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Veröffentlicht am 23.08.2021

Sandnerhof/Erlenthal 1952

Ein neuer Horizont
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Der Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg ist in Deutschland in vollem Gange, die Not der Nachkriegsjahre ist weitgehend beseitigt und das Leben auf dem Sandnerhof verläuft wieder in geordneten Bahnen.

Hannah ...

Der Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg ist in Deutschland in vollem Gange, die Not der Nachkriegsjahre ist weitgehend beseitigt und das Leben auf dem Sandnerhof verläuft wieder in geordneten Bahnen.

Hannah und Melina sind endlich wieder vereint. Melina steht kurz vor dem Abitur und lebt bis dahin weiter bei ihrer Pflegefamilie in München. So oft es möglich ist, hält sie sich jedoch bei ihrer Mutter auf dem Sandnerhof auf, wo sie und David sich wieder etwas annähern.

Hannah trifft auf Lorenz, den Schulleiter von Erlenthal, der ebenfalls schreckliches durchgemacht hat und nach anfänglichen Schwierigkeiten verbringen die Beiden viel Zeit miteinander und dabei heilen sie sich gegenseitig.

Zeitgleich bangt man auf dem Sandnerhof noch immer um den ältesten Sohn Konrad, der aus dem Krieg nicht wieder nach Hause zurückgekehrt ist. Ist er tot oder in einem Kriegsgefangenenlager in Sibirien?

Clarissa Hagen, Peter Hagens Witwe, ist sich sicher, dass der Meinungsumschwung ihres Mannes in den letzten Wochen vor seiner Exekution etwas mit dieser Frau auf dem Foto zu tun hat, welches Clarissa in den Unterlagen ihres Mannes gefunden hat. Sie stöbert in der Vergangenheit ihres Mannes und findet Hannah auf dem Sandnerhof und somit auch Peters Tochter Melina.

Nun lernen sich die Halb-Geschwister Melina und Tristan kennen. Tristan hadert extrem mit der Nazi-Vergangenheit seines Vaters und der Tatsache, dass sie in einer enteigneten Juden-Villa leben.

Jeder einzelne von ihnen hat sein Päckchen zu tragen ….

„Ein neuer Horizont“ ist der 2. und letzte Band der „Eine neue Hoffnung“-Reihe der Autorin Margit Steinborn. Der 1. Teil ist unter dem Namen „Ein neuer Himmel“ erschienen.

Wo mich der 1. Teil dieser Geschichte regelrecht umgehauen hat, hat mich dieser 2. Teil doch etwas enttäuscht zurückgelassen. Auch wenn der Schreibstil der Autorin gleichbleibend angenehm zu lesen ist und auch die handelnden Personen weiterhin detailgetreu beschrieben sind, fehlt mir hier die Spannung, die mich im vorherigen Band hat an den Seiten kleben lassen.

Ich möchte jetzt nicht schreiben, dass mir die „Grausamkeiten“ aus dem 1. Band fehlen, aber es ist immer etwas passiert, was einen durch die Seiten des Buches begleitet hat. In Band 2 geht das Leben aller seinen normalen Weg. Menschen lernen sich kennen, nähern sich (wieder) an, verlieben sich, trennen sich, streiten sich und der Alltag ist wieder eingekehrt.

Es ist schön zu lesen, wie es bei Hanna und Melina weiter geht und wie sich das Leben in der Nachkriegszeit langsam wieder zur Normalität entwickelt. Jeder muss für sich selbst seine Erlebnisse verarbeiten, Konrad ist noch lange in Kriegsgefangenschaft und nach seiner Rückkehr auf den Sandnerhof wird es für ihn sehr sehr lange dauern, bis er wieder zum gewohnten Allgtag zurückfinden kann.

Für mich hätte der 1. Band auch als Einzelband stehen bleiben können, denn die Kriegs-Geschichte von Hanna und Melina war abgeschlossen. Dieser 2. Band hat die Charaktere noch ein wenig weiter wachsen lassen, wäre aber nicht unbedingt notwendig gewesen.

