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Veröffentlicht am 23.05.2025

Einmal ein Klavierkonzert spielen

Das Geheimnis der stummen Klänge
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Der Roman „Das Geheimnis der stummen Klänge“ von Dagmar Dusil erzählt von zwei Frauen, von deren Hingabe zur Musik, deren Leben aber nicht nur von Musik geprägt ist, sondern von Herkunft, familiären und ...

Der Roman „Das Geheimnis der stummen Klänge“ von Dagmar Dusil erzählt von zwei Frauen, von deren Hingabe zur Musik, deren Leben aber nicht nur von Musik geprägt ist, sondern von Herkunft, familiären und den politischen Lebensumständen in Rumänien als Ceausescu regierte.

Kurz zum Inhalt:
Erzählt wird das Leben von zwei begnadet begabten Pianistinnen, von Lavinia und Clara. Sie sind Mutter und Tochter, wissen aber durch widrige Lebensumstände nichts voneinander, bis sie sich eines Tages begegnen.

Das Cover mit den stilisierten Klaviertasten untermalt den Titel, das strahlende Hintergrundblau zieht den Blick auf sich. Das Buch erschien 2024 im Pop Verlag. Es gliedert sich inklusive Epilog in neun Abschnitte, die mit Überschriften versehen sind, jedoch nicht mit Orts- oder Zeitangaben. Die Handlung umfasst mehrere Jahrzehnte, beginnend mit Lavinias Kindheit bis zur Gegenwart. Die Schauplätze befinden sich vorwiegend in Siebenbürgen – Hermannstadt, Klausenburg, Katzendorf, Rîmnicul Vîlcea. Der Schreibstil ist flüssig, detailliert beschreibend, abwechslungsreich in mehrerer Hinsicht. Einerseits fügen sich die Ereignisse nicht chronologisch aneinander, Zeitebenenwechsel und Rückblenden prägen die Handlung. Andererseits ist auch der Erzählstil variabel, nicht vorwiegend im Imperfekt, sondern teils im Präsens, was ich als lebendiger empfand, wo man sich fast als ins Geschehen mit einbezogen fühlt. In die Handlung fließt viel über klassische Musik mit ein, sie stellt ja das Lebenselexier für die beiden Frauen dar. Auch die Lebensumstände in Rumänien sind anschaulich dargestellt, nicht nur in politischer Hinsicht, ob der Regentschaft von Ceausescu, sondern auch in ethnischer Hinsicht, über das Völkergemisch, u.a. die Minderheiten bestehend aus Roma, Ungarn und den deutschsprachigen Rumänen, den sogenannten Siebenbürger Sachsen.

Im Mittelpunkt des Romans steht Clara, in Rumänien geboren und aufgewachsen, lebt sie mittlerweile in Bamberg und ist ausgebildete Ärztin. Von Kind auf fühlte sie sich zu Musik hingezogen, wurde von ihren Adoptiveltern, einem Cellisten und einer Malerin, gefördert und sah einer strahlenden Karriere als Pianistin entgegen. Doch als sie 1987 mit 15 bei einem Klavierwettbewerb trotz bravourösem Auftritt aus ihr damals unerfindlichen Gründen keinen Preis erhielt, obwohl sie die Beste war, gab sie das Klavierspiel auf. Tief im Herzen sehnt sie sich nach wie vor danach, einmal im Leben ein Konzert spielen zu dürfen.

Parallel läuft die Geschichte von Lavinia, von Claras Mutter. Sie ist die Tochter eines Romamädchens, das vergewaltigt wurde. Nach vier Jahren im Waisenhaus wurde sie von einem Ehepaar adoptiert, wuchs geliebt und behütet in guten Verhältnissen auf. Ihr musikalisches Talent wurde gefördert und sie machte ihren Weg als erfolgreiche Pianistin. Nur die Schwangerschaft unterbrach ihre Karriere kurzfristig. Das Kind gab sie zur Adoption frei.

