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JDaizy

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.11.2017

Ein schönes Geschenkebuch mit kleinen Schwächen

Herzensmensch
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"In einer Freundschaft kann ich mich schwach zeigen, ohne beim anderen eine triumphierende Stärke hervorzurufen.
Ich kann meine Verletzlichkeit offenbaren, ohne eine gönnerhafte Überlegenheit zu provozieren."


Ich ...

"In einer Freundschaft kann ich mich schwach zeigen, ohne beim anderen eine triumphierende Stärke hervorzurufen.
Ich kann meine Verletzlichkeit offenbaren, ohne eine gönnerhafte Überlegenheit zu provozieren."



Ich war sehr gespannt auf dieses kleine Büchlein mit dem wunderschönen Titel "Herzensmensch - Das kleine Buch der Freundschaft". Ein Buch zum Verschenken für die beste Freundin, die freundliche Nachbarin oder für die Lieblingskollegin, welches mit den Worten "Texte über die Freundschaft, wunderbar gestaltet, in einem handschmeichlerischen Einband verpackt" vom Verlag angepriesen wird. Für mich steht der ADEO-Verlag schon lange für exklusive, detailverliebte und mit Herz ausgesuchte Bücher, für die ich gern auch etwas mehr bezahle. Und wenn man das kleine Ge- bzw. Ver-Schenkebuch dann in den Händen hält, verspricht es eines dieser besagten Bücher zu sein.

Das Buch ist mit seiner Größe von 11,5 mal 16 cm klein und kompakt. Durch das stabile Hardcover und die festen Seiten wirkt es hochwertig und mir gefällt auch die einfache Gestaltung des Covers mit den zwei in sich verschlungene lila-violettfarbenen Tulpen vor einem pastellgrünen Hintergrund. Wer sich tiefer mit der Sprache der Blumen beschäftigt, wird sich hier vielleicht nicht wiederfinden, denn die Bedeutung dieser Blume ist leider nicht ganz eindeutig. Manche sagen, sie steht für eine enttäuschte Liebe, andere wiederum sprechen vom genauen Gegenteil und fühlen sich mit ihr im siebten Himmel. Wie dem auch sei, das violett steht für Bescheidenheit und das ist in Freundschaften sicher nicht verkehrt: sich selbst ein wenig zurücknehmen und dem anderen mehr Raum geben. Deshalb mag ich diese zwei verschlungenen, sich kreuzenden Tulpen und die sanfte Farbgebung sehr.

Im Buch selbst findet man auf den meisten der 100 Seiten einen Spruch oder eine Lebensweisheit, zugeordnet zu sechs Kapiteln:
Vom Glück der Freundschaft
Wahre Freunde
Dankbarkeit
Laut und leise
Freundschaft mit sich selbst und
Das schöne Wagnis jemanden zu vertrauen.

Was ich nicht verstehe, ist die scheinbar wahllose Auswahl der weiß bleibenden Seiten. Außer, dass sie immer links sind, lässt sich für mich da keine klare Struktur erkennen. (2 im ersten Kapitel, 8 im zweiten, 6 im dritten, 4 im vierten, 6 im fünften und 9 leere, weiße Seiten im letzten Kapitel.) Zwischen Seite 78 und 79 gibt es sogar ein komplett weißes Blatt? Das macht es für mich leider unstetig, unruhig und hinterläßt einen kleinen faden Beigeschmack - als wären dem Autor die Sprüche ausgegangen oder als wurde wenig Augenmerk auf das Layout gelegt. Eigentlich schade, denn sonst ist das Buch wirklich eine schöne Mitbring-Idee für Freunde und andere Herzensmenschen. Vielleicht könnte man auf den leergebliebenen Seiten eigene Eintragungen hinzufügen und so das Buch als Geschenk noch persönlicher machen.


Fazit:
Ein schönes, klein-kompaktes Geschenkbuch für den Freund oder die Freundin. Vielleicht auch für sich selbst, teils mit bekannten, aber auch weniger bekannten Sprüchen und Lebensweisheiten und durch die vielen weißen Seiten mit Platz zum selbst hineinschreiben. Äußerlich perfekt, innen mit kleinen Schwächen.
Von mir 3,5 von 5 Sternen

Veröffentlicht am 16.10.2017

Bibelstudium für Einsteiger

Bibelstudium für Einsteiger
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"Die Bibel offenbart einen Gott, der das Ächzen seines Volkes hört, vom Bauern bis zum Philosophen, vom Einfältigen bis zum klugen Gelehrten. Seine Botschaft ist so unkompliziert, dass selbst die Einfachsten ...

