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Veröffentlicht am 05.06.2025

Großmutters Geheimnisse

Unter den Sternen von Paris
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Der Roman „Unter den Sternen von Paris“ von Karolina Schützer erzählt die Geschichte einer jungen Schwedin, die in Paris ihr Glück findet.

Kurz zum Inhalt:
Die schwedische TV-Journalistin Sophia hat ...

Der Roman „Unter den Sternen von Paris“ von Karolina Schützer erzählt die Geschichte einer jungen Schwedin, die in Paris ihr Glück findet.

Kurz zum Inhalt:
Die schwedische TV-Journalistin Sophia hat so einiges zu verkraften. Eine Scheidung, den Verlust ihres Traumjobs und last but not least stirbt ihre heiß geliebte Großmutter Emmy. Völlig überraschend besaß Emmy eine kleine Bar in Paris, die nun Sophia geerbt hat. Da Sophia sowieso dringend eine Auszeit benötigt, reist sie nach Paris, mit der Absicht, den Verkauf der Bar in die Wege zu leiten. Doch dort lernt sie Louis kennen, einen alten Freund ihrer Großmutter, und es liegt etwas Geheimnisvolles über Emmys Pariser Zeit, das Sophia unbedingt ergründen will.

Das ansprechende Cover der Hardcover-Ausgabe zeigt das etwas abgewandelte Gemälde „Café-Terrasse am Abend“ von Van Gogh. Die Originalausgabe des Romans erschien 2023 unter dem Titel „Under stjärnorna i Paris“, die deutschen Fassung, übersetzt von Nora Pröfrock, 2025 im Insel Verlag. Die kurzen Kapitel verfügen weder über Zeit- noch Ortsangaben. Die Handlung spielt in der Gegenwart. Der Schreibstil ist flüssig und gut beschreibend. Das Pariser Flair ist anschaulich erfasst.

Der Handlungsaufbau konzentriert sich auf Sophias charakterliche Entwicklung. Das Geheimnis rund um ihre Großmutter Emmy ist aber damit eng verknüpft. Leider wird deren Geschichte, vor allem jene Zeit, die sie in Frankreich verbracht hat, in der sehr viele Emotionen und auch dramatische Ereignisse stecken, viel zu kurz und zu nüchtern und auch viel zu spät erzählt. Eingeschobene Perspektivenwechsel zu Gedanken bzw. Erinnerungen von Louis, hätten den Charakter der Großmutter mehr hervorgehoben und sie lebendiger werden lassen. Und es hätte die Handlung belebt.

Was generell die Charaktere anbelangt, so konnte ich mir den mehrheitlich sympathischen Personenkreis grundsätzlich gut vorstellen. Sophia verwandelt sich im Laufe der Geschichte von einer ehrgeizigen, karrieresüchtigen und egozentrischen Frau, der es aber in manchen Situationen an Selbstbewusstsein und Durchsetzungskraft fehlt, in einen anderen Menschen. Sie erkennt den Wert tiefer zwischenmenschlicher Beziehungen, denkt endlich auch an andere, kann sich endlich gegen den stalkenden, manipulierenden Ex-Ehemann behaupten. Sie findet in Paris ein neues Zuhause, in der Bar ihre Berufung und letztlich auch ihre Liebe. Sophias Gedanken und Gefühle, Stärken und Schwächen sind ausführlich beschrieben. Besonders ins Herz geschlossen habe ich aber Louis, seine charmante, liebenswürdige Art. Überhaupt mochte ich vor allem das Bar-Team, wie alle nach anfänglicher Skepsis an einem Strang ziehen und die Bar auf Vordermann bringen. Sophias Handlungsweise konnte ich oft nicht nachvollziehen, zu sprunghaft und unlogisch erschien mir vieles. Erst als sie sich endgültig für Paris entschied, hatte die Geschichte jene Wendung genommen, die in meinem Sinne war. Wobei meine Erwartungen ein wenig auf der Strecke blieben. Irgendwie schaffte es die Autorin nicht, die Gefühle der Protagonisten auf mich überspringen zu lassen. Ich wurde weder mit Sophia noch mit Tristan wirklich warm. Sie wirkten auf mich zu kühl, zu distanziert. Deren große Liebe blieb irgendwo zwischen den Zeilen stecken. Mir fehlte es an poetischer Romantik, prickelnder Erotik und tiefer Leidenschaft.