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Veröffentlicht am 17.08.2021

5 Jahre aus dem Gedächtnis verloren

Was wir sehen, wenn wir lieben
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Es sieht alles danach aus, als ob Teresa aus der Discothek „Harry Klein“ gekommen ist und unter Drogen- oder unter Alkoholeinfluss stand. Sie stürzt die Treppe zur U-Bahn hinunter und ist kurze Zeit bewusstlos. ...

Es sieht alles danach aus, als ob Teresa aus der Discothek „Harry Klein“ gekommen ist und unter Drogen- oder unter Alkoholeinfluss stand. Sie stürzt die Treppe zur U-Bahn hinunter und ist kurze Zeit bewusstlos. Als der Sanitäter vor Ort sie nach ihrem Namen fragt, kann sie sich problemlos an diesen erinnern. Sie kann sich jedoch nicht daran erinnern, warum sie eine Tätowierung auf dem linken Handgelenk hat, warum ihr Handy ein iPhone ist, eigentlich hat sie doch ein altes Samsung und warum sie mit der U-Bahn fahren wollte, wo sie doch ein Auto (namens Möhre) hat. Als der Sanitäter sie dann danach fragt, welches Jahr es ist, antwortet Theresa „2014“.

Das Letzte woran sie sich erinnern kann, ist das zufällige Treffen mit ihrem Ex-Freund Henry und die Verabredung, die sie getroffen hatten. Aber das war in Schwabing und wieso befindet sie sich jetzt am Stachus? Teresas Gehirn hat – bedingt durch den Sturz – die Zeit zwischen dem 25. Juni 2014 und Mai 2019 einfach ausgeblendet.

Teresa erkennt nichts mehr wieder – weder ihre Eltern, noch ihre ältere Schwester, ihre teure (Eigentums-)Wohnung ist ihr fremd, mit dem nackten Mann, der bei ihrem Eintreffen unter der Dusche steht, verbindet sie überhaupt nichts, ihre Haarfrisur ist anders als gewohnt und wieso leitet sie eine Kunst-Galerie und arbeitet nicht mehr im Tattoo-Studio?

Fragen über Fragen und Teresa weiß nicht, wie sie mit den ganzen Erinnerungslücken umgehen soll. Sie weiß nicht, warum ihre beste Freundin nicht mehr ihre beste Freundin und warum Henry sauer auf sie ist. Mit Hilfe ihrer Eltern, ihrer Schwester, ihrem „Verhältnis“ Lars und nicht zuletzt Henry, sucht sie Puzzleteil für Puzzleteil zusammen, bis sich irgendwann dann wieder alles zu einem großen Ganzen zusammenfügt.

Es gibt einen Grund, warum Teresas Gehirn genau diese fünf Jahre ausgeblendet hat und nicht vier Jahre, oder sieben.

Teresa Kempf ist 27 Jahre alt und lebt in München. Sie ist Galeristin in der New Art of Munch. Früher zeichnete sie mit großer Leidenschaft und arbeitete in Bennos Tattoo-Studio. Neben dieser Arbeit tätowierte sie an Brustkrebs erkrankten Frauen neue „Brustwarzen“.

Von Henry Bayer weiß ich gar nicht, wie alt er ist. Ich glaube, es wird nicht wirklich erwähnt, oder ich habe es überlesen. Henry hat eine Autowerkstatt in Pasing und restauriert Oldtimer. Teresa und er waren einmal ein Paar, aber aus Gründen, die Henry auch heute noch nicht nachvollziehen kann, hat Teresa die Beziehung von jetzt auf gleich beendet.

Teresa und Henry sind die Haupt-Akteure in dieser Geschichte des sich-wiederfindens. Als Nebencharaktere agieren Sophie, Teresas Schwester, ihre Eltern, Lars (der nackte Mann unter der Dusche), Clara, Theresas Assistentin aus der Galerie und Benno, dem das Tattoo-Studio gehört, in dem Teresa gearbeitet hat.

