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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.07.2024

Interessant aber nicht überwältigend

Die Bestatterin von Kilcross
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Jeanie Masterson soll die Bestattungsfirma ihres Vaters übernehmen, als dieser sich zur Ruhe setzen will um das Familienunternehmen fortzuführen. Sie hat ein besonderes Händchen für die Toten, da sie mit ...

Jeanie Masterson soll die Bestattungsfirma ihres Vaters übernehmen, als dieser sich zur Ruhe setzen will um das Familienunternehmen fortzuführen. Sie hat ein besonderes Händchen für die Toten, da sie mit ihnen nach dem Tod noch eine kurze Weile kommunizieren kann und mit dieser Gabe den Hinterbliebenen noch letzte Worte, Wünsche und andere Dinge, die nie ausgesprochen wurden, übermitteln kann.
Auch wenn sich Jeanie vor Jahren bewusst für das Leben in Kilcross, eine Kleinstadt in Irland, und die Arbeit im Bestattungsinstitut entschieden hat, stellt sie sich ob des nahenden Umbruchs die Frage, ob sie in ihrem Leben die richtigen Entscheidungen getroffen hat.

Jeanie erzählt in der ersten Person über ihr Leben, beginnend im Teenager-Alter, als sie Fionn, ihre erste große Liebe kennenlernt und endend mit dem drohenden Bruch zwischen ihrem Ehemann Niall. Stets fragt man sich was vorgefallen ist, dass sie nun mit Niall und nicht mit Fionn verheiratet ist und auf was die Geschichte hinauslaufen wird. Es gibt, soviel sei verraten, einen überraschenden Plottwist, der die Aufmerksamkeit der Geschichte nochmal in eine andere Richtung lenkt, was mir sehr gut gefallen hat, auch wenn dieser reichlich spät (vielleicht einen Hauch zu spät sogar) kommt

Das etwas mystische Element der Zwiegespräche mit den Toten findet in einem sehr passenden Rahmen Platz und hält die Erzählung auf einer nahezu realen Ebene und schweift kaum in das Fantastische ab. Es geht mehr um Selbstfindung, Selbstverwirklichung und die große Liebe. Bei letzterem Punkt war mir leider die emotionale Abhängigkeit zu Fionn dann doch too much, was die sonst gelungene Geschichte für mich etwas runtergezogen hat.

Veröffentlicht am 10.07.2024

Persönlich, witzig, tragisch, liebevoll und wichtig

HERKUNFT
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Bevor ich zum Punkt komme, muss ich kurz ausholen:
Das erste Buch, das ich von Stanišić gelesen habe war das mit dem Satz als Buchtitel (Witwe und Gießkanne und so) und ich fand es absolut großartig und ...

Bevor ich zum Punkt komme, muss ich kurz ausholen:
Das erste Buch, das ich von Stanišić gelesen habe war das mit dem Satz als Buchtitel (Witwe und Gießkanne und so) und ich fand es absolut großartig und ein wahres Highlight, weil ich mich in die Wörter und Sätze, die Formulierungen und den Sprachwitz verliebt habe. Deshalb musste ich jetzt auch dieses Buch lesen, obwohl ich sonst um die Bücher, die Preise gewonnen habe, gerne einen Bogen mache. Will ich doch nicht enttäuscht werden (aha, und das Buch wurde jetzt wegen was genau ausgezeichnet?) oder mich dumm fühlen (muss wohl sehr hohe Literatur sein, weil ich gar nichts kapiere). Beide Fälle konnte ich mir jetzt nach der Witwe mit der Gießkanne einfach nicht vorstellen, sodass ich also dann, das Pferd von hinten aufzäumend, doch bei Herkunft gelandet bin.

Und jetzt kommt der Punkt: alles richtig gemacht!

Ich habe auch hier gelacht und war genauso berührt, wie bei meinem ersten Buch von ihm. Es ist in meinen Augen eine große Kunst über Migration und Demenz mit einer Leichtigkeit und solch positiver Konnotation zu schreiben! Dieses Buch hat jeden literarischen Preis verdient und darf bitte weiterhin von ganz, ganz vielen Menschen gelesen werden!

Veröffentlicht am 09.07.2024

Interessantes Motiv, spannend erzählt

Die Kunst des Verschwindens
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Nico und Ellen, zwei Frauen, die auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam haben, außer zufällig gegenüber zu wohnen, freunden sich an, bis Ellen eines Tages plötzlich verschwindet. Ellen ist eine international ...

Nico und Ellen, zwei Frauen, die auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam haben, außer zufällig gegenüber zu wohnen, freunden sich an, bis Ellen eines Tages plötzlich verschwindet. Ellen ist eine international gefeierte Schauspielerin und darüber warum und wohin sie abgetaucht ist, rätselt die halbe Welt. Weil Nico sich mit ihr verbunden fühlt, ohne, dass sie genau sagen kann warum, lässt sie Ellens Verschwinden nicht kalt und sie begibt sich auf die Suche nach ihr.

