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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.09.2025

Witzig, Spritzig, leicht verstörend und absolut lesenswert

Gym
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Da ich „Die Gespenster von Demmin“ von Verena Keßler sehr mochte, war ich schon sehr gespannt auf diesen Roman. Auch wenn das Thema ein ganz anderes ist, hat mich dieses Buch wieder vollkommen vereinnahmt.
Wir ...

Da ich „Die Gespenster von Demmin“ von Verena Keßler sehr mochte, war ich schon sehr gespannt auf diesen Roman. Auch wenn das Thema ein ganz anderes ist, hat mich dieses Buch wieder vollkommen vereinnahmt.
Wir begleiten eine namenlose Erzählerin durch viele unglaublich starke Szenen. Sie bewirbt sich für einen Job im Fitnessstudio. Angesprochen auf ihre weniger sportliche Figur, behauptet sie einfach, sie habe kürzlich entbunden. Diese „Notlüge“ begleitet einen durch den ersten Teil, was manchmal ziemlich lustig ist. Aber man merkt schnell, dass unsere Hauptfigur kein schlechtes Gewissen wegen ihrer Lüge, und der zahlreichen anderen Lügen, die diese nach sich zieht, hat. Dann trifft sie auf Vick, eine Bodybuilderin, und von da an hat sie nur noch ein Ziel: besser zu sein als die Beste, koste es, was es wolle.
Ich habe dieses Buch sehr genossen. Diese präzisen Sätze von Verena Keßler treffen immer genau ins Schwarze. Die Sprache ist so herrlich direkt, und die weibliche Hauptperson, die sich immer mehr in den Optimierungswahn hineinsteigert, habe ich sehr gerne, oft mit einem Kopfschütteln, beobachtet. Im Laufe der Geschichte wird ihr Lebensweg immer weiter entblättert, und langsam fügt sich alles zusammen.
Besonders einfallsreich und genial fand ich den Schluss. Man kann erahnen, wie die Geschichte höchstwahrscheinlich weitergeht, ohne dass darüber noch ein weiteres Kapitel geschrieben werden müsste.
Einfach ein witziges, spritziges und auch leicht verstörendes Buch, was ich durchaus positiv meine. Lesenswert!

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Veröffentlicht am 17.09.2025

Genauso wie erwartet - sehr gut

Im Leben nebenan
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Ich hatte schon so viel über den Roman von Anne Sauer gelesen und wollte ihn unbedingt selbst lesen. Die Fragestellung, was passiert wäre, wenn man im Leben eine andere Abbiegung genommen hätte, fand ich ...

Ich hatte schon so viel über den Roman von Anne Sauer gelesen und wollte ihn unbedingt selbst lesen. Die Fragestellung, was passiert wäre, wenn man im Leben eine andere Abbiegung genommen hätte, fand ich äußerst spannend. Mit großer Vorfreude habe ich dabei Antonia beobachtet, die auf einmal in einem Einfamilienhaus mit Baby im Arm aufwacht. Eigentlich hätte sie neben ihrem Freund in einer Stadtwohnung und ohne Kind erwachen müssen. Nun hängt sie irgendwie in einer parallelen Welt in ihrem Heimatdorf und ist mit ihrer Jugendliebe verheiratet.
Ich fand diese Idee schon ziemlich genial. Der Text liest sich auch wirklich sehr schnell weg, da man sich sehr gut in Antonia einfühlen kann. Es ist einfach sehr interessant zu erfahren, wie sie mit der Situation umgeht. Die Auflösung ist dann aber leider nicht so ganz befriedigend, aber das passt eigentlich ganz gut – denn wie soll so eine verrückte Geschichte denn auch enden?
Ich fand das Buch sehr solide geschrieben, denn ich habe genau das bekommen, was ich erwartet habe. Ich würde es auch jederzeit weiterempfehlen.

