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Veröffentlicht am 12.05.2020

Die Schwestern vom Ku'damm - Tage der Hoffnung

Die Schwestern vom Ku'damm: Tage der Hoffnung
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Handlung:
Berlin 1958
Florentine Thalheim kehrt aus Paris wieder in die Hauptstadt zurück. Sie hat in Frankreich allerhand Inspirationen sammeln können und fühlt sich in ihrem Wunsch bestärkt, sich ganz ...

Handlung:
Berlin 1958
Florentine Thalheim kehrt aus Paris wieder in die Hauptstadt zurück. Sie hat in Frankreich allerhand Inspirationen sammeln können und fühlt sich in ihrem Wunsch bestärkt, sich ganz der Malerei und dem Zeichnen hinzugeben. Und dabei möchte sie gerne eigene Wege gehen und nicht direkt im berühmten Kaufhaus der Familie Karriere machen. Denn zuerst möchte Flori erste Erfolge in der Kunstbranche sammeln, welche dazu führen sollen, dass die Eltern, aber auch die beiden Schwestern ihr Talent anerkennen. Um dies zu erreichen wagt Florentine den Versuch und schreibt sich an der Berliner Kunstakademie ein...

Meinung:
Natürlich fällt beim Betrachten des Covers sofort die Ähnlichkeit zu den anderen zwei Bänden auf. Dieses wurde ähnlich gestaltet, wieder gibt es einen beigen Hintergrundton, der einen ruhigen Faktor reinbringt. Dazu gibt es eine Alltagsszene, Menschen, als auch verschiedene Autos sind in der Stadt unterwegs und so gibt es einen Einblick in das alltägliche Leben. Das eigentlich in Grautönen gehaltene Bild bekommt durch einige farbige Details wie das rote Auto oder die orangene Schrift einen farblichen Hingucker, der für mich den Kern der Zeit trifft.
Außerdem ist eine Dame zu sehen, ganz in der Mode der damaligen Zeit gekleidet, die fast schon herausfordernd den Leser anschaut. Ich finde durchaus, dass sie ihrem Auftreten nach Flori Thalheim sein könnte, auch wenn ich sie stets in flippigeren Kleidungsstücken gesehen habe.
Diesmal ist der Titel in zwei verschiedenen Pinknuancen untermalt, die einerseits fröhlich und unbeschwert wirken, mir etwas zu knallig sind. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich Flori nicht mit dieser Farbe in Verbindung bringen würde, sondern eher mit kräftigen Rottönen...
Insgesamt ist das Bild aber doch recht auffällig und ich mag die Komposition der verschiedenen kleinen Aspekte sehr gerne. Sie ergänzen sich gut und erschaffen ein Cover, welches man nicht so schnell vergisst.

Letztes Jahr habe ich direkt hintereinander die ersten beiden Bände gelesen, jetzt ist endlich der dritte und letzte Teil erschienen. Ich habe mich riesig darauf gefreut und selbstverständlich stand auch dieser Titel auf meiner Wunschliste. Ich bin dem Verlag sehr verbunden, dass ich das Buch als Rezensionsexemplar erhalten habe, wofür ich auch an dieser Stelle nochmals meinen Dank aussprechen möchte. Ich war nicht nur gespannt auf das Buch, sondern auch auf meinen Eindruck von Flori, denn bisher erschien sie mir als unsympathischste und schwierigste der drei Schwestern.

An Tag eins habe ich ungefähr 50 Seiten gelesen, ich brauchte dann erst mal eine Pause, um das Gelesene zu verarbeiten, mich an diverse Details und Beziehungen aus den vorherigen Bänden zu erinnern um mich so wieder in der Geschichte zurechtzufinden. Am zweiten Tag des Lesens war ich vollkommen angekommen und konnte das Buch wirklich nicht aus der Hand legen. Die restliche Handlung von knapp 400 Seiten inklusive Anhang habe ich dann innerhalb von knapp zwölf Stunden ausgelesen gehabt und war somit viel schneller mit dem Buch fertig, als ich gedacht hatte. Und ich denke, allein diese Tatsache, dass ich ein Buch mit solcher Länge innerhalb von einer so kurzen Zeit ausgelesen habe, sagt schon viel über das Werk aus.

Es herrscht ein sehr angenehm bildhafter Schreibstil vor, der mir ein schnelles und angenehmes Lesen ermöglicht hat. Sowohl das Setting, als auch die Protagonisten haben starke Züge erhalten und wirkten sehr lebendig. Es gibt ganz wunderbare Schilderungen der Szenen, keine wirkte zu überzogen oder war mit zu viel Drama ausgestattet. Dazu gibt es noch viele historische Fakten und Persönlichkeiten, die mit eingearbeitet wurden. So entsteht am Ende eine fantastische, informative und authentische Schreibweise, die mir beim Lesen richtig gut gefallen hat und die einfach Spaß macht.