Die Geschichte wird auf 2 Ebenen erzählt. Im ersten Handlungsstrang begleitet der Leser Teresa im Hier und Jetzt auf ihrer Suche nach Erinnerungen, während im 2. Handlungsstrang Henry Rückblicke auf ihre gemeinsame Zeit gibt.

Ich frage mich, wie ich reagieren würde, hätte ich 5 Jahre meines Lebens aus dem Gedächtnis verloren. Das ist etwas, was ich mir gar nicht vorstellen möchte, trotzdem könnte es – bei einem entsprechenden Vorfall/Unfall – jederzeit passieren.

Teresa tut mir leid. Sie versucht Antworten auf ihre Fragen zu bekommen, die Gefragten reagieren mitunter schroff und ablehnend und Teresa hat keine Ahnung, warum das so ist. Ihr fehlen die letzten 5 Jahre Erinnerung – dem jeweiligen Gegenüber nicht, und das macht die Sache für beide Seiten sehr schwer.

Nur weil Teresa mir leid tut, bedeutet das aber nicht automatisch, dass ich sie auch sympathisch finde. Das tue ich nämlich nicht. Ich kann noch nicht einmal beschreiben, warum das so ist, aber ich habe tatsächlich ein paar Seiten lang überlegt, ob ich das Buch überhaupt fertig lesen möchte. Erst als Henry auf der Bildfläche erscheint und die Story durch seine Rückblicke an Tiefe gewinnt, kann ich mich auf diese Geschichte einlassen. Henry ist charmant, witzig und überaus sympathisch.

Auch kann man Teresas Eltern bzw. ihre Mutter witzig finden, ich fand sie einfach nur peinlich und auch die WhatsApp-Korrespondenzen zwischen Teresa und ihrer Assistentin Clara, die aufgrund der immer wieder zuschlagenden Autokorrektur von Claras Handy jeglichen Sinn verloren haben, konnten mir noch nicht einmal ein Schmunzeln entlocken. Humor ist ja – Gott sei Dank – individuell verschieden.

Der Schreibstil der Autorin ist angenehm und flüssig zu lesen und nachdem ich mich auf die Geschichte einlassen konnte, habe ich das Buch auch sehr schnell beendet. Es hat mich berührt, wie Teresa nach und nach die Zusammenhänge herstellen konnte, ihr Gehirn hat da eine sehr sehr schmerzliche Sache ausgeblendet, aber ich kann es nicht nachvollziehen, dass Teresa tatsächlich deswegen allen Menschen in ihrem Umfeld vor den Kopf gestoßen hat.

Leider konnte mich die Geschichte emotional nicht mitreißen, trotzdem hat es mich nicht kalt gelassen was Teresa passiert ist und wie sie mit der Situation umzugehen versucht.

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Veröffentlicht am 30.05.2021

Wie viel Leid kann ein einzelner Mensch ertragen?

Ein neuer Himmel
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Seit der Reichskristallnacht im November 1938 haben sich die gewalttätigen Übergriffe gegen Juden verschärft. Erst hat Hannah Rosenberg ihre Arbeit als Musiklehrerin verloren, dann wurde ihr auch noch ...

Seit der Reichskristallnacht im November 1938 haben sich die gewalttätigen Übergriffe gegen Juden verschärft. Erst hat Hannah Rosenberg ihre Arbeit als Musiklehrerin verloren, dann wurde ihr auch noch die Wohnung gekündigt. Auf Drängen ihrer mütterlichen Freundin Agnes verlässt Hannah Berlin, gemeinsam mit ihrer 3jährigen Tochter Melina. Im Gepäck hat sie die Adresse einer Franziska Berger in Erlenthal, einem kleinen Dorf in der Nähe von Würzburg, wo sie nach Aussage ihrer Freundin Agnes Arbeit und Unterkunft finden kann. Leider ist Frau Berger verstorben und ihr Sohn hat den Hof verkauft.

Die Gastwirtin aus Erlenthal rät Hannah auf dem Sandnerhof nach Arbeit zu fragen, wo man sie tatsächlich mit offenen Armen aufnimmt.

