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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.11.2025

einfühlsamer Roman zu wichtigem Thema

Da, wo ich dich sehen kann
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Sobald ich ein Buch in die Hand nehme oder das Cover auf einer Internetseite sehe, entsteht ein Gefühl in mir: Neugier, Spannung, Interesse, Vorfreude… und wenn ich dann mit dem Lesen beginne, müssen sich ...

Sobald ich ein Buch in die Hand nehme oder das Cover auf einer Internetseite sehe, entsteht ein Gefühl in mir: Neugier, Spannung, Interesse, Vorfreude… und wenn ich dann mit dem Lesen beginne, müssen sich diese Gefühle beweisen. Vertraue ich dem Autor/der Autorin? Kann ich mich in den Roman vertiefen? Glaube ich den Figuren? Fühle ich mich gut unterhalten?
Im Roman „Da wo ich dich sehen kann“ hat meine Erwartungen erfüllt, sehr sogar.


Der Roman handelt von einem Femizid und davon, wie die Menschen, die zurückbleiben, damit weiterleben. Es ist eine intensive Geschichte über die neunjährige Maja, deren Vater ihre Mutter umgebracht hat, nachdem er sie schon jahrelang unterdrückt und kleingemacht hat. Maja vergöttert ihren Vater und muss nun nicht nur mit dem Verlust der Mutter sondern auch noch mit diversen Schuldgefühlen zurechtkommen, zusätzlich zur neuen Lebensumgebung bei ihren Großeltern mütterlicherseits, einer neuen Klasse und großen Verlustängsten. Aber nicht nur in ihre Welt hat der gewaltsame Tod der Mutter ein tiefes Loch gerissen, auch ihre Eltern und ihre beste Freundin Liv sind traumatisiert. Der Roman wird anschaulich aus verschiedenen Perspektiven erzählt, was mir sehr gut gefallen hat, da er aufzeigt, wie unterschiedlich Betroffene mit dem Schmerz umgehen.
Auch die inhaltliche Gestaltung ist bemerkenswert: Neben den inhaltlichen Kapiteln wird das Buch durch den Obduktionsbericht, Gerichtsprotokollen, diverse Zeitungsartikel aber auch „Was-wäre-wenn“ Kapiteln, die das Leseerlebnis noch realistischer und grausamer machen.
Ich bin begeistert von dem Buch und habe es geradezu verschlungen. Ich habe den Schmerz und die Ängste der Betroffenen geradezu gefühlt. Ich war noch nie in einer derartigen Situation und konnte mich dennoch sofort hineinversetzen und doch eine gewisse Distanz zu den Figuren bewahren, die das Ganze ertragbar macht. Ausgenommen davon ist das Kapitel um Cloés Tod, diese Situation habe ich tatsächlich auch selbst schon erlebt und deshalb intensiv mitgefühlt und ein bisschen geweint.
Auch wenn es sich hier um eine fiktionale Geschichte handelt, sollten wir uns bewusst sein, dass diese Gewalt real existiert! Ohne dass wir es merken, werden jeden Tag Frauen nur aufgrund ihres Frau-seins von Männern misshandelt oder sogar getötet. Und das nicht irgendwo am Ende der Welt (was schlimm genug ist) sondern direkt in unserer Nachbarschaft. Dieses Wissen ist erschreckend und wird lange in mir nachhallen.

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Veröffentlicht am 25.09.2025

Wie ein Fiebertraum

All the Way to the River
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Elizabeth Gilbert hat mir 2020 mit „Das Wesen der Dinge und der Liebe“ (das Buch ist bereits 2013 erschienen) ein wahrliches Lesegeschenk gemacht, deshalb habe ich mich voller Vorfreude auf ihr neues Buch ...

Elizabeth Gilbert hat mir 2020 mit „Das Wesen der Dinge und der Liebe“ (das Buch ist bereits 2013 erschienen) ein wahrliches Lesegeschenk gemacht, deshalb habe ich mich voller Vorfreude auf ihr neues Buch gestürzt aber die Autobiografie über zwei verstörte Frauen, die sich gegenseitig manipulieren war leider gar nicht meins, ich habe das Buch circa in der Mitte abgebrochen.