Unterteilt wird der Roman in Kapitel, die eine angenehme Länge haben und immer wieder mit Absätzen durchspickt sind, sodass man das Buch auch mal bequem aus der Hand legen könnte.
Durchweg wurde die Geschichte von einem allwissenden Erzähler beschrieben, wobei dieser immer nur wohldosiert die Geheimnisse verrät und nie zu viel preisgibt. Jedes Kapitel dreht sich dabei um Florentine und ihre Erlebnisse, sie steht eindeutig als Hauptprotagonistin im Mittelpunkt und kein anderer kann ihr mit ihrer starken Zeichnung das Wasser reichen. Ein wenig schade fand ich es schon, dass die restliche Familie Thalheim nicht mehr so häufig auftritt und man nur noch wenige Details aus dem Leben der anderen Schwestern erfährt. Ich habe das Gefühl, dass es in den vorherigen Teilen, gerade im ersten Band, ein ausgeglicheneres Verhältnis gibt und auch die anderen Schwestern, sowie die Eltern mehr auftauchen. Gleichzeitig zeigt sich hier ein selbstständiger und unabhängiger Charakterzug von Flori, die nicht innerhalb des Familienunternehmens Karriere machen möchte, sondern ihren eigenen Weg gehen will.
Der Erzähler gibt nicht nur beständig Einblicke in das Leben von Florentine und ihren Liebsten, sondern auch in die politische Situation. Immer wieder gibt es Informationen über die Politik, den Wiederaufbau und die Entwicklung der Stadt, aber auch der Wirtschaft. Diese wurden immer sehr geschickt in die Handlung eingefädelt, sie passten zu der jeweiligen Situation und manche Ereignisse wurden so beschrieben, dass ich das Gefühl hatte, die jeweilige Szene live mitzuerleben.

Am Anfang neuer Kapitel gibt es stets die Information über das Setting, aber auch das Handlungsdatum der folgenden Szene findet eine Erwähnung. Das war wirklich hilfreich und wichtig, immerhin vergehen im Verlauf der Handlung ganze fünf Jahre. Beginnen tut die Geschichte 1958 und sie endet 1963. Allein durch die Angaben dieser zwei Jahreszahlen kann man sich schon grob vorstellen, was alles geschehen wird und wie sich die Lage in Deutschland weiter zuspitzen wird. So kann man sich als Leser auf eine Geschichte freuen, die ohne Verschönerungen die politische Lage in Deutschland wiedergibt und es lässt sich viel Wahrheitsgehalt aus der Geschichte herauslesen.
Um das gerade gelesen zu verinnerlichen und sich manche historische Details nochmal in Erinnerung zu rufen gibt es am Ende außerdem eine Zeittafel, die die Ereignisse der Handlungszeit zusammenfasst. Ich finde, dass bildet einen schönen Abschluss des Buches und rundet das gerade gelesene ab.

Als Setting dient zu weiten Teilen Berlin, nur sehr selten findet mal eine Szene woanders statt. Hier steht das Kaufhaus der Familie auf dem Ku'damm nicht mehr so stark im Mittelpunkt, es wird seltener als Handlungsort genutzt wie noch in den ersten beiden Teilen. Trotzdem hatte es einen großen Wiedererkennungswert und besitzt noch immer dieselbe Ausstrahlung wie in den anderen Bänden.
In diesem finalen Teil liegt ein großes Augenmerk auf der Kunstakademie, sowie auf den Privatwohnungen, in denen Flori selbst lebt oder in denen sie zu Besuch ist. Diese wurden meiner Meinung nach viel stärker gezeichnet und ließen sehr starke Bilder und Stimmungen bei mir entstehen. Manche Wohnungen wirkten direkt einladend und warm, andere kühl und abweisend und diese Empfindungen habe ich dann auch mit den jeweiligen Protagonisten in Verbindung gebracht.