„Unter den Sternen von Paris“ ist kein mitreißendes Buch, aber es hat mir im Großen und Ganzen gefallen. Zudem ist es ein Debutroman, da ist meist noch etwas Luft nach oben. Letztlich hat die positive Entwicklung der Protagonistin und das überraschende Ende bewirkt, dass ich das Buch nicht nur mit einem zufriedenen Gefühl geschlossen habe, sondern auch meine Neugierde auf die offensichtlich geplante Fortsetzung geweckt wurde.

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Veröffentlicht am 31.05.2025

Eiskalte Morde

Merano criminale
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„Merano Criminale“ von Elisabeth Florin ist mittlerweile der dritte Band mit dem Ermittler-Duo Emmenegger und Eva Marthaler.

Kurz zum Inhalt:
Zwei ermordete Frauen innerhalb kurzer Zeit und ein Freund ...

„Merano Criminale“ von Elisabeth Florin ist mittlerweile der dritte Band mit dem Ermittler-Duo Emmenegger und Eva Marthaler.

Kurz zum Inhalt:
Zwei ermordete Frauen innerhalb kurzer Zeit und ein Freund Emmeneggers als Hauptverdächtigter. Das Ermittler-Duo stößt bei ihren Recherchen auf einen zwanzig Jahre zurückliegender Kriminalfall. Ob da ein Zusammenhang besteht? Für Turbulenzen sorgt der Schauspielschüler Paul, der undercover in der Gastromieszene herumschnüffelt.

Das Cover stimmt einen schon auf das Umfeld ein – ein malerisch-idyllisches Ambiente, das sommerliche Gefühle und Urlaubssehnsucht ausstrahlt. Das Buch erschien 2025 im Emons Verlag. Die Kapitel sind von angenehmer Länge und mit Orts- und Zeitangaben versehen, was ich persönlich immer sehr schätze. Der Roman spielt in der Gegenwart in Meran und Umgebung. Der Schreibstil des Romans ist flüssig, besticht durch die bildsprachliche Ausdrucksweise und humorvolle Szenen. Stimmungen und Kulisse werden gut vorstellbar, aber nie zu langatmig beschrieben. Immer wieder fließen in die Handlung Hinweise auf sehenswerte Örtlichkeiten und empfehlenswerte Ausflüge in und rund um Meran ein. Das Nachwort gibt Aufschluss darüber, welche Schauplätze es real gibt und welche der Fantasie entsprangen. Meran erscheint mir jedenfalls ein sich lohnendes Reiseziel zu sein.

Der Prolog, ein mysteriöser Rückblick, erweckt gleich einmal Neugierde, die lange nicht gestillt wird, da hier die Leserschaft ja einen Wissensvorsprung gegenüber der Polizei hat und die beiden Mordfälle 20 Jahre später keinen Zusammenhang erkennen lassen. Emmenegger und Marthaler haben nicht nur mit den rätselhaften Fällen zu kämpfen, sondern auch mit dem üblichen polizeilichen Kompetenzgerangel zwischen Carabinieri und der Staatspolizei. Noch dazu wird Emmeneggers Freund, der Wirt jenes Bierlokals, in dem eine der Leichen gefunden wird, verdächtigt. Je intensiver Emmi und Eva recherchieren, desto rätselhafter erscheint das Motiv und es mehren sich die Fragezeichen. Es gibt viel Raum für eigene Theorien, zum Miträtseln. Die Spannung flacht nie ab. Perspektiven- und Ortswechsel gestalten die Handlung abwechslungsreich, humorvolle Dialoge und Szenen lockern sie auf, regen zum Schmunzeln an. Immer mehr Fäden finden zueinander, bis letztlich in einem wirklich dramatischen Finale voller Action sich alles klärt und sich eine Person als Täter entpuppt, auf die man wirklich nie gekommen wäre.