Nicht nur die Charakterzüge von Clara und Lavinia sind eingehend beschrieben, ihre Leidenschaft für Musik, wobei es bei Lavinia noch fanatischer wirkt. Clara erscheint sympathisch, lebendig. Sie kämpft dafür, ihren Traum zu verwirklichen. Lavinia lebt quasi nur für und in der Musik. Sie wirkt verschlossen, gefühlsarm und pflegt wenig zwischenmenschliche Beziehungen. Es sind auch die Nebenfiguren gut vorstellbar und lebendig gezeichnet, ihre Handlungen, Reaktionen und Aktionen nachvollziehbar und verständlich.

Es ist spannend zu verfolgen, wie Clara immer mehr über die Hintergründe erfährt, warum ihr der Erfolg damals verwehrt wurde, über Lügen, Betrug, aber auch über gewisse familiäre Zusammenhänge, die man ihr bislang verschwiegen hatte. Bis die Handlung letztlich dem Höhepunkt zusteuert: dem Zusammentreffen der beiden Frauen.

Mir hat dieser Roman sehr gut gefallen. Die Handlung ist exzellent aufgebaut, voller Spannung, Dramatik, tragisch, abwechslungsreich, mit unerwarteten Wendungen. Das Schicksal der Frauen berührte mich, ihre Hingabe an die Musik faszinierte mich und über Siebenbürgen bzw. Rumänien zur Zeit der kommunistischen Herrschaft habe ich bislang viel zu wenig gewusst.

Eine unbedingte Leseempfehlung meinerseits mit 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 20.05.2025

Wenn sich zwei Welten finden

Pfotenglück und Sommerwellen
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„Pfotenglück und Sommerwellen“ von Petra Schier ist bereits der achte Band der romantischen Liebesroman-Reihe, die im idyllischen fiktiven Örtchen Lichterhaven an der Nordsee spielt.

Kurz zum Inhalt:
Die ...

„Pfotenglück und Sommerwellen“ von Petra Schier ist bereits der achte Band der romantischen Liebesroman-Reihe, die im idyllischen fiktiven Örtchen Lichterhaven an der Nordsee spielt.

Kurz zum Inhalt:
Die auf dem Gebiet der Unternehmensberatung erfolgreiche Influencerin Isalie Hansen übernimmt einen für sie ungewöhnlichen Auftrag: die Beratung von Max Paulsen, der nach seiner Scheidung seinen Bauernhof umstrukturieren muss. Kein leichtes Unterfangen, weil Max den Fähigkeiten der Städterin gegenüber skeptisch ist. Doch Isalie gelingt es bald, ihn zu überzeugen und nicht nur das …

Das Cover, das rein optisch den Vorgängerbänden angeglichen ist, stimmt wieder wunderbar in die Geschichte ein, bietet Nordseeflair und man weiß sofort: ein entzückender Hund spielt eine Hauptrolle. Das Buch erschien 2025 in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland, die Kapitel sind angenehm kurz. Die Handlung spielt in der nicht näher bezeichneten Gegenwart. Der Schreibstil ist flüssig und locker, mit humorvollen Szenen, schlagfertigen Dialogen und anschaulichen Stimmungsbildern vom idyllischen Leben an der Nordsee, ebenso von den rauen Wetterbedingungen und dem wunderbaren Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft.

Auch wenn ich noch nicht alle Bände dieser Reihe kenne, fühle ich mich stets gleich ab der ersten Seite wieder wohl in Lichterhaven. Alles ist so vertraut, es ist ein Wiedersehen mit Altbekannten. Es zieht sich natürlich ein roter Faden durch die Serie, aber jeder Roman ist für sich abgeschlossen, Quereinsteiger kommen also sicher ebenfalls problemlos in die Geschichte hinein.

Wie stets in dieser Serie gibt es einen liebenswerten Hund, diesmal einen riesigen schwarzen Neufundländer mit wuscheligem Fell namens Samson, dessen Gedanken die Handlung auffrischen und zum Schmunzeln anregen. Im Zentrum der abwechslungsreich und lebendig gestalteten Handlung steht aber das Paar Max und Isalie, deren Beziehung sich langsam von anfänglicher Ablehnung und Skepsis seitens Max gegenüber Isalies Fähigkeiten und professionellem Distanzbemühen seitens Isalie letztlich zu großer Zuneigung entwickelt. Die Emotionen der Protagonisten sind nachvollziehbar, wirken authentisch. Es ist eine romantische, zarte Annäherung, dezent erotisch. Selbst als sie sich ihre Liebe gestehen, müssen sie noch eine Hürde bewältigen, nämlich dass sie in verschiedenen Welten leben – sie ist ein Stadtkind, er ein Bauer. Umgeben ist das Paar von einer Schar liebenswürdiger Menschen, ob Familie oder Dorfgemeinschaft.