Die Sandners wissen um Hannahs Abstammung und sie versuchen so gut es geht nach außen hin zu verbergen, dass auf ihrem Hof eine Jüdin mit ihrer Tochter lebt. Das gelingt auch weitestgehend, aber auch auf dem abgeschiedenen Hof sind die Beiden nur eine bestimmte Zeit lang sicher, denn der neue Bürgermeister ist ein Nationalsozialist.

Seit seiner Trennung von Hannah legt Rechtsanwalt Dr. Peter Hagen eine steile Karriere im Reichssicherheitshauptamt hin. Während Hannah und Melina sich auf dem Sandnerhof vor dem immer größer werdenden Judenhass verstecken, arbeitet er sich bis zum Leiter des Ressorts „Enteignungen von Juden“ hoch. Er ist für die „Umsiedlung“ ins Vorzeige-Ghetto Theresienstadt zuständig und weiß lange Zeit nicht, was (dort) tatsächlich mit den Juden passiert, die ihres Hab und Guts enteignet wurden.

Manchmal denkt er noch an Hannah und fragt sich, wie es ihr wohl in den letzten 3 Jahren ergangen sein mag. Da die Trennung und Hannahs Schwangerschaft sich überschnitten haben, weiß er nichts davon, dass er eine Tochter hat.

Die Jahre vergehen und sowohl Hannah und Melina, als auch Peter, werden in einen Krieg hineingezogen, der an Grausamkeit nicht zu überbieten ist; nur stehen diese Menschen auf unterschiedlichen Seiten. Leider merkt Peter erst viel zu spät, dass er einen Pakt mit dem Teufel eingegangen ist……

„Ein neuer Himmel“ ist der Auftaktroman zur „Eine neue Hoffnung“-Reihe und gleichzeitig das Debüt der Schriftstellerin Margit Steinborn. Auf 464 Seiten, aufgeteilt in 2 Teile und 110 Kapitel, umfass die Geschichte die Jahre 1932 bis 1952.

Hannah erlebt am eigenen Leibe, wie es Juden ab dem Jahr 1938 erging. Sie verliert ihre Arbeit, ihre Wohnung und letztendlich flüchtet sie mit ihrer kleinen Tochter aus ihrer Heimat Berlin, um auf dem Sandnerhof in Erlenthal erleben zu dürfen, dass es doch noch Menschlichkeit gibt.

Sie finden auf dem Sandnerhof ein neues Zuhause und in Friedrich und Klara Sandner sowie Konrad, Annie, Maria, Hans und David eine neue Familie und in Pfarrer Simon Petersen einen Freund und Unterstützer. Aber auch sie können Hannah nicht den ganzen Krieg hindurch verstecken und so kommt der Tag, an dem Hannah und Melina den Sandnerhof verlassen müssen. Ich möchte hier nicht spoilern, deswegen schreibe ich nichts darüber, was den Beiden dann widerfahren ist, ich fand es stellenweise sehr schwer zu ertragen.

Hannah und Melina sowie all die anderen Menschen auf dem Sandnerhof haben von Anfang an meine Sympathie. Sie leben Menschlichkeit und reden nicht nur davon. Ihnen macht der Krieg schwer zu schaffen, denn die männlichen Familienmitglieder müssen an die Front und ob sie wieder nach Hause kommen, ist offen……

Dr. Peter Hagen erlebt die Zeit nach 1938 aus der Sicht eines angesehenen Juristen der Berliner Gesellschaft. Tatsächlich hat er sich von Hannah getrennt, da es seinem Ansehen, vor allen Dingen aber seiner beruflichen Karriere, geschadet hätte, mit einer Jüdin liiert zu sein. Natürlich muss ein guter deutscher Jurist auch eine deutsche Frau heiraten. Seine große Liebe ist Clarissa jedoch nicht.