Bereits bekannte Protagonisten haben ihre Wesen beibehalten und zeichnen sich immer noch durch dieselben Charakterzüge aus. Sie ließen sich dadurch schnell wiedererkennen und haben mir in ihrer Darstellung gut gefallen. Ich hätte es mir gewünscht, dass gerade Flori´s Familie öfters aufgetaucht wäre und es mehr Szenen gegeben hätte, in denen die gesamte Familie Thalheim vereint ist. Es entstand dann stets eine besondere Energie, die mitreißend war und mir sehr gut gefallen hat.
Auf jeden Fall war ich gespannt darauf, wie sich Florentine hier präsentieren wird. Sie war mir in den vorherigen Teilen nicht ganz so sympathisch wie die anderen beiden, sie war jugendlicher, aufmüpfiger und trotziger. Da waren mir sowohl Rike, als auch Sylvie sympathischer, sie waren reifer und erwachsener. Auf jeden Fall muss ich sagen, dass ich beeindruckt bin, wie sehr sich Flori weiterentwickelt hat. Sie macht im Verlauf des Romans eine tolle Wandlung durch, es war aber auch schon zu Beginn eine Entwicklung erkennbar. Man konnte deutlich merken, dass ihr die Zeit in Paris, fern von ihrer Familie geholfen hat und aus einem Küken eine erwachsene und eigenständige Frau gemacht hat. So habe ich mich mit Flori leicht getan, sie war eine sympathische Hauptprotagonistin, die nicht perfekt ist und sich für ihre Ziele einsetzt.

Fazit:
Auch dieser letzte Band der Reihe rund um die Schwestern Thalheim konnte mich vollkommen überzeugen. Es gibt eine wunderbare Schreibweise, die einen durch das Buch trägt und das Lesen zum Vergnügen macht. Es gibt zahlreiche Überraschungen, mit denen ich nicht gerechnet hätte und die stets eine neue Wendung bringen. Dazu gefällt es mir richtig gut, wie historische Begebenheiten in die Handlung eingebunden und erklärt wurden. Es gibt einen nahtlosen Übergang von Fiktion und Wahrheit, ich kann mir gut vorstellen, dass die Protagonisten genauso gelebt hätten können!
Eine ganz tolle Reihe, die mich vollkommen überzeugen konnte. Ich kann für das Buch nur eine Leseempfehlung aussprechen und werde die Augen nach neuen Werken der Autorin offen halten!

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Veröffentlicht am 09.05.2020

Die Porzellanerbin - Unruhige Zeiten

Die Porzellan-Erbin - Unruhige Zeiten
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Handlung:
Deutschland 1866
Gräfin Thyra von Hardenstein und ihr Vater haben große Pläne. Das weiße Gold der Porzellanmanufaktur Strehlow soll nicht mehr nur für wohlhabende Menschen erschwinglich sein, ...

Handlung:
Deutschland 1866
Gräfin Thyra von Hardenstein und ihr Vater haben große Pläne. Das weiße Gold der Porzellanmanufaktur Strehlow soll nicht mehr nur für wohlhabende Menschen erschwinglich sein, sondern auch für einfache Leute, die nicht so viele finanzielle Mittel besitzen. Doch auf dem Heimweg einer Reise, zurück nach Hardenstein, kommt die junge Gräfin bei einem Kutschenunfall ums Leben. Und das ungeborene Kind scheinbar mit ihr...
Dafür gibt sich Wilhelm, der Anführer der kleinen Kolonne die Schuld. Immerhin hat er vom Grafen das Vertrauen bekommen und sollte seine Frau sicher wieder auf den Hof bringen...

Meinung:
Ich finde das Cover ganz nett, besonders gut gefällt mir die kunstvolle rote Schrift, welches für mich das Herzstück des gesamten Bildes darstellt. Dazu gibt es im Hintergrund, leicht verschwommen, ein schicke Villa, welche traumhaft aussieht. Auch die Umgebung hat viel Charme und sieht einladend aus. Im Vordergrund steht eine Dame mit einem aufwendigen Kleid, die sich das Gelände anschaut. Es ist nett anzusehen, doch mittlerweile habe ich das Gefühl, diese Art von Cover schon oft gesehen zu haben, sodass es mich nicht mehr umhaut. In einer Buchhandlung würde ich es mir auf jeden Fall anschauen, der Titel hat sofort meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen und anhand des Bildes erwarte ich einen historischen Roman, der einige Geheimnisse in sich birgt und eine nette Geschichte beinhalten könnte.

Wie auf ganz viele andere Bücher zuvor wurde ich auf diesen Roman durch die Vorschau aufmerksam. Mich hat sowohl die Handlungszeit gefallen, als auch die kurze Inhaltsangabe und besonders reizvoll empfand ich den Aspekt des Porzellans. So war ich mehr als glücklich, das Buch als Rezensionsexemplar zu erhalten und habe mich riesig auf das Lesen gefreut.

