtig sind, als Charlotte Campmann identifiziert wurde, begibt sich die verzweifelte Mutter auf eigener Spurensuche.


Dies ist ein guter, spannender Krimi, der seine Leser fesselt. Es ist bereits mein dritter Krimi mit der Bielefelder Mordkommission. Bis auf einen neuen Ermittler begegnen mir die gleichen Kommissare. Es fühlt sich an, wie ein nach Hause kommen. Ich kenne die privaten Kümmernisse, ihre Werdegänge und ihre Beziehungen, auch untereinander. Das macht sie für mich menschlich.

Das Verbrechen, das sie aufklären müssen, ist grausam. Ihre launigen Gespräche und Geschichten aus ihrem Privatleben, machen es mir und ich denke auch vielen anderen Lesern möglich die Brutalität und Grausamkeit der Verbrechen zu ertragen.

Frau Rommel beschreibt Emotionen, Reaktionen der Beteiligten und der Ermittler detailgetreu, rasende Verfolgungsjagden werden so geschildert, dass dem Leser der Schweiß von der Stirn tropft.
Tatorte und grausame Verbrechen werden nicht so genau beschrieben. Man sieht das Blut nicht spritzen oder tropfen. Spannung und Dramatik gehen dadurch aber nicht verloren.

Das macht mir ihre Bielefeld-Krimi Reihe so sympathisch und lesenswert.

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Veröffentlicht am 19.11.2020

Fesselnd und erschütternd

Die Schweigende
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Karin Remy kann es nicht fassen, dass ihr Mann Jens vor ihr gegangen ist. Nach vierundfünfzig Ehejahren lässt er sie jetzt in Stich, allein mit all ihren Dämonen.
Karin hat eine unbeschreiblich grausame ...

Karin Remy kann es nicht fassen, dass ihr Mann Jens vor ihr gegangen ist. Nach vierundfünfzig Ehejahren lässt er sie jetzt in Stich, allein mit all ihren Dämonen.
Karin hat eine unbeschreiblich grausame und zerstörerische Vergangenheit verdrängt und mit Jens Hilfe nahezu vergessen, aber jetzt……….

Ihre drei bereits erwachsenen Töchter haben nie verstanden, warum ihre Mutter nicht in der Lage war, ihnen ihre Liebe zu zeigen und Zärtlichkeiten zuzulassen. Sie hat ihre Töchter versorgt und zum Lernen angetrieben. Für Verständnis, Geborgenheit und Liebesbekundungen war immer ihr Vater zu ständig.

Nach seinem Tod droht die Familie auseinanderzubrechen.




Fünfhundertfünfzehn Seiten Mitgefühl, Fassungslosigkeit, Scham, Trauer und letztlich auch Wut umfasst dieser Roman.

„Ich wollte - stellvertretend für unzählige andere – das Schicksal eines Heimkindes lebendig werden lassen. Vor allem aber wollte ich zeigen, welche Auswirkungen diese Art von „Pädagogik“ bis in die nächste und übernächste Generation haben kann,…..“ Ellen Sandberg

Das ist ihr gelungen.

Die Lebenslust und Neugier der jungen Karin und im Gegensatz dazu die Bitterkeit, mancher auf Zucht und Ordnung beharrenden Erwachsenen der 50er Jahre, sind mir aus Erzählungen meiner Mutter bekannt. Natürlich war niemandem (vor allem nicht den Denunziantinnen!) klar, welche Folgen ihre Anzeigen hatten.

Man hat immer mal wieder von Misshandlungen in Kinderheimen gehört. Genauso wie man heute immer wieder von Missbrauch innerhalb der Kirche hört, aber dieses Ausmaß …...