Ich genieße die entspannenden Lesestunden, die ich in Lichterhaven und mit seinen liebenswerten Bewohnern verbringen darf, stets sehr. Es tut einfach gut, hin und wieder von Harmonie und heiler Welt zu träumen.

Eine unbedingte Leseempfehlung für alle, die romantische Liebesromane mögen bzw. einmal abschalten wollen von diversen Problemen, von den Hiobsbotschaften draußen in der realen Welt.

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Veröffentlicht am 16.05.2025

Non è vero, ma ci credo (es ist nicht wahr, aber ich glaube es)

Commissario Gaetano und der lügende Fisch
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„Commissario Gaetano und der lügende Fisch “ von Fabio Nola ist der Auftakt zu einer Neapel-Krimi-Reihe.

Kurz zum Inhalt:
Ganz Neapel feiert das Fest des Heiligen Gennaro, als Commissario Gaetano von ...

„Commissario Gaetano und der lügende Fisch “ von Fabio Nola ist der Auftakt zu einer Neapel-Krimi-Reihe.

Kurz zum Inhalt:
Ganz Neapel feiert das Fest des Heiligen Gennaro, als Commissario Gaetano von einem Turiner, der sich bedroht fühlt, um Hilfe gebeten wird. Obwohl Gaetano dessen seltsame Geschichte nicht wirklich ernst nimmt, beauftragt er einen seiner Leute, am Abend die Wohnung des Turiners zu beschatten. Doch als er dort eintrifft, erwartet ihn eine kopflose Leiche, geköpft wie einst San Gennaro!

Das Cover mit einer Ansicht von Neapel mit Blick auf den Vesuv stimmt auf den Schauplatz des Krimis ein und vermittelt südliches Flair. Das Buch erschien 2025 im Verlag dtv. Es ist in Abschnitte pro Tag unterteilt. Die Kapitel sind angenehm kurz. Die Handlung spielt in der Gegenwart und umfasst einen Ermittlungszeitraum von zehn Tagen, beginnend am Gedenktag von San Gennaro im September. Dieses alljährliche Ereignis ist in die Krimihandlung facettenreich eingebaut, der Trubel und die Festlichkeiten sind anschaulich beschrieben und ausführlich erklärt. Das Lokalkolorit äußert sich nicht nur sprachlich durch italienische Ausdrücke bzw. in Napulitano (Glossar ist vorhanden), sondern es wird an und für sich ein sehr lebendiges Bild der Stadt Neapel vermittelt, von Hitze, Gerüchen und Geräuschen angefangen über poetisch anmutende Stimmungen bis zu Schilderungen der Schattenseiten der Stadt, wo Kriminalität und Armut hausen. Die Protagonisten und Nebenfiguren verkörpern eine eigene Spezies von Menschen, eben Neapolitaner, die sehr tiefgehend charakterisiert sind. Der Autor verbindet die Traditionen und den Aberglauben rund um San Gennaro geschickt mit dem Mordfall, wo der Ermordete ebenfalls Gennaro heißt und geköpft wird.

Erzählt wird aus Sicht von Gaetano, mit wenigen Perspektivenwechseln zu einer geheimnisvollen Gestalt, dem Täter? Gaetano und seine Leute sind überarbeitet. Zudem erweist sich der Kriminalfall als extrem rätselhaft. Am Tatort existieren so gut wie keine verwertbaren Spuren, noch dazu fehlt der Kopf der Leiche. Aufgrund der mühsamen Ermittlungsarbeit verläuft die Handlung eher ruhig, überrascht zwar durch Wendungen und unerwartete Hintergrundinformationen, aber es gibt keine Action, keine prickelnden Gefahrenmomente. Je eingehender sich Gaetano und sein Team mit dem Opfer und dessen Umfeld befassen, desto deutlicher wird, was für ein verachtenswerter Mensch der Ermordete war, der aufgrund seiner Taten und Neigungen nicht nur von der Familie gehasst wurde. So weitet sich zwar der Kreis der Verdächtigen aus, doch der wahre Täter kristallisiert sich lange nicht heraus. Für den Kommissar gilt nicht „Non è vero, ma ci credo (es ist nicht wahr, aber ich glaube es)“. Gaetano gibt sich erst zufrieden, als wirklich alle Indizien passen, als sich alles schlüssig klärt, Motiv und Tathergang.

