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Veröffentlicht am 26.09.2025

Einfach sehr amüsant und unterhaltsam

Hustle
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Leonie hat ihren letzten Arbeitstag. Zum Dank für die denkenswerte Zeit hat sie ihrem Vorgesetzten ein ganz bestimmtes Abschiedsgeschenk bereitet. Sie hat Kressesamen eingeweicht, bis sie schön schleimig ...

Leonie hat ihren letzten Arbeitstag. Zum Dank für die denkenswerte Zeit hat sie ihrem Vorgesetzten ein ganz bestimmtes Abschiedsgeschenk bereitet. Sie hat Kressesamen eingeweicht, bis sie schön schleimig geworden sind. Im Büro des Chefs holt sie den Glibber mit einem Esslöffel aus dem Gefrierbeutel und schmiert ihn auf Leitz-Ordner, Tastatur, Mousepad und den kleinen Stoffbären, mit dem Herta-BSC-Trickot auf der Fensterbank.

Ihre Kisten waren schon gepackt, die Bücher auf die umliegenden öffentlichen Bücherschränke verteilt, das Internet hatte sie abgemeldet. Im Flughafen, auf dem Weg zu den Philippinen erreicht sie eine Mail. Er sehe davon ab, die Behörden einzuschalten, aber sie werde in dieser Branche nie wieder einen Fuß auf die Erde kriegen, dafür werde er sorgen. Und sie hatte so gerne in der Pflanzengenetik gearbeitet, allerdings nicht bei Mosweti (erinnert an Monsanto), nicht mit genmanipuliertem Mais und nicht mit einem brüllenden Zentauren.

Vier Monate war sie unterwegs gewesen und hatte gedacht, nun sei Gras über die Kresse gewachsen. Nun jedoch saß sie in ihrem ehemaligen Kinderzimmer auf dem Bett und schrieb unzählige Bewerbungen, die fast alle unbeantwortet blieben. Ihr Ex-Chef hielt, was er versprochen hatte. Hier in Bocholt, gleich neben ihren streitenden Eltern wird sie versinken, also rafft sie sich auf und zieht nach München. Eine hochpreisige möblierte Absteige ist schnell gefunden und am Staatsmuseum für Zoologie suchen sie jemanden, der Ordnung in die Exponate bringt. Von Flora zu Fauna, ein Versuch ist es wert.

Fazit: Julia Bähr hat eine absolut aktuelle, humorvolle Geschichte über junge Frauen, die unabhängig bleiben wollen, geschaffen. Vier Frauen versuchen im kleinbürgerlichen, versnobten München dem Kapitalismus ein Schnippchen zu schlagen und auf unkonventionelle Weise Geld zu verdienen. Die Protagonistin schmeißt ihren gut bezahlten Job hin, weil sie den Zeitdruck und ihren cholerischen Vorgesetzten nicht mehr erträgt, der ihre Forschungsarbeit für seine ausgibt. Im teuren München lernt sie drei augenscheinlich sehr erfolgreiche Frauen kennen, die sie zunehmend in ihre Clique aufnehmen. Nach und nach lernt sie ganz neue Seiten an sich kennen und kommt in den Genuss von echter Frauenfreundschaft, die ihr zuvor nie beschieden war. Die Autorin hat einen feinen Sinn für Humor, lässt Selbstironie und Situationskomik mit einfließen und hat mich an zahlreichen Stellen zum Lachen gebracht. Das ist frisch, frech, amüsant und so unterhaltsam.

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Veröffentlicht am 25.09.2025

So spannend, wie ein Besuch im Naturkundemuseum

Noatun
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Ein Fauchen weckte Angelund und ihm wurde gleich klar, dass das Geräusch weder von Wasser noch von Wind verursacht wurde. Jemand klopfte hart an seine Tür. Als Angelund öffnete, standen Ole Ornberg und ...