"Die Bibel offenbart einen Gott, der das Ächzen seines Volkes hört, vom Bauern bis zum Philosophen, vom Einfältigen bis zum klugen Gelehrten. Seine Botschaft ist so unkompliziert, dass selbst die Einfachsten seiner gefallenen Geschöpfe es verstehen können. Was für ein Gott wäre es, der seine Liebe und die Erlösung nur in Fachbegriffen und so tiefsinnigen Konzepten offenbart, dass nur eine Elite von professionellen Gelehrten sie verstehen kann? Gott spricht in einfachen Worten, weil er sich an einfache Menschen richtet. Gleichzeitig enthält die Schrift ausreichend Substanz, um die scharfsinnigen und gebildeten Gelehrten mit ihren theologischen Untersuchungen ein Leben lang ausgiebig zu beschäftigen."


In den Händen halte ich ein kleines, schmales Büchlein, dass eine Einführung in das Verstehen der Heiligen Schrift verspricht. Ein Bibelstudium für Einsteiger. Der Autor R. C. Sproul ist ein bekannter Theologe und eine Kapazität in Sachen bibeltreues Schriftverständnis, der bereits über sechzig Bücher geschrieben hat. Für mich ist es das erste Buch des Autors und wahrscheinlich trifft es "Bibelstudium für Einsteiger" für mich in doppelter Hinsicht deshalb so gut.
Gleich vornweg sei erwähnt, dass es hier nicht (ausschließlich) um Menschen geht, die die Bibel noch nicht, oder nur in Teilen, gelesen haben. Denn ihm ist traurig bewusst, dass nur wenige (selbst langjährige) Christen die Bibel ganz gelesen, und noch weniger sie studiert haben. Die Unkenntnis der Bibel ist deshalb keineswegs auf Laien beschränkt.

R. C. Sproul möchte dabei seinen Lesern grundlegende und einfache Richtlinien vermitteln, die helfen, die Heilige Schrift mit Gewinn zu studieren. Er führt dazu (zehn) praktische Auslegungsregeln an, die helfen sollen ohne Vorurteile und Vorannahmen an die Bibel heranzugehen. Sein "Bibelstudium für Einsteiger" ist also eine praktische Hilfe für Nicht-Theologen. Was keinesfalls abwertend gemeint ist. Trotzdem (oder gerade deshalb) erläutert er auch die Gefahr von Hauskreisen und spricht über die Rolle des Lehrers. Nicht immer wird es uns nämlich gelingen, mögliche auftauchende Probleme beim Bibelstudium allein zu lösen. Manchmal erschweren auch zeitliche, örtliche und spachliche Barrieren die Kommunikation bzw. die richtige Auslegung.

Was mich nachdenklich gestimmt hat, ist, dass die meisten von uns, sich wahrscheinlich nicht davon freisprechen können, beim täglichen Bibelstudium eine gewisse Inkonsequenz an den Tag zu legen. Ob das nun ein Motivationsproblem, Faulheit oder einfach Nachlässigkeit ist. Der Autor erwähnt in diesem Zusammenhang auch, dass es uns leider nicht möglich ist Gott "persönlich" zu treffen und uns so ein Bild von ihm zu machen. Wenn wir also wissen wollen, wer Gott ist und was er will, ist dies nur durch seine Offenbarungen in der Bibel möglich. Nur die Heilige Schrift macht uns zugänglich, was wir aus keiner anderen Quelle schöpfen können. Sie ist eine irrtumslose Quelle der Wahrheit. Auf der anderen Seite ist Bibelkenntnis natürlich auch keine Garantie dafür, dass wir tun, was Geschrieben steht. Aber vielleicht (oder ganz sicher) hilft uns das vertiefte, kontinuierliche Bibelstudium auf unserem Weg voranzukommen, (geistig) zu wachsen und zu verstehen.