Dr. Peter Hagen ist mir jetzt nicht vollkommen unsympathisch. Nein, er hat ein paar gute Charakterzüge, die er aber lange Zeit versteckt. Bei Menschen wie ihm, die direkt an der Basis gearbeitet haben, frage ich mich ob es tatsächlich sein kann, dass man von all den Greueltaten, die durch die Nazis an den Juden begangen wurden, nichts mitbekommen haben kann. Ich kann seine Handlungen nicht entschuldigen, er bekommt irgendwann noch die Kurve – leider aber zu spät.

Der Schreibstil der Autorin ist flüssig und leicht zu lesen. Ich habe schon viele Romane über die Zeit des Nationalsozialismus gelesen, das Thema ist ja nicht neu und schon gar nicht für jemanden mit deutscher Herkunft, aber die Geschichte von Hannah und Melina, so wie sie von Margit Steinborn erzählt wird, hat mich wirklich tief berührt.

Das Buch erzählt – neben den Gräueltaten der Nazis – auch von Liebe, Menschlichkeit, Zusammenhalt und Hilfsbereitschaft.

Der geschichtliche Hintergrund der schwärzesten Zeit Deutschlands wird nahtlos mit den Schicksalen verschiedener Menschen verknüpft. Vom Beginn der Judenvertreibung über die „Auslöschung nicht lebenswerten Lebens“ bis hin zur „Endlösung“ werden die Ziele der Nazis in die Geschichte integriert. Besonders die Beschreibungen im Inneren der Konzentrationslager haben mich oft innehalten lassen um mich zu fragen, wie man so etwas ertragen kann. Ich stelle mir aber auch oft die Frage, wie Menschen ihren Mitmenschen so etwas antun können. Es ist ja nicht so, dass die Aufseher in den KZs nur Befehle ausgeführt haben, in den meisten Fällen haben sie diesen Hass gegen die Juden tatsächlich gelebt. Für mich unvorstellbar.

Da es einen 2. Teil gibt, war von vorne herein klar, dass Hannah und Melina die Nazi-Zeit überleben werden, die Schäden an ihren Körpern und ihren Seelen sind jedoch sicherlich nicht so ohne weiteres wieder zu reparieren. Ich bin gespannt, wie es ihnen nach dem Krieg ergeht.

Manche Bücher bringen etwas in mir zum klingen und bleiben lange im Gedächtnis. Dieser Debütroman von Margit Steinborn gehört ganz sicher dazu und ich freue mich auf die Fortsetzung, die schon auf meinem eBook-Reader darauf wartet, gelesen zu werden.

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Veröffentlicht am 25.05.2021

Hinter den kleinen Dingen – Existentielle Verse aus dem Alltag heraus

Hinter den kleinen Dingen
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Wer sich, wie ich, gerade in einer schwierigen Zeit befindet, der wird sich in dem einen oder anderen Gedicht aus dem vorliegenden Buch ganz sicher wiederfinden.

Ich mag Gedichte, genau wie Lieder, die ...

Wer sich, wie ich, gerade in einer schwierigen Zeit befindet, der wird sich in dem einen oder anderen Gedicht aus dem vorliegenden Buch ganz sicher wiederfinden.

Ich mag Gedichte, genau wie Lieder, die das ausdrücken, was ich nicht in Worte zu fassen vermag.

Die Definition des Wortes „Gedicht“ lautet: Ein Gedicht ist eine bestimmte Art von Text, der Gefühle und Gedanken ausdrückt. Genau das hat die Autorin Daniela Heinen auf 56 Seiten geschafft – sie hat ihre Gefühle und Gedanken ausgedrückt und das auf eine sehr schöne und ansprechende Art und Weise.