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Veröffentlicht am 10.08.2025

Bildgewaltig, berührend und erschreckend gut

Adlergestell
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Das Adlergestell ist die längste Straße Berlins. Sie wurde 1753/54 angelegt. Laura Laabs hat hier ihre Figuren für den gleichnamigen Roman angesiedelt. Die Erzählerin wächst in einer Eigenheimsiedlung ...

Das Adlergestell ist die längste Straße Berlins. Sie wurde 1753/54 angelegt. Laura Laabs hat hier ihre Figuren für den gleichnamigen Roman angesiedelt. Die Erzählerin wächst in einer Eigenheimsiedlung auf, zusammen mit ihren Freundinnen Lenka und Chaline. Es ist Anfang der 1990er Jahre, die Mauer ist gefallen. Die Mädchen werden eingeschult und gehen in einer Demokratie zur Schule. Alles um sie herum verändert sich rasant, und jeder muss von heute auf morgen damit klarkommen. Doch die Gespenster aus alten Tagen lassen sich nicht so leicht abschütteln.

Der Roman beginnt in der Gegenwart. Die Erzählerin setzt sich mit ihrer Vergangenheit auseinander. Wie konnten sich die Mädchen, die aus ganz unterschiedlichen Verhältnissen stammen und dennoch beste Freundinnen wurden, aus den Augen verlieren? Wie ist es geschehen, dass sie nun ganz unterschiedliche Leben führen?

Dieser Roman ist einfach eine Wucht. So bildgewaltig, so intensiv und vielfältig. Von der ersten bis zur letzten Seite schafft es Laura Laabs, ein unvergessliches Panorama über die Nachwendezeit bis in die Gegenwart zu zeichnen. Dabei streift sie das Leben vieler unterschiedlicher Menschen und Generationen, die alle Kinder ihrer eigenen Zeit sind und sich mit deren Gespenstern auseinandersetzen müssen. Das Cover passt dabei so wunderbar, dass einem bei der Lektüre sehr schnell klar wird, wie treffend es gewählt ist.
Die Autorin beobachtet sehr genau und hat bei mir viele, bereits vergessene Details aus meiner Kindheit wieder hervorgebracht.

„Colakracher explodierten im Mund. Head Bangers sprengten die Schädeldecke. Und Center Schocks stoppten den Herzschlag gleich ganz. Über Nacht war der alte Konsum in den neuen Krieg des Konsums eingetreten, und wir waren seine Söldner.“

Das Buch ist kein Wohlfühlroman, sondern setzt sich mit sehr ernsten Themen auseinander, wie Gewalt gegen Kinder, soziale Ungerechtigkeit, Rechtsradikalismus und vieles mehr. Dabei ist die Darstellung nie plump oder direkt, sondern eher ganz nebenbei, sodass man beim Lesen manchmal aufschreckt. Besonders beeindruckend ist der unfassbar kluge und wachrüttelnde Schluss.

Hach, ich wünsche mir mehr solche Bücher. Ich bin einfach nur begeistert und kann dieses Werk absolut empfehlen!

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Veröffentlicht am 21.07.2025

Ein wirkliches Highlight für mich

Eine Welt nur für uns
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Die Sonne brennt vom wolkenlosen Himmel. Vor der Küste ankert eine riesige Yacht im azurblauen Wasser. Die Luft riecht nach Sonnencreme. Man hört französische, italienische und deutsche Sprachfetzen. Kleine ...