Was die Charaktere anbelangt, konnte ich mir auch die Nebenfiguren recht gut vorstellen. Neben dem sympathischen Ermittler-Duo, das im Mittelpunkt steht, mochte ich Paul am meisten. Seine Fantasie und Schlagfertigkeit, auch Unbekümmertheit war ausgesprochen amüsant. Emmi und Eva harmonieren trotz mancher Missverständnisse, nicht nur privat, sondern ergänzen einander auch beruflich optimal. Es wird interessant werden, welchen weiteren Berufsweg Eva einschlagen wird und inwieweit sie dann zusammenarbeiten werden.

„Merano Criminale“ hat mich wiederum begeistert. Ich mag den Erzählstil der Autorin, diesen Mix aus Spannung, der Möglichkeit mitzurätseln, das Ganze eingehüllt in herrliche Landschaftsbeschreibungen, die einen aus der Großstadt gedanklich hinwegbeamen in eine beeindruckende Bergwelt, und dazwischen lockern amüsante Szenen die Handlung auf. Da mir die Lektüre großes Lesevergnügen bereitet hat, empfehle ich das Buch mit Freuden weiter, vergebe 5 Punkte, und freue mich schon auf den nächsten Fall.

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Veröffentlicht am 31.05.2025

Die Sünden der Vorfahren

Die Erbin
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„Die Erbin“ von Claire Winter ist ein historischer Roman voller Spannung und Dramatik, in dessen Mittelpunkt eine junge Frau steht, die gegen den Willen ihrer mächtigen Familie deren Verfehlungen während ...

„Die Erbin“ von Claire Winter ist ein historischer Roman voller Spannung und Dramatik, in dessen Mittelpunkt eine junge Frau steht, die gegen den Willen ihrer mächtigen Familie deren Verfehlungen während der Zeit des Dritten Reichs aufdeckt.

Kurz zum Inhalt:
1957. Cosima, die Erbin der mächtigen Industriellenfamilie Liefenstein, engagiert sich mittels einer Stiftung für bedürftige Frauen und Mütter. Als sie den Journalisten Leo Marktgraf kennenlernt, der im Zusammenhang mit dem rätselhaften Tod eines Anwalts Nachforschungen über die Liefersteins betreibt, beginnt Cosima selbst über die Vergangenheit ihrer Familie zu recherchieren. Bei ihren Verwandten stößt sie auf massiven Widerstand und Schweigen. Je tiefer sie in die Materie eindringt, offenbaren sich immer mehr Abgründe …

Das Cover mit der jungen Dame mit dem schnittigen Mercedes Coupé ist ein Eye-Catcher und stellt die Verbindung zu den 50er Jahren her. Das Buch erschien 2025 im Heyne Verlag. Die Kapitel sind jeweils nur wenige Seite lang, Orts- oder Zeitangaben finden sich primär im Text. Die Handlung spielt vorwiegend in Berlin und Köln und umfasst einen Zeitraum von 1929 bis 1957. Der Schreibstil ist flüssig, sprachlich der Zeit angepasst und großartig beschreibend, die Atmosphäre jener Zeit ist ausgezeichnet eingefangen - vom Alltag des Personals in einer hochherrschaftlichen Villa bis zu den Grausamkeiten und Schrecken des Krieges. Der Roman besticht durch exzellente Recherche, was die Autorin im Anhang „Wahrheit und Fiktion“ eindrucksvoll belegt. Eine Industriellenfamilie Liefenstein hat es nie gegeben, doch die Verstrickungen der deutschen Wirtschaft mit dem Nationalsozialismus sind Fakt.