Welche Gedichte mir gefallen, ist abhängig von meiner Tagesform. Aktuell mag ich dieses hier am liebsten:

Wir sind viele Jahre
ganz selbstverständlich
gemeinsam
ins gleiche
Abteil
eingestiegen
und haben
nebeneinander
sitzend
die Reise
bestritten

Heute bietest du mir
kaum mehr den
Stehplatz
vor der offenen
Abteiltür an


Daniela Heinen schreibt Gedichte über Gefühle, sie schreibt an ihre Kinder, sie befasst sich mit Corona, Sehnsucht, Liebe, vergangener Liebe, Wandlungen und vertanen Chancen, ebenso aber auch mit Politik, Autismus und verlorenen Träumen. Sie tut dies schnörkellos und ohne Punkt und Komma. Manchmal nur in wenigen Zeilen, manchmal über mehrere Strophen.

Ganz herzlich möchte ich mich für diesen kleinen Lyrikband bei Dir, liebe Daniela Heinen, bedanken. Hör nicht auf Deine Gedanken nieder zu schreiben, ich empfinde dieses bodenständige als so wertvoll, in einer Zeit, in der Gefühle nicht mehr (oft) gezeigt werden.

Ich habe dieses kleine Buch seit einiger Zeit auf meinem Schreibtisch liegen und ich stöbere jeden Tag darin.

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Veröffentlicht am 24.05.2021

Belgien – Niederlande – Deutschland zwischen 1906 und 1929

Die Tierärztin - Große Träume
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Nellie (Cornelia Van der Heyden) und Phipps (Philipp De Groot) sind Nachbarskinder, sie stehen sich jedoch näher als es Geschwister manchmal tun.

Nellie sammelte schon immer Vögel mit gebrochenen Flügeln ...

Nellie (Cornelia Van der Heyden) und Phipps (Philipp De Groot) sind Nachbarskinder, sie stehen sich jedoch näher als es Geschwister manchmal tun.

Nellie sammelte schon immer Vögel mit gebrochenen Flügeln ein und behandelte räudige Katzen und Hunde mit selbstgemachter Ringelblumensalbe. Ihr größter Traum ist es Tiermedizin zu studieren und als Tierärztin arbeiten zu können.

Phipps ist Sohn eines Tierarztes und von ihm wird erwartet, dass er in die Fußstapfen seines Vaters tritt und später einmal die väterliche Tierarztpraxis übernimmt. Nichts liegt Phipps jedoch ferner – er hat seine Leidenschaft an anderer Stelle gefunden; er liebt es, Geige zu spielen. Sein größter Traum ist es Musik zu studieren und als Musiker arbeiten zu können.

Beiden ist dieser Weg verschlossen. Für Nellie ist es als Frau zur damaligen Zeit unmöglich Tiermedizin zu studieren, und von Phipps wird erwartet, dass er Tierarzt wird, egal was er selbst gerne möchte. Die beiden finden jedoch einen Weg, ihren Träumen ein Stück näher zu kommen.

Nach dem Abitur wechselt Phipps an die Universität von Utrecht/Niederlande um Tiermedizin zu studieren, während Nellie in der gleichen Stadt die St. Elisabeth School, eine hauswirtschaftlich orientierte Mädchenschule, besuchen soll. Die Beiden treffen sich ein mal in der Woche und Nellie eignet sich das komplette Wissen des Tiermedizin-Studiums an, während Phipps seine musikalischen Fertigkeiten verbessert.

Nach dem Studium/der Schulausbildung kehren die beiden in ihr Heimatdorf Ledegem zurück. Für Nellies Mutter gibt es jetzt nur noch einen Weg, den ihre Tochter gehen muss – sie muss, so schnell es geht, heiraten. Aber auch Phipps soll sich nicht mehr so lange Zeit lassen, denn er braucht eine Frau an seiner Seite, wenn er die väterliche Praxis übernehmen soll. Die Beiden lieben sich nicht, aber sie sind sich sehr zugetan und deswegen heiraten sie. Sie schließen eine Zweckehe mit dem Versprechen, dass sie sich freigeben, sollte die Situation es irgendwann erfordern.

Dann bricht der Erste Weltkrieg aus und Phipps muss als Heeresveterinär an die Front, während Nellie zu Hause die wenigen Tiere der Bauern behandelt, die nicht von den Besatzern rekrutiert wurden. Sie handelt jedoch ohne Wissen und Einverständnis ihres Schwiegervaters, denn noch immer wird es nicht akzeptiert, dass eine Frau den Beruf des Veterinärs ausübt.