Beim ersten Aufschlagen des Buches erwarten den Betrachter direkt zwei Highlights. Auf den Umschlaginnenseiten gibt es zum einen ausführliche Karte des Gutshofes Hohensandau, wo allerhand Gebäude verzeichnet sind und man sich davon ein sehr genaues Bild machen kann. Außerdem ist es so leichter, diverse Wege der Protagonisten nachzuverfolgen und Entfernungen einzuschätzen. Zum anderen befindet sich am Ende des Buches ein Stammbaum der wichtigsten Familien, man kann sie so schon vor dem Lesen kennenlernen, gleichzeitig werden hier auch Details verraten, die erst im Roman vollzogen werden und kleine Aspekte der Handlung werden vorweggenommen.

So leicht hat es mir der Roman nicht gemacht. Anfangs musste ich mich an die Sprache gewöhnen, die ungewohnt war und einen sehr angenehmen Anspruch hatte. Ich brauchte gute hundert Seiten, um damit besser klarzukommen und mich etwas zu entspannen. Oft haben die Sätze einen tieferen Sinn, den ich nur durch aufmerksames Lesen erfasst habe und die nicht nur auf das Leben der Protagonisten zutreffen. An vielen verschiedenen Stellen, besonders den Handlungsorten, hatte ich Bilder vor Augen. Besonders der Gutshof wurde mit leuchtenden Worten beschrieben, die lebendig wirkten und ein klares Bild des Hauptsettings gaben.

Ein weiteres Problem meinerseits ist der nicht ganz passende Klappentext, der andere Erwartungen geschürt hat. Ich habe beim Lesen immer wieder darauf gewartet, dass Sophie auftaucht und man sie als Leser kennenlernt. Doch dies geschieht erst auf den letzten vielleicht 50 Seiten, erst dann nimmt die geheimnisvolle Frau eine größere Rolle ein. Und selbst dann wird die Handlung nicht so wie ich erwartet hatte. Ich weiß nicht, wie ich meine Gedanken dazu teilen soll, das Risiko etwas von der Geschichte vorwegzunehmen und zu spoilern ist zu groß, weshalb ich hier nur so vage bleiben kann.
Auf jeden Fall musste ich mich auch an die Geschichte gewöhnen, nicht Thyra oder Sophie stehen im Mittelpunkt, sondern eher der Wilhelm und seine Frau Theresa, beides Mitglieder des Gesindes des Gutshofes. Das kam für mich sehr überraschend, immerhin finden beide im Klappentext keine Erwähnung, weshalb ich nie gedacht hätte, dass sie am Ende als Hauptprotagonisten dastehen.

Als ich mich irgendwann an diese andere Situation gewöhnt habe, konnte ich der Geschichte mit mehr Interesse und Ruhe folgen, wobei ich mich trotzdem immer gefragt habe, wann denn nun die angeteaserte und erwartete Erzählung beginnt.
Im Grunde konzentriert sich die Handlung irgendwann vollkommen auf Wilhelm und Theresa. Hier gibt es zwei Erzählperspektiven, die beide an unterschiedlichen Orten spielen. Theresa ist mit ihrem Kind auf Gut Hohensandau geblieben, steht weiterhin im Dienste des Grafens und bietet verschiedene Einblicke auf das Leben dort, den Umgang unter den Mägden und ihre alltägliche Arbeit mit diversen Sorgen.
Wilhelm hingegen hält sich an einem anderen Ort auf, den ich nicht zu genau benennen mag, aufgrund von möglichen Spoilern. Auf jeden Fall sieht man bei seinen Abschnitten deutlich den Fortschritt der Zeit, gerade im Zusammenhang mit der Eisenbahn und wie diese neue Transportmöglichkeit verschiedene Teile des Landes verbindet.
Leider haben sich die Kapitel von Wilhelm etwas gezogen, sie hatten für mich ein paar Längen und konnten nicht so überzeugen. Ich habe immer auf Theresas Abschnitte gewartet und diese mit deutlich mehr Interesse gelesen. Sie wirkten lebendiger und ich mag es allgemein sehr gerne von dem Alltag auf Gutshöfen zu lesen.