Es ist (nur) ein Roman, aber Ellen Sandberg hat meiner Meinung nach, die Chance genutzt, anhand Karins Lebensgeschichte die Praktiken und Verbrechen einiger Erziehungsheime (ich hoffe, es waren wirklich nur einige und nicht alle) dieser Zeit bloßzustellen und offenzulegen. Karins Gefühlstaubheit, die ihr überhaupt nur ein weiteres Leben ermöglicht, prägt ihre drei Töchter und führt bei ihnen zu unterschiedlichen Reaktionen, wie Berührungsängste, Verlustängste. Die Folgen der verbrecherischen Erziehungsmethoden und das Schweigen der Opfer wirken auch noch Generationen später. Wenn der umsorgende, gefühlsvolle und ausgleichende Vater nicht mehr da ist, bricht die Familie auseinander.

All das ist berührend und doch mit dem nötigen Abstand meisterhaft erzählt.

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Veröffentlicht am 16.11.2020

Total Genial

NEBEL
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Nach einem katastrophalen Weihnachtsfest kehrt Kommissarin Hulda Hermannsdottir wieder an ihren Arbeitsplatz zurück. Eigentlich kann sie sich nach dem großen Verlust nicht auf Akten und zu bearbeitende ...

Nach einem katastrophalen Weihnachtsfest kehrt Kommissarin Hulda Hermannsdottir wieder an ihren Arbeitsplatz zurück. Eigentlich kann sie sich nach dem großen Verlust nicht auf Akten und zu bearbeitende Krimanalfälle konzentrieren.

Ein brutaler Doppelmord auf einem abgelegenen Bauernhof im Osten Islands bietet ihr Gelegenheit ihren Schreibtisch und vor allem ihr Zuhause zu verlassen.



„Dunkel“, den ersten Teil der Trilogie habe ich vor Monaten gelesen. Das Buch hat mich begeistert, aber zum Ende des Buches, habe ich mich gefragt, was der Autor mir jetzt noch in zwei Büchern über Hulda Hermannsdottir erzählen möchte. Eine Leseprobe am Ende des Buches hat mich dann zum Weiterlesen der „Insel“ verleitet und auch dieser Band hat mich begeistert zurückgelassen.

Der dritte Band „Nebel“ hat mich sogar noch mehr fesseln können.

Die private Tragödie der Hulda Hermannsdottir war eigentlich bekannt, aber Ragnar Jonasson beschreibt so eindringlich und intensiv den Fortgang der Katastrophe, die Unsicherheit der Mutter und die Übergriffigkeit des Vaters, dass der Leser ungewollt mitfiebert und doch noch rechtzeitiges Erkennen erhofft. Unheilvoll langsam spitzt sich das Drama zu. Rückblenden lassen uns Schritt für Schritt beobachten.

Der Kriminalfall ist nicht minder spannend. Nachdem Hulda und der zuständige Kommissar sich zum Tatort bzw. zum abgelegenen Bauernhof durchgekämpft haben, knüpft Ragnar Jonasson durch stetige kurze Rückblenden und beleuchtete Szenen einen komplexen Kriminalfall auseinander, der die Polizisten bis ins Mark erschüttert. Alles hängt irgendwie mit allem zusammen und wird von Jonasson meisterhaft erzählt.

Ragnar Jonasson gibt viel von der isländischen Mentalität und Lebensweise preis und zeigt den unmittelbaren Zusammenhang zu Klima und Lage der Insel.

Eine lesenswerte Trilogie!

Ich freue mich auf weitere Bücher von Ragnar Jonasson.

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Veröffentlicht am 26.09.2020

Gibt Introvertierten Kraft

Still
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„In einer lauten Welt werden stille Menschen meist überhört“
Dieser Satz machte mich gleich neugierig. Er richtete gleich einen Scheinwerfer auf viele traurige und unbefriedigende Situationen aus der Kindheit ...

„In einer lauten Welt werden stille Menschen meist überhört“
Dieser Satz machte mich gleich neugierig. Er richtete gleich einen Scheinwerfer auf viele traurige und unbefriedigende Situationen aus der Kindheit und Jugend.

Die geschichtliche und wissenschaftliche Ausarbeitung und Aufbereitung von Frau Cain machte mir schnell deutlich, dass ich nicht uninteressant, zu langsam und ohne Ideen bin. Nein, ich bin introvertiert. Die stillen Denker überstürzen nichts, sondern reflektieren erst einmal gründlich über das Für und Wider und planen im Stillen.

