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Highlander1312

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.07.2020

Ein wunderschöner und zugleich tieftrauriger Roman

Kompass ohne Norden
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Obwohl ich weiß, dass Erwartungen oft ursächlich für herbe Enttäuschungen sind, kam ich nicht umhin der Lektüre von Kompass ohne Norden entgegenzufiebern. Zu gut waren die Bücher, die ich bislang von Neal ...

Obwohl ich weiß, dass Erwartungen oft ursächlich für herbe Enttäuschungen sind, kam ich nicht umhin der Lektüre von Kompass ohne Norden entgegenzufiebern. Zu gut waren die Bücher, die ich bislang von Neal Shusterman gelesen habe und zu vielversprechend klingt auch schon der Klappentext. Als mir dann im Vorwort des Autors auch noch klar wurde, dass das Buch keinesfalls fiktiv ist, sondern den sehr realen Schmerz, die Trauer und die Verzweiflung der Familie Shusterman ausdrückt, war ich bereits gefesselt. Denn der Protagonist Caden Bosch durchlebt etwas sehr ähnliches wie Shustermans Sohn Brendan. Die Zeichnungen im Buch sind von ihm selbst und die Personen haben ihre Entsprechungen im realen Leben.

Das Thema des Buches ist, wissenschaftlich gesprochen, die Entwicklung der psychischen Krankheiten Schizophrenie, Depression, Paranoia und bipolare Verhaltensstörung des jugendlichen Caden. Einfühlsamer gesprochen dokumentiert das Buch in sehr besonderer Weise den Weg des jungen Caden in die Abgründe seines Seins. Dafür baut das Buch neben dem realen Handlungsstrang noch einen weiteren auf, nämlich die Fahrt eines Schiffs Richtung Marianengraben. Diese Odyssee ist aber in Cadens Kopf und bezieht sich immer wieder auf die Realität, stellt aber vielmehr seine innere Zerrissenheit, seine Wahnvorstellungen und sein Abdriften dar. In Wirklichkeit entfremdet Caden sich immer mehr von seinen Freunden und seiner Familie, läuft, bis er Blasen an den Füßen hat und ist immer öfter in seinen Gedanken gefangen. Schließlich sehen seine Eltern keine andere Möglichkeit als ihn in die Jugendpsychatrie einzuweisen.

Die zwei sehr unterschiedlichen Handlungen haben mir von Anfang an gut gefallen. Schnell wurde klar, dass die Irrfahrt des Schiffs durchaus ein Abbild Cadens Realität ist und so wurden seine Gedankengänge viel greifbarer. Hier wird kein verrückter Mensch geschildert, vielmehr ist Caden der echten Welt entrückt und versucht immer verzweifelter seine Dämonen zu bezwingen und die Dinge wieder geradezurücken. Die Stimmen, die ihm glauben machen wollen, dass alle Welt ihn umbringen will oder die stete Nervosität machen dieses Unterfangen nahezu unmöglich.

Mit dem Aufenthalt in der Klinik ändert sich für Caden viel. Er findet Gleichgesinnte, durch die er sich selbst in einem anderen Licht sieht und mit denen Verbindungen entstehen, die wertvoll für alle Beteiligten sind.
Der Schreibstil ist shusterman-gewohnt großartig und das Buch lässt sich sehr flüssig lesen. Die wirklich kurzen Kapitel ermöglichen einen regen Wechsel zwischen Realität und „Cadens Realität“, also dem Schiff. Die insgesamt weit über 100 Einzelkapitel bringen einen Tagebuchcharakter ins Spiel, der dem Verlauf von Cadens Krankheit Rechnung trägt. Cadens Gedankengänge sind auf traurige Weise schön und zeugen von einem wahnsinnig intelligenten Geist.

Ein besonderes Lob gilt den tollen, bildhaften Beschreibungen, die Unwissenden Einblicke geben in die Gefühlswelt eines psychisch kranken Jugendlichen. Die auf ewig lauernde Abgrundschlange (für die potenziell immer wiederkehrende Krankheit), die flüchtenden Gehirne (für den gedanklichen Unrat) und der launische Kapitän (für den wankelmütigen Dr. Poirot) sind nur einige Beispiele für diese gelungenen Analogien.