Stück für Stück tauchen wir tiefer in Nicos Gedanken und Vergangenheit ein und erfahren, dass zwei Schicksalsschläge ihre Welt erschüttern. Während Nico nicht nur Ellen sucht, sondern sich durch die gleichzeitige, intensive Auseinandersetzung mit sich selbst auch sich selbst zu finden scheint, nimmt die Geschichte einen leichten Spin in Richtung Thriller. Hier passiert auf einmal unglaublich viel, für mich sogar etwas zu viel (z.B. in Form eines gestrandeten Wals an der Küste Nordfrankreichs). Mir hätte in Bezug auf Nicos Aufarbeitung ihrer persönlichen Katastrophen tatsächlich mehr innere Handlung besser gefallen, auch wenn dadurch nochmal eine Schippe Spannung draufgelegt wird.
Aber jetzt kommt das wirklich Tolle an dem Buch: Die unterschiedlichen Formen des (oder allgemein eines) Verschwindens, das sich wirklich strikt als Leitmotiv durch das gesamte Buch zieht, sind toll ausgearbeitet und machen das Buch zu einem kleinen Kunstwerk. Mir hat es wahnsinnig viel Spaß gemacht an den verschiedensten Stellen über besagtes Verschwinden zu stolpern und zu entdecken, dass jedes auf seine Art ganz individuell daherkommt.

Mir hat die Geschichte, die leichte Erzählweise und dieses besondere Hauptmotiv sehr gut gefallen! Empfehlenswert!

Veröffentlicht am 09.07.2024

Fantastische Coming of Age

Was man von hier aus sehen kann
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Kann man sich in ein Buch verlieben?
Mariana Leky: JA!

Irgendwie hab ich im Moment einen Coming of Age - Lauf. Unbeabsichtigterweise, weil eigentlich hätte ich das, dem Klappentext zu urteilen, nicht ...

Kann man sich in ein Buch verlieben?
Mariana Leky: JA!

Irgendwie hab ich im Moment einen Coming of Age - Lauf. Unbeabsichtigterweise, weil eigentlich hätte ich das, dem Klappentext zu urteilen, nicht erwartet. Heißt es doch hier, dass es das „Porträt eines Dorfes“ ist. Ja, das ist es schon auch, weil die Gemeinschaft eine überaus wichtige Rolle spielt, weil keiner, sei er oder sie noch so abweisend oder eigenbrödlerisch, ausgeschlossen wird. Vor allem geht es aber um Luise, die als Kind ihren besten Freund verliert und ihre Großmutter Selma. Luise wird im Laufe der Geschichte erwachsen, erfährt, nicht nur aber hauptsächlich, Verlust und bewahrt sich dennoch ein liebevolles und zuversichtliches Gemüt, eben weil sie in der wundervollen Dorfgemeinschaft Halt findet.

Die Geschichte ist wahrlich hinreißend, die Charaktere sind liebenswert, wenn auch mitunter etwas skurril. Was das Ganze aber zu einem absoluten Lieblingsbuch macht, ist die sprachlich brillante Erzählweise. Luise soll nicht nur mehr Welt in ihr Leben lassen, sondern hat auch mal eine Verstockung, wenn sie mit dem Mann, in den sie sich verliebt hat, telefoniert. Und nicht zu verschweigen der Aufhocker, der einem Missverständnis aufsitzt und Elsbeth in den Nacken springt und nicht mehr gehen möchte.

Diese Geschichte beweist, dass man sich in ein Buch verlieben kann und ich kann daher nicht anders, als es an alle und in jeder Lebenslage zu empfehlen!

Veröffentlicht am 04.07.2024

Nur sehr mittelmäßig

Die Sache mit Rachel
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Rachel ist Studentin und hat einen Crush in Form ihres Literaturprofessors Dr. Byrne. Eher durch Zufall organisiert sie eine Lesung seines neuen Buches in der Buchhandlung, in der Rachel und ihr bester ...

Rachel ist Studentin und hat einen Crush in Form ihres Literaturprofessors Dr. Byrne. Eher durch Zufall organisiert sie eine Lesung seines neuen Buches in der Buchhandlung, in der Rachel und ihr bester Freund James arbeiten. Am Abend der Lesung nimmt das Schicksal seinen Lauf und es entwickelt sich eine Geschichte voller Heimlichkeiten und Unaufrichtigkeiten. Was ziemlich nett ausgedrückt ist. Man könnte auch sagen es wird gelogen, bestohlen und hintergangen. Dass es zu einem Punkt in der Geschichte zur Eskalation kommen muss ist von Anfang an klar, alles arbeitet darauf zu und dann ist es irgendwie nur ein Knallfrosch und kein Feuerwerk, in dem die Geschichte gipfelt.

Definitiv positiv hervorheben muss man meines Erachtens die Erzählweise. Durch Rachels Ich-Perspektive in die Lockerheit der Sprache fliegt durch die Seiten. Man kann Rachel dadurch gut verstehen und ihre Gedanken und Beweggründe nachvollziehen, aber es sind zum Großteil die einer 21-jährigen Studentin, die man mehr als einmal schütteln möchte und ihr zuschreien will: jetzt red halt doch endlich mal Klartext! Und das macht es dann doch etwas mühsam dem Plot interessiert und gebannt zu folgen.

Zu guter Letzt muss man sich ja doch immer fragen, was das Buch bezwecken möchte, warum die Geschichte unbedingt erzählt werden musste. Ich habe das Gefühl, dass es hier eigentlich darum geht, dass junge Frauen im Irland des 21. Jahrhunderts nicht so frei sind, wie sie sein sollten. Es kommt ein wichtiges Thema zur Sprache (über das ich nicht mehr erzählen kann ohne zu spoilern) bei dessen Erzählung man merkt, dass es der Autorin sehr wichtig zu sein scheint - zu Recht im Übrigen. Nur hätte es für diesen einen Aspekt nicht dieses Geplänkel drum herum gebraucht.