Den Eindruck bzw. eine Ahnung, dass ich introvertiert bin hatte ich schon länger, aber mit meinem Selbstbild kam ich mir in meiner Umgebung schon sehr ohnmächtig vor. Auch war mir seit einigen Jahren klar, dass ich sehr gut zuhören kann, dass mir aber meist keiner oder keine richtig zuhörte, weil laute extravertierte Menschen das Zuhören verlernt haben oder aber die Oberflächlichkeit ließ kein Zuhören zu.

Dieses Buch ist wichtig und sollte vor allem von jungen Menschen in ihrer Entwicklungsphase gelesen werden, um schon früh zu erkennen, dass ihre Introvertiertheit kein Makel, sondern eine Chance ist, die wahrgenommen werden will.

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Veröffentlicht am 30.07.2020

So wird Geschichte lebendig und spannend

Tage des Aufbruchs
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Laguna, Brasilien 1839
Ana Maria de Jesus Ribeiro da Silva ist erst 18 Jahre alt. Von ihrem Ehemann verlassen, gilt sie in ihrer Umgebung als unangepasst, wild und ein bisschen die Männer verhexend.

An ...

Laguna, Brasilien 1839
Ana Maria de Jesus Ribeiro da Silva ist erst 18 Jahre alt. Von ihrem Ehemann verlassen, gilt sie in ihrer Umgebung als unangepasst, wild und ein bisschen die Männer verhexend.

An dem Tag, an dem die Freiheitskämpfer von den Einwohnern Lagunas freudig empfangen werden, begegnet Aninha zum ersten Mal dem italienischen Freiheitskämpfer Giuseppe Garibaldi. Es ist seltsam, denn er kommt ihr irgendwie vertraut vor. Für Garibaldi ist es Liebe auf den ersten Blick. „Du must mein sein“ waren seine ersten Worte und zärtlich nennt er sie Anita.

Sie bricht alle Zelte in Laguna ab, um fortan Giuseppe bei seinem Freiheitskampf in der brasilianischen Guerilla zu begleiten. In vielen gewonnenen und auch verlorenen Schlachten wird sie Giuseppe nicht nur begleiten. Sie kämpft, erkämpft sich den Respekt von Freund und Feind und wird zur Heldin des brasilianischen Freiheitskampfes.

Eine kleine, mutige und außergewöhnliche Frau, die ihrer Zeit weit voraus ist.


Respekt!
Dass Karin Seemayer die Gabe hat, geschichtliche Abläufe und Zusammenhänge mit fiktiven Figuren ihren Lesern als spannenden und mitreißenden historischen Roman vorzulegen, habe ich bereits in sechs ihrer Bücher genießen dürfen, aber die wahren Begebenheiten aus dem Leben der Anita Garibaldi setzen dem noch die Krone auf.

Gründliche Recherche ließen keine Fragen offen. Gute Beobachtungsgabe und bildhafte Beschreibungen ließen alle Protagonisten lebendig und teilweise charismatisch wirken. Einigen, der viel zu vielen Opfern, hat Frau Seemayer einen Namen und ein Gesicht gegeben.
Als Leser konnte man mitleiden und mitfiebern.

Der Charakter und die Lebensphilosophie der mutigen und selbständigen Anita wurde beeindruckend dargestellt. In rasantem Tempo werden Siege und Verluste in Schlachten oder auch in Anitas persönlichen Leben gefeiert, betrauert, aber nie in Ruhe innenhaltend verarbeitet. Und so wird auch der Leser im rasanten Tempo durch die Geschichte geführt und es entwickelt sich ein historischer Roman zum „Page-Turner“.

Ich wünsche mir, dass Frau Seemayer sich schnell wieder in umfangreiche Recherche begibt, um wieder mit einem spannenden Roman eine große Lücke im geschichtlichen Wissen zu schließen.

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