Für mich ist das Buch ein absolutes Highlight und wurde zu Recht mit zahlreichen Preisen, darunter dem Deutschen Jugendliteraturpreis, ausgezeichnet. Ähnlich wie Wunder von Palacio nimmt das Buch einen mit auf eine abenteuerliche Reise und hinterlässt Spuren, die einen nachdenklich stimmen. Dieses sehr persönliche Buch von Shusterman strahlt bis hinab in die Tiefen des Challenger-Tiefs und entfacht ein Feuerwerk der Gefühle!

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Veröffentlicht am 29.07.2020

Schall und Rauch

Schwarzpulver
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As großer Fan von Dystopien wollte ich unbedingt den Debütroman von Laura Lichtblau lesen. Mit Schwarzpulver bringt sie ein Deutschland auf Papier, das sich hinter einer Spaltung der Gesellschaft befindet, ...

As großer Fan von Dystopien wollte ich unbedingt den Debütroman von Laura Lichtblau lesen. Mit Schwarzpulver bringt sie ein Deutschland auf Papier, das sich hinter einer Spaltung der Gesellschaft befindet, die uns aktuell möglicherweise noch bevorsteht.

Worum geht's?
Deutschland in einer nicht allzu fernen Zukunft. Eine patriotische, sicherheitsbesessene und konservative Partei steht an der Spitze des Staates und nutzt jede Möglichkeit für weitere Propaganda. Andersgläubige werden aufs Schärfste beobachtet und die Schaffung einer bis an die Zähne bewaffneten Bürgerwehr sorgt für eine düstere Atmosphäre. In diesem Tunnel der Angst irren drei Personen umher, Burschi, Charlie und Charlotte, die sich allesamt fragen, ob das so richtig ist und wenn nein, was denn der oder die einzelne überhaupt bewirken kann. Die junge Burschi kennt Traditionen von zuhause, ist aber so gar nicht in Einklang zu bringen mit der indoktrinierten herrschenden Meinung der Partei. Charlie widersetzt sich seiner Mutter Charlotte, jobbt bei einem pseudo-rebellischen Musiklabel und Charlotte selbst ist stolzes Mitglied der Bürgerwehr. Bis sie sich und ihren neuen Job mehr und mehr hinterfragt. Letztlich finden sich alle in einem Strudel der Ignoranz, der Sinnlosigkeit und der Verzweiflung wieder und versuchen diesem zu entkommen.

Wie war's?
Schwarzpulver ist eine literarische Dystopie. Nicht zu vergleichen mit thrillerähnlichen, erschreckenden Szenarien, die erhebliche Spannung aufbauen und meistens zwei, drei Helden haben, die sich gegen das System stellen. Viel eher empfand ich Schwarzpulver ähnlich wie 1984 von George Orwell. Ein übermächtiger Staat gibt nicht viel auf Mindermeinungen und regiert mit harter Hand. Gleichgesinnte werden nicht nur bejubelt, sondern im Rahmen der Bürgerwehr sogar noch bewaffnet. Homosexuelle, Ausländer und Systemkritiker werden verachtet, ausgegrenzt und abgestempelt. Ich fand das Buch nicht leicht zu lesen, da das Ziel so verworren war. Was bezweckt das Handeln der Protagonisten und was ist das eigentlich für ein Setting, in dem wir uns befinden?
Die Autorin schafft mir Burschi eine liebenswerte Person, mit Charlie einen Rebell, der dringend aus der mütterlichen Zwangsjacke fliehen möchte und mit Charlotte eine Parteigenossin par excellence, die nach und nach das System und vor allem sich selbst in Frage stellt.
Die verschiedenen Perspektiven sind interessant, münden für mein Empfinden aber in zu wenig gemeinsamen Szenen, sodass der große Zusammenhang nur gering ausfällt. Insgesamt wahrlich vielmehr Literatur als Belletristik mit interessanten Elementen einer nahezu paranoiden Gesellschaft und Protagonisten, die auf der Suche nach sich selbst sind.

