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Veröffentlicht am 15.09.2016

Überraschend und mit viel Humor!

KALYPTO - Die Herren der Wälder
2

Während die Magier des vor tausenden von Jahren untergegangen Reiches Kalypto Pläne für ein Spiel voller Krieg und Verderben schmieden, wächst der junge Lasnic zu einem respektablen Jäger in den Wäldern ...

Während die Magier des vor tausenden von Jahren untergegangen Reiches Kalypto Pläne für ein Spiel voller Krieg und Verderben schmieden, wächst der junge Lasnic zu einem respektablen Jäger in den Wäldern heran. Weit entfernt in Bergreich Garona wird Prinzessin Ayrin darauf vorbereitet eines Tages die Herrschaft über das Land zu übernehmen. Beide wissen noch nicht, welch dunklen Zeiten sie entgegenblicken müssen.

Ich kenne Tom Jacuba von seinen historischen Romanen, in denen er durch historische Genauigkeit und einen schönen Stil besticht. Wo er mich in seinen historischen Romanen zu unterhalten wusste, löste er begeistertes „An-den-Seiten-kleben“ im Fantasy-Genre bei mir aus. Und das schon nach den ersten zwei Kapiteln! Aber beginnen wir am Anfang.
Das Cover sprang mir schon im Buchladen ins Auge, ist es weder zu Mädchenhaft gemacht, noch tummelt sich darauf die gesammelte Riege der Fantasygestalten, die man sonst gerne auf Büchern abbildet. Das Cover wirkt edel in seinen grau-bronze Tönen und der Zirkel hat zudem noch Wiedererkennungswert für die nächsten Bände die noch folgen werden. Die Karte in der Klappe zog ich oft zu Rate (ich liebe es, wenn Karten dabei sind, insbesondere wenn die Charaktere viel reisen, wie es in diesem Buch der Fall ist).
Tom warf mich in seine High-Fantasy-Welt und schon nach wenigen Kapiteln fühlte ich mich sowohl in Lasnics Flussdelta wie auch im Bergreich (so unterschiedlich die beiden von Stimmung und Thematik her sein mögen) heimisch und konnte mich zunächst gar nicht entscheiden, welchen der beiden Handlungsstränge ich nun gebannter verfolgen mochte. Oder vielleicht doch die Eroberungen der Magier? Wie schon angeklungen, wechselt der Autor zwischen drei Erzählsträngen hin und her, wobei Lasnic und Ayrin die Protagonisten sind, auf denen der Fokus (und auch meine Sympathie) lagen. Der Wechsel zwischen den Handlungssträngen wurde zudem durch die Sprache verdeutlicht. Wo Ayrin sich deutlich gewählter und ihrer gehobenen Geburt angemessen auszudrücken weis, bedient sich Lasnic des Öfteren unflätigen Fluss-Delta-Ausdrücken (Marderscheiße! Ich musste nach einer Weile so grinsen, wenn er mal wieder rumfluchte!). Die Nebencharaktere waren ebenso liebevoll gezeichnet und der ein oder andere mit einem augenzwinkernden Dialekt versehen, sodass auch sie Widererkennungswert genossen und ich mich während der Lektüre darauf freute, wieder über sie zu stolpern. Generell hatten die Helden ihre Makel. Sie trugen keine strahlende Rüstung ohne Fehl und Tadel, sondern handelten aus ihrem Emotionen heraus und folgten ihren Stärken und Schwächen. Lasnic flieht vor der Verantwortung. Aylin empfindet nicht gerade Zuneigung zu ihrer kleinen Halbschwester (und die Gründe für diese Haltung stellt der Autor auch mehr als Glaubwürdig dar). Und gerade solche Helden verfolge ich sehr gerne, da sie menschlich sind und ich Leben und Leidenschaft für die Sache, für die sie stehen, in ihnen spüre. Nicht selten habe ich Nägelkauend Seite um Seite durchblättert, um ihr Schicksal zu verfolgen. Habe Gehasst und Geliebt – und es ist selten, dass ein Buch so starke Gefühle bei mir hervorruft! Als ich die letzte Seite umgeschlagen hatte, musste ich erst mal lästerlich fluchen, da die Zeit bis zum zweiten Band mir noch so unendlich lang erscheint.