Die Handlung verläuft abwechselnd in zwei Zeitebenen – einerseits verfolgt man Cosimas Recherchen im Jahr 1957, andererseits wird das Leben im Hause Liefenstein sehr anschaulich in chronologischen Zeitsprüngen ab 1929 geschildert. Alternierend wird aus Sicht der Hauptpersonen, d.s. Cosima, Elisa, Theodor, Edmund und Leo, erzählt. Die jeweiligen Perspektiven-, Zeit- und Ortswechsel fließen harmonisch ineinander über und die im Jetzt erlangten Erkenntnisse werden durch die Szenen aus der Vergangenheit erst richtig lebendig und emotionell. Die dramatischen Ereignisse ziehen einen in ihren Bann, man fiebert mit, leidet mit und das Grauen jener Zeit erschüttert einen. Der Spannungsbogen bleibt vom Anfang bis zum Ende fesselnd. Denn es fügt sich erst so nach und nach Puzzlesteinchen zu Puzzlesteinchen, bis sämtliche Zusammenhänge in ihrem erschütternden Ausmaß klar und offen vorliegen.

Die Charaktere, auch jene der Nebenfiguren, sind sehr eindrucksvoll und facettenreich gezeichnet. Die Menschen wirken lebendig, authentisch, zeigen Stärken und Schwächen und Gefühle, und sie entwickeln sich im Laufe der Handlung. Sie sind geprägt durch ihre Herkunft und letztlich leider auch durch die Geschehnisse während der Zeit des Nationalsozialismus, dessen magischem Einfluss leider die Mehrheit erlag und dessen Druck sich die meisten beugten. Cosima ist keine verwöhnte, oberflächliche reiche junge Frau, die nur als Gattin eines ebenfalls betuchten Unternehmers repräsentieren will. Sie ist selbstbewusst, klug und steht mit Herz und Seele hinter der von ihr gegründeten Stiftung für bedürftige Frauen und Mütter.

Der Roman „Die Erbin“ hat mich gefesselt, begeistert und die Geschichte wird sicher noch lange in meinem Gedächtnis haften bleiben. Ein Lesehighlight und somit eine unbedingte Leseempfehlung und 5 Punkte.

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Veröffentlicht am 26.05.2025

Kristans Erkenntnisse im Dunkeln

Tod im Friesenhaus
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„Tod im Friesenhaus“ ist Eric Weissmanns zweiter Sylt-Krimi mit dem Immobilienmakler Kristan Dennermann als Protagonist.

Kurz zum Inhalt:
Als Immobilienmakler Kristan Dennermann das Antiquitätengeschäft ...

„Tod im Friesenhaus“ ist Eric Weissmanns zweiter Sylt-Krimi mit dem Immobilienmakler Kristan Dennermann als Protagonist.

Kurz zum Inhalt:
Als Immobilienmakler Kristan Dennermann das Antiquitätengeschäft besichtigt, dessen Vermittlung er übernommen hat, findet er die Leiche der Inhaberin, die sich eigentlich auf Weltreise befinden sollte. Er unterstützt den Inselkommissar bei den Ermittlungen und muss sich im Zuge dessen seinen schlimmsten Ängsten stellen.

Bereits das Cover stimmt auf Sylt ein: ein typisches Sylter Anwesen, der Leuchtturm, ein Strandkorb. Das Buch erschien 2025 im Verlag dtv. Die Kapitel sind kurz, ohne Orts- oder Zeitangaben. Die Handlung spielt in der Gegenwart. Der Schreibstil ist flüssig, beschreibend, mit Liebe zum Detail, auch atmosphärisch. Lokalkolorit fließt in einer Weise in die Handlung mit ein, dass man die Begeisterung des Autors für die Insel spürt, deren landschaftliche Vielfalt und Schönheit er so präsentiert, dass man Lust bekommt hinzufahren. Was die diversen Schauplätze anbelangt, fand ich die Landkarte von Sylt sehr hilfreich mich zu orientieren, auch die virtuelle Inseltour gefiel mir, hat mein visuelles Vorstellungsvermögen sehr bereichert.

