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Veröffentlicht am 12.04.2024

Ungesühnte Verbrechen werden selten vergessen

Potsdamer Intrigen
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Potsdamer Intrigen ist mein Einsteiger in die Reihe der Enne-von-Lilienthal-Krimis. Mir sind also schon vier Bände entgangen und ich musste erst einmal die Protagonisten kennenlernen. Enne also ist pensionierte ...

Potsdamer Intrigen ist mein Einsteiger in die Reihe der Enne-von-Lilienthal-Krimis. Mir sind also schon vier Bände entgangen und ich musste erst einmal die Protagonisten kennenlernen. Enne also ist pensionierte Fallanalytikerin und Mutter vom frischernannten Kriminalrat Maik von Lilienthal. Sie lebt in lockerer Liaison mit dem ebenfalls pensionierten Kriminalisten Körner, der sich bei ihr einquartiert hat und seine Daseinsberechtigung vor allem übers Kochen von Gourmetmenüs und das Kredenzen besten Weins definiert. Er war bis zu einem nicht näher definierten Unfall der Chef von Maik und kann das ganze Buch über noch nicht so ganz von der Polizeiarbeit lassen. Und Enne ist da keinen Deut zurückhaltender. Nicht unerwähnt lasse ich die etwas zickige, aber wild entschlossene Kriminalkommissarin Susanne Riemeister, die auf dem Absprung die Karriereleiter rauf in Richtung Berlin ist und sich wohl etwas hormongesteuert gerade vom Lebensgefährten Maik von Lilienthal trennen will. Hinzu kommen noch einige Kollegen der beiden, allen voran der immer hungrige Leo. Eine bunte Truppe, die plötzlich im schönen, kulturvollen Potsdam mit zwei merkwürdigen Morden konfrontiert wird, die sich binnen kurzer Zeit als miteinander verbunden darstellen. Professionelle und private Ermittlungen nehmen ihren Lauf, immer tiefer geht es in den Sumpf der früheren DDR und die damaligen und immer noch nachwirkenden Verstrickungen von Staat, Partei und Staatssicherheit. Die Autorin legt jede Menge Spuren und Fährten, verleitet den Leser zu Spekulationen und hektischem Weiterlesen. Ich fand das recht spannend, obwohl mir die Häufung der Verbrechen und deren Vertuschung manchmal schon etwas übertrieben erschien. Der Countdown belehrt dann aber, schlimmer geht es immer. Heftig. Nach der letzten Seite denke ich, dass ein weiterer Band bestimmt schon in Arbeit ist.

Fazit: gute Krimiunterhaltung, ein paar Stereotypen, ein bisschen Übertreibung, geschichtliche Rückblicke, eine Mischung, die jedenfalls nicht langweilig war. Auflösung inklusive.

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Veröffentlicht am 08.04.2024

Spannungsgeladen bis zum letzten Satz

Die Kriminalistinnen. Acht Schüsse im Schnee
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Mir hat dieser Krimi gefallen, obwohl der Mord am Millionär Theo Ellerbeck manchmal etwas in den Hintergrund trat ob der vielen verschiedenen Handlungsstränge. Hauptperson und Ich-Erzählerin ist die angehende ...

Mir hat dieser Krimi gefallen, obwohl der Mord am Millionär Theo Ellerbeck manchmal etwas in den Hintergrund trat ob der vielen verschiedenen Handlungsstränge. Hauptperson und Ich-Erzählerin ist die angehende Kriminalwachtmeisterin Lucia Specht, die in Düsseldorf gerade bei der Sitte ihre Ausbildung absolviert. Für das Jahr 1970 alles andere als normal, es sind die ersten Frauen, die eine solche Ausbildung machen können und die Männerwelt und eingespielte Routinen machen es ihnen nicht gerade leicht. Machos, sexistische Sprüche, Anmachen aller Art, Herabwürdigen aller Art, ein gefährliches Arbeitsumfeld, da haben die jungen Frauen reichlich zu knabbern. Lucia ist aus Essen, kommt aus einer Arbeiterfamilie und hat zudem eine mehr als zehn Jahre zuvor ermordete Mutter. Dass der Fall unaufgeklärt blieb, ist vielleicht einer der Gründe, warum sie zur Polizei will. Sie ist frech, draufgängerisch und manchmal etwas zu wild entschlossen, ihrer Profession zu folgen. Und ihre Profession ist nicht nur die Mordaufklärung im Fall Ellerbeck, der Fall ihrer Mutter nimmt nicht nur im Buch sondern auch in Lucias Kopf einen übergroßen Teil ein. Dass Lucia dabei auch allerlei lernt, ergibt sich von selbst, einschließlich der Tatsache, das sie wohl doch nicht soviel Alkohol verträgt wie Vater und Bruder. Die beiden lernt man im Verlauf der Handlung auch noch kennen, aber sehr in die Tiefe geht es hier nicht.