Ein Fauchen weckte Angelund und ihm wurde gleich klar, dass das Geräusch weder von Wasser noch von Wind verursacht wurde. Jemand klopfte hart an seine Tür. Als Angelund öffnete, standen Ole Ornberg und seine Frau vor ihm. Die Frau, halb angezogen, mit klappernden Zähnen jammerte: „Wir gehen fort von hier, jetzt sofort“. Ein Gang durch den kleinen Ort offenbarte, dass das Haus von Sara und Halvdan von einem Felssturz getroffen worden war. Mehrere Bretter waren geborsten, das Mondlicht schien herein. Ein Teil des Alkovens, in dem Halvdan die Bettstatt eingerichtet hatte, war ebenfalls zertrümmert. Sara, die, solange Halvdan auf See war, bei Angelund und seiner Familie wohnte, schlug die Hände vors Gesicht. Es musste Gottes Wille sein, dass beide nicht anwesend waren.

Vor einem Monat erst waren Angelund und seine Frau ins Dødmansdal gezogen. Sie hatten die erste Hütte gebaut und den Ort Noatun genannt, danach waren weitere Siedler hierhergekommen. Die Stadt bot keine Arbeit und keinen erschwinglichen Lebensraum mehr. Hier hatten sie Land gepachtet und wollten sesshaft werden. Nun war es schon Mitte September, allmählich mussten die Schiffe vom Nordmeer heimkommen und dann wären sie alle wieder vereint. Angelund war mit den Frauen alleine geblieben, sie hatten Kartoffeln gelesen, Torf getrocknet, Zäune gebaut und Rotbarsch geangelt.

Bauer Sigvard und sein Schafhirt Andreas hatten in der Siedlung herumgeschnüffelt, waren barsch und unfreundlich zu ihnen. Sigvard würde sie augenblicklich dem Sysselmann melden, falls sie sich am Treibholz bedienten. Und das Grasen der Ziegen jenseits der Einfriedung sei sofort zu unterbinden. Tilda glaubt, dass der Hirte Andreas etwas mit dem nächtlichen Steinschlag zu tun haben könnte und unterstellt, er sei ein böser Mann.

Fazit: Diese Geschichte von William Heinesen (1900-1991) wurde 1938 erstmalig veröffentlicht. Der Guggolzverlag, der sich auf skandinavische Literatur spezialisiert hat, fand die Geschichte so lesenswert, dass er sie 08/2025 erneut verlegt hat und hat recht. Diese komplexe Geschichte ist so spannend wie ein Besuch im Naturkundemuseum. Eine Gruppe verarmter Menschen flieht vor der Stadt, die ihnen keine Sicherheiten bietet. Sie bauen eine Siedlung an einem unwirtlichen Ort, wo sie autark leben wollen. Das Kräftemessen mit der Natur verlangt ihnen alles ab. Sie leben vom Fischfang, dem Ackerbau und der Schafzucht. William Heinesen hat die Geschichte mit großer Gottgläubigkeit (Der Herr gibt und der Herr nimmt) und windig unterhaltsamen Charakteren gespickt. Da ist die manipulative Tilda, die die ganze Siedlung aufmischt, Ole Ornberg, der Klinkenputzer und der barmherzige Frederik, der als unbeschriebenes Blatt aus dem Nichts auftaucht. Drei Monate im Jahr erstrahlt ein richtiger Sommer, den Rest des Jahres kämpfen die Bewohner um ihr Überleben. Der Schreibstil des Autors ist solide, ruhig und fesselnd. Eine großartige historische Erzählung, die ich sehr gerne gelesen habe. Das ganze Buch ist so hochwertig gestaltet, wie alle Bücher des Guggolzverlages

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Veröffentlicht am 23.09.2025

Befremdlich aber sehr unterhaltsam

Schmutz
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Sie begann im September an der Franklin School in New York City. Aisha hatte sie eingestellt, weil Sasha sie empfohlen hatte. Ein Beruf mit mehr Glamour hätte ihr besser gefallen, aber das Unterrichten ...