Da ich Band 1 kannte, war mir Kristan und sein Umfeld ab der ersten Seite vertraut. Es sind aber keineswegs Vorkenntnisse vonnöten. Jeder Fall ist in sich selbst abgeschlossen. Soweit notwendig, sind Hinweise zur Vorgeschichte vorhanden.

Erzählt wird im Präsens in Ich-Form, aus Sicht von Kristan, wodurch man sich einerseits mitten im Geschehen fühlt und andererseits Kristans Gedanken, Gefühle, insbesondere seine Ängste gut nachvollziehbar sind.

Wie im Vorgängerband stolpert Kristan wieder buchstäblich über die Leiche und wird unfreiwillig wieder zum Assistenten des Inselkommissars Kröger, ganz einfach weil er nicht nur durch seine Tätigkeit als Immobilienmakler jedes Fleckchen auf Sylt kennt, sondern auch über zahlreiche Kontakte verfügt. Einige Personen aus dem Umfeld der Ermordeten erscheinen besonders verdächtig, was Motiv und Gelegenheit anbelangt. Kröger und Kristan tappen dennoch lange Zeit im Dunkeln, denn eine Spur nach der anderen verläuft ins Leere. Spannung bis zuletzt. Bis zum dramatischen Showdown. Denn Kristan gerät in höchste Gefahr, als er den wahren, für mich ungeahnten Täter erkennt.

Im Mittelpunkt steht Kristan, sympathisch, kein Heldentyp, sondern ein Mensch, der mehr Schwächen als Stärken zu haben scheint, durch ein Unfallerlebnis traumatisiert ist, extreme Angst vor Dunkelheit hat. Er ist feinfühlig und empathisch, liebt vor allem seinen Hund sehr, und verfügt über gute Menschenkenntnis und Spürsinn. Die Frauen in seinem Umfeld, sie agieren in diesem Band sehr im Hintergrund, bemuttern ihn alle, da sie seine psychischen Probleme kennen. Kommissar Kröger nimmt da weniger Rücksicht, fordert ihn durch die Ermittlungstätigkeit hingegen eher heraus, wodurch sich Kristian immer wieder seinen Ängsten stellen muss und über sich hinauswächst.

Auch der zweite Band dieser Reihe hat mir sehr gut gefallen und große Lust auf weitere Sylter Mordfälle mit Kristan Dennermann als Ermittler gemacht. Ich empfehle dieses spannende Buch mit sehr viel Inselflair gerne weiter und vergebe 5 Sterne.,

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Veröffentlicht am 23.05.2025

Einmal ein Klavierkonzert spielen

Das Geheimnis der stummen Klänge
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Der Roman „Das Geheimnis der stummen Klänge“ von Dagmar Dusil erzählt von zwei Frauen, von deren Hingabe zur Musik, deren Leben aber nicht nur von Musik geprägt ist, sondern von Herkunft, familiären und ...

Der Roman „Das Geheimnis der stummen Klänge“ von Dagmar Dusil erzählt von zwei Frauen, von deren Hingabe zur Musik, deren Leben aber nicht nur von Musik geprägt ist, sondern von Herkunft, familiären und den politischen Lebensumständen in Rumänien als Ceausescu regierte.

Kurz zum Inhalt:
Erzählt wird das Leben von zwei begnadet begabten Pianistinnen, von Lavinia und Clara. Sie sind Mutter und Tochter, wissen aber durch widrige Lebensumstände nichts voneinander, bis sie sich eines Tages begegnen.