Tom Jacuba gelingt es, eine opulente, großangelegte Geschichte in weniger als 600 Seiten zum Leben zu erwecken. Das gelingt manch anderem Autoren nicht auf 1100 Seiten. Er schafft es mit vergleichsweise wenigen Worten ein Sogwirkung zu erzeugen, obwohl er sich dazu entschieden hat, manche Dinge im Hintergrund passieren zu lassen oder nur anzudeuten. Aber ich muss auch nicht unbedingt jeden einzelnen Reisetag oder jedes einzelne Pferdgehoppelt minutiös dokumentiert im Buch widerfinden.
Dort, wo ich manchmal in meinen Rezensionen schreibe, dass ein paar mehr Seiten der Storyline oder den Charakteren durchaus gut getan hätten, äußere ich hier, dass in diesem Buch wirklich in der Kürze die Würze liegt (wenn 560 Seiten „kurz“ nennen kann – Fantasyleser wissen, welche Kaliber ich miteinander vergleiche).

Das Buch hat mich mit sich fortgetragen und mir viele spannende, amüsante und fluchende Lesestunden beschert. Es hat mich verschlungen und am Ende kaum mehr aus seinen Klauen entlassen. Und, wenn Leser wie ich dem Autor gerne mal einen Besuch abstatten würden, um in einer Nacht und Nebelaktion das Manuskript des nächsten Bandes zu mopsen, hat der Autor ziemlich viel richtig gemacht. Ich vergebe begeisterte 5 Sterne.


Veröffentlicht am 27.04.2023

Das Buch trifft dich bis ins Mark

Babel
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Ich muss meine Gedanken ordnen, was mir schwerer fällt als bei anderen Büchern. Muss sie von dem hohen Turm herunterlocken, auf dem sie gerade herumturnen, alle in verschiedenen Ecken, vertieft in die ...

Ich muss meine Gedanken ordnen, was mir schwerer fällt als bei anderen Büchern. Muss sie von dem hohen Turm herunterlocken, auf dem sie gerade herumturnen, alle in verschiedenen Ecken, vertieft in die Übersetzungen der einfachsten Worte. Das ist Babel, das ist Oxford. Der magische, arbeitsame Ort, an dem ich ziemlich lange verweilte. Zwei Monate hat es gedauert, ehe ich den Roman beendet hatte. Er war weder einfach, noch von der Art, die ich erwartet hatte.

Rebecca taucht sehr tief in die Kolonialgeschichte Englands ein, verwebt sie zu einem Netz, das den fantastischen Plot des Romanes trägt. Robin Swift wird als Junge von dem geheimnisvollen Professor Lovell aus China nach England gebracht, wird in Sprachen unterrichtet, um später am königlichen Institut für Übersetzungen zu lernen - und zwar zu übersetzen - oder anders gesprochen - Magie.

Sprechen wir über die Magie, die ich so nicht erwartet hätte, die sich so organisch in das Oxford des 19. Jahrhunderts einfügt, dass ich sie auf den ersten Blick gar nicht „magisch“ wahrgenommen habe. Sondern als ein Teil von Robins Handwerk - dem Übersetzen - denn darauf basiert die Magie, die Großbritannien bei der Kolonialisierung von großen Teilen der Welt geholfen hat. Das Magiesystem, dem sich Kuang da widmet, habe ich so noch nicht gesehen - und gleichzeitig macht es so viel Sinn, wie sie es erklärt und die Protagonisten durchdringen lässt.