Das Taschenbuch ist in seiner deutschen Übersetzung 2009 im Betanien-Verlag erschienen. Die
2. Auflage, die ich gerade in den Händen halte, 2015. Obwohl Sachbücher oft trocken und schwer zu lesen sind, finde ich dieses Buch - wenn auch nicht kurzweilig - einfach und sehr anschaulich. In sechs überschaubaren Kapiteln, mit vorangestellten Hinweisen zum Gebrauch, findet man abschließend ausführliche Hilfsmittel zum Bibelstudium und Fragen zur Lernkontrolle und Vertiefung.


Fazit:
Es geht in diesem Buch nicht darum, wie ich die Bibel lese, sondern wie ich sie studiere. Denn wir dürfen sie nicht so interpretieren oder beliebig auslegen, wie es uns gerade passt. In dem großen Segen, dass die Bibel uns allen zugänglich ist, liegt nämlich auch eine gewisse Gefahr.
Deshalb möchte ich jedem, der sich um ein objektives Verständis der Heiligen Schrift bemüht, dieses Buch aufrichtig ans Herz legen.

Veröffentlicht am 05.10.2017

ein anspruchsvolles Sachbuch, das nichts zum "Lesen für zwischendurch" ist

Die Liebe Gottes
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"Ein richtiges Verständnis von Gott schafft die Grundlage für alles, was für ein gesundes geistliches Leben absolut notwendig ist. Auf der anderen Seite gilt: Wer eine beträchtlich gestörte Vorstellung ...

"Ein richtiges Verständnis von Gott schafft die Grundlage für alles, was für ein gesundes geistliches Leben absolut notwendig ist. Auf der anderen Seite gilt: Wer eine beträchtlich gestörte Vorstellung von Gott hat, bei dem ist echter Glaube völlig unmöglich. /.../ Das ist die eigentliche Gefahr des heutigen Missverständnisses von Gottes Liebe. Obwohl sich die Bibel so klar über Gottes Liebe ausdrückt, stecken Millionen in geistlicher Finsternis, weil sie eine völlig unausgewogene Vorstellung von Gott haben. Sie wollen einen Gott, der liebevoll, aber nicht zornig ist."


Gottes Liebe ist ein großes Thema, das immer wieder schwierige Fragen aufwirft: Liebt Gott alle Menschen (gleich)? Liebt er auch die Sünder? Und falls ja, ist das gerecht? Und warum lässt ein liebender Gott soviel Leid und Unglück zu? Mit diesen Fragen beschäftige ich mich auch, und so war ich gespannt, was John MacArthur in seinem Buch "Die Liebe Gottes - Einblicke in Gottes unergründliches Wesen und Handeln" dazu schreiben würde.
Ich hatte auf ein "ausgewogenes, tiefgründiges Verständnis" von Gottes Liebe gehofft, so wie es auf dem Buchrücken auch angekündigt wird, war dann aber erstaunt und auch ein bisschen erschrocken als mich im ersten Drittel des Buches etwas scheinbar anderes erwartete. Das der Autor die weltliche Liebe nicht sonderlich tiefgründig findet, sei im im Hinblick auf einen Vergleich mit der göttlichen Liebe erlaubt. Das echte Liebe (die er von der natürlichen Liebe ganz klar abgrenzt) aber kein blindes Gefühl, sondern ein wohlüberlegter, bewusster Entschluss ist, war für mich schon fragwürdig. Geht es hier um Gottes Liebe zu den Menschen oder um unsere Liebe zu Gott? Oder um beides? Ich war verwirrt. Auch dieses Schüren von Angst vor Gottes Rache (als eine der Extrempositionen) habe ich an einigen Stellen sehr bewusst (als Meinung des Autors) gespürt. Zum Beispiel auf Seite 87 als er schreibt: "Niemand sollte sich in dem Wissen, dass Gott liebevoll und gnädig ist, in Sorglosigkeit einlullen." Das ist wirklich sehr subjektiv. Aber ich empfand seine Wortwahl sehr persönlich angreifend gegenüber dem Leser. Das dann noch tiefe Gräben aufgezeigt (oder gezogen) wurden zwischen den liberalen Theologen und denen, die am alten Testament festhalten, machte mich noch unschlüssiger und ärgerte mich auch ein bisschen. Zum Beispiel die Wortwahl "betonen UNSERE Widersacher" erweckte für mich den Anschein als bezieht der Autor schon zu Beginn klar Position. Aber genau DAS wollte ich nicht lesen, sondern einen kritischen, ausgewogenen Bericht, der sich an die Bibel hält und Gemeinsamkeiten und Unterschiede sachlich beleuchtet. Ehrlich gesagt, hätte ich hier gern aufgehört zu lesen und das Buch weggelegt.