Es steht mir genau genommen nicht zu, das Buch überhaupt zu bewerten, denn EG legt einen schonungslosen Bericht einer Suchtkranken dar und drückt ihre tiefempfundenen Gefühle aus. Wer bin ich, das zu beurteilen? Dennoch versuche ich kurz auszudrücken, was mir an dem Buch nicht gefallen hat:
Das Buch beginnt mit einer endlos langen Einleitung darüber, wie der Geist ihrer verstorbenen Geliebten Rayya sie besucht. Ich hoffte, dass ich danach etwas über diese Person erfahren werde aber außer, dass sie syrischer Abstammung ist, Haare schneidet, ziemlich lustig sein kann und die große Liebe von EG war, weiß ich immer noch nicht viel. Die Energie des Buches konzentriert sich auf zwei Menschen, die sich beide leider ziemlich schlecht benehmen. Die Autorin gesteht zwar ihre eigenen Fehler aber das hatten wir ja in „Eat Pray Love“ auch schon einmal, das damit endete, dass sie ihr Leben gerettet und ihr Glück bis ans Ende aller Tage gefunden hatte. Und nun… geht es schon wieder los. Ich bedauere den Verlust ihrer Liebe sehr aber leider hat er mich nicht im Inneren berührt, da es soviel Selbstsabbotage und Selbstgefälligkeit gibt. Möglicherweise war es für EG einfach zu früh für dieses Buch.

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Veröffentlicht am 25.09.2025

eine Krankheitsgeschichte

Junge Frau mit Katze
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Ich habe mich sehr auf das Buch gefreut, da ich „Lügen über meine Mutter“ unheimlich spannend und gut fand. Das tolle Cover und das Thema des neuen Buches sprachen mich direkt wieder an aber leider war ...

Ich habe mich sehr auf das Buch gefreut, da ich „Lügen über meine Mutter“ unheimlich spannend und gut fand. Das tolle Cover und das Thema des neuen Buches sprachen mich direkt wieder an aber leider war das Buch gar nicht meines!
Das Buch handelt vom Leidensweg der Protagonistin Ela, die an wirklich vielfältigen Krankheitssymtomen leidet und damit von Arzt zu Arzt zieht. Dem ganz offensichtlichen Grund ihrer Erkrankungen verschließt sie sich dagegen hartnäckig. Sie möchte unbedingt eine akademische Laufbahn einschlagen, steht vor der Verteidigung ihrer Doktorarbeit, die ihr unglaubliche Angst macht und hat Aussicht auf eine begehrte Postdoc-Stelle. Dass sie meint, dafür mal eben in kürzester Zeit japanisch lernen zu müssen, vermindert ihren Druck auch nicht gerade.
Leider fand ich Ela einfach nur nervig! Sie ist dermaßen auf sich, ihre (eingebildeten) Krankheiten, ihre Karriere und ihre Familie (bzw. deren Probleme) fixiert, dass für nichts anderes Raum bleibt. So sieht sie nicht, dass ihre beste Freundin leidet, freut sich nicht für ihre Mutter, die endlich einen Weg für sich zu finden scheint oder ist für ihren Bruder da, der an einer wichtigen Weggabelung seines Lebens steht. Ich muss leider gestehen, dass das für mich Jammern auf ganz hohem Niveau war und da ich direkt vor „Junge Frau mit Katze“ „Schwebende Lasten“ von Annett Gröschner gelesen hatte, kamen mir die Problemchen von Ela im Vergleich zu denen von Hannah Krause sowas von unbedeutend vor, dass es mich richtig wütend gemacht hat. Ich kann den Frust von Ela durchaus verstehen nur interessierte es mich leider gar nicht, davon zu lesen. Ich hatte erwartet, dass es mehr darum geht, was es mit einem macht, wenn man permanent krank ist, welche Gefühle empfindet man da? Stattdessen wird man über eine Ärzteodyssee informiert.
Gut gefallen haben mir die zarte Liebesgeschichte, die Einschübe zur japanischen Literatur und Sprache und die Sammlung der Wortkonstruktionen. Auch die sprachliche Umsetzung ist gelungen.

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Veröffentlicht am 22.09.2025

Eine weibliche Perspektive auf das 20. Jahrhundert

Schwebende Lasten
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Hannah ist wirklich eine bewundernswerte Frau. Sie wächst in der Weimarer Republik auf, allein mit Mutter und 2 Halbschwestern, der polnische Vater hat die Familie verlassen und wird nicht mehr erwähnt. ...