Mit Robin hat Kuang außerdem eine Figur geschaffen, die zwischen zwei Welten zuhause ist: Chinesisch, aber so europäisch, dass er in der Mitte der Europäer auf den ersten Blick nicht auffällt. Das anerzogene Gebaren aus England, aber chinesische Wurzeln. Privilegiert genug, um sich dem Übersetzungsstudium widmen zu können - mit seinen Freunden bei Tee und Gebäck, trotzdem lässt ihn sein Mentor nie vergessen, woher er kommt. Er steht zwischen den Stühlen. Immer. Er zweifelt an sich selbst, an seiner Rolle und an seinem Leben - gerade diese Zweifel sind es, die ihn für mich so sympathisch werden lassen. Man gönnt ihm so sehr die Freiheit, die er in Oxford genießt, die Zeit, die er seinen Studien widmet und die Zeit, die er mit Ramy, Letty und Victoire verbringt. Man folgt den besten Freunden gern auf den Straßen von Oxford und zwischen die Regale von Babel und wird ein Teil von Robins Welt.

Gleichzeitig vermittelt Kuang so viel Wissen über Übersetzung und Sprache, über die Feinheiten der verschiedenen Bedeutungen, dass ich mich manchmal darin verloren habe und den Faden erst ein paar Zeilen später wieder gefunden habe. Manchmal saß ich einfach nur da und dachte mir vergeblich „Nur ein kleines Stück noch!“, wenn es um zwischenmenschliche Beziehungen ging. Viele Dinge spricht Rebecca nicht aus. Am Ende bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es genauso wirken soll. Dass Rebecca genau die richtigen Worte gefunden hat, um das Ungesagte zwischen die Zeilen zu schreiben. Der Roman hat viele Lesarten. Rebellisch, kritisch, fantastisch. Für mich war er eine Mischung aus allem und er lässt mich nachdenklich zurück und mit einem Tränchen im Auge, denn letztendlich zeigen wir uns alle der Welt in allen denkbaren Übersetzungen und hoffen, dass wir verstanden werden.

Highlight? Ja, ist es. Aber nicht auf die Art, die ich mir zu Beginn vorgestellt habe. Voller Action und starken Emotionen. Die Geschichte wird leise erzählt und schlägt erst am Ende eine Brücke im Geiste der Leser. Gerade diese ungewöhnliche Art des Erzählens verleiht dem Roman seine Stärke.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.09.2016

Berauschendes Finale

KALYPTO - Der Wächter des schlafenden Berges
1

Der Wächter des Schlafes fürchtet sich zurecht, denn von der Ferne her naht Gefahr für ihn. Das Dienstvolk, das Kalypto so dringend sucht, begehrt auf. Immer mehr Magier, über deren Schlaf der Wächter ...

Der Wächter des Schlafes fürchtet sich zurecht, denn von der Ferne her naht Gefahr für ihn. Das Dienstvolk, das Kalypto so dringend sucht, begehrt auf. Immer mehr Magier, über deren Schlaf der Wächter doch eigentlich wachen sollte, sterben. Lasnic und seine Freunde und Feinde sind auf dem Weg nach Kalypto, um die Magier endgültig zu vernichten und so den Frieden wieder herzustellen. Doch wird es gelingen?