Im Mittelpunkt steht Commissario Gaetano, nicht nur als Ermittler, sondern auch als Mensch, mit all seinen Stärken und Schwächen, er verfügt über gute Menschenkenntnis und Beobachtungsgabe. Er steht nicht nur dienstlich unter Druck, den Fall so rasch wie möglich lösen zu müssen, sondern ihn belasten auch private Probleme schwer. Letzteres auch, weil er das Private meist hintanstellen muss. Der Beruf füllt ihn aus, steht bei ihm an erster Stelle und er gibt sich mit keinen Halbheiten zufrieden.

Generell ist die Atmosphäre in diesem Krimi eher bedrückend, bedingt durch das Milieu, in dem er spielt, auch durch das Böse, das der Ermordete verursachte. Ob Haupt- oder Nebenfiguren, sie wirken alle irgendwie tragisch, unglücklich, vom Schicksal nachhaltig gezeichnet. Über der gesamten Stadt Neapel liegt trotz Sonnenstrahlen, trotz der Lebendigkeit und des Trubels, trotz der Liebe, die Gaetano für seine Heimatstadt empfindet, etwas Deprimierendes. Im Gegensatz zu den meisten in Südeuropa spielenden Kriminalromanen dominiert hier nicht das Urlaubsflair. Dafür wirkt alles sehr echt und authentisch.

Nichtsdestotrotz hat mir der Krimi sehr gut gefallen, insbesondere der Erzählstil und der Protagonist Gaetano. Auch im ruhigen Handlungsaufbau lag Spannung. Die ausführliche Auseinandersetzung mit dem Wesen der Neapolitaner, ihren Traditionen und der Geschichte Neapels bzw. ihres Stadtpatrons fand ich interessant. Nun bin ich neugierig auf die Fortsetzung.

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Veröffentlicht am 07.05.2025

Mit 70 beginnt ein neues Leben

5 alte Schachteln / 5 alte Schachteln und ne Schnapsidee
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„5 alte Schachteln und ne Schnapsidee“ von Angelika Godau ist der Auftakt einer Reihe über fünf 70-jährige Freundinnen, die sich zu einer Alten-WG zusammenfinden.

Kurz zum Inhalt:
Mit 17 waren die fünf ...

„5 alte Schachteln und ne Schnapsidee“ von Angelika Godau ist der Auftakt einer Reihe über fünf 70-jährige Freundinnen, die sich zu einer Alten-WG zusammenfinden.

Kurz zum Inhalt:
Mit 17 waren die fünf Frauen dicke Freundinnen. Über die Jahre verloren sie sich aus den Augen. Jetzt sind sie 70, alleinstehend, teils verwitwet. Als auch Brigittes Ehe zerbricht, die über ein großes Haus verfügt, beschließen sie zusammenzuziehen.

Das Cover war neben dem originellen Titel Anstoß für mich, das Buch zu kaufen. Die Zeichnung der fünf so verschiedenartigen Frauen ist so witzig, verspricht schon rein optisch eine humorvolle Lektüre. Das Buch erschien 2025, die kurz gehaltenen Kapitel sind lediglich nummeriert, ohne Zeit- oder Ortsangaben. Der Schreibstil ist locker, flüssig, humorvoll und dialogreich. Die Handlung spielt in der Gegenwart in der Eifel.

Im Mittelpunkt der Handlung steht Brigitte und es wird auch aus ihrer Perspektive erzählt. Sie führte über Jahrzehnte ein unscheinbares Leben an der Seite ihres alles bestimmenden Mannes Benno. Nachdem die Kinder erwachsen und ausgezogen waren, lebte das Ehepaar nur noch nebeneinander her. Dass sie plötzlich von ihrem Mann verlassen wird, trifft Brigitte somit weniger als man annehmen würde. Endlich ist sie frei, kann ein neues Leben beginnen. Und dabei sind ihr die vier alten Freundinnen behilflich: Monika, Renate, Susanne und Barbara.

