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Veröffentlicht am 22.06.2025

Poetische Prosa zwischen den Zeiten

Verlorene der Zeiten
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Dieses Buch... ich habe so viele begeisterte Rezensionen zu "This is How You Loose the Time War" gelesen und habe mich deshalb sehr darauf gefreut; vor allem der besondere Schreibstil wurde oft als eines ...

Dieses Buch... ich habe so viele begeisterte Rezensionen zu "This is How You Loose the Time War" gelesen und habe mich deshalb sehr darauf gefreut; vor allem der besondere Schreibstil wurde oft als eines der Highlights hervorgehoben. Ich wollte die Geschichte so gerne lieben, aber am Ende hat sie meinen Geschmack leider nicht ganz getroffen - und trotzdem kann ich sehr gut verstehen, warum sie so sehr gefeiert wird.
Der Plot wird getragen von einem ziemlich abstrakten World- und Charakterbuilding, im Fokus stehen Red und Blue, die auf gegnerischen Seiten des "Time War" stehen. Sie sind Agentinnen, Soldatinnen, die durch Raum und Zeit reisen können, beide nicht ganz menschlich, aber irgendwie doch zu menschlichen Gefühlen fähig. Sie verpassen sich immer knapp, vereiteln gegenseitig ihre Missionen, bis Red einen Brief von Blue findet, was einen zunächst gehässigen, dann jedoch immer tiefgründiger werdenden Briefwechsel beginnt.
Der Schreibstil dieses Buches ist wirklich besonders; für mich gerade noch so Prosa, an der Grenze zu Poetik, manche Passagen haben sich fast poetry-slam-ähnlich gelesen. Die absolut künstlerische Form, in der Red und Blue die Briefe aneinander verfassen, in der sie sich selbst, ihre Gefühle und ihre Realität beschreiben, macht die Geschichte aus und ist wirklich gemacht für Lesende, sie Wortmagie lieben. Für mich war die daraus entstehende Abstraktheit allerdings leider zu abstrakt - ich konnte mich nicht so ganz auf die Protagonistinnen einlassen, mir haben irgendwie Kontext und Dreh- und Angelpunkte gefehlt. Gegen Ende haben wir dazu noch etwas mehr erfahren, aber dennoch ist das der Rahmen dieser Geschichte, bei der ich mir auf jeden Fall vorstellen kann, dass sie für ganz viele ein Highlight ist!

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Veröffentlicht am 25.05.2025

Leute, bitte lest dieses Buch!

»Mama, bitte lern Deutsch«
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Auf diese Buch habe ich mich so sehr gefreut, und das vollkommen zurecht. Ihr wisst, dass ich (Auto)biografien ungern klassisch rezensiere, weil ich damit ja das Leben jemandes anderen bewerten würde; ...

Auf diese Buch habe ich mich so sehr gefreut, und das vollkommen zurecht. Ihr wisst, dass ich (Auto)biografien ungern klassisch rezensiere, weil ich damit ja das Leben jemandes anderen bewerten würde; eine Empfehlung und meine Highlights kann ich aber dennoch aussprechen!
Ich verfolge Tahsims Instagram schon eine Weile, weshalb mir klar war, dass mir das Buch sprachlich und stilistisch gefallen würde; schließlich hat Tahsim unter anderem Germanistik studiert und wohlformulierte, humorvolle Beiträge gehören genau so zu seinem Instaauftritt wie die ein oder anderen sprachlichen Einordnungen auf der Metaebene. Richtig witziger und an den richtigen Stellen eindrücklicher Schreibstil, der irgendwie fast schon eine ganz eigene Kunstform ist: check.
Worauf ich in diesem Ausmaß nicht vorbereitet war, was für mich dieses Buch aber umso mehr zu einem Highlight macht, ist, was für Emotionen es in mir ausgelöst hat. Tahsims Beschreibungen von Diskriminierung (sowohl in der Schule, als auch auf der Straße, als auch in offiziellen Ämtern) haben mich wütend gemacht, die Art dagegen, wie er seine Mutter und IHRE Sprache zeichnet, wiederum sehr gerührt. Aus linguistischer und logopädischer Sicht, die ich habe, hat mir dieses Buch einiges erklärt, auf das ich mit Sicherheit in Zukunft im Umgang mit meinen Patient*innen mehr achten werde.
Ich bin sehr froh, dass Tahsim diese Plattform hat, und wünsche mir, dass viel mehr Menschen, die Diskriminierung erfahren, Gehör erhalten und ihre Geschichten erzählen können. Ein elementarer Teil von Lesen ist für mich genau das: Lebensrealitäten, die nicht meine eigene sind, zu verstehen, zu lernen und meine Empathie zu schulen. Lest dieses Buch!