Auf diesen dritten und finalen Band der Trilogie freute ich mich sehr, und natürlich knüpfte ich hohe Erwartungen an das Buch. Die beiden vorherigen Bände schafften es, mich vollends zu überzeugen und in ihren Bann zu ziehen. Ich hoffte auf genau die selbe spannende Unterhaltung, die mir in den Vorgängern geboten wurde!
Die Wiedersehensfreude war groß, als mir gleich auf den ersten Seite der Geschichte der Waldmann Lasnic und seine Frau Ayrin entgegen traten und mir halfen, zurück in die Handlung zu finden. Sie schließt nahtlos an die anderen Bände an, und sie beginnt genauso spannend wie fesselnd. In den nächsten Kapiteln tauchen mehr alte Bekannte (hassen und liebenswerte) auf. Ich hasste Lauka mit ihrer Machtgier genauso inbrünstig, wie ich über Lord Frix und seine Sprache schmunzeln musste. Das Charakterdesign ist Tom Jacuba wirklich ausnehmend gut geglückt, insbesondere da er beinahe jedem Volk und jeder Person eine eigene Sprache verlieh. Die größte Entwicklung hat über die ganze Reihe hinweg Catolis durchgemacht (ja, die Magierin) und am Ende gefiel sie mir sogar wirklich gut, obwohl ich sie im ersten Band so gar nicht leiden konnte. Aber das ist wohl auch ein Zeichen dafür, dass Tom sein Handwerk durchaus versteht. Wahrlich kein Charakter gleich dem anderen, was jeden für sich interessant macht. Das ist die beste Voraussetzung, für ein spannendes, vielschichtiges Abenteuer.
Und spannend war die Reise zum Vulkan allemal. Gespickt mit unzähligen Gefahren konnte der Leser drei Handlungslinien lange Zeit mitverfolgen. Die Erzählweise wechselte ständig zwischen der Gruppe um Lasnic, Lauka und ihre Ritter und Catolis - und da haben wir auch meinen ersten Kritikpunkt. Die Reise war zwar spannend, aber ich empfand sie als ein wenig in die Länge gezogen. Natürlich müssen alle Schachfiguren zunächst an ihren Platz gebracht werden, aber dadurch, dass es eben drei Erzählperspektiven waren, zog sich vor allen Dingen der Mittelteil ein wenig. Zum Ende hin gewann das Buch rasch wieder an Fahrt, richtete sich auf und bekam Wind unter die Segel, sodass ich das Erzähltempo auch wieder in vollen Zügen genießen konnte.
Die Sprache hat Tom Jacuba wunderschön differenziert gestaltet. Lord Frix’ Sätze waren herrlich amüsant und Lasnics Flüche derb wie eh und je. Vielleicht hätte der Autor nicht gar zu oft auf Lasnics Narbe verweisen sollen. Die Leser bekommen das meist auch so mit.

Die größten Rätsel wurden gelöst, die meisten losen Fäden zu einem Teppich verknüpft und Tom hat uns mitgenommen in eine detailreiche Welt, die ihres gleichen sucht.
Und trotzdem konnte mich dieser Band nicht ganz so stark beeindrucken wie seine Vorgänger, und das lag noch nicht mal so sehr an der kleinen Länge im Mittelteil. Manchmal hat man seine Lieblingsbände einer Reihe und das waren bei mir nun einmal der erste und der zweite. Aus diesem Grund vergebe ich 4 Sterne für den Abschlussband der Reihe.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Anders!

Der Palast der Meere
1

Stürmische Zeiten herrschen während der Regentschaft von Elizabeth und zu Zeiten Francis Drake und der großen Entdeckungsfahrten auf den Weltmeeren. Und mittendrin finden zwei Waringhamsprösslinge ihren ...

Stürmische Zeiten herrschen während der Regentschaft von Elizabeth und zu Zeiten Francis Drake und der großen Entdeckungsfahrten auf den Weltmeeren. Und mittendrin finden zwei Waringhamsprösslinge ihren Weg durch nicht immer ruhige Fahrwasser.
Eleanor of Waringham ist das Auge der Königin und die engste Vertraute dieser mächtigen Frau. Und während sie am Hofe Auge und Ohr offen hält, soll Isaac of Waringham das Erbe seines Hauses antreten. Dass er jedoch ganz anderes im Sinn hat als auf dem idyllischen Landgut zu versauern, bekommt Lord Waringham spätestens dann mit, als sich Isaac auf ein Schiff schleicht um seinem Schicksal zu entgehen. So beginnt eine neue Ära in der Geschichte der Waringhams.

Ich habe seit Monaten dem „Palast der Meere“ entgegengefiebert und meine Erwartungen in einem kräftigen Freudenfeuer geschürt. Endlich wieder ein neuer Waringham von Rebecca Gablé – endlich! Als ich den Roman in den Händen hielt, war ich hin und weg vom Cover. Smaragdgrün und frisch kommt es daher, in der Mitte prangt ein Schiff, das eine Krone auf dem Haupte trägt. Unschwer ist zu erraten, was das Thema dieses Romans ist, oder? Die Seefahrt und die Kaperfahrten spielten tatsächlich eine große Rolle in dem Buch, jedoch auch das Leben Elizabeths, doch lasst uns von vorn beginnen und dann überprüfen, ob der Palast meine Erwartungen übertroffen hat, oder ob er gesunken ist, wie ein leckgeschlagener Kahn.

