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Veröffentlicht am 22.10.2022

Finstere Zeiten

Das verborgene Paradies
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Luca Di Fulvio nimmt mich mit in „Das verborgene Paradies“, ein bildgewaltiges Epos, geprägt von Tradition und Aberglaube.

Suzanna erblickt unter dramatischen Umständen das Licht dieser Welt. Es ist eher ...

Luca Di Fulvio nimmt mich mit in „Das verborgene Paradies“, ein bildgewaltiges Epos, geprägt von Tradition und Aberglaube.

Suzanna erblickt unter dramatischen Umständen das Licht dieser Welt. Es ist eher eine düstere Welt, in die sie hineingeboren wird. Einzig Fra‘ Thevet nimmt sich ihrer an, allen anderen ist sie eher suspekt. Auch der kleine Daniele hat ein schweres Los, das ihn schier zu erdrücken droht. Die Kirche hat einen hohen Stellenwert, ihre Inquisitoren verfolgen jeden, der sich ihrer Lehre widersetzt. Der Aberglaube ist weit verbreitet, auch in Borgo San Michele, dem kleinen Dorf in den Ostalpen, halten sie daran fest. Sie sind weitgehend ungebildet und so soll es auch bleiben.

In zwei Zeitebenen begleite ich Susanna und Daniele und so manch anderen. 1610 ist das Jahr, in dem Susanna geboren wird, Daniele ist da schon fünf Jahre alt. Beide sind sie etwas besonderes, sie sind wissbegierig, haben ihren eigenen Kopf, sie lassen sich nicht verbiegen. Was so manchem gar nicht gefällt. Im Jahre 1633 ist der Prozess, der sich durchs Buch zieht, in vollem Gange, geleitet von dem Inquisitor Constantin Tron. Er, der Instructor Domini, klagt an. Der Verteidiger in diesem Prozess, in dem es um eine Mordanklage geht, ist der Instructor Daomonii, er ist der Anwalt des Teufels. Schon diese beiden Titel sagen viel aus, die Gerechtigkeit bleibt eher außen vor.

Mir gefällt wieder sehr, was ich von Luca Di Fulvio lese. Die beiden Zeitebenen, die sich immer wieder abwechseln, sind gut lesbar, wenn auch anfangs ein wenig gewöhnungsbedürftig. Die Kirche und ihre weltlichen Vertreter haben viel Macht, ihre Lehre darf nicht angezweifelt werden. Wer es dennoch wagt, bracht viel Mut und einen eisernen Willen dazu. Hexenprozesse sind weit verbreitet, es braucht nicht viel, um in die Fänge der Inquisition zu geraten. Es muss einen nicht wundern, wenn sich viele wegducken, einfach nichts gesehen und gehört haben wollen.

Die einzelnen Charaktere sind eindrucksvoll und lebensnah dargestellt. Mich hat der Autor mit seinem neuesten Werk wieder sehr gefesselt, ich bin regelrecht abgetaucht, habe den Prozess mit Schaudern und Bangen und einem Fünkchen Hoffnung verfolgt. Wie ist es dazu gekommen? Wer ist der wahre Mörder und warum? Wird die Gerechtigkeit siegen?

„Lass dir niemals die Flügel stutzen.“ Dies hat eine ihr wohlgesonnene Äbtissin Susanna mit auf den Weg gegeben. Und Susanna, das „verrückte Köpfchen“, ist immer aufrecht gegangen.

„Das verborgene Paradies“ war nicht paradiesisch. Es war eine grausame Zeit, geprägt von der Lehre der Kirche und deren gnadenloser Durchsetzung. Der historische Roman hat diese finstere Epoche gut eingefangen und auch das Ende war für mich erwartbar, ja nachvollziehbar. Luca Di Fulvio hat mich mit seinem neuesten Werk wiederum gut unterhalten, er hat mir viel von der damaligen Zeit erzählt, er hat mich mitgerissen. Ich habe mit ihnen allen gefühlt im Guten wie im Bösen.

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  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 20.10.2022

Bedrohlich, dramatisch, skrupellos

Dark Clouds
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„16 Tage bis zum Untergang Europas, wie wir es kennen. Drei Experten, die sich dem Kampf gegen eine vernichtende Katastrophe stellen. Ein Ziel – doch die Zeit rennt gnadenlos.“

München: Philip Graf rennt ...

„16 Tage bis zum Untergang Europas, wie wir es kennen. Drei Experten, die sich dem Kampf gegen eine vernichtende Katastrophe stellen. Ein Ziel – doch die Zeit rennt gnadenlos.“

München: Philip Graf rennt nach unten, nimmt die Treppe, denn vom dritten Stock ist er so schneller auf der Straße. Beinahe tischtennisgroße Hagelkörner, wie Hagelbomben, kommen herunter. Alarmanlagen heulen auf, Autodächer werden zerschlagen, Windschutzscheiben bersten, er selber ist innerhalb kürzester Zeit völlig durchnässt. Sein so liebevoll restaurierter Alfetta, sein Oldtimer, gibt keinen Mucks mehr von sich. Und dann – war der Spuk vorbei. Das Unwetter ging in Regen über, die Sonne kam durch. In Hamburg, in Frankfurt, ja deutschlandweit sieht es nicht viel besser aus. Häuser werden unbewohnbar, die Infrastruktur wird Stück für Stück zerstört.

