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Veröffentlicht am 23.09.2021

Wunderschön

Mitgift
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Mitgift, nominiert für den deutschen Buchpreis 2021.

Zu Beginn war ich skeptisch: Wieder ein Nachkriegsroman deren Protagonisten sich über mehrere Generationen verteilen und schon wieder ein Buch, deren ...

Mitgift, nominiert für den deutschen Buchpreis 2021.

Zu Beginn war ich skeptisch: Wieder ein Nachkriegsroman deren Protagonisten sich über mehrere Generationen verteilen und schon wieder ein Buch, deren Schauplatz ein Bauernhof ist. Und diese vielen Wilhelms (genau Sieben sind es...) haben mir den Einstig ins Buch nicht leicht gemacht.
Aber dann hat es mich doch gefangen:

1962 in Klein Ilsede bei Peine wird die Totenfrau Gerda zum Hof des Bauern Leeb gerufen. Eigentlich wollte sie nie wieder einen Toten zurecht machen, jedoch lässt sie sich überreden und nimmt die Aufgabe an, denn sie war einst die Freundin vom Bauern Wilhelm Leeb. Eine Eheschließung kam jedoch nicht zustande, da Gerda über keine Mitgift verfügte.

Und so nimmt diese Geschichte ihren Lauf: Es werden Rückblicke erzählt, die bis zu 200 Jahre zurück liegen und die dann gleich wieder dem Sprung in das nächste Zeitalter, respektive Geschichte, dienen.

Henning Ahrens führt uns geschickt durch die Jahrzehnte, wo wir den Hof und die Familie Leeb begleiten: Schlachtfeste, Erbstreitigkeiten, Hungersnöte, Weltkriege kommen und gehen, ebenso wie amerikanische Besatzungssoldaten. Vater-Sohn-Konflikte sind an der Tagesordnung.

Ahrens hat einen wunderschönen und detaillierten Schreibstil. Eine perfekt konstruierte Familiengeschichte, ein dramatisches, fesselndes und spannendes Buch, das zu Recht auf der #longlist 2021 ist.

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Veröffentlicht am 16.09.2021

Brown-Babys

Stay away from Gretchen
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Wow, was für ein Buch.
Kennt ihr auch diese Bücher, wo man einen Kloß im Hals hat, wo die Kehle sich so zuschnürt? So ein Buch ist #stayawayfromgretchen

Susanne Abel schreibt ihr Buch in zwei verschiedenen ...

Wow, was für ein Buch.
Kennt ihr auch diese Bücher, wo man einen Kloß im Hals hat, wo die Kehle sich so zuschnürt? So ein Buch ist #stayawayfromgretchen

Susanne Abel schreibt ihr Buch in zwei verschiedenen Zeitebenen:

1943: Die 13-jährige Greta, in Ostpreußen aufgewachsen, ist mit ihrer Familie auf der Flucht vor den russischen Soldaten. Sie wird verschont, aber andere Frauen in ihrer Familie hatten nicht so viel Glück - geschändet von den Soldaten, mit nichts, außer der Kleidung am Leib, kommen sie im amerikanisch-besetzten Heidelberg an. Hier versuchen sie ihr neues Leben aufzubauen, doch sie sind Flüchtlinge und werden auch als solche behandelt. Der Winter ist hart und es gibt nichts zu Essen. Greta verliebt sich in den schwarzen GI-Soldaten Bob, aber dem ist es vom amerikanischen Gesetz her verboten eine weiße Frau zu heiraten.

2015: Es geht um Tom, erfolgreicher Kölner Nachrichtensprecher und ein ziemlich selbstverliebter Karrieremann. Erst als seine Mutter die ersten Anzeichen von Demenz hat, kümmert er sich mehr um die über 80-jährige Greta.
Per Zufall findet er ein Foto eines kleinen braunen Mädchen, mit wunderschönen schwarzen Locken, doch Greta schweigt hierzu. Und so beginnt er zu recherchieren und findet unglaubliches heraus.