Zunächst einmal war ich erstaunt. Für dieses Buch hat Rebecca Gablé zwei Charakteren die Hauptrolle gleichermaßen zugedacht. Eleanor und Isaac of Waringham, zwei Charaktere, die sich einander nicht gerade in inniger Liebe zugewandt waren, und die auch zwei gänzlich unterschiedliche Geschichten zu erzählen hatten. Den beiden wurde gleich viel Raum in dem Buch zugedacht und ich lernte sie, und ihre kleinen Marotten schnell kennen und lieben. Die beiden sind sympathische, eigenwillige Persönlichkeiten, und das macht, denke ich auch, ihren besonderen Reiz aus. Auch die vielen anderen Charaktere aus Gablés neuem Roman waren überwältigend. Einige davon haben mein Herz im Sturm erobert, wie zum Beispiel der blinde Lappidot. Ganz nebenbei lernen wir Königin Elizabeth kennen (und verstehen), genauso wie wir die charakterlichen Widersprüche von Francis Drake enträtseln. Und diese kleinen Einblicke, nicht nur in den geschichtlichen Werdegang, sondern auch in das persönliche Leben historischer Persönlichkeiten macht für mich einen Teil des Charmes eines Gablé-Romans aus.

Der Fokus der vorherigen Waringham-Romane lag meistens auf einer einzigen fiktiven Persönlichkeit, vielleicht noch auf einem wichtigen Nebencharakter. In diesem Falle mussten zwei Geschichten in einem Roman untergebracht und die Charaktere im Detail dargestellt werden. Das erfordert natürlich Raum und stiehlt Seiten an anderer Stelle. Hat die Aufteilung auf zwei Protagonisten diesen Roman schlechter gemacht als ihre anderen Romane? So direkt würde ich das nicht behaupten. Er ist anders, aber trotzdem gut. Gablé hat eben gerade einen anderen Ansatzpunkt genommen, um in die Geschichte zweier so unterschiedlicher Themenstränge einzusteigen und sie historisch korrekt darzustellen.
Ich habe nur an manchen Stellen die politische Nähe vermisst, habe die Auswirkungen, die politische Entscheidungen auf die Figuren hatten, nicht wirklich mit Haut und Haaren gespürt und an mancher Stelle hätte ich mir durchaus noch mehr Erklärung gewünscht. Hier wurde eine Intrige am Rande erwähnt, da ein Putsch, aber selten wurde er wirklich geschildert. In den Vorgängern hatte ich mehr das Gefühl wirklich an der Materie und auch bei politischen Entscheidungen anwesend zu sein. In diesem Fall wurde sich eher auf private Diskussionen beschränkt. Manchen mag das eher zusagen, anderen sind lieber nahe an der Materie.

Die Schauplätze wurden bunt und opulent, spannend und exotisch gewählt. Gablé nimmt uns mit auf eine Reise in die neue Welt, und auch an den Hof, voller prächtiger Kleider und Prunk, von Elizabeth. Die Darstellung fand ich grandios. Ich war immer mit dabei, immer auf dem Schiff oder schlug mich mit einer Machete durchs Unterholz. Gablés Beschreibungen krochen mir so manches Mal förmlich unter die Haut. Doch leider Gottes rückte Waringham (notwendigerweise, ich versteh das schon) in den Hintergrund. Wie hab ich die Stallungen und die Burg vermisst und wie die kurzen Stippvisiten genossen, bei denen ich die Luft der Rosengärten schnuppern durfte.

Wie soll ich dieses Buch, voller wunderbarer kleiner Details, die mir die damalige Zeit näher gebracht haben, bloß beurteilen. Hat es meine Erwartungen erfüllt? Nein, nicht ganz. Gablé ist auf fremden Pfaden gewandelt, und hat mich, die doch eigentlich auf die bekannten Gefilde der Waringhamschen Heimat gehofft hatte, mitgenommen ins Unbekannte. Ich habe mich auf diese Fahrt eingelassen und wurde mit einem opulenten Einblick in eine Zeit voller Entdeckungen und Intrigen belohnt.