Am meisten amüsiert habe ich mich über die kleinen Liebesbriefchen, die Lucia allzu oft auf ihrem Schreibtisch findet. Auch hier ermittelt sie mit Vehemenz und Wut den Schreiberling. Wer es ist, verrate ich natürlich nicht. Ebenso wenig nehme ich den Lesern die Spannung, wie sich der Fall Ellerbeck aufklären wird. Geschickt legt auch der Autor seine Fährten!

Der Schreibtstil von Mathias Berg ist eingängig und man liest das Buch schnell und leicht, gute Unterhaltung. Die kursiv eingestreuten, nicht ausgesprochenen Gedanken von Lucia lockerten das Lesen zusätzlich auf. Dass der Autor in sein Siebzigerjahremilieu so ziemlich alles packt, was ihn bewegt, was er an Details erfahren hat bei seinen Recherchen, ist für jüngere Leser bestimmt eine Offenbarung. Für mich war es teilweise eher ein Wiedererkennen, besonders die Musiktitel, die er nennt und in die Handlung einbaut, erklangen wie von Geisterhand in meinem Ohr. Die neben Lucia auftretenden Protagonisten werden mehr oder weniger intensiv vorgestellt und charakterisiert. Dass ich da natürlich besonders den Herrn Müller recht brachial fand, will ich hier nicht weiter ausführen, um den Überraschungseffekt beim Lesen nicht vorwegzunehmen. Die im Verlauf der Handlung angesprochenen Probleme der Kollegen und der anderen Anwärterinnen entsprechen der damaligen Zeit. Wer könnte sich heute noch vorstellen, dass der Ehemann das Einverständnis für Arbeitsvertrag oder Ausbildung erteilen musste. Oder dass ein Schwuler nicht Polizist werden darf. Alles aus der Zeit gefallen, da haben wir heute mehr Glück. Da ich aber weder begeisterte Feministin noch Anhängerin der LGBT...-Szene bin, fand ich manches etwas dick aufgetragen, aber das ist ja subjektiv und reine Geschmackssache.

Dieses Buch ist bekanntlich schon der zweite Band der Reihe "Die Kriminalistinnen". Da ich den ersten Band "Der Tod des Blumenmädchens" nicht kenne, weiß ich natürlich nicht, ob es besser wäre für das Verständnis der Rückblicke und Probleme von Lucia und ihren Mitstreiterinnen, dass man ihn zuvor gelesen hätte. Ich habe mir die Rezensionen angeschaut und denke, ja, es wäre besser.

Fazit: ein unterhaltsamer Krimi mit vielen Handlungssträngen und einer sehr echt wirkenden Beschreibung der Siebziger Jahre.

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Veröffentlicht am 07.04.2024

Berlin intensiv!

Berlin. Das Rom der Zeitgeschichte
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Meine Heimatstadt das Rom der Zeitgeschichte? Irgendwie hätte mir Mekka im Titel wohl doch eher zugesagt. Aber man soll sich ja nicht an Kleinigkeiten festbeißen. In der Einleitung wurde mir ja schon ein ...

