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Veröffentlicht am 06.11.2020

Die Last eines zehn Jahre alten Geheimnisses

INSEL
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Sie erzählt gerne Geschichten. Sie schmückt sie aus und füllt die Lücken, bis sie sicher ist, sie auf die spannendste Weise erzählen zu können. Immer wenn sie das abgelegene Sommerhaus ihrer Familie besucht, ...

Sie erzählt gerne Geschichten. Sie schmückt sie aus und füllt die Lücken, bis sie sicher ist, sie auf die spannendste Weise erzählen zu können. Immer wenn sie das abgelegene Sommerhaus ihrer Familie besucht, erzählt sie eine bestimmte Geschichte.

Einst soll einer ihrer Vorfahren in der Nähe gelebt haben, der vor vielen Jahren als Hexer au dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Und manchmal, wenn man nachts wachliegt und nicht schlafen kann, soll man ihn noch hören können.

Niemals würde sie eine Nacht allein im Sommerhaus verbringen. Auch dieses Mal ist sie nicht allein dorthin gefahren. Niemand weiß, dass sie dort sind. Es soll ihr Geheimnis sein; doch dieses Geheimnis fordert seinen Preis.

»Sie durchquerten die Hochmoore, eine baumlose Landschaft, die sich karg und unheilvoll leer in der Dämmerung vor ihnen erstreckte, und fuhren entlang des größten Fjords, des Ísafjarðardjúp, zur Küste hinunter.«

Dagur muss mit ansehen, wie sein Vater noch im Schlafanzug aus dem Haus geführt und verhaftet wird. Er will es verhindert, wehrt sich, doch er kann es nicht verhindern. Er weiß, dass in diesem Moment seine Familie kaputtgeht.

»Der Frieden war gestört worden, in der Nachbarschaft und in seiner Familie. Niemand, der es mit angesehen hatte, würde jemals den Anblick vergessen, wie Veturliði in der Dämmerung nur mit einem Schlafanzug bekleidet, von der Polizei aus seinem Haus gezerrt worden war, während sein Sohn Zeter und Mordio geschrien hatte.«

Dem zweiten Teil der ›Hulda‹-Trilogie gelingt es mühelos, an die Qualität des ersten Bandes, ›Dunkel‹, anzuknüpfen. Zwar baut er nicht auf den Geschehnissen des ersten Bandes auf, da die Bände achronologisch angeordnet sind, doch zeigt er für manches darin einen Teil der Vorgeschichte. Im zweiten Band ist Hulda jünger, der Ruhestand noch in der Ferne und ihr Wunsch nach einem Karrieresprung groß.

Ragnar Jónasson ist ein Meister der leisen und unaufdringlichen Spannung. Die Atmosphäre ist dicht, die Stimmung düster und geheimnisumwoben.

›Insel‹ braucht keinen möglichst bestialischen oder blutigen Mord – vielmehr leben die Fälle von Geheimnissen, menschlichen Bindungen und Nöten. Viele scheinen etwas zu verheimlichen zu haben, alte Probleme schwelen noch unter der Oberfläche.

Nachdem ›Dunkel‹ und ›Insel‹ bereits überzeugen konnten, bleibt nur noch, auf den dritten Band der Trilogie – ›Nebel‹ – zu warten. Eins ist auch hier sicher: Es wird spannend werden.

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Veröffentlicht am 06.11.2020

Das letzte Aufbäumen einer abgeschriebenen Kommissarin

DUNKEL
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Seit Jahrzehnten arbeitet Hulda Hermannsdóttir für die Polizei. Doch obwohl sie besser ist als die meisten ihrer Kollegen, ist sie nie über den Rang einer Kommissarin hinausgekommen. Während Kollegen, ...

Seit Jahrzehnten arbeitet Hulda Hermannsdóttir für die Polizei. Doch obwohl sie besser ist als die meisten ihrer Kollegen, ist sie nie über den Rang einer Kommissarin hinausgekommen. Während Kollegen, die weit weniger gründlich und sorgsam arbeiteten, auf der Karriereleiter an ihr vorbeizogen. Doch diese hatten eines gemeinsam, dass Hulda nie sein würde, sie waren Männer.