Trotzdem – ich habe Waringham vermisst, und die politische Nähe, die ich aus ihren anderen Büchern kenne und liebe. Aus diesem Grund bewerte ich das Buch mit 4,5 glorreichen Sternen. Ich setzte meine Messlatte in schwindelerregender Höhe an, doch als Maßstab sind mir die anderen Waringham-Romane leider zu lebhaft in Erinnerung geblieben!

Veröffentlicht am 10.04.2024

Authentisch, blutig und mörderisch

Essex Dogs
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„Und jetzt sind wir hier. Und wir führen Krieg um unseren althergebrachten Anspruch. Einen Krieg, der vielleicht ein Jahr dauern wird. Oder zehn. Oder hundert.“



1346 - zehn Söldner gehen an der Küste ...

„Und jetzt sind wir hier. Und wir führen Krieg um unseren althergebrachten Anspruch. Einen Krieg, der vielleicht ein Jahr dauern wird. Oder zehn. Oder hundert.“



1346 - zehn Söldner gehen an der Küste der Normandie an Land. Mit ihnen ein gesamtes Heer. Dieser Schritt sollte eine Zeitspanne einläuten, die wir als den 100jährigen Krieg kennen. Ein Krieg zwischen England und Frankreich, um Herrschaftsanspruch, um Macht und Eitelkeit, um Geld und Territorien - ein Krieg der unendliches Leid produzierte - aber gleichzeitig bis in die heutige Zeit fasziniert.

Und mittendrin hat Dan Jones den Essex Dogs - der gerade erwähnten Söldnertruppe - Leben eingehaucht und mich so hautnah erleben lassen, was sie erlebt haben, was sie gefühlt haben und durch welchen Schlamm, Kot, durch welches Blut und durch welche Leichenteile sie waten mussten, um nur die ersten sechs Wochen durchzuhalten. Und ich war bei ihnen. Dan Jones hat uns hautnah die historischen Ereignisse der ersten rauen Kriegswochen aus den Augen der Essex Dogs miterleben lassen. Und gerade das hat mich an die Seiten gefesselt. Wer mich ein bisschen kennt, der weiß, dass ich mich mehr auf die Charaktere konzentriere und mit ihnen mitfiebere. Dan Jones hat hier raue, kampferprobte Figuren erschaffen, die alles andere als seelenlos waren, trotz der Schimpfworte und des Blutes an ihren Händen. Zehn Söldner sind in der Truppe, doch Dan Jones hat sich meist auf zwei bis drei Perspektiven beschränkt, sodass ich vor allen zwei Figuren in ihrem Denken und Handeln kennen lernen durfte.

„Wir sind, wer wir sind, und tun, was wir tun. Wir passen aufeinander auf.“

Loveday ist ein Anführer und will eigentlich nur eines. Seine Essex Dogs nach dem Krieg wieder heil nach England zurückbringen. Dafür kämpft er, dafür erträgt er Schmerzen, Gestank und Blut, und dieses Ziel ist ihm nicht von Außen eingegeben worden, nein, er hat den Entschluss selbst gefasst - um nicht den Verstand zu verlieren in den Wirren des Krieges - und gerade wegen diesen Beweggründen ging mir seine Figur so nahe.

Romford ist der jüngste der Truppe und ein begabter Bogenschütze. Durch einen Zufall wird er Knappe des Schwarzen Prinzen - und durch seine Augen sehen wir einen nörgelnden, aufbrausenden und unsicheren Prinzen. Wir erleben, was der Krieg mit einem Menschen anstellen kann - Stichwort PTBS - auch die Suchtthematik wird hier angesprochen. Ich fühlte mich ihm nahe! Und diese Nähe hat mich durch die Seiten, durch all den Mord und Tod, aber auch durch Momente der Freundschaft und des Zusammenhaltes (auch zwischen ungewöhnlichen Gefährten) getragen.

Dan Jones beschönigt nichts. Der erste Band ist nichts für schwache Mägen. Essex Dogs ist der erste Roman in einer Trilogie. Der zweite Band erscheint übrigens im August in Deutsch! Davor wurde der Historiker und Journalist mit Sachbüchern und Podcasts zur Geschichte des Mittelalters bekannt.

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