Vorsicht: **Spoiler**
In diesem Buch geht es um die sogenannten ‚Brown Babys‘, Mischlingskinder von deutschen Frauen und schwarzen Soldaten, die zur Adoption nach Amerika freigegeben wurden, auch ohne Zustimmung deren Mütter.
Es geht um Rassismus, Unmenschlichkeit und Verletzung der Menschenrechte.

Ich hatte vor diesem Buch von den ‚Brown Babys‘ noch nie gehört, eine sehr trauriges Buch, eine gut recherchierte Nachkriegsgeschichte, eine Geschichte, die mich sehr berührt hat, eine absolute Leseempfehlung (nur das Ende war mir zu viel ‚happy‘).

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Veröffentlicht am 12.09.2021

#vanlife

Happy Road
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Sarah lernt im Österreich-Urlaub ihren Vermieter Mathias kennen und verliebt sich in ihn.
Zurück in Berlin kann sie es kaum erwarten ihre neue Liebe wiederzusehen. Bei der nächsten Gelegenheit schnallt ...

Sarah lernt im Österreich-Urlaub ihren Vermieter Mathias kennen und verliebt sich in ihn.
Zurück in Berlin kann sie es kaum erwarten ihre neue Liebe wiederzusehen. Bei der nächsten Gelegenheit schnallt sie ihr Fahrrad aufrecht auf den Dachgepäckträger und macht sich auf den Weg zu Mathias nach Österreich.
Kurz vor dem Ziel noch schnell die Kaufhaus-Toilette benutzen, sich umziehen und frisch machen, denkt Sarah, denn die letzten Stunden sass sie mit Jogginghose im Auto - so will sie sich nicht Mathias präsentieren. Wie wird er mich begrüßen? Doch hoffentlich nicht per Handschlag.., denkt sie gerade, als sie in die Tiefgarage des Kaufhauses runterfährt. RUMPS! Ein Riesenknall reißt sie aus den Gedanken und sofort ist sie sich bewußt, was diesen ‚Knall‘ ausgelöst hat: Ihr Fahrrad, oben auf dem Gepäckträger - die Höhe des Rades passte nicht ganz zur Höhe der Tiefgarage.

So beginnt das Buch Happy Road von Sarah Kringe. Man ist sofort dabei: Leicht und flüssig, mit viel Humor schreibt die Autorin und erzählt von ihrer Road Tour in einem umgebauten Transporter quer durch Europa.
Eigentlich kennen sie sich kaum, nur wenige Monate, aber sie gehen das Risiko ein, kündigen ihre Jobs und stürzen sich in das Abenteuer. Ein Abendteuer wird es wirklich, denn Sarah und Mathias erleben Pannen, übernachten bei -21°,Trinkwasser aufzutreiben ist nicht immer einfach und das Problem mit der Toilette stellt sich täglich. Wunderschöne Natur entschädigt sie jedoch oft.

Sie reisen durch Griechenland, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Serbien, Rumänien, Ukraine, Lettland, Estland, Finnland, Norwegen und Schweden, wobei sie den harten Winter in Skandinavien verbracht haben.

Mir hat das Buch inkl. Bilder unglaublich gut gefallen. 243 Seiten (Tolino) waren viel zu schnell gelesen und Sarah schreibt so authentisch, dass ich das typische Geräusch hören konnte, wenn der Camper bei Sarahs Erzählungen durch die tiefen Schlaglöcher der Ukraine polterte.
Grosse Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 04.09.2021

Wenn der Alkohol alles zerstört

Shuggie Bain
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Glasgow, in den 80er Jahren: Shuggie Bain, Lieblingskind von Agnes, der Trinkerin, wächst hier im Arbeiterviertel in Armut auf. Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit prägen das Leben der Arbeiter in ...