Es sind fünf völlig verschiedene Charaktere, die sich da zusammenfinden, die auch total andere Lebenswege hinter sich haben. Die Frauen sind so anschaulich beschrieben, dass sie nicht nur lebendig wirken, sondern auch die Facetten ihrer Wesenszüge deutlich werden. Sie zeigen Stärken und Schwächen sowie Emotionen. Die einen sind etwas weltfremde Hausmütterchen, andere wieder hat das harte Leben geprägt.

Das Buch hatte für mich einen ganz besonderen Reiz, weil ich jahrgangsmäßig zu den Protagonistinnen passe, mit meinen 71 Jahren. Über die Jugendjahre der Frauen zu lesen, war ein Sprung in die eigene Teenagerzeit. Als man erst mit 21 großjährig war, die Ängste vor Schwangerschaft, der Mangel an Aufklärung, all die Sprüche und Ansichten der damaligen Zeit! Viele heirateten jung, um den Einschränkungen des Elternhauses zu entrinnen oder mussten überstürzt heiraten, weil sie schwanger waren. Ich erinnere mich, dass auch meine Cousine mit 17 heiraten musste …

Ein weiterer Punkt, der mich persönlich ansprach, war das Thema Alten-WG. Noch ist es erst eine Idee. Wie die fünf Freundinnen den Plan umsetzen werden und was sie dabei erleben, erfahren wir ja erst in der Fortsetzung. Aber es ist ein Denkanstoß für einen selber. Wäre das etwas für mich?

Ich habe mich köstlich amüsiert bei der Lektüre dieses Buches und bin schon sehr neugierig, wie sich die Wohngemeinschaft der Fünf umsetzen lässt. Von mir gibt es 5 Sterne.

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Veröffentlicht am 02.05.2025

Sir Gabriel Ward, ein Ermittler mit Hirn und Herz

Der Tote in der Crown Row
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„Der Tote in der Crown Row“ von Sally Smith ist ein spannender Kriminalroman, der im viktorianischen London spielt, mit einer ganz speziellen Persönlichkeit als Ermittler, dem Kronanwalt Sir Gabriel Ward.

Kurz ...

„Der Tote in der Crown Row“ von Sally Smith ist ein spannender Kriminalroman, der im viktorianischen London spielt, mit einer ganz speziellen Persönlichkeit als Ermittler, dem Kronanwalt Sir Gabriel Ward.

Kurz zum Inhalt:
1901. Im Londoner Temple-Bezirk wurde der oberste Richter ermordet. Da in diesem abgeschotteten Bereich die Polizei nicht befugt ist zu ermitteln, wird Sir Gabriel Ward mit der Suche nach dem Mörder beauftragt. Und er entdeckt so manches wohlgehütetes Geheimnis …

Das Cover zieht den Blick auf sich und verfügt über den nötigen historischen Touch. Die Originalausgabe mit dem Titel „A Case of Mice und Murder“ erschien 2024 bei Raven Books, die deutschsprachige Ausgabe, übersetzt von Sibylle Schmidt, im Jahr 2025 im Goldmann Verlag. Die kurz gehaltenen Kapitel verfügen weder über Zeit- noch Ortsangaben. Die Handlung spielt 1901 in London, vorwiegend im Temple-Bezirk. Die eigene Berufstätigkeit als Kronanwältin im Temple-Bezirk inspirierte Sally Smith zu diesem Roman.

Der Bezirk Temple ist ein historisches Gerichtsviertel, das auch heute noch insbesondere zwei Anwaltskammern beinhaltet, den Inner Temple und den Middle Temple. Generell geht dieser Bezirk auf die Tempelritter zurück, an die auch die zentral gelegene Temple Church erinnert. Nach wie vor verfügt dieser Bezirk über einen eigenen juristischen Status als Enklave. Die im Buch enthaltene historische Karte des Temple-Bezirks bietet einen guten Einblick in das Umfeld des Ermittlers. Mit ihrer Hilfe findet man sich sehr gut bezüglich der Schauplätze zurecht.