Die Sonne brennt vom wolkenlosen Himmel. Vor der Küste ankert eine riesige Yacht im azurblauen Wasser. Die Luft riecht nach Sonnencreme. Man hört französische, italienische und deutsche Sprachfetzen. Kleine Kinderhände graben im feinen Sand, um die größte Sandburg an der Côte d’Azur zu bauen. Kaum vorstellbar, dass dies vor 85 Jahren ein ziemlich tödliches Unterfangen gewesen wäre, denn die Strände dieser beliebten Urlaubsregion waren vermint.
„Eine Welt nur für uns“ handelt von einer Gruppe von Minenräumern, die die Strände von den tödlichen Hinterlassenschaften des Krieges befreien müssen. Unter ihnen ist Vincent, der aus deutscher Kriegsgefangenschaft geflohen ist, um in Südfrankreich etwas über Ariane herauszufinden, seine große Liebe. Hier trifft er auf Lukas, einen deutschen Kriegsgefangenen, der ebenfalls zu dieser gefährlichen Arbeit verpflichtet wurde. Der Deutsche scheint etwas über Ariane zu wissen, aber Lukas ahnt nicht, wie sehr ihre beiden Leben miteinander verwoben sind.
Mich hat dieses Buch sofort gepackt. Die Autorin kann sehr gut erzählen und die einzelnen Figuren sowie Schicksale aus den verschiedensten Perspektiven beleuchten. Jede Person hat den Krieg anders erlebt. Besonders beeindruckt hat mich zum Beispiel Saskia, eine Jüdin, die nach der Befreiung durch die Alliierten wieder in ihre Heimat zurückkehrt und nun eine andere französische Familie in ihrem Haus vorfindet, die ebenfalls nicht gewillt ist, dieses so einfach wieder zu verlassen.
Claire Deya zeigt in diesem Roman, dass eben nicht alles nur schwarz oder weiß ist, sondern dass es auch nach dem Krieg viel Ungerechtigkeit gab.
„Auf die Frage, die sich alle stellten – hätte das, was in Deutschland geschah, auch in Frankreich passieren können? – fanden sie hier die Antworten, in diesen Kisten voller Hass.“
Wer die Antworten auch finden will, sollte unbedingt dieses grandiose Buch lesen – über ein Stück französisch-deutscher Geschichte an der Côte d’Azur.

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Veröffentlicht am 26.05.2025

Ein sehr lehrreiches Buch

Wie ein Foto unser Leben rettete
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Der fünfjährige Gavra lebt mit seiner jüngeren Schwester und seinen Eltern im ehemaligen Jugoslawien ein ganz normales, glückliches Leben. Doch dann bricht der Zweite Weltkrieg aus und für die jüdische ...

Der fünfjährige Gavra lebt mit seiner jüngeren Schwester und seinen Eltern im ehemaligen Jugoslawien ein ganz normales, glückliches Leben. Doch dann bricht der Zweite Weltkrieg aus und für die jüdische Familie beginnt eine wahrhafte Odysee auf der Flucht vor den Nazis. Schutz finden sie in Albanien und treffen dort auf ziemlich mutige Menschen, die sich ihrer annehmen.

Ich habe das Buch zusammen mit meinem zehnjährigen Sohn gelesen und wir beiden waren sehr angetan von dieser wahren Geschichte. Schon der Titel macht einen neugierig, was es denn nun mit diesem Foto auf sich hat. Und auch jedes Kapitel lässt einen gespannt zurück. Am liebesten hätten wir das Buch in einem Rutsch durchgelesen.
Die Erzählweise ist einfach genial für Kinder. Nicht zu viel Informationen, aber auch nicht zu wenig. Ein sehr guter Einstig für Kinder in die Geschichte des Zweiten Weltkrieges und die Verfolgung der Juden. Da es die Erzählung eines kleinen Jungen ist, der hauptsächlich die Geschichte aus seiner kindlichen Sichtweise erzählt, sind die Kinder mit diesem Thema auch nicht überfordert. Das Buch lässt Spielraum, um darüber zu Reden, was damals passiert.

Und dann sind da ja noch diese zahlreich Fotos und Illustrationen, die einen das Schicksal der Familie sehr nahe bringen.

Sehr interressant fand ich, welche Rolle Albanien damals gespielt hat und das Juden dort Zuflucht gefunden haben. Auch Erwachsene können hier durchaus noch etwas lernen.

Und wer wissen will, wieso und warum ein Foto die Familie von Gavra gerettet hat, der muss das Buch schon selber lesen und das kann ich auch nur jedem Empfehlen, egal ob groß oder klein.

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