Glasgow, in den 80er Jahren: Shuggie Bain, Lieblingskind von Agnes, der Trinkerin, wächst hier im Arbeiterviertel in Armut auf. Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit prägen das Leben der Arbeiter in Glasgow. Huggies Vater hat schon lange die Flucht ergriffen: Anfänglich von Agnes Schönheit geblendet, hat er längst begriffen, dass er ihr nicht helfen kann. Unterhalt zahlt er nicht - und so landen Agnes, ihre zwei Kinder aus erster Ehe und dem gemeinsamen Kind Shuggie in der Sozialwohnungssiedlung. Agnes versäuft das Geld von der Stütze am ersten Tag nach Erhalt und für Essen bleibt den Kindern nichts mehr. Wenn das Geld alle ist, macht Agnes sich schön, pflegt sich, zieht ihren schönen Pelz aus alten Tagen an (der Pfandleiher wollte den nicht haben) und macht sich auf dem Weg um einen Mann zu suchen, der ihr einen Drink spendiert.
Shuggies ältere Geschwister Kath und Leek ziehen aus, und so ist es an Shuggie sich um seine Mutter zu kümmern. Er, der anders ist als andere Jungs, feminin mit weichem Gang, versucht auf seine Mutter aufzupassen. Er schwänzt die Schule, beschützt sie vor aufdringlichen Männern die an die Tür klopfen, wischt ihr Erbrochenes auf und bringt sie ins Bett. Doch Shuggie gibt nicht auf: Das Wohlbefinden seiner Mutter ist für Ihn das erste Gebot…

Es ist ein Buch über bedingungslose Liebe, Sucht und Abhängigkeit und deren Auswirkungen auf alle Familienmitglieder.

Shuggie Bain ist der Romandebüt von Douglas Stuart, der hier die eigene Geschichte seiner alkoholkranken Mutter erzählt, ausgezeichnet mit dem Booker Preis 2020.

Mir persönlich hat die tieftraurige Geschichte gut gefallen, lesenswert, aber nicht mein Lesehighlight des Jahres. Der Sprecher hat mir gut gefallen.

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Veröffentlicht am 01.09.2021

Generationen unter einem Dach

Wildtriebe
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Drei Generationen auf einem Bauernhof:
Lisbeth ist die Erbin des hochangesehenen Bethches-Hofs in einem kleinen Fachwerk-Dorf in Hessen. Sie ist Patriarchin durch und durch, diszipliniert, organisiert ...

Drei Generationen auf einem Bauernhof:
Lisbeth ist die Erbin des hochangesehenen Bethches-Hofs in einem kleinen Fachwerk-Dorf in Hessen. Sie ist Patriarchin durch und durch, diszipliniert, organisiert und von früh bis spät arbeitend, immer darauf bedacht, was die Anderen, die Nachbarn, über sie sagen könnten. Wenn sie durchs Dorf geht, trägt sie ihre Nase hoch.

Als Lisbeths Sohn heiratet und die moderne Marlies zu ihnen auf den Hof zieht, erhofft sie sich Unterstützung von der Schwiegertochter. Marlies jedoch möchte weder eine Kinderschar gebären, noch ihre Arbeit im Modehaus aufgeben. Es brodelt und der Konflikt nimmt seinen Lauf. Das keiner über Probleme und Gefühle in der Großfamilie spricht, macht es nicht einfacher.
Als das langersehnte Enkelkind Joanna endlich geboren wird, nehmen die Unstimmigkeiten mit den unterschiedlichen Vorstellungen von Kindererziehung noch zu.

Ute Mank lässt uns in ihrem Debütroman an dem Alltagsleben mit Traditionen in einer Bauernfamilie teilhaben. Sie beschreibt wunderbar wie sich der Hof mit jeder Generation verändert.
Dadurch, dass Lisbeth und Marlies im Wechsel erzählen, hadert oder leidet man mit ihnen.


Es ist einerseits ein Roman über einen Generationskonflikt und die fortschreitende Industrialisierung, als auch die Rollenveränderung der Frau, in ihrem Kampf um Selbstbestimmung, Anerkennung und Freiheit.
Das Buch Wildtriebe von Ute Mank regt zum Nachdenken an.
Eine Leseempfehlung von mir! 4½ Sterne

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