Sie begann im September an der Franklin School in New York City. Aisha hatte sie eingestellt, weil Sasha sie empfohlen hatte. Ein Beruf mit mehr Glamour hätte ihr besser gefallen, aber das Unterrichten machte ihr Spaß. Die Jungs waren noch sauber in ihren feinen Klamotten und sie war gerne mit ihnen zusammen. Zuvor war sie mit Sasha auf Kuba gewesen und er wusste, dass sie aus Palästina weg musste. Sie waren schon seit Jahren zusammen, aber er hatte keine Macht über sie. War er nicht anwesend, verschwendete sie keinen Gedanken an ihn. Es ist nicht so, dass sie darauf stolz ist, eine leidenschaftliche Beziehung wäre ihr lieber, aber sie blieb stets gerne mit einem Fuß auf dem Boden.

Sie hat eine Aversion gegen Schmutz und New York ist voll davon, voll von krankheitsverheißenden Erregern. Sie benutzt drei verschiedene Lotionen, um ihr Gesicht zu säubern, bevor sie sich schminkt, geht weder ungeduscht aus dem Haus noch ins Bett. Nach dem Aufwachen trinkt sie ein Glas Zitronensaft, danach lauwarmes Wasser und Kaffee. Dann entleert sie mühelos ihren Darm und ist außen wie innen sauber. Ihre Reinlichkeitsrituale sind zeitintensiv und geben ihr Sicherheit.

Beide Eltern starben bei einem Autounfall, weil der Vater eingeschlafen war. Ihr Bruder und sie überlebten. Sie erbten jeder die Hälfte des Vermögens 28.755.000 Dollar. Das Testament sieht allerdings vor, dass sie nur über einen geringen monatlichen Betrag verfügen kann. Sie ist gleichzeitig reich und arm.

Sasha wusste, dass meine Familie aus Bisan stammte. Ich habe keine Ahnung, wann oder warum ich ihm das erzählt habe, vielleicht in jenem ersten Stadium von Verliebtheit, in dem das Erzählen von einer schweren Tragödie einen zusammenschweißt und zu bedeutungsvollerem Sex führt. S. 198

Fazit: Yasmin Zaher hat in ihrem, mit dem Dylan Thomas Prize ausgezeichneten, Debüt, das Dasein einer emigrierten Palästinenserin verhandelt. Die Protagonistin wirkt kess, aufgeweckt, ein bisschen schnoddrig in ihren Interaktionen und sehr mit sich selbst beschäftigt, das ist allerdings nur die Oberfläche. Mit ihrer Zwanghaftigkeit versucht sie ihre Traurigkeit über die Vertreibung aus der Heimat, ihre traumatische Kindheitserfahrung und den Frust über das verschlossene Erbe zu kontrollieren. Ihre Beziehungen sind lieblos und geprägt von ihrer Manipulation. Es gibt keine Freundin an ihrer Seite. Ihr Bedürfnis, gut auszusehen, bestens gekleidet und sauber zu sein, entspringt dem Bedürfnis, besonders zu sein. Es ist so befremdlich, diesem anstrengenden Charakter bei seiner tendenziellen Selbstzerstörung zuzusehen, dass es schon wieder spannend ist. Ihre Kompensationsversuche nehmen immer schrägere Ausmaße an und so ist das Ende der Geschichte recht verstörend. Die Autorin hat großes Erzähltalent und rattert die Story zügig herunter, so als hörte ich einer augenscheinlich interessanten Frau bei ihren diversen Alltagsanekdoten zu. Schreiben und unterhalten kann sie definitiv. Ich muss gestehen, dass ich, was die Hauptdarstellerin angeht, viel interpretiert habe und das ist mein kleines Manko. Die Autorin lässt hinter der Oberflächlichkeit viel Raum für die Leserin, sich die Gründe zusammenzupuzzeln. Allerdings ist das Ganze auch sehr unterhaltsam und daher mein Jammern auf hohem Niveau. Lesenswert!

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Veröffentlicht am 23.09.2025

Toxische Beziehung

Schöne Scham
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Christian streicht Amalia eine Strähne hinters Ohr. Er ist gut drauf. Kata fragt sich laut, wann Lenny das letzte Mal so aufmerksam zu ihr war. Christian geht Katas Kompliment runter wie Erdnussbutter. ...