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Veröffentlicht am 24.05.2025

Was es bedeutet, eine Frau zu sein

Hello Baby
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Dieses Buch hat mich aus vielen Gründen neugierig gemacht; zwei der Hauptgründe sind, dass ich feministische Geschichten super gerne lese und zum Thema Mutterschaft bisher noch sehr wenig gelesen habe, ...


Dieses Buch hat mich aus vielen Gründen neugierig gemacht; zwei der Hauptgründe sind, dass ich feministische Geschichten super gerne lese und zum Thema Mutterschaft bisher noch sehr wenig gelesen habe, und dass "Hello Baby" in Korea spielt, was auch noch eine Kultur spiegelt, in die ich bisher ebenfalls wenig Einblick hatte. Es war auf jeden Fall ein besonderes Leseerlebnis!
Die Story ist abwechselnd aus der Perspektive mehrerer Frauen erzählt, die in einer Whatsappgruppe durch ihre Kinderwunschbehandlung verbunden sind und sich gegenseitig unterstützen. Jede dieser Frauen erlebt den bisher unerfüllten Kinderwunsch einhergehend mit unterschiedlichen Erschwernissen; sozialer und familiärer Druck, ihr Alter, finanzielle Sorgen, die eigene Karriere, unsopportive Ehemänner. Als eine der Frauen unerwartet die Geburt ihres Babys verkündet, nimmt die Geschichte außerdem eine spannende Handlung, die eine weitere wichtige Ebene aufmacht...
Was mir besonders gefallen hat, war, wie prägnant in einer verhältnismäßig kurzen Geschichte sämtliche Erwartungen an Frauen* gezeigt werden, und wie es unmöglich ist, sie alle zu erfüllen. Die Headline des Klappentextes, "Wann ist eine Frau eine Frau?" trifft das für mich perfekt: wenn sie heiratet, sich um Mann und (Schwieger-)Eltern kümmert, wenn sie früh/ spät Kinder bekommt, wenn sie trotzdem arbeitet bis zum Entbindungstermin, wenn sie eine/ keine Nanny anstellt, wenn sie Schmerzen/ Fehlgeburten erleidet/ direkt weitermacht, ohne zu jammern, wenn sie die Scham ihres Mannes mitträgt, wenn sie einen Sohn auf die Welt bringt... ich könnte noch sehr lange weitermachen. Einige dieser Punkte scheinen kulturell bedingt in Südkorea schwerer zu wiegen, aber insgesamt beschreibt Kim Eui-kyung einen patriarchalen Kollektivanspruch.
Einzig der Schreibstil hat mich hier und da etwas irritiert, kam mir eher distanziert und "berichthaft" vor, das kann aber auch an der Übersetzung liegen. Alles in allem wirklich lesenswert!

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Veröffentlicht am 14.05.2025

Nicht mein Buch - aber trotzdem schön

No Longer Yours - Mulberry Mansion
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An dieses Buch hatte ich hohe Erwartungen, einfach deshalb, weil ich bisher durchweg positive Bewertungen mitbekommen haben, die die Geschichte, aber vor allem den Schreibstil der Autorin als außergewöhnlich ...