Ein Buch der leisen Töne, das mit gutem Schreibstil den teilweise literarisch anspruchsvollen Inhalt auffängt und mich etwas ratlos zurücklässt.

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Veröffentlicht am 29.06.2020

Autonomes Fahren. Fluch oder Segen?

The Passengers
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The Passengers spielt im Großbritannien der nicht allzu fernen Zukunft. Der motorisierte Verkehr ist beinahe völlig auf autonome Autos umgestellt. Mein Leben in die Hände einer Maschine legen? Ich bin ...

The Passengers spielt im Großbritannien der nicht allzu fernen Zukunft. Der motorisierte Verkehr ist beinahe völlig auf autonome Autos umgestellt. Mein Leben in die Hände einer Maschine legen? Ich bin da nur bedingt bereit für. Und nach der Lektüre von The Passengers noch weniger. Denn genau darum geht es in diesem spannenden Buch! Die Autos von 8 Personen werden gehackt und steuern auf eine gigantische Kollision zu. Das Ganze wird weltweit gestreamt und eine Scheinjury soll entscheiden, wer es verdient zu überleben!

Das klingt ziemlich heftig und für mich hatte das Buch auch mehr Thrill als so mancher Thriller der letzten Wochen, dabei ist The Passengers ein Roman.

Die Protagonistin Libby war mir sehr sympathisch und hat mir mit ihrem Verve viel Freude bereitet. Der Antagonist Jack hingegen ist ein Arschloch wie es im Buche steht. Außerdem ist das Setting rund um Autonomes Fahren und Social Media hervorragend ausgearbeitet und wirkt realistisch. Großes Lob an den Autor!

Da mir im letzten Viertel ein wenig die Spannung verloren ging, gibt es nicht die vollen 5 Sterne für Handlung, Charaktere und Idee, sondern 0,5 weniger.

Außerdem 0,1 Abzug für den Stolperstein "ihr braunes Haar zu einem Pony zusammengebunden" (S. 58). Ponytail ist eben auf deutsch nicht Pony, sondern Pferdeschwanz...

Und 0,1 Abzug gibt's für die Tatsache, dass ein 496-seitiges Buch unmöglich ohne Leserillen zu lesen ist und ich HASSE die Dinger!

Nennt mich kleinlich, aber 5 Sterne gibt's bei mir nur für absolute Lieblingsbücher, bei denen alles passt. Dennoch gibt's eine klare Leseempfehlung für Fans von Thrillern à la Black Out.

Ich persönlich glaube ja, dass in Deutschland die endlosen Gesetze sowas noch eine Weile verhindern werden!

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Veröffentlicht am 29.06.2020

Das Cover des Jahres, leider nicht mal die Story des Monats

Von schlechten Eltern
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Was für ein Cover! Ich denke, dass dieses Titelbild unter den Top 3 für 2020 landen wird. Leider konnte mich sonst nicht mehr allzu viel an diesem Buch überzeugen. Es sei hier noch einmal explizit darauf ...

Was für ein Cover! Ich denke, dass dieses Titelbild unter den Top 3 für 2020 landen wird. Leider konnte mich sonst nicht mehr allzu viel an diesem Buch überzeugen. Es sei hier noch einmal explizit darauf hingewiesen dass es sich nicht um ein autobiografisches Buch handelt. Wie man auf diese Idee kommen sollte?

Nun ja, Tom Kummer, der Autor, ist in Bern geboren, lebte lange Zeit in Los Angeles, hat zwei Söhne und seine Frau Nina ist 2014 an Krebs verstorben. Tom Kummer, der Protagonist, ist in Bern geboren, lebte lange Zeit in Los Angeles, hat zwei Söhne und seine Frau Nina ist 2014 an Krebs verstorben. sowohl Protagonist als auch Autor wohnen mittlerweile wieder in Bern. Der Protagonist bekommt eine Neigung zum Narzissmus attestiert…

Jetzt habe ich schon einiges an Inhalt verraten, bleibt nur noch zu sagen, dass (der Protagonist) Tom in Luxusfahrzeugen afrikanische, hochrangige Personen durch die Schweizer Nacht chauffiert und dabei regelmäßig mit seiner Vergangenheit konfrontiert wird. Gleichzeitig wird das Verhältnis zwischen ihm und seinem jüngeren Sohn beschrieben.