Meine Heimatstadt das Rom der Zeitgeschichte? Irgendwie hätte mir Mekka im Titel wohl doch eher zugesagt. Aber man soll sich ja nicht an Kleinigkeiten festbeißen. In der Einleitung wurde mir ja schon ein Satz präsentiert, den hätte ich nach der Lektüre des Gesamtwerkes gerne als Rezensionseinleitung verwendet: „Das vorliegende Buch betrachtet die Geschichte und die Gegenwart Berlins aus genau dieser Perspektive, indem es die drei genannten Bedeutungsebenen vom »Rom der Zeitgeschichte« aufgreift: den Mythos, den Raum und die Zeit.“ Das ist das Leitmotiv, dem sich Hanno Hochmuth mit Enthusiasmus widmet. Ich habe viel Bekanntes aus meiner Stadt Berlin wiedergefunden, aber auch Neues und mir gänzlich Unbekanntes entdeckt. So z. B. die Metallstele zur Erinnerung an den Hitlerattentäter Georg Elser. Für mich wird dieses Buch ganz sicher Begleitung auf meiner nächsten Berlinreise sein.
Mit dem Schreibstil und der Ausführlichkeit der Beiträge musste ich mich erst anfreunden, insgesamt hat mir dieses Berlin-Kompendium bestens gefallen. Besonders alle Texte mit Bezug zur ehemaligen Stalinallee waren hochinteressant, haben für mich noch nicht beachtete Aspekte beleuchtet, z. B. das Verstecken der Laubenganghäuser war mir neu. Dass Hanno Hochmuth im Berlin der Jetztzeit so einiges zu bemängeln hat, freut mich auch in Bezug auf die ominöse „Einheitswippe“. Die Löwen, die jetzt im Tierpark weilen, waren übrigens zwischenzeitlich vor dem Eingang des ehemaligen Kulturministeriums der DDR am Molkenmarkt stationiert. Als Kind bin ich darauf noch herumgeklettert.
Ein Kritikpunkt zu diesem umfangreichen Recherchewerk: mir fehlte im Anhang ein Namensindex, nicht nur der Architekten, sondern auch der vielen erwähnten Personen der Zeitgeschichte.
Fazit: wer Interesse an Berlin, Architektur und Geschichte hat, wird hier bestimmt fündig.

BerlinDasRomderZeitgeschichte

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Veröffentlicht am 04.04.2024

Wir treffen uns im Unendlichen

Solange es eine Heimat gibt. Erika Mann
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Ein Sachbuch, spannend und bewegend wie ein Roman, eine Biographie, die unter die Haut geht. Unda Hörner – die ich bisher als Autorin noch gar nicht kannte – hat sich der Lebensgeschichte von Erika Mann ...

Ein Sachbuch, spannend und bewegend wie ein Roman, eine Biographie, die unter die Haut geht. Unda Hörner – die ich bisher als Autorin noch gar nicht kannte – hat sich der Lebensgeschichte von Erika Mann angenommen, sie verfolgt, erforscht, analysiert. Erika Mann, Tochter des Zauberers Thomas Mann, Schwester von Klaus Mann, dem Wilden und Verzagten, dem Mutigen und Traurigen. Nicht ganz einfach, eine solche Familienbeziehung zu beschreiben, über die schon so viel gesagt, geschrieben, gefilmt und getuschelt wurde.
Anfang des 20. Jahrhunderts wachsen Erika und Klaus, nur ein Jahr auseinander, wie Zwillinge auf, verwirren und verunsichern nicht nur Nachbarn und Spielgefährten, später auch die Lehrerschaft. Kaum den Kinderschuhen entwachsen, machen sie sich auf die Reise, erkunden und erforschen Europa und die Welt. Jeder von ihnen auch immer mit eigenen Ideen, sexuellen Erlebnissen, missglückten Ehen und unerschöpflichem Enthusiasmus. Als der Nationalsozialismus in Deutschland Tatsachen schafft, die ihnen das Bleiben nicht erlauben, beginnt die endlose Zeit der Emigration. Dass Erika zusätzlich zum eigenen Unglück auch das der Eltern und des Bruders bewältigen muss, macht ihr das Leben nicht leichter.
Erst als die Eltern in Kalifornien ein neues Zuhause gefunden haben und auch die Großeltern in die Schweiz auswandern konnten, fällt eine kleine Last von Erika ab. Aber es sind bei Weitem nicht nur die praktischen Dinge des Alltags der Emigranten, die Probleme bereiten, auch die lange und als unerträglich empfundene Zurückhaltung des Vaters gegenüber dem Hitlerregime macht ihr zu schaffen.
Erika Mann schlägt sich durch, tapfer, immer wieder von Neuem versuchend, ihre Meinung nicht nur zu verbreiten, sondern auch zu verteidigen. Gegenüber den Amerikanern, die eher skeptisch und gefühlt weitab vom Geschehen in Europa sind, ist das besonders schwierig. Erst mit Eintritt der Amerikaner in den Krieg ändert sich das etwas. Und Bruder Klaus meldet sich freiwillig zur Armee, steht zwar nicht an der Front, aber arbeitet in Propagandaabteilungen. Auch von Erika wird berichtet, dass sie in Uniform nach Europa kommt, leider wird hierzu wenig berichtet. Dass sie nach dem Ende des Krieges die Angeklagten des Nürnberger Prozesses „besichtigen“ kann, ist eine schaurige Seite ihrer Erlebnisse.
Das Buch geht gedanklich den Weg zurück vom Suizid des geliebten Bruders, der sich im Mai 1949 in Cannes ereignete, als Erika mit ihren Eltern in Schweden weilte. Erika Mann wird danach mit ihren Eltern Kalifornien verlassen, in die Schweiz ziehen und ihrem Vater bis zum Tod 1955 als Assistentin, Beraterin, Sekretärin und Vertraute zur Seite stehen. Über diese Zeit und die Jahre bis zu ihrem Tod erfährt man im Buch von Unda Hörner nichts mehr. Es endet um die Zeit ihres vierundvierzigsten Geburtstags mit den Worten „Wir treffen uns im Unendlichen, Klaus, eines Tages. Du weißt, wir reisen als Zwillinge.“
Im Anhang findet sich ein umfangreiches Literaturangebot, ein neueres Buch möchte ich noch zusätzlich empfehlen: Uwe Wittstocks Marseille 1940. Die große Flucht der Literatur. Dort finden sich einige der bei Unda Hörner genannten Literaten wieder, die mit viel Mühe und unter Lebensgefahr dem Zugriff der Nazis entkommen konnten. So auch Erika Manns Onkel Heinrich mit Frau Nelly, die Werfels und die Feuchtwangers. Aus meiner Sicht eine passende Ergänzung.
Was mir am Ende etwas gefehlt hat, waren Kurzbiografien der wichtigsten Personen (Familie, Freunde) aus diesem Buch, wie sich ihr Leben nach 1945 entwickelt hat, welchen Widerständen sie zum Beispiel in Deutschland – Ost und West – begegneten. Zumindest eine kurze Beschreibung der letzten Jahre von Erika Mann fände ich unerlässlich. Sicher, man kann das alles im Internet oder den Literaturen, die genannt werden, nachlesen, aber es hätte das Buch abgerundet.
Der Schreibstil hat mir gut gefallen, manchmal jedoch fand ich Formulierungen nicht ganz passend, gerade „geflügelte Worte“, die erst wesentlich später geprägt wurde, erschienen mir etwas aufgesetzt. Als Beispiele nenne ich die Banalität des Bösen, ein Begriff, der erst 1961 von Hannah Arendt geprägt wurde, oder auch die Verwandlung der Deutschen nach dem Krieg in lupenreine Demokraten.
Dass Erika Mann und auch Klaus Mann niemals ihre Heimat Deutschland wiedergefunden haben, steht sehr im Gegensatz zum Buchtitel. Die Heimat ist ihnen und auch den Eltern abhandengekommen, da halfen niemals Drogen, Alkohol und Exzesse.