An dieses Buch hatte ich hohe Erwartungen, einfach deshalb, weil ich bisher durchweg positive Bewertungen mitbekommen haben, die die Geschichte, aber vor allem den Schreibstil der Autorin als außergewöhnlich beschreiben. Grundplot dieser New-Adult-Romance ist das Aufeinandertreffen der Protagonist:innen im Rahmen eines Studi-Projektes, bei dem ein altes Anwesen in einem Wettbewerb renoviert und als Wohnraum für Studierende genutzt werden soll; Avery und Eden kennen sich allerdings von früher, und wie für das Genre typisch steht bei diesem second-chance-trope sowohl etwas Vergangenes zwischen den beiden, als auch ihre jeweils eigenen Päckchen, die nach und nach entpackt werden.
Ich weiß nicht, ob ich mittlerweile zu alt für das Genre bin, zu viele dieser Geschichten gelesen habe oder ob es vielleicht auch an der Länge des Buches und den tropes liegt, aber ich war leider sehr zwiegespalten. Ich stimme der eingängigen Meinung zu, dass die Autorin wirklich einen super schönen, poetischen Schreibstil hat, der auch sehr gut zum Setting und den Charakteren passt (vor allem tatsächlich den Nebencharakteren, wie ich finde). Allerdings ging für mich die Handlung etwas zu langsam voran, und was ich mittlerweile wirklich nur noch ganz schwer aushalten kann, ist diese vollständige Nicht-Kommunikation, die auch hier zwischen den beiden Protagonist:innen steht. Dazu kommt die allgemein selbstgerechte Haltung vor allem Edens, eine Eigenart, die ich auch im realen Leben so gar nicht leiden kann, weil sie zwangsweise damit einhergeht, dass dem Gegenüber Entscheidungen, Gefühle und Einstellungen abgesprochen werden.
Letztendlich fand ich es aber dennoch schön, wie nach der Auflösung und den klärenden Gesprächen mit alldem umgegangen wurde; für mich hat sich der Teil bis dahin einfach nur zu lang gezogen.
Es liest sich glaube ich heraus, dass ich hier nicht ganz weiß, wie ich das Buch bewerten soll; aber es ist ein Buch, das nur weil ich es nicht geliebt habe, nicht trotzdem von euch geliebt werden kann!

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Veröffentlicht am 03.05.2025

So wichtig, so packend, so lesenswert!

Die Zeuginnen
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Mit "Die Zeuginnen" hat mich Margaret Atwood ein weiteres Mal gefesselt, schockiert, begeistert und mit dem mumlmigen Gefühl zurückgelassen, dass die von ihr erschaffene Welt gar nicht so dystopisch ist, ...

Mit "Die Zeuginnen" hat mich Margaret Atwood ein weiteres Mal gefesselt, schockiert, begeistert und mit dem mumlmigen Gefühl zurückgelassen, dass die von ihr erschaffene Welt gar nicht so dystopisch ist, wie es anfangs wirken mag.
"Die Zeuginnen" ist der Folgeband des mittlerweile schon modernen Klassikers "Der Report der Magd", einer vor mehreren Jahrzehnten erschienenen und doch aktueller den je anmutenden Geschichte über einen fiktiven Staat, dessen Regierung Frauen jegliche Rechte entzogen hat. Aufgrund von immer mehr abnehmender Fruchtbarkeit werden Frauen nur danach kategorisiert, werden in Gruppen eingeteilt, die nur den Zweck haben, der Gesellschaft zu dienen. Am untersten Ende stehen hierbei die Mägde - gebärfähige Frauen, die als Besitz von Männern dazu dienen, Kinder zu bekommen.
In Teil zwei, den Atwood übrigens etliche Jahre nach dem ersten Band geschrieben hat, erhalten wir in einer als Zeigenprotokolle aufgebauten Erzählung Einblicke in unterschiedliche Frauenleben, die teilweise mit den Geschehnissen aus Band 1 zusammenhängen. Spannend ist hierbei zusätzlich, dass wir sowohl über die Anfangsphase, als auch über den Sturz des Staates Gilead Informationen erhalten und sich die Wege der drei Protagonistinnen nach und nach verflechten.
Atwood schreibt auf eine so packende Weise, dass ihre Formulierungen wirklich oft Gänsehaut auslösen, teilweise so brutal und klar, teilweise aber auch sehr poetisch und zwischen den Zeilen, genau richtig für die Themen, die hier zentral sind. Für mich ganz klar Werke, die nicht immer Spaß machen im Sinne des klassischen Lesevergnügens, aber umso wichtiger sind, weil sie aufzeigen, wofür wir unsere Augen und Ohren offen halten sollten, gerade, wenn es um Frauen*rechte geht. Lesen!

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