Leider konnte die Geschichte mich nicht abholen. Klappentext und Grundidee fand ich vielversprechend, aber das Buch hat mich trotz durchaus sprachlichem Geschick enttäuscht. Sehr häufig wurden Handlungsstränge angefangen und nicht konsequent zu Ende geführt, z.B. beim Jugendamt, der Politik und dem Klimawandel. Tatsächlich könnte man den Klappentext um zwei Sätze ergänzen und hätte fast schon eine einigermaßen verlässliche Inhaltsangabe und das kann ja nicht der Sinn sein.

Für mich wurden hier wirre Fantasien mit Alltäglichem verknüpft. Mehrfach habe ich mich nach dem Mehrwert für die Leser*innen gefragt. Für manche mag das Literatur sein, für mich fehlte dafür der tiefere Sinn. Auch in Anbetracht der Vorgeschichte des Autors (#borderlinejournalist, googelt ihn mal) lässt mich das Buch sehr verwirrt zurück. Leider auf eine negative Art...

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Veröffentlicht am 29.06.2020

Das bahnbrechende Werk des jungen Baldwin - neu übersetzt

Giovannis Zimmer
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Nun habe ich mein erstes Buch von James Baldwin beendet. Zwar sind es "nur" 194 Seiten, aber ich fand das Buch zu anspruchsvoll, um es einfach schnell wegzulesen. Wie meinen bisherigen Rezensionen unschwer ...

Nun habe ich mein erstes Buch von James Baldwin beendet. Zwar sind es "nur" 194 Seiten, aber ich fand das Buch zu anspruchsvoll, um es einfach schnell wegzulesen. Wie meinen bisherigen Rezensionen unschwer zu entnehmen ist, bin ich kein großer Fan von Liebesgeschichten. Ich finde sie oft zu gestellt, zu perfekt oder zu klischeebehaftet. Giovannis Zimmer ist sicher keine Liebesgeschichte, aber in diesem dünnen Buch habe ich mehr über die literarische Liebe gelernt als in vielen Büchern.

Es ist die Geschichte von David und Giovanni. Mithilfe des Nachworts erfährt man dabei viel über Baldwins Beweggründe, so stellt David das prüde Amerika dar und wehrt sich vehement gegen seine eigene Homosexualität. Er sucht Ausreden und bringt sein Herz gewaltsam zum Schweigen. Der schöne Giovanni hingegen genießt sein Schwulsein, ist fordernd und doch verletzlich. Für ihn gibt es keinen Grund sich zu schämen.

Das Buch spielt Mitte des 20. Jahrhunderts in Paris und David ist eigentlich mit Hella zusammen, die aber eine Art Selbstfindungsreise nach Spanien unternimmt und ihn allein lässt. Hella möchte unbedingt auf den Trend der Emanzipation aufspringen und gerät dabei in einen inneren Konflikt.

David vernetzt sich immer mehr in der Szene in Paris und lernt Giovanni kennen. An sich ist diese Liebe einfach schön und echt, wenn David sich nicht ständig dagegen auflehnen würde.

Die Geschichte selbst ist für mich nur ein Teil des Erfolgs dieses Buches. Besonders die Umstände seiner Veröffentlichung sind so besonders. Baldwins Verlag riet ihm das Manuskript zu verbrennen, da Baldwin damit endgültig die ihm gesteckten Grenzen des Schreibens durchbrach.

Es ist kein Roman über Homosexuelle, es ist auch keine Love Story, aber es ist ein Buch über große Gefühle und darüber, was passiert, wenn wir dem gesellschaftlichen Druck nachgeben und unsere Gefühle unterdrücken.

Ganz kleine Abzüge gibt es, weil doch einige Sätze im Buch auf Französisch sind. Klar, die Sprache der Liebe, aber manche Sätze habe ich so dann leider nicht verstanden.

Große Literatur eines besonderen Menschen! Klare Leseempfehlung!

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