Geschickt in die Handlung eingebunden wurden diverse historische Details. Diese tauchten teilweise in größerer Anzahl auf, dann kam wieder seitenweise nichts. Auf jeden Fall waren sie immer leicht verständlich, man konnte sie fast nebenbei aufnehmen und in einen Zusammenhang bringen.
Besonders hat mich hierbei der Aspekt des Porzellans interessiert. Dieses umgab eine geheimnisvolle Aura und es ist nur schwer vorstellbar, dass es zu der damaligen Zeit ein Luxusgut ist, wo es doch heute selbstverständlich zu einem jeden Haushalt dazugehört. Gerade den Anfang in der Porzellanfabrik der Familie Strehlow habe ich verschlungen und hatte deshalb erwartet, dass dieser Aspekt auch im Folgenden noch vermehrt auftauchen wird. Doch leider wird das Thema bis zum Ende fast nicht mehr angesprochen, was ich sehr schade fand. Immerhin deutet schon der Titel auf das weiße Gold hin und ich hatte mit noch mehr Details dazu gerechnet.
Es wurde gut beschrieben, wie sich das Zusammenleben auf einem Gutshof, aber auch in einem Dorf mit den unterschiedlichen Hierarchien gestaltet. Diese Standesunterschiede und das Ansehen der verschiedenen Familien war einleuchtend und brachte nochmals Authentizität in den Roman.

Als Setting dient vor allem der Gutshof, dazu gibt es anfangs noch ganz wunderbare Kapitel in der Strehlowschen Porzellanfabrik und diverse andere Orte, auf die ich jetzt nicht weiter eingehen werde. Am besten vorstellen konnte ich mir stets den Gutshof. Schon durch die angesprochene Skizze am Anfang fiel es mir leicht, mir diesen vorzustellen und auch die Beschreibung des Autors regt meine Fantasie an, mir das Gelände vorzustellen. Ich mochte die Kapitel dort am liebsten, sie hatten einen bestimmten Charme und wirkten ganz natürlich und bodenständig. Zudem ist der Besitz des Grafen so weitläufig, dass man davon gar nicht gelangweilt sein kann.
Und obwohl die Porzellanfabrik für mich eine Dimension hatte, die ich mir größentechnisch schwerlich vorstellen konnte, war sie doch auf ihre Art sehr ansprechend. Die Produktionsräume ließen lebendige und farbenfrohe Bilder entstehen, teils hatte ich das Gefühl, mit in den Räumen zu stehen und alles mit eigenen Augen zu sehen.

Es gibt eine große Anzahl an Protagonisten, die mit den unterschiedlichsten Charakteren und Wesen ausgestattet wurden. Ganz viele empfand ich als wunderbar gezeichnet und durchdacht. Sie wirkten unfassbar lebendig und erschienen wie aus dem Leben gegriffen. Sie gehen nicht ohne Probleme durchs Leben, haben auch immer mal mit Hürden zu kämpfen und wirken so meist sehr lebendig und realistisch in ihrer Darstellung. Sie sind nicht zu stark und unverletzbar gezeichnet, ein jeder hatte Schwächen und war in seinem Handeln nicht perfekt. Man konnte frei entscheiden, wen man sympathisch findet und bei einigen Personen konnte man sich leicht von der Fassade täuschen lassen. An solchen Textstellen wurde gezeigt, dass man Menschen erst besser kennenlernen muss, bevor man sich ein Urteil erlaubt.
Tatsächlich empfand ich Wilhelm als schwierigsten Protagonisten. Ich kann selbst nicht genau benennen, was mir an seiner Person nicht gefallen hat. Im Grunde ist er recht sympathisch und freundlich, er schafft es, sich aus den schwierigsten Situationen wieder aufzurappeln und nach einem neuen Weg zu suchen. Doch trotzdem wurde ich mit ihm nie so warm, für mich war er ein merkwürdiger Charakter, zu dem ich einfach keinen Zugang gefunden habe.

Fazit:
Über meine Erwartungen und den nicht passenden Klappentext habe ich ausreichend gesagt. Ich konnte mich immer mehr mit der Handlung anfreunden und die Geschichte konnte mich auch mehr überzeugen. Ich fand sie nicht perfekt, doch es gibt trotzdem zahlreiche Aspekte, die mein Interesse auf Band zwei geweckt haben, welchen ich am liebsten direkt lesen würde.
Wahrscheinlich hat mich das Buch etwas enttäuscht, weil ich mit einer komplett anderen Geschichte gerechnet habe, ich hatte erwartet, dass man fast nur in der feineren Welt, der Welt des Adels, verkehrt, viel Zeit in einer Porzellanfabrik verbringt und das Leben der Dienstboten eine eher untergeordnete Rolle spielt. Wenn der Klappentext explizit auf die tatsächliche Handlung eingegangen wäre, hätte ich eine andere Erwartungshaltung gehabt und wäre entspannter in die Handlung gestartet.
So habe ich einige Zeit überlegt, was ich dem Buch für eine Bewertung gebe. Immerhin ist es im Grunde nicht schlecht und ich will nicht die fehlerhafte und nicht ganz dem Inhalt entsprechende Beschreibung des Romans als negativ darstellen und dafür Sterne abziehen. Deshalb ziehe ich für die sich ziehenden Kapitel von Wilhelm und den zu selten auftauchenden Aspekt des Porzellans und dessen Herstellung, sowie dem holprigen Start in das Buch gesamt anderthalb Sterne ab.