Christian streicht Amalia eine Strähne hinters Ohr. Er ist gut drauf. Kata fragt sich laut, wann Lenny das letzte Mal so aufmerksam zu ihr war. Christian geht Katas Kompliment runter wie Erdnussbutter. Kata will Lenny herausfordern, der den Kopf an die Scheibe gelehnt hat und döst. Sie könne sich wirklich nicht erinnern, wann Lenny zuletzt ihren Nacken liebkost habe. „Seit du dich über meine rauen Hände beschwert hast“, brummt Lenny.

Ola hat sich noch bei niemandem gemeldet. Sie wollen schnell bei ihr Halt machen und Klingeln, bevor sie sich alle zusammen auf die zweieinhalb Stunden Fahrt in das Wochenendhäuschen von Katas Eltern machen. Und da sehen sie Ola auch schon und laden sie ein.

Kata

Lenny ist Weltmeister in Prokrastination. Er ist der bequemste Mensch, den Kata kennt. Ein echtes Trödeltalent. Eigentlich sollte diese Fahrt ein reiner Mädelstrip werden, aber Kata hat sich durch Lennys stoisches Schmollen breitschlagen lassen, mit der Tradition zu brechen. Zum Dank hat er sie alles allein organisieren lassen und dann nicht einmal seinen Koffer gepackt.

Ola

Warum sie keinen Freund mitgebracht hat, will Christian wissen. Sie hat keinen. Was sie beruflich macht. Lkw-Fahrerin. Christian lacht schallend. „Jetzt mach mal keinen Quatsch, Lkw-Fahrerin.“ Ola betrachtet Christian vom Rücksitz aus, spottet innerlich über den nach Zimt stinkenden Wunderbaum nebst Rosenkranz am Rückspiegel. Wie die zwei wohl zusammengekommen sind Amalia und Christian, die immer noch so aneinanderkleben wie am Anfang ihrer Beziehung.

Amalia

Vor ihnen ein Auto, doppelter Auspuff, dominanter Spoiler, Rammstein-Sticker. Christian kündigt an, dass er es dem jetzt mal zeigen wird und startet ein rasantes Überholmanöver. Im Grunde freut sie sich auf das Wochenende. Christian war in letzter Zeit so unterkühlt und aufbrausend zu ihr. Vielleicht hilft das hier ihrer Beziehung auf die Sprünge.

Fazit: Bianca Nawrath hat eine fein austarierte Geschichte, ganz ähnlich einer Sitcom ohne die Lacher geschaffen, wie sie ganz sicher häufig passiert. Sie lässt mich den fünf Menschen, die das Wochenende miteinander verbringe werden, über die Schulter schauen und erzählt die Geschehnisse abwechselnd aus Sicht der drei Frauen. Obwohl Christian und Kata eine jahrzehntelange Freundschaft verbindet, ahnt niemand im Auto, wie er wirklich ist. Nur Amalia weiß das, weil sie mit ihm zusammen und mitten in einer toxischen Beziehung lebt. Die Autorin zeigt den Charakter Christians, der immer etwas drüber ist. Wie er Amalia mit und ohne Publikum behandelt. Die Geschichte steht stellvertretend für uns alle, bezieht uns gedanklich ein. Wie schnell wir uns blenden lassen. Unsere Zurückhaltung, weil wir in der Regel konfliktscheu sind, lieber die Augen vor den Tatsachen verschließen, als den anderen zu verärgern. In der Nachbarwohnung wird gebrüllt, etwas scheppert und wir drehen den Fernseher lauter. Die Betroffene zweifelt an sich selbst, versucht den Ball flach zu halten, ihn nicht zu verärgern. Die einzige, die den Täter glasklar durchschaut, ist Ola, aber sie steht ebenso allein da wie Amalia, die sich nicht mit ihr verbünden will, zu groß ist die Angst, alles noch schlimmer zu machen. Das Ende ist so krass wie tröstlich. Ein menschliches Desaster mit psychologischen Finessen gezeigt. Das war genau meins, solche Storys liebe ich und die Autorin merke ich mir ganz sicher.