Wie viele in ihrem Beruf erfüllt Hulda der Gedanke an ihre Pension mit Unbehagen. Doch als ihr Chef ihr eines Morgens mitteilt, dass sie nicht erst zum Ende des Jahres in Pension gehen soll, sondern in zwei Wochen, erwischt es Hulda eiskalt. Man bräuchte ihr Büro. Man habe die Chance, einen vielversprechenden Aufsteiger anzustellen. Ihre Fälle seien bereits an die Kollegen verteilt worden. Doch so einfach lässt sich die 64-jährige Kommissarin nicht in den Ruhestand schicken.

Für ihre letzten zwei Wochen darf Hulda in ›Dunkel‹ Cold Cases bearbeiten, auf die sie Lust hat. Und bald findet sie sich in einem Fall, der nicht nur jede Menge Fehler aufweist, sondern sie an ihre Grenzen bringen wird.

»Man hatte die Leiche der jungen Frau an einem dunklen Wintermorgen in einer felsigen Bucht am Vatnsleysuströnd gefunden, einem dünn besiedelten Küstenstreifen im Norden der Halbinsel Reykjanes etwa dreißig Kilometer südlich von Reykjavík.«

Hulda hat sich bei der Polizei stets ausgeschlossen und auf sich allein gestellt gefühlt. Am Ende nun so grob und plötzlich in den Ruhestand befördert zu werden, macht das nicht besser. Vielleicht fühlt sich die Kommissarin sich deswegen der toten jungen Frau schnell verbunden: Wenn Hulda nicht den Fall wieder für sie aufgreift, wird es niemand tun. Ihre Kollegen und auch die Öffentlichkeit haben mit ihrem Fall bereits abgeschlossen, genauso wie mit Hulda.

»Sie vermisste ihr altes Leben, die gute alte Zeit, und obwohl sie mit Pétur einen neuen Freund gefunden hatte, fühlte sie sich allein auf dieser Welt. Nie hatte sie das stärker empfunden als in diesem Augenblick.«

Die ›Hulda‹-Trilogie weist ein Merkmal auf, das sie stark von anderen Trilogien unterscheidet: Huldas Geschichte wird nicht chronologisch, sondern achronologisch erzählt. In ›Dunkel‹ erleben wir Hulda in ihrem letzten Fall, bevor der Ruhestand ihre Karriere beenden soll. In den Folgebänden ›Insel‹ und ›Nebel‹ hingegen erleben wir sie auf der Höhe ihrer Karriere in ihren prominentesten Fällen.

Bereits der erste Band ›Dunkel‹ macht deutlich, dass Hulda mehr ist als eine Kommissarin. Was sie vor ihrem Freund Pétur verbirgt, weiß auch niemand sonst auf dieser Welt. Nach und nach erzählt sie ihm von ihrer Kindheit, ihrem schwierigen Verhältnis zu ihrer Mutter und dem Tag, an dem sie ihre ganze Familie verlor.

»Aber hier war sie nun, allein mit ihrem Kind, und konnte nachts vor Sorge um die Zukunft kaum schlafen.«

Obwohl Hulda kein strahlender Sonnenschein ist, ist sie sympathisch, auf ihre eigene, in die Jahre gekommene Art, die sich selbst treu bleibt. Die Atmosphäre, die Jónasson in ›Dunkel‹ verdichtet, ist auf jeder Seite spürbar. Huldas Island ist düster, schön und geheimnisvoll.

Auch das Ende des ersten Bandes der Trilogie kann überraschen, ob auf eine gute oder schlechte Weise wird wohl jeder Leser und jede Leserin für sich selbst entscheiden müssen. Doch einst ist ›Dunkel‹ auf jeden Fall: spannend, auf eine düstere, unaufdringliche und ruhige Art.

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Veröffentlicht am 06.11.2020

Die Geheimnisse der Verstorbenen

Attack on Titan Deluxe 7
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Wenige Jahre sind vergangen seit der Bezirk Shiganshina an die Titanen gefallen ist. Hunderte starben, mehr noch durch die Hungersnöte, die aufkamen, weil sich immer mehr Menschen hinter die innersten ...

Wenige Jahre sind vergangen seit der Bezirk Shiganshina an die Titanen gefallen ist. Hunderte starben, mehr noch durch die Hungersnöte, die aufkamen, weil sich immer mehr Menschen hinter die innersten Mauern drängten. Eren, Mikasa und Armin haben an diesem Tag fast alles verloren. Nur einander haben sie in ›Attack on Titan Deluxe Edition Band 7‹ noch.