Zum Glück habe ich das nicht getan. Denn in den folgenden 2/3 des Buches macht der Autor genau das, was ich mir erwartet oder erhofft hatte. Er spricht offen über die verschiedenen Aspekte der Liebe Gottes, über ihre Missverständnisse und zeigt, dass Liebe und Zorn (bezogen auf die zwei extremen Sichtweisen) nicht zwangsläufig unvereinbar sind, auch wenn es auf den ersten Blick so erscheinen mag. In diesem Zusammenhang haben mir die Ausführungen zur Geschichte von Ninive, der Hauptstadt der Sünde sehr gut gefallen.
Auch wenn ich nicht mit jedem Argument von John MacArthur mitgehen kann, verstehe ich seine Sichtweise jetzt besser und befürworte seine Herangehensweise, bei der er empfiehlt, den Kern des Gedanken zu erfassen und sich nicht zu Sepkulationen hinreißen zu lassen. Vor allem, dass wir lernen auch mit unbeantworteteten Fragen zu leben und das wir aufpassen müssen uns bei schwierigen Fragen nicht zu einem unangemessenen Denken über Gott verleiten zu lassen, finde ich sehr wichtig.

Das Buch wurde als Taschenbuch 2012 in seiner dritten Auflage im Betanien-Verlag veröffentlicht. Das Cover wirkt unaufgeregt und spricht mich an. Was mir weniger gut gefällt ist die wechselnde grün - blaue Farbwahl im Untertitel.
Das Buch ist in acht Kapitel auf 237 Seiten aufgeteilt, wobei die letzten 60 Seiten vier Anhänge (Auszüge aus Predigten), Anmerkungen und einen Bibelstellen- und Themenindex beinhalten.


Fazit:
Ein lesenswertes, anspruchsvolles Sachbuch, dass dem Leser viel abverlangt, vor allem aber Unvoreingenommenheit und ein geduldiges Abwarten bis zum Schluss des Buches, um einige seiner, für mich kontroversen Aussagen besser einordnen zu können.

Veröffentlicht am 05.10.2017

kleiner philosophischer Wegweiser zur Glück- und Sinnsuche

Linjis Weg zum Glück: Wie sich Rationalität und Achtsamkeit zur Lebenskunst verbinden
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"Hoffentlich konnte dieses Buch das Bewusstsein des Lesers für die Lebenskunst öffnen. /.../ Die Theorie kann die Praxis nicht ersetzen, aber den Leser für ein intensiveres Erleben der Glücks- und Sinnmomente ...

"Hoffentlich konnte dieses Buch das Bewusstsein des Lesers für die Lebenskunst öffnen. /.../ Die Theorie kann die Praxis nicht ersetzen, aber den Leser für ein intensiveres Erleben der Glücks- und Sinnmomente sensibilisieren. Da die Lebenskunst in ihrer konkreten praktischen Anwendung letztlich eine Kunst bleiben muss, die man erlernt, indem man sie anwendet und übt, ist mehr nicht möglich. Aber mehr bedarf es auch nicht."


"Wie sich Rationalitiät und Achtsamkeit zur Lebenskunst verbinden" war für mich schon im Titel ein Widerspruch an sich. Einer, der mich neugierig machte. Wir alle sind (zeitweise mehr oder weniger) auf der Suche nach Glück und nach einem Sinn in unserem Leben. Wir alle werden umhergetrieben von den großen Lebensfragen und durchleben Sinnkrisen, die uns verzweifeln lassen oder voranbringen.
Wenn du dich selbst in diesen Fragen nicht wiederfindest, wirst du wahrscheinlich auch keine große Freude an diesem Buch haben. Für alle anderen kann ich dieses Buch jedoch sehr empfehlen.