Fazit: Man lernt Erika Mann und ihren Bruder gut kennen in diesem Buch. Und man versteht die unendliche Trauer und Traurigkeit, die Erika Mann nach dem Tod ihres Bruders empfand. Sie konnte ihn nicht beschützen, nicht vor der Welt und nicht vor sich selbst. Ich empfehle dieses Buch gern, wer sich für Literatur und Biografien und die Geschichte des 20. Jahrhunderts interessiert, ist hier richtig.

SolangeeseineHeimatgibtErikaMann

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Veröffentlicht am 26.03.2024

Noch eine Familiengeschichte

Nochmal von vorne
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Familiengeschichten sind auf der Skala von eins bis zehn bei mir auf Level neun, Dana von Sufrins Roman trifft genau mein Interesse. Die Familie ist etwas „zusammengewürfelt“, ein jüdischer Vater, eine ...

Familiengeschichten sind auf der Skala von eins bis zehn bei mir auf Level neun, Dana von Sufrins Roman trifft genau mein Interesse. Die Familie ist etwas „zusammengewürfelt“, ein jüdischer Vater, eine katholische Mutter und eine exaltierte Schwester plus verrücktem Onkel, da lässt sich eine Menge erzählen. Die Autorin macht das gut, ihre ellenlange Sätze lesen sich äußerst vergnüglich, ihren Gedanken- und Zeitsprüngen bin ich gern gefolgt. Dass es mir zuweilen doch langweilig und ich der Endlosschleifen überdrüssig wurde, möge mir die Autorin verzeihen. Kindheit, Jugend, gescheiterte Beziehungen, Themen, die in allen Familienromanen anstehen, aber die nicht in allen so wild und überbordend behandelt werden. Der Vater als vergötterte und zugleich als peinlich angesehene Person, der stirbt und wohl auch Anlass fürs Nachdenken, Erinnern und Schreiben ist, der wird mir von diesem Buch am deutlichsten in Erinnerung bleiben. Die nervende Schwester kommt locker auf Platz zwei.
Fazit: ein Experiment, dem man sich nicht verschließen kann, hat man das Buch erst einmal ins Herz geschlossen.

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