Wir sind mittendrin im Klimawandel, das ist Fakt. Starkregenperioden wechseln sich ab mit lang anhaltender Trockenheit und nicht nur die Welt steht Kopf, auch die Verschwörungstheorien nehmen überhand. Thilo Falk zeichnet ein Schreckensszenario, das sich über ganz Europa zieht. Was ist da los? Ganz unterschiedliche Charaktere liefern sich ein Wettrennen gegen die Zeit, denn noch ist ihnen nicht klar, ob diese katastrophalen Witterungsverhältnisse dem Klimawandel geschuldet oder doch eher menschengemacht sind. Aus welchen Gründen auch immer, Profitgier ist jedenfalls nicht auszuschließen.

Die Nässe zieht sich durch, die einzelnen Akteure stolpern ziel- und planlos durch die Seiten, die allseits bekannten Verdächtigen werden auch hier aufgegriffen. Es regnet, es schüttet, es wiederholt sich und ich frage mich schon, ob da wirklich noch was passiert. Es dauert, bis der Thriller so richtig in Fahrt kommt. Aber dann bin ich dabei, jetzt mag ich das Buch nicht mehr weglegen. So gemächlich es trotz der bedrohlichen Wassermassen zunächst war, so rasant ging es dann zur Sache.

Mit „Dark Clouds – Der Regen ist dein Untergang“ ist Thilo Falk ein aufwühlender Klimathriller gelungen. Überzeichnet, das ja. Aber durchaus nachvollziehbar.

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Veröffentlicht am 18.10.2022

Schuldig?

Rachejagd - Gequält
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Die Journalistin Anna Jones ist zutiefst schockiert, als sie diese wenigen Zeilen liest: „Ich vermisse dich… ich sehe dich…“. Harris ist zurück! Schlagartig wird ihr klar, dass sie ihm, ihrem damaligen ...

Die Journalistin Anna Jones ist zutiefst schockiert, als sie diese wenigen Zeilen liest: „Ich vermisse dich… ich sehe dich…“. Harris ist zurück! Schlagartig wird ihr klar, dass sie ihm, ihrem damaligen Entführer, nie entkommen ist, auch wenn sie vor drei Jahren fliehen konnte. Sie wendet sich an ihren Jugendfreund, dem FBI-Agenten Nick Coleman.

„Gequält“ ist der Auftakt der Rachejagd-Trilogie, es folgen „Verraten“ und „Zerstört“. Dass es hier, beim ersten Band, blutig zur Sache geht, verrät schon das Cover mit dem blutgetränkten Messer.

Die Jagd beginnt! Aber wer jagt hier wen? Nick holt sich mit Lynette McKenzie eine kompetente Profilerin als Verstärkung und Annas Kollege Zane Newton ist der stets hilfsbereite IT-Experte, der so manch verschlossen geglaubte Tür öffnet. Ein ungewöhnliches Team. Eine beklemmende Situation. Ein wiederaufgetauchter Täter.

Der Prolog führt mich drei Jahre zurück, das Martyrium von Anna und Natalie wird mir so richtig bewusst. Harris will Rache, so viel meine ich zu wissen. Anna ist ihm damals entkommen, sie hat sich ins Leben zurückgekämpft und doch hat sie Schuldgefühle - sie konnte ihre Freundin nicht retten.

Ein so spannend wie nervenaufreibender Wettlauf beginnt, der sich durchs Buch zieht. Ich lese einen dieser Thriller, die mich extrem fesseln. Ein Katz- und Mausspiel, ich bin auf der Seite der Guten, der Verfolgten. Obwohl ich mir zwischendurch nicht sicher bin, ob sich nicht doch eine Figur ins Vertrauen schleicht, ich habe über viele Seiten einen vagen Verdacht. Und zwischendurch blitzt immer mal wieder die Vergangenheit auf.

Es ist nichts so, wie es scheint. Niemandem ist zu trauen, so etlichen ist alles zuzutrauen. Der Täter ist ihnen immer einen Schritt voraus, auch wenn sie zwischendurch aufholen - er ist einfach nicht greifbar. Und auch wenn man meint, das war es dann wohl, wendet sich das Blatt. Bis zur buchstäblich letzten Zeile hält mich dieser so rasante Thriller gefangen. Der erste Fall geht so dramatisch wie spannungsgeladen dem Ende zu, der zweite Band will unbedingt gelesen werden.

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Veröffentlicht am 15.10.2022

Eine Familiengeschichte

Gut Erlensee - Margaretas Traum
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Die angenehme Stimme der Sprecherin hat mich ins Jahr 1919 zurückgebeamt - ich bin gut angekommen auf Gut Erlensee bei der Familie Lamprecht. Während des Krieges führt Margareta, die Tochter des Hauses, ...