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Veröffentlicht am 22.09.2025

Einsamkeit in ihrer erbarmungslosesten Form

Die Sprache meines Bruders | Deutscher Buchpreis 2025 Longlist
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Parker stellt die Kaffeetasse ab. Kasimir spült Geschirr und beobachtet seinen Bruder aus den Augenwinkeln, ob der noch was essen will. Kasimir ist der Wächter der Speisen. Parker schnappt seine Autoschlüssel ...

Parker stellt die Kaffeetasse ab. Kasimir spült Geschirr und beobachtet seinen Bruder aus den Augenwinkeln, ob der noch was essen will. Kasimir ist der Wächter der Speisen. Parker schnappt seine Autoschlüssel und ist mit drei großen Schritten bei der Haustür. Hat Parker ein Lied gepfiffen? Das kann, das darf nicht sein in diesem Haus, in dem die Depression wohnt. Kasimir läuft Parker hinterher, sieht ihn ins Auto einsteigen, die Anlage aufdrehen, davonbrausen. So viel Gleichgültigkeit.

Parker ist dünn geworden, isst kaum noch. Kasimir zieht ihn damit auf. Jetzt hat er das Haus früher als sonst verlassen und Kasimir muss mit der Statistik über Parker pausieren.

Kasimir sollte eigentlich wieder ins Bett gehen, viel zu früh war er aufgestanden um zu sehen, was sein Bruder treibt. Nun, nachdem Luzia Parker verlassen hat, ist Veränderung vielleicht möglich. Die letzte Chance mit dreißig. Ein kleines Appartement Downtown für sie beide, in der Nähe der Chauffeurzentrale, dort wo Parker arbeitet. Vielleicht findet Kasi auch einen Job. Das Kino ist gleich um die Ecke, das kann er schaffen. Er wird hier am Küchentisch auf Parker warten. Nach der Arbeit redet der maulfaule Bruder noch weniger, Kasi wird ihn mit Argumenten bombardieren. Kasi zieht durchs Haus, setzt sich in Luzias Zimmer, im ehemaligen Mutterschlafzimmer, auf das Bett. Er steht auf, stromert durch Parkers Zimmer und verzieht den Mund vor lauter Geschmacklosigkeit.

Als der nächste Tag anbricht, wird Kasi unruhig, weil Parker immer noch abkömmlich ist. Er kann doch unmöglich drei Schichten hintereinander fahren und der Kühlschrank gibt auch nichts mehr her. Kurz durchzuckt Kasi eine schwelende Vision. Er wird doch nicht in die Heimat zurückgegangen sein?

Fazit: Gesa Olkusz ist eine erbarmungslose Geschichte gelungen. Sie führt mich in die Gedanken der vier am Leben verzweifelten Persönlichkeiten. Bis zum Schluss bleibt sie ihrem Ziel treu die tiefe, schmerzende Einsamkeit aller zu zeigen. Da ist Kasimir ein quirliger, zutiefst verunsicherter Mann und seine Soziophobie. Ich sehe Neid, Missgunst, Abscheu, Abhängigkeit und Unzufriedenheit. Kasimir kontrolliert seinen Bruder wie ein ängstlicher Hund. Parker ist der wortkarge, der trotz seines Jobs kaum über die Runden kommt und sich symbiotisch mit seinem Bruder verbunden und für ihn verantwortlich fühlt. Leider verwehrt er Kasimir dadurch jede Entwicklungsmöglichkeit. Luzia, die sich Veränderung wünscht und Parker, der sich nach Sicherheit sehnt, nicht motivieren kann. Und dann ist da noch der absonderliche Fahrgast Parkers, der ihn um einen Spezialgefallen bittet. Die Autorin reißt alle drei aus dem mütterlichen Haus und wirft jeden in eine eigene Handlung. Die Geschichte ist ruhig erzählt und konzentriert sich auf die Charaktere. Das Ende, das ich nicht kommen sah, hat mir Gänsehaut verursacht. Das ist eine ganz besondere, unglaublich gut gemachte Geschichte, die nicht grundlos auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2025 stand.

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