Und nun sollen die drei endlich dorthin zurückkehren, wo sie einst als Kinder zusammen lebten. Die Häuser sind Ruinen, die Menschen nur noch Erinnerung. Passend scheint es, dass sie dort ausgerechnet den beiden Titanen gegenüberstehen sollen, die einst die Mauer durchbrachen und damit das Leben in Shiganshina auslöschten.

Die letzte Hoffnung des Aufklärungstrupps und der Menschen liegt in ›Attack on Titan Deluxe Edition Band 7‹ in dem, was sie im Kellerraum von Erens Vater zu finden hoffen. Hat sich die Geschichte in ›Attack on Titan‹ bisher aus einzelnen Puzzleteilen bilden müssen, wird sie nun zu einer vollständigen Geschichte.

»Und doch flackert in meinem Kopf immer wieder der Gedanke an diesen Kellerraum auf. Selbst wenn die Mission fehlschlägt, könnte ich es vor meinem Tod noch dahin schaffen. In den Kellerraum, den Grisha Jäger hinterlassen hat, die Wahrheit über diese Welt.«

Sie suchen nach der Wahrheit über eine Welt, die sich durch ihre Grausamkeit auszeichnet. Eine Welt, in der Menschen zu Nahrung geworden sind. ›Attack on Titan Deluxe Edition Band 7‹ knüpft direkt an die Geschehnisse aus ›Attack on Titan Deluxe Edition Band 6‹ an. Die Menschen hinter den Mauern stehen mit dem Rücken an der Wand und wissen noch immer nicht warum.

Isayama gelingt es, mit dem Manga und Anime ›Attack on Titan‹ eine Geschichte zu erschaffen, deren Geheimnisse von ebenso vielen Schichten umschlossen sind, wie die Menschen in ihren Mauern. Mittlerweile ist zwar die Identität des kolossalen und des gepanzerten Titanen gelüftet, auch über die Wandlertitanen ist mehr bekannt, doch gibt es auch in ›Attack on Titan Deluxe Edition Band 7‹ noch tiefer liegende Geheimnisse zu entdecken.

Wer glaubt, was der Aufklärungstrupp im Keller von Erens Vater findet, ist die Antwort auf alles, täuscht sich: Es ist ein Anfang. Eine Schicht des Geheimnisses wird durchstoßen, der Leser dringt tiefer zum Kern vor, doch noch immer bleiben Fragen offen.

Isayama gelingt es, die zu entdeckenden Geheimnisse so mit der Geschichte und den Handlungen zu verweben, dass alles, was entdeckt wird, überraschend ist und zugleich Sinn ergibt. Die Geheimnisse sind in der Geschichte tief verankert, ihre aufgeschobene Auflösung ist keine bloße Hinhaltetaktik, sondern der Kern. So ahnungslos wie Eren und seine Kameraden sind, so ist es auch der Leser.

»Kannst du sie auch sehen … all unsere Kameraden … ? Unsere Kameraden sehen uns an. Sie wollen endlich wissen, wofür sie gestorben sind. «

Und die Antworten, die in ›Attack on Titan Deluxe Edition Band 7‹ gefunden werden, sind nie einfach. Die anfängliche Schwarz-Weiß-Zeichnung der Menschen gegen die Titanen wird aufgelöst und verwischt. Wer glaubt, gezeichnete Geschichten sind für Kinder, der hat ›Attack on Titan‹ noch nicht gelesen. Dieser Manga geht unter die Haut, sprüht vor Spannung und Abgründen.

Doch trotz der herben Rückschläge, die Eren und seine Freunde erfahren haben, hören sie nicht auf. Sie alle haben schon zu viel verloren, um aufzuhören. Selbst hinter den Mauern sind sie nicht mehr sicher, was Jahrzehntelang galt, ist nichtig geworden. ›Attack on Titan‹ bietet eine jener Geschichten, über die gesprochen werden muss. Ich bin schon sehr gespannt auf ›Attack on Titan Deluxe Edition Band 8‹ und auf alle weiteren Bände.

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Veröffentlicht am 06.11.2020

Tipps und Tricks für den Umgang mit (vielleicht doch nicht immer ganz so) miesen Tagen

Handbuch für miese Tage
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So schön der Umschlag des Buches ›Handbuch für miese Tage‹ anmutet, so unerfreulich ist oftmals dessen Thema. Manchmal steht man nicht mit dem richtigen Bein auf. An anderen hingegen schon, aber irgendjemand ...