Die angenehme Stimme der Sprecherin hat mich ins Jahr 1919 zurückgebeamt - ich bin gut angekommen auf Gut Erlensee bei der Familie Lamprecht. Während des Krieges führt Margareta, die Tochter des Hauses, zusammen mit ihrer Schwester Marilla und ihrer Großmutter Ilsegard die familieneigene Druckerei. Nun werden sie hier nicht mehr gebraucht, Vater Hermann kümmert sich wieder selbst darum. Der schwer traumatisiert aus dem Krieg heimgekehrte Gregor ist der einzige Sohn, er ist eher den Pferden zugetan, mit der Firma will er nichts zu tun haben. Der Druckerei droht die Insolvenz, sollte nichts schleunigst ein Geldgeber aufgetrieben werden. Greta ist im heiratsfähigen Alter und so ist es aus Hermanns Sicht nur recht und billig, seine Tochter dem vermögenden Spross derer von Weidental anzudienen. Mutter Adelheid sieht dies ähnlich.

Die Lamprechts haben mich prächtig unterhalten. Hermann in seiner ungehobelten Art brachte mich bald gegen sich auf, er war ein Vertreter seiner Zeit. Egal ob in der Familie oder in der Druckerei – sein Wort galt. Die Kinder hatten sich zu fügen, eine Tochter musste standesgemäß vermählt werden. Ein Musiklehrer oder ein verarmter Graf als Heiratskandidat – das geht gar nicht!

Es brechen neue Zeiten an, die Frauen dürfen wählen, der Arbeiterrat stellt Forderungen von wegen Arbeitsschutz, verkürzten Arbeitszeiten und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, auch Lohnsteigerungen stehen im Raum.

Die Autorin hat die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg gut eingefangen. Die Charaktere waren allesamt authentisch, vom Choleriker bis hin zur aufgeschlossenen Großmutter. Der Mann hatte das uneingeschränkte Sagen, die Frauen hatten sich zu fügen. Liebe und Zuneigung zählte nicht viel, ein solventer Schwiegersohn war allemal besser. Die Spanische Grippe, Drogen und Homosexualität sind ebenfalls Thema, es wird ein weiter Bogen gespannt.

„Gut Erlensee – Margaretas Traum“ ist der erste Band, zwei weitere folgen. Eine Familiensaga.

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Veröffentlicht am 14.10.2022

Informativ, unterhaltsam und grausam zugleich

Der Horror der frühen Chirurgie
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Ein Sachbuch, das zugleich informativ und unterhaltend ist. Nie hätte ich gedacht, mich mit Details aus der plastischen Chirurgie zu befassen. Nicht mal annähernd! Was hab ich damit zu tun, hätte ich mich ...

Ein Sachbuch, das zugleich informativ und unterhaltend ist. Nie hätte ich gedacht, mich mit Details aus der plastischen Chirurgie zu befassen. Nicht mal annähernd! Was hab ich damit zu tun, hätte ich mich gefragt. Kein Thema für mich! Und doch bin ich im Nachhinein froh, dieses Buch gelesen zu haben.

Der Titel erschließt sich mir während des Lesens, ich war entsetzt über die Einzelschicksale, über die entstellten, die teils weggeschossenen Gesichter. Auch das Cover sehe ich jetzt mit anderen Augen, es ist gut gewählt.

Viel habe ich erfahren über die Anfänge der Schönheitschirurgie, obwohl schon sehr viel eher, nicht erst während des Ersten Weltkrieges, sich so einige an die Rekonstruktion eines Gesichtes gewagt haben. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg.

Mit Harold Gillies, von dem ich bis dato nichts wusste, bin ich ganz tief eingetaucht in die Materie. Schon erstaunlich, was dieser Chirurg zustande gebracht hat, wie vielen er nicht nur das Aussehen, sondern auch ihre Würde zurückgegeben hat. Seine Arbeit, sein Werdegang, sein Leben zieht sich durchs Buch, angereichert mit Einzelschicksalen, mit Anekdoten vom Schützengraben bis ins Lazarett. Die Autorin erzählt diese ihre Geschichten sehr einfühlsam und gut lesbar. Des Öfteren musste ich durchatmen, war von der Grausamkeit des Krieges, den fürchterlichen Wunden, zutiefst erschüttert.

Zugegeben, das Buch ist nichts für sanfte Gemüter. Auch wenn die Bilder nur im Kopf entstehen, so kann man diese nicht zurückdrängen. Und ich konnte es nicht sein lassen, mir im Netz Bilder anzusehen. Kein schöner Anblick, aber jeder unnütze Krieg bringt nicht nur Siege oder Niederlagen. Es sind diejenigen, die an die Front müssen, deren Leben danach ein anderes ist.

Die Schönheitschirurgie, wie wir sie heute verstehen, hat ihren Ursprung im Ersten Weltkrieg. Gillies hat mit seinem unermüdlichen Einsatz den Grundstein gelegt zu all diesen oftmals unnötigen, aber auch segenbringenden Operationen - man denke nur an die vielen Unfallopfer.

„Der Horror der frühen Chirurgie“ ist mein erstes Buch von Lindsey Fitzharris. Faszinierend und grausam zugleich, gut verständlich auch für medizinische Laien geschrieben.

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