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Veröffentlicht am 06.05.2020

Neuleben

Neuleben
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Handlung:
Berlin der 1950er Jahre
Therese Trotha lebt mittlerweile in Berlin, wo sie ihrem Wunsch nachgehen kann und Jura studiert. Doch ihr Studium gestaltet sich als kompliziert, sind doch viele Professoren ...

Handlung:
Berlin der 1950er Jahre
Therese Trotha lebt mittlerweile in Berlin, wo sie ihrem Wunsch nachgehen kann und Jura studiert. Doch ihr Studium gestaltet sich als kompliziert, sind doch viele Professoren und Kommilitonen nicht daran gewöhnt, dass Frauen nun ebenfalls studieren können. Nicht nur Therese, sondern auch die zweite Studentin in diesem Jahrgang müssen sich besonders beweisen und sind darauf erpicht, bestmögliche Leistungen zu erbringen. Und besonders Therese ist in sehr willensstark und gibt nicht so leicht auf.

Zeitgleich steht ihre baldige Schwägerin Gisela vor einer anderen Entscheidung. Die Hochzeit steht bevor und ihr Ehemann in spe wünscht sich, dass sie, sobald sich das erste Kind ankündigt, ihre Arbeit als Schneiderin kündigt und sich vollkommen auf ihr Dasein als Ehefrau und Mutter konzentriert. Doch das will die junge Frau absolut nicht, immerhin hat sie schon einige Pläne für die Zukunft und ist an der Nähmaschine besonders begabt....

Meinung:
Das Cover ist farblich etwas nüchtern gehalten und besticht durch zahlreiche verschiedene, recht kühle Blau-Töne. Es sind zwei Damen zu sehen, beide drehen dem Betrachter den Rücken zu, wirken vertraut und scheinen miteinander zu plaudern. Einerseits finde ich das Bild recht schön und passend, es hat einen nostalgischen Hauch. Nicht nur durch den Kleidungsstil, sondern auch durch den leicht verschwommenen und altmodischen Touch des Bildes. Auf der anderen Seite denke ich mir, dass man es leicht übersehen kann, allein durch das Cover zeichnet sich das Buch nicht aus.

Schon als ich letztes Jahr „Zwei Handvoll Leben“ von der Autorin gelesen habe, fand ich es unglaublich interessant, dem Entstehungsprozess bei Instagram zu folgen. Und genau das hat mir auch bei diesem Buch wieder gefallen, mein Interesse wurde immer weiter gestärkt und ich war so froh, dass der Erscheinungstermin immer näher gekommen ist. Für mich stand außer Frage, dass ich das Buch unbedingt lesen möchte und bin dem Droemer Knaur Verlag sehr dankbar, dass ich ein Rezensionsexemplar des neuen Buches erhalten habe.

Ein ganz besonderes Detail wartet direkt bei dem ersten Aufschlagen auf den Leser. In den Umschlaginnenseiten gibt es einen Stammbaum, der einen weitreichenden Ausblick in die Vergangenheit der Autorin Katharina Fuchs gibt. Man kann sich bereits mit den Protagonisten vertraut machen und sich einige Details aus dem ersten Band wieder in Erinnerung rufen. Zudem sind so die wichtigsten Personen auf einen Blick vereint.

Das Problem bei mir war, dass ich so gespannt auf das Buch war, sodass meine Erwartungen stark gestiegen sind. Und ich anfangs etwas enttäuscht wurde. Ich hatte große Probleme damit, in den Roman zu starten und bei der Sache zu bleiben. Für mich haben sich ungefähr die ersten hundert Seiten gezogen, ich fand die Handlung nicht direkt spannend und hatte kleine Schwächen dabei, mich an einige Details aus dem ersten Band zu erinnern. Das alles hat mir den Einstieg etwas erschwert und ich hatte schon ein wenig Angst, dass ich mich durch das Buch quälen müsste. Was am Ende glücklicherweise nicht eingetreten ist, nach ungefähr dem ersten Viertel des Buches ging mein Eindruck stetig nach oben. Nicht nur war ich irgendwann in der Handlung angekommen und konnte mich ganz darauf einlassen, sondern die Geschichte wurde immer spannender und auch die Schreibweise hat mir sehr zugesagt. Ich konnte das Buch mit der Zeit nur noch schwer aus der Hand legen und habe schließlich die letzten 200 Seiten innerhalb von wenigen Stunden verschlungen.