Das Cover mit den stilisierten Klaviertasten untermalt den Titel, das strahlende Hintergrundblau zieht den Blick auf sich. Das Buch erschien 2024 im Pop Verlag. Es gliedert sich inklusive Epilog in neun Abschnitte, die mit Überschriften versehen sind, jedoch nicht mit Orts- oder Zeitangaben. Die Handlung umfasst mehrere Jahrzehnte, beginnend mit Lavinias Kindheit bis zur Gegenwart. Die Schauplätze befinden sich vorwiegend in Siebenbürgen – Hermannstadt, Klausenburg, Katzendorf, Rîmnicul Vîlcea. Der Schreibstil ist flüssig, detailliert beschreibend, abwechslungsreich in mehrerer Hinsicht. Einerseits fügen sich die Ereignisse nicht chronologisch aneinander, Zeitebenenwechsel und Rückblenden prägen die Handlung. Andererseits ist auch der Erzählstil variabel, nicht vorwiegend im Imperfekt, sondern teils im Präsens, was ich als lebendiger empfand, wo man sich fast als ins Geschehen mit einbezogen fühlt. In die Handlung fließt viel über klassische Musik mit ein, sie stellt ja das Lebenselexier für die beiden Frauen dar. Auch die Lebensumstände in Rumänien sind anschaulich dargestellt, nicht nur in politischer Hinsicht, ob der Regentschaft von Ceausescu, sondern auch in ethnischer Hinsicht, über das Völkergemisch, u.a. die Minderheiten bestehend aus Roma, Ungarn und den deutschsprachigen Rumänen, den sogenannten Siebenbürger Sachsen.

Im Mittelpunkt des Romans steht Clara, in Rumänien geboren und aufgewachsen, lebt sie mittlerweile in Bamberg und ist ausgebildete Ärztin. Von Kind auf fühlte sie sich zu Musik hingezogen, wurde von ihren Adoptiveltern, einem Cellisten und einer Malerin, gefördert und sah einer strahlenden Karriere als Pianistin entgegen. Doch als sie 1987 mit 15 bei einem Klavierwettbewerb trotz bravourösem Auftritt aus ihr damals unerfindlichen Gründen keinen Preis erhielt, obwohl sie die Beste war, gab sie das Klavierspiel auf. Tief im Herzen sehnt sie sich nach wie vor danach, einmal im Leben ein Konzert spielen zu dürfen.

Parallel läuft die Geschichte von Lavinia, von Claras Mutter. Sie ist die Tochter eines Romamädchens, das vergewaltigt wurde. Nach vier Jahren im Waisenhaus wurde sie von einem Ehepaar adoptiert, wuchs geliebt und behütet in guten Verhältnissen auf. Ihr musikalisches Talent wurde gefördert und sie machte ihren Weg als erfolgreiche Pianistin. Nur die Schwangerschaft unterbrach ihre Karriere kurzfristig. Das Kind gab sie zur Adoption frei.

Nicht nur die Charakterzüge von Clara und Lavinia sind eingehend beschrieben, ihre Leidenschaft für Musik, wobei es bei Lavinia noch fanatischer wirkt. Clara erscheint sympathisch, lebendig. Sie kämpft dafür, ihren Traum zu verwirklichen. Lavinia lebt quasi nur für und in der Musik. Sie wirkt verschlossen, gefühlsarm und pflegt wenig zwischenmenschliche Beziehungen. Es sind auch die Nebenfiguren gut vorstellbar und lebendig gezeichnet, ihre Handlungen, Reaktionen und Aktionen nachvollziehbar und verständlich.

Es ist spannend zu verfolgen, wie Clara immer mehr über die Hintergründe erfährt, warum ihr der Erfolg damals verwehrt wurde, über Lügen, Betrug, aber auch über gewisse familiäre Zusammenhänge, die man ihr bislang verschwiegen hatte. Bis die Handlung letztlich dem Höhepunkt zusteuert: dem Zusammentreffen der beiden Frauen.

Mir hat dieser Roman sehr gut gefallen. Die Handlung ist exzellent aufgebaut, voller Spannung, Dramatik, tragisch, abwechslungsreich, mit unerwarteten Wendungen. Das Schicksal der Frauen berührte mich, ihre Hingabe an die Musik faszinierte mich und über Siebenbürgen bzw. Rumänien zur Zeit der kommunistischen Herrschaft habe ich bislang viel zu wenig gewusst.

Eine unbedingte Leseempfehlung meinerseits mit 5 Sternen.

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