Hannah ist wirklich eine bewundernswerte Frau. Sie wächst in der Weimarer Republik auf, allein mit Mutter und 2 Halbschwestern, der polnische Vater hat die Familie verlassen und wird nicht mehr erwähnt. Sie hilft im Blumenladen der einen Halbschwester, kümmert sich zeitweise aber auch um den Haushalt der anderen. Der erste Mann, den sie kennenlernt, schwängert sie auch gleich und muss geheiratet werden, obwohl er alles andere als eine gute Wahl ist. Auf die erste folgen viele weitere Schwangerschaften, nicht alle Kinder überleben und das ist wahrscheinlich auch gut so. Da Karl es nicht kann, bringt Hannah die ganze Familie irgendwie durch, überlebt den 2. Weltkrieg, Ausbombung, Armut, Verluste, Diktaturen. Sie arbeitet als Putzfrau, in der Fabrik, später als Kranführerin aber ihre Leidenschaft gehört den Blumen und Pflanzen. Folgerichtig beginnt jedes Kapitel mit der Vorstellung einer Pflanze oder einem Insekt vorangestellt, was eine wunderschöne Idee der Autorin ist. Hannah ist keine besonders sympathische Figur: sie ist eine einfache Frau aus der Arbeiterklasse, trifft falsche Entscheidungen, schlägt ihre Kinder. Und doch bewundere ich sie, weil sie mit ihrer Stärke überzeugt.

Das Buch hat es wirklich in sich, es erzählt vom geliebten Blumenladen im Knattergebirge (einem Viertel in Magdeburgs Altstadt, das vor dem 2. Weltkrieg als das am dichtesten besiedelten Wohnviertel Deutschlands galt), der den Krieg nicht überlebt, dem Abstieg in bittere Armut, die mit dem Wachsen ihrer Familie gleichzeitig verlief, furchtbare Kriegserlebnisse, der Aufbau des Landes, ihrem beruflichen Neuanfang und dem Leben in der DDR bis hin zum Anschluss der DDR an die BRD. Blumen und Pflanzen ziehen sich weiter durch ihr Leben und sei es nur in einem winzigen Streifen Beet vorm Fenster, den sie bewirtschaften darf.

So emotional wie die Themen im Buch auch sind, so reduziert, distanziert und fast berichthaft ist der Schreibstil. Durch das hohe Erzähltempo erdrückt einen keines der zeitweise sehr furchtbaren Details, denn bevor man sich zu sehr in eines reindenken kann, folgt schon das nächste. Hannah nimmt das Leben einfach wie es kommt. Das erinnert mich sehr an meine Großmutter, die ca dieselbe Lebenspanne hatte und deren Erzählungen mir vieles im Buch bekannt vorkommen lassen hat. Auch meine Großmutter war eine Frau, die gefallen, aufgestanden und einfach weitergemacht hat. Davon zu lesen, hat mich zutiefst berührt. Ich frage mich immer wieder, woher diese Frauen die Kraft genommen haben. Die Antwort darauf liefert Annett Gröschner nur zwischen den Zeilen. Am Ende verbleibe ich mit riesigem Respekt vor den Stärken von Frauen, die riesige Lasten stemmen können, sich um ihre Familien kümmern, die Unfähigkeit der Männer ertragen und die Frauenfeindlichkeit.

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Veröffentlicht am 16.09.2025

Wunderschön

Sunbirds
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„Sundbirds“ handelt von Anne, die bereits im siebenten Jahr ihren Sohn Torran sucht, der während eines Auslandsjahrs in Indien verschwunden ist. Ich bin selbst Mutter von 2 Söhnen und mein Herz schmerzt ...

„Sundbirds“ handelt von Anne, die bereits im siebenten Jahr ihren Sohn Torran sucht, der während eines Auslandsjahrs in Indien verschwunden ist. Ich bin selbst Mutter von 2 Söhnen und mein Herz schmerzt für sie! Sie ist völlig erschöpft, ausgelaugt und zutiefst depressiv aber plötzlich gibt es eine neue Spur, die ihre Nichte Esther, eine Journalistin, aufgetan hat. Anne und Esther verbindet eine seltsame Hassliebe. Neben der Suche nach ihrem Sohn geht es auch um die Suche nach sich selbst, der Frage nach dem „Warum“ und Neuanfängen.
Es ist aber auch eine Geschichte darüber, das Kriegsbeil zu begraben, die Vergangenheit neu zu betrachten und Liebe zu finden.
Penelope Slocombe ist es meiner Meinung nach gelungen, das Indien jenseits von Klischees einzufangen, etwas, das über die Exotik, den Duft der Gewürze hinausgeht. Ihre Beobachtungen über Westler in Indien finde ich sehr scharfsinnig und aufschlussreich. Trotz der bedrückenden Geschichte, ist „Sunbirds“ ein Liebeslied an Indien, an dseine Menschen, den Himalaya und die umliegende Region. Ich fand den Schreibstil poetisch, nachvollziehbar, besonnen und berührend. Die Charaktere sind gut gezeichnet.

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