Anfangs hatte ich Probleme mit der Schreibweise. Sie ließ sich nicht so flüssig lesen wie erhofft und war etwas hölzern. Die Szenen, aber auch die Protagonisten erschienen nicht so lebendig und menschlich. Nach gut hundert Seiten waren diese negativeren Eindrücke vollkommen weg, ich fand die Geschichte sehr lebendig und es besserte sich alles ins positive. Die Sprache wurde immer flüssiger und ließ sich dadurch auch besser lesen, Situationen erschienen immer authentischer und ließen teils ein lebendiges und farbenfrohes Bild vor meinen Augen entstehen.

Gerade bei jenen Kapiteln, die auf dem Gut Feltin stattfinden entstand eine ganz besondere Stimmung. Nicht nur die Beschreibungen der Gegend war unglaublich gut und ausführlich beschrieben, dort wirkte die Stimmung am stärksten und ließ eine Gänsehaut-Atmosphäre entstehen. Ich glaube, dass mir die Kapitel dort fast sogar am meisten gefallen haben, denn sie ließen viele Erinnerungen an den ersten Band lebendig werden.
Ansonsten findet die Handlung vor allem in Berlin statt. Die Stadt wirkt auf mich recht grau und düster, nur wenige Handlungsorte erstrahlten in einem ganz besonderen Licht. Dazu zählt vor allem das KaDeWe, welches auch hier wieder verheißungsvoll und einladend erscheint und welches besonders viele Bilder vor meinen Augen entstehen ließ. Ich bin froh, dass es auch diesmal wieder eine Rolle spielt, fast hätte ich mir noch ein bis zwei mehr Szenen dort gewünscht.

Es findet eine Erzählsituation aus fünf verschiedenen Sichtweisen statt. Bei der von Charlotte war ich mir etwas unsicher, ob sie unbedingt sein musste. Im Grunde war sie nicht entscheidend für die Handlung, war eher ein netter Zusatz, der noch einen anderen Blick auf die Charaktere erlaubt.
Die anderen vier Erzählperspektiven waren alle für die Handlung sehr wichtig und haben nicht nur verschiedene Einblicke zueinander gegeben, sondern auch zu der politischen Situation. Zudem konnte man sich selbst auch einen besseren Blick auf die Protagonisten erlauben und sie besser kennenlernen, einschätzen und so auch die Handlungen bewerten.
Die Handlung blieb so stets abwechslungsreich und es konnte nie Langeweile entstehen. Man wurde als Leser auch dazu angeregt, das Buch nur ungern aus der Hand zu legen, es gab öfter mal am Ende von Kapiteln einen kleinen Cliffhanger, der natürlich viel Spannung erzeugt hat.

Therese studiert Rechtswissenschaft und mir war bewusst, dass ihr Studium eine nicht unbedeutende Rolle einnehmen wird. Für mich nahm der Umfang dessen zu große Maße an. Oft wurden verschiedene Fälle detaillierter dargestellt, wo ich mich nur sehr schwer rein denken konnte und auch ein wenig Verständnisprobleme hatte. An diesen Stellen fiel mir das Lesen wieder ein klein wenig schwerer und ich war froh, wenn die Abschnitte rund um rechtliche Details zu Ende waren.
Ich fand es schade, dass gerade Therese sich so viel mit dem Recht befasst, ansonsten war sie mir wirklich am sympathischsten und ich mochte ihre Kapitel am meisten. Einige Charakterzüge habe ich an mir wiederentdeckt und ich konnte mich mit Therese ein wenig identifizieren.

Es war einfach unglaublich zu lesen, was die verschiedenen Protagonisten erlebt haben und wie lebendig Katharina Fuchs sie werden lassen hat. Man merkt deutlich, dass die Autorin in einem sehr guten Kontakt mit ihnen steht und sie deutlich charakterisieren kann. So entsteht eine starke Zeichnung und es ist aus so vielen Szenen herauslesbar, dass es sich hier um wirkliche Personen handelt, die teils noch leben, teils bereits verstorben sind. Am liebsten würde ich ganz viele davon kennenlernen und noch viele weitere Geschichten über die Vergangenheit aus ihrem Munde hören.
Passend zu diesen tatsächlich geschehenen, privaten Episoden der einzelnen Protagonisten gibt es auch immer wieder zahlreiche Details über die Politik und die allgemeine Geschichte der Bundesrepublik, damals noch zur Zeit der BRD und DDR. Hier fand ich es interessant, wie die verschiedenen Personen mit den politischen Sichtweisen und der allgemeinen Lage umgehen, sie kritisch hinterfragen und was manche planen... So wurde die Geschichte leicht und anschaulich vermittelt und ich denke, dass damit verschiedene Zielgruppen erreicht werden.
Diverse Ereignisse wurden geschickt in die Geschichte eingebunden und manche Informationen hat man fast schon nebenbei vermittelt bekommen und somit auch leicht aufgenommen. Man wurde mit Informationen nicht überschüttet und so habe ich mich auch nie überfordert gefühlt.