Der Autor Jens Wimmer widmet sich der Frage, worum es uns im Leben eigentlich geht. Was macht diese vielbesagte Lebenskunst aus? Schließen sich Rationalität und Achtsamkeit tatsächlich aus? Und wie können wir es schaffen, den Weg zu finden, hin zu einem glücklichen UND sinnerfüllten Leben?
Obwohl das Buch stellenweise sehr philosophisch ist (was ich aber auch nicht anders erwartet hatte), nutzt der Autor die Verbindung von bildhaften, praxisbezogenen Beispielen und ihrer philosophischen Interpretation, um den Leser näher an die oben erwähnte Fragestellung heranzuführen. Da finden wir uns zum einen im Märchen "Hans im Glück" wieder, mit der aufgeworfenen Frage, ob Hans nun ein cleveres Bürschen oder ein naiver, irrationaler Trottel ist. Zum anderen dürfen wir an Auszügen aus Abt Linjis Morgengesprächen teilhaben. Linji war ein Mönch, Lehrer und Zen-Meister, dessen Grundzüge seiner Achtsamkeitslehre mich wirklich fasziniert, aber auch nachdenklich zurückgelassen haben. Besonders die episodischen Auszüge aus den Morgengesprächen (wie z. B. "Himmelvögel", "Wissen im Fluss" oder "Sie alle waren Künstler") haben mir gut gefallen und ich habe sie schon des öfteren wieder und wieder gelesen. Sie geben wichtige Impulse und sind hilfreiche kleine Meilensteine auf dem eigenen Weg. Ich hoffe, dass auch andere Leser das ähnlich empfinden.
Für mich sind Achtsamkeit und Wahrnehmung ein wichtiges Thema in meinem Leben. Es ist wirklich spannend, wie der Autor Hans (als Vertreter der Rationalität) und Linji (als Vertreter der Achtsamkeit) "zusammenführt" und wie es ihm gelingt, den Leser immer wieder zu animieren offen zu sein, gern auch einmal die Perspektive zu wechseln.

Neben diesen theoretischen, praktischen Beispielen (haben wir da wieder einen Widerspruch in sich ;) geht es aber auch um die Anwendung der Lebenskunst. Wie kann es dem Leser gelingen ein Verständnis für die Lebenskunst zu entwickeln. Neben praktischen Tipps und Ratschlägen bleibt die Frage: Inwieweit ermöglichen diese nun ein gelungenes Leben. Oder kann man letztendlich gar keine Ratschläge geben? Bleibt zwischen Theorie und Praxis auch hier eine nicht zu überwindende Grenze?


Fazit:
"Es gibt Dinge im Leben, die man besser einfach tut, statt über sie zu reden." Wie ein Maler (s)ein Kunstwerk erschafft ohne später bis ins Detail beschreiben zu können, wie es genau entstanden ist, ist dieses Buch ein Wegweiser zum Ziel eines gelingenden Lebens. Für jeden, den dieses Thema interessiert definitv eine Bereicherung und ein (Erkenntnis-)Gewinn.

Veröffentlicht am 11.09.2017

Hinter jedem Dach ein Ach

Sonntags fehlst du am meisten
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"Jetzt putzen Sie sich mal die Nase." Maria Schneiders Stimme klang überraschend streng, und Caro tat, wie ihr geheißen. Dann nahm die alte Dame ihren Kopf zwischen die Hände, so dass Caro ihr in die Augen ...

"Jetzt putzen Sie sich mal die Nase." Maria Schneiders Stimme klang überraschend streng, und Caro tat, wie ihr geheißen. Dann nahm die alte Dame ihren Kopf zwischen die Hände, so dass Caro ihr in die Augen schauen musste. "Und jetzt hören Sie mir mal zu: Probleme sind wie Unkraut. Entweder man geht dagegen an, oder sie wachsen einem irgendwann über den Kopf. Aber was Sie bestimmt nicht weiterbringt, ist Selbstmitleid."


Caro Winter war immer der Liebling ihres Vaters. Schon von klein auf hat er seine kleine Prinzessin gegen die größeren Brüder und gegen alles Böse in der Welt verteidigt und ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Doch plötzlich wendet sich das Blatt. Mit 43 Jahren wendet sich ihr Vater von einem Moment auf den anderen von seiner Tochter ab. Der Kontakt bricht nach einem Streit über ein Jahr vollkommen ab. Doch jetzt steht die goldene Hochzeit der Eltern auf dem Plan und alle rechnen fest mit Caros Besuch und einer Versöhnung.
Wird es Caro schaffen ihren Vater gegenüberzutreten? Wird sie, wie von ihrer Mutter gefordert, ihre eigenen "Befindlichkeiten" hintenanstellen können und sich mit ihrem Vater aussöhnen? Und was war passiert, dass es überhaupt soweit kommen konnte?