So schön der Umschlag des Buches ›Handbuch für miese Tage‹ anmutet, so unerfreulich ist oftmals dessen Thema. Manchmal steht man nicht mit dem richtigen Bein auf. An anderen hingegen schon, aber irgendjemand tritt einem trotzdem gegen das Schienbein. Oder in die Kniekehle. Oder man steht mit dem richtigen Fuß auf, die Mitmenschen sind einem wohlgesonnen, und dann startet man voller Euphorie und Energie in den Tag und rammt den kleinen Zeh Freude strahlend gegen die Bettkante. Und plötzlich ist jede Energie und gute Laune fort.

Und diese den kleinen Zeh hinterhältig angreifenden miesen Tage sollen für etwas gut sein? Und was ist mit den Tagen, an denen man sich nicht nur wünscht, man wäre nicht aufgestanden, sondern tatsächlich nicht aus dem Bett kommt? Gerade noch die neue Bluse angezogen und direkt brühend heißen Kaffee darüber gekippt?

Helminks ›Handbuch für miese Tage‹ ist eine Liebeserklärung an sie, an diese Tage, die weder zu einem Hochglanz-Leben passen, noch im Lebenslauf erwähnt werden, doch zu etwas zu gebrauchen sind. Denn was macht man nun mit ihnen, wenn miese Tage wieder uneingeladen vor der Tür stehen und sich selbst hineinbitten?

Das ›Handbuch für miese Tage‹ hat hierfür mehr als nur die eine oder andere Idee: Zahlreich sind die Shortcuts, die Helmink zusammengestellt hat, um die miesen Tage etwas besser zu überstehen, und sie vielleicht sogar zum Vorteil zu nutzen.

»Ich bin weder Coach oder Psychologin noch Dozentin – ich interessiere mich schon seit jeher für menschliche Ecken und Kanten, Unvollkommenheit und alles rund um die sogenannte Resilienz, also das, was man seelische Widerstandskraft bezeichnet. Deshalb sehe ich in mir selbst eine Art Cheerleaderin bei Rückschläge, Missmut und Ungemach.«

Diese Shortcuts treffen vor allem einen Kern des Menschlichen: Es muss nicht alles glänzen, auch nicht perfekt ist gut genug, und man ist nicht der einzige Mensch auf der Welt, der hin und wieder von seinen miesen Tagen erdrückt wird.

»In einer Zeit, in der wir so gerne darüber sprechen oder in den sozialen Netzwerken teilen, wie gut es uns geht, wie cool das Leben ist und wie bewusst wir das Beste aus Körper, Geist und Seele machen, scheint es nur wenig Raum für diese unausweichliche Wahrheit zu geben: Jedes menschliche Leben beinhaltet Tage, die einfach nur blöd sind.«

Mit einem Augenzwinkern und vielen Einblicken in die Tiefpunkte ihres Lebens führt die Autorin durch das ›Handbuch für miese Tage‹. Dieses ist durchzogen von ganzseitigen Abbildungen mit inspirierenden Sprüchen, die auf den Punkt bringen, womit sich die Kapitel beschäftigen.

»Mist muss nicht unbedingt Sinn ergeben.«
So schön und detailverliebt der Umschlag und das Layout des Buches ›Handbuch für miese Tage‹ auch sind, so sehr hätte ich mir gewünscht, dass die Seiten weniger textlastig sind. Durch das große Seitenformat und das einspaltige Layout haben die Seiten mich manchmal etwas erschlagen. Aber das tut dem Inhalt des Buches natürlich keinen Abbruch, der das hält, was bereits das Cover verspricht: Es zeigt Möglichkeiten auf, wie die eigenen »unglamourösen Tage« betrachtet werden können und wie auf ein »Ab« ein »Auf« folgen kann.

Helminks Vorschläge sind sehr persönlich und von der Autorin bereits erprobt. Nicht jeder Shortcut muss für jeden Leser und jede Leserin der richtige sein, doch ist bei der umfangreichen Menge an Vorschlägen sicherlich für jeden etwas dabei, das zukünftig im Umgang mit den eigenen miesen Tagen erprobt werden kann.

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Veröffentlicht am 06.11.2020

Vergessene Sünden, verlorene Erinnerungen

Beta Hearts
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Die Welt, die sie kannten, gibt es nicht mehr. KAMI hat die Sperrzonen verlassen. Immer mehr Bezirke fallen in ›Beta Hearts‹ dem von Menschen geschaffenen Virus zum Opfer, der seinen Wirten jegliche Emotionen ...