Ich hatte ja bereits erwähnt, dass mir besonders Therese sehr sympathisch ist und sie mein absoluter Lieblingscharakter ist. Ich mag ihren willensstarken Charakter sehr und sie scheint eine ganz besondere Person gewesen zu sein. Therese hat nie aufgegeben und mit der Zeit gelernt, dass sie eine unglaublich starke Frau ist, die ihren Weg gehen wird.. Ich habe oft mit ihr mitgefühlt und habe mir stets gewünscht, dass sie ihre Ziele erreichen wird. Und so wie ich Therese einschätze, wird sie genau das geschafft haben.
Viele der anderen Charaktere waren ebenfalls sehr lebendig gezeichnet und hatten ausdrucksstarke Wesen mit viel Persönlichkeit. Ein großer Teil war mir sympathisch und ich hatte viel Freude dabei, sie auf ihrem Weg zu begleiten und mit ihnen Zeit zu verbringen. Sie wirkten in ihrem Handeln sehr natürlich und hatten teils einnehmende Wesen, sodass man sie nur mögen konnte.
Es war sehr authentisch, dass die Protagonisten auch mal Probleme hatten und einige Wege im Stein liegen hatten. Sie hatten alle ihr Bündel zu tragen und kämpften sich aus Tiefpunkten und schlechten Situationen selbst wieder heraus.
Mir hat es sehr gut gefallen, dass man als Leser frei entscheiden konnte, wen man mag und ob man eine Person als sympathisch einschätzt. Die Autorin überlässt diese Entscheidung vollkommen dem Leser und lenkt die Sympathien nicht in eine bestimmte Richtung.

Fazit:
Nach ein paar Startschwierigkeiten, die sich mit der Zeit komplett gegeben haben, hatte ich viel Freude dabei, das Buch zu lesen. Am liebsten hätte ich die Geschichte in einem Rutsch ausgelesen, ich musste mich immer ein wenig bremsen, um den Roman so lange wie möglich genießen zu können. Katharina Fuchs ist es wieder hervorragend gelungen, ihre Familiengeschichte nicht nur sehr spannend und eingängig darzustellen, sondern auch den Charakteren viel Persönlichkeit, Stärke und Lebendigkeit zu verleihen.
Ich werde leider trotzdem einen halben Stern in meiner Bewertung abziehen. Einmal für den nicht ganz runden Beginn des Buches, zum anderen für die doch sehr zahlreichen Szenen, in denen verschiedenste rechtliche Fälle dargestellt werden. Sie sollten zwar sicherlich dazu dienen, manche Situationen so nah an der Realität wie möglich darzustellen und lebendige Beispiele geben, doch ich habe mich damit schwer getan und konnte vieles nicht vollkommen nachvollziehen. Mir fehlt dafür wahrscheinlich das passende Hintergrundwissen, als auch das Interesse an der Rechtssprechung.
Ansonsten war das Buch einfach hervorragend, ich würde aber zum Verständnis empfehlen, auf jeden Fall beide Bände der Reihe zu lesen, um mögliche Zusammenhänge zu erkennen und einfach die Vorgeschichte zu kennen. Ich freue mich auf mehr solcher stark recherchierten, ausdrucksvollen Bücher!

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Veröffentlicht am 30.04.2020

Die Tochter des Arztes

Die Tochter des Arztes
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Handlung:
Manchester 1956
In einem Sanatorium beginnt die junge Ellen Crosby ihre neue Arbeit. Für sie geht damit ein langer Wunsch in Erfüllung, die junge Frau wollte schon lange eine Ausbildung zur Krankenschwester ...

Handlung:
Manchester 1956
In einem Sanatorium beginnt die junge Ellen Crosby ihre neue Arbeit. Für sie geht damit ein langer Wunsch in Erfüllung, die junge Frau wollte schon lange eine Ausbildung zur Krankenschwester machen.
Ungefähr zur selben Zeit wird eine junge Frau von ihrem