Bei einer ihrer Fahrten ins besetzte Kortrjik lernt sie den deutschen Leutnant Walter von Prednitz kennen, dessen Pferd sich bei einem Aufklärungsritt eine tiefe Wunde zugezogen hat. Er erzählt ihr von seiner Schwester, die als eine der ersten Frauen in Deutschland das Studium der Tiermedizin absolviert und bestanden hat.

Als der Krieg vorbei ist, bittet Phipps Nellie, ihn freizugeben, damit er nun endlich seinen Traum verwirklichen kann. Nellie gibt ihn frei und reist nach Berlin, um dort – zusammen mit Maria von Prednitz – ihren eigenen Traum zu verwirklichen ……..



„Die Tierärztin – Große Träume“ ist der 1. Teil der Tierärztin-Saga aus der Feder der Autorin Sarah Lark. Mit 547 Seiten ist das Werk sehr umfangreich und ich war am Anfang ein wenig skeptisch, ob das für einen 1. Teil nicht zu viel sein könnte – nein, war es nicht, zumindest nicht für meine Auffassung.
Die Autorin hat mit Nellie (Cornelia Van der Heyden) und Phipps (Philipp De Groot) zwei wirklich sehr authentische und liebenswerte Charaktere erschaffen.
Nellie ist eine von diesen starken Frauen, die sich - schon lange vor unserer heutigen Zeit – nicht von ihrem Weg haben abbringen lassen. Sie „studiert“ Tiermedizin, übt den Beruf weit besser aus als ihr Mann, der dafür ein abgeschlossenes Studium in der Tasche hat und sie lässt sich auch während des Krieges nicht davon abbringen zu tun, was ihre größte Freude ist – auch wenn das bedeutet, die Tiere der Besatzer zu behandeln und sich damit (nicht nur!) den Zorn der Eltern/Schwiegereltern zuzuziehen.
Phipps gehört eher zu den weichen Menschen. Er geht vielen Unannehmlichkeiten aus dem Weg, er tut das, was seine Familie von ihm erwartet, aber er nimmt damit auch in Kauf, unglücklich zu sein. Die Ehe mit Nellie ermöglicht ihm, nach außen hin den Schein zu wahren.
Auch Walter von Prednitz und seine Schwester Maria hinterlassen einen bleibenden Eindruck bei mir. Walter ist einfach ein sympathischer Mann. Auch wenn er als Deutscher und Nellie als Belgierin im Krieg auf verschiedenen Seiten stehen, behandelt er Nellie stets mit Respekt und Achtung. Er spielt auch nach dem Krieg noch eine bedeutende Rolle in Nellies Leben.
Maria ist ein sehr schwieriger Charakter, sie leidet unter einer Autismus-Spektrum-Störung, was das Zusammenleben und -Arbeiten mit ihr nicht sehr einfach gestaltet. Stets muss auf ihre Befindlichkeiten Rücksicht genommen werden. Aufgrund ihrer Besonderheit und ihrer Liebenswürdigkeit habe ich Maria tief in mein Herz geschlossen. Die vielen anderen Charaktere, die in dieser Geschichte noch mitspielen, wurden ebenso realistisch dargestellt und waren mir mehr oder weniger sympathisch.
Der Schreibstil der Autorin ist wie gewohnt flüssig und gut zu lesen und die Geschichte hat mich so fasziniert, dass ich das Buch in kurzer Zeit regelrecht inhaliert habe (lediglich die Rezension zu schreiben hat dann doch etwas mehr Zeit gebraucht).
Auch wenn mir zum Ende hin die Gräfin von Albrechts ein klein wenig auf die Nerven gegangen ist, habe ich dieses Buch wirklich bis zur letzten Seite hin genossen und ich freue mich sehr auf die Fortsetzung „Die Tierärztin – Voller Hoffnung“, die am 30.09.2021 erscheinen wird.

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