Der Schreibstil ist flüssig, sprachlich der Epoche und dem Milieu angepasst. Das historische Flair ist deutlich spürbar. Die Lebensumstände der verschiedenen Gesellschaftsschichten, speziell auch das Frauenbild, sind gut herausgearbeitet. Es zeigt sich, wie vielen Regeln und Einschränkungen das Leben der Privilegierten unterlag.

Im Prinzip verlaufen zwei Handlungsstränge parallel. Bei beiden steht Sir Gabriel Ward im Mittelpunkt. Es wird auch vorwiegend aus Sicht von Ward erzählt. Einerseits vertritt er als Anwalt einen Verleger in einer Urheberrechtsverletzung, andererseits soll er den Mörder des Oberrichters finden. Beides erweist sich als herausfordernd für Ward, und zwar in mehrerer Hinsicht. Für ihn persönlich aufgrund seines Charakters, denn er ist ein Mensch, der Ruhe und Stille bevorzugt, der lieber zurückgezogen lebt, sich in Büchern vergräbt, mit einigen Zwangsneurosen zu kämpfen hat und leichte autistische Züge zeigt. Darüber hinaus erweisen sich beide Fälle als überaus knifflig, voller Ungereimtheiten und Rätsel. Zwar ist der Kreis der Verdächtigen überschaubar, doch anderseits so elitär, dass man niemandem einen Mord zutraut. Die Spur zu dem einzigen Außenseiter erscheint Ward nicht überzeugend. Der Roman ist vom Anfang bis zum Ende spannend, auch ohne Actionszenen. Es sind die überraschenden Wendungen, unerwarteten Erklärungen, die immer wieder verblüffen und doch werden erst auf den letzten Seiten die noch offenen Fragen beantwortet und alle Rätsel gelöst.

Mich erinnerte Ward ein wenig an Hercule Poirot. Denn Ward ist blitzgescheit, verfügt über eine ausgezeichnete Beobachtungs- und Kombinationsgabe. Durch seinen Blick für Details und die kleinsten Regungen seiner Gesprächspartner sowie sein Einfühlungsvermögen fügen sich letztlich einzelnen Puzzleteilchen zu einem alles erklärenden Ablauf der Geschehnisse zusammen. Sir Gabriel Ward entlarvt nicht nur den Mörder, sondern findet auch die sagenumwobene Autorin des Kinderbuches „Millie, die Temple-Kirchenmaus“.

Die handelnden Personen wirken lebendig, zeigen Stärken und Schwächen und Emotionen. Besonders facettenreich ist Sir Gabriel Wards Charakter beschrieben, die Wesenszüge eines Rechtsgelehrten, eines brillanten, belesenen Rechtsanwaltes, der Bücher liebt. Er ist ein etwas schrulliger Einzelgänger, der kaum den geschützten Bereich des Temple-Bezirks verlässt und seinen Ritualen verhaftet ist, der sich aber im Laufe seiner Ermittlungen weiterentwickelt, sich kleinweise hinaus wagt. Vor allem entdeckt er sein gutes Herz für die weniger privilegierten Menschen. Mit ihm hat die Autorin eine sehr menschliche, sympathische Figur erschaffen, die man nicht umhin kommt ins Herz zu schließen. Ihm an die Seite stellte sie den aus einfachen Verhältnissen stammenden Constable Wright, einen jungen cleveren Polizisten mit positiver Ausstrahlung, der einsatzwillig und mit großem Interesse etwas dazuzulernen, Ward bewundert und unterstützt.

Mich hat „Der Tote in der Crown Row“ begeistert, und zwar nicht nur das so anschaulich dargestellte Gesellschaftsbild – ich fühlte mich wunderbar in jene Zeit versetzt, sondern insbesondere die Art und Weise, wie Sir Gabriel Ward mit Hilfe von Constable Wright ermittelt, nämlich primär, um Hercule Poirot nochmals heranzuziehen, mit seinen grauen Zellen. Ich hoffe, es gibt bald eine Fortsetzung.

Ein Muss für jeden Fan typisch englischer Krimis. Von mir gibt es eine eindeutige Leseempfehlung mit 5 Sternen.

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