In ihrem Roman "Sonntags fehlst du am meisten" erzählt die Autorin Christine Drews eine
tief zu Herzen gehende Familiengeschichte, in deren Mittelpunkt eine generationsübergreifende Vater-Tochter-Beziehung thematisiert wird. Durch ein Unglück verändert sich Caros Leben von einen auf den anderen Moment und es zerbricht nicht nur die tiefe, ihr immer Halt gegebene Bindung zu ihrem Vater, sondern auch ihre Ehe. Ihr Leben ist ein einziges Trümmerfeld. Und obwohl Caro es aus eigener Kraft schafft, den Kopf über Wasser zu halten, ziehen ihre inneren Selbstzweifel und ihr angekratztes Ego sie immer wieder nach unten. Ihr Vertrauen und ihr Selbstwertgefühl sind zutiefst verletzt. Und das nicht erst seit diesem alles verändernden Tag.
Mit Hilfe von Jakob und Maria macht sich Caro auf die Suche nach der Vergangenheit ihrer Familie und auf die Suche nach sich selbst. Wer bin ich wirklich? Was will ich? Und kann ich es aus eigener Kraft schaffen, meinem Leben wieder auf die richtige Bahn zu bringen?

Caro ist eine Protagonistin, die man gern haben kann, die aber auch Ecken und Kanten hat. Auch wenn ich mit ihren Problemen selbst zum Glück noch nie konfrontriert war, gibt es Momente, in denen ich mich ihr sehr nahe gefühlt habe. Man spürt ihre Verunsicherung und ihre Suche nach Anerkennung und Liebe stark zwischen den Zeilen. Ich habe das Buch kaum aus der Hand legen können. Die wechselnden Perpektiven zwischen Vater und Tochter und zwischen den unterschiedlichen Zeiten machen es dem Leser möglich, nach und nach zu verstehen, was sich ereignet hat und warum jeder so ist wie er ist. Mich hat das alles sehr zum Nachdenken angeregt und wieder einmal gezeigt, dass man nicht auf den ersten Blick vorschnell eine Meinung über andere fällen, dass man immer wieder mal die Perspektive wechseln und über den Tellerrand schauen sollte.
Im letzten Drittel des Buches verliert das Buch ein bisschen an Fahrt und Intensität. Aber das ist nur mein subjektives Empfinden und hat den Lesegenuss nicht geschmälert. Mir hat das Buch sehr gut gefallen und ich kann es mit gutem Gewissen weiterempfehlen.

Meine heimliche Lieblingsfigur ist und bleibt Maria Schneider. Die rüstige, resolute Rentnerin mit dem Herz am richtigen Fleck rückt Caro nicht nur einmal den Kopf wieder gerade. Außerdem gefällt mir die Idee mit der Senioren-WG ausgesprochen gut. So etwas sollte es auch im realen Leben viel viel öfter geben.

Das Buch wurde als Taschenbuch mit erweiterten eingeklappten Umschlagflächen im September 2017 im Ullstein-Verlag veröffentlicht. Auf 288 Seiten sind die einzelnen Kapitelüberschriften der Brockhaus Enzyklopädie entnommen. Eine schöne Idee, weil einem dieser Bücher eine ganz besondere Bedeutung im Buch zukommt. Auch die einzelnen Erzählstränge sind mit der Angabe der Jahreszahlen gut voneinander zu unterscheiden und ich habe wirklich bis zum Ende mitgefiebert, wie sich alles Stück für Stück ineinander fügt.
Auch das Cover finde ich sehr ansprechend. Man sieht vermutlich die junge Caro mit ihrem Vater. Beide sind glücklich und unbefangen und genießen den gemeinsamen innigen Moment. Was muss passieren, dass diese enge Vater-Tochter-Beziehung solch tiefe Risse bekommt. Das war mein erster Gedanke als ich den Text auf der Rückseite des Buches gelesen habe. So darf es sein: Ein Buch das neugierig macht, wenn man es in die Hand nimmt, ohne dabei zuviel zu verraten.


Fazit:
Eine sehr bewegende, zu Herzen gehende Vater-Tochter-Geschichte, die zeigt, dass im Leben nicht alles so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Und das man nicht immer nur sich selbst sehen darf, sondern auch das große Ganze im Auge behalten sollte. Familie kann man sich nicht aussuchen. Aber auch wenn nicht alles einfach ist, sollte man froh sein, dass man sich hat.