Die Welt, die sie kannten, gibt es nicht mehr. KAMI hat die Sperrzonen verlassen. Immer mehr Bezirke fallen in ›Beta Hearts‹ dem von Menschen geschaffenen Virus zum Opfer, der seinen Wirten jegliche Emotionen raubt.

Denn KAMI lernt, es entwickelt sich und ist den Menschen längst entwachsen. Und in ihm wächst ein Drang heran, stärker noch als der Wunsch, alle Menschen zu assimilieren: Es will sie verstehen. Es will wissen, warum sie so handeln, wie sie handeln. Es will Emotionen verstehen lernen. Und es will, dass die Welt in all ihren Farben und Formen endlich nicht mehr unter den Menschen zu leiden hat.

»Danach erinnere ich mich nur an Chaos. An Schreie, Schüsse, Rauch, Angst und Dunkelheit. So viel Dunkelheit in so vielen Gedanken.«

Was ist das für eine Welt, die Marie Graßhoff in ihrer ›Neon Birds‹-Trilogie beschreibt und die ein Kind braucht, das sich Stück für Stück zu einer Maschine machen lässt? Wie viel bleibt von diesem Kind übrig, das zwar mit den Jahren zu einem jungen Erwachsenen heranwächst, doch dessen Körper bis dahin zu mehr als 70 Prozent nicht mehr menschlich ist?

Und wie kann dieses Kind, das nie etwas anderes gekannt hat, als das Kämpfen, damit aufhören? Erst nach und nach wird in ›Neon Birds‹, ›Cyber Trips‹ und ›Beta Hearts‹ klar, wie kaputt diese Welt ist, in der Okijen, Andra, Flover, Luke und Byth versuchen, zu überleben. Was auf den ersten Blick fortschrittlich, erstrebenswert und makellos erscheint, bekommt Risse. Geheimnisse scheinen durch, Leerstellen bilden sich. Und immer größer wird der Wunsch, zu wissen, wie diese Welt der ›Neon Birds‹-Trilogie entstanden ist. Und vor allem, was aus ihr werden soll.

»Die Menschen gaben mir die Macht zu lernen. Und ich lernte, mich zu erinnern. An diese Wesen, die an ihren Besitztümern hängen wie an Ankern.«

Denn während alle ihre Kräfte bündeln und vereinen in dem Wunsch, KAMI endgültig auszulöschen, wächst in Andra ein anderes Ziel heran. Ist der Mensch überhaupt dazu in der Lage, KAMI in einem Kampf zu schlagen? Wenn nicht, was bleibt dann noch?

Andras Pfad ist einsam. Wen ist sie bereit, zurückzulassen, und wer ist bereit, sie zu verraten? In ›Beta Hearts‹ schließt sich die Schlinge um die Hälse der viel zu jungen Kämpfer.

»Gab es überhaupt noch Menschen auf dieser Welt außer ihnen? Gab es Städte und Dörfer und Siedlungen, in denen Menschen lebten, die keine Moja waren? Wo wären sie sicher?«

Graßhoffs Science Fiction-Trilogie ist von der ersten bis zu letzten Seite spannend. Die Fragen, die zwischen den Zeilen schlummern, rühren tief an den Kern des Menschseins heran. Die Geschichte der Menschheit ist von Kämpfen durchzogen, wie sollte es in der Zukunft anders sein? Sind Okijen und die anderen bereit, diese Welt von den Generationen vor ihnen zu übernehmen?

Bereits in den ersten beiden Bänden der ›Neon Birds‹-Trilogie ›Neon Birds‹ und ›Cyber Trips‹ hat Graßhoff bewiesen, dass sie schreiben kann und das Finale ›Beta Hearts‹ steht hierbei in nichts nach. Es ist eine dieser Reihen, über die man stundenlang sprechen könnte, weil so viele essenzielle Fragen darin schlummern.

Zugleich bleibt auch in ›Beta Hearts‹ noch vieles unbeantwortet. Zum Teil auch Fragen, um die sich die drei Bände stark gedreht haben. So bleibt zu hoffen, dass ›Beta Hearts‹ zwar das Finale der Trilogie ist, das ›Neon Birds‹-Universum jedoch noch fortgesetzt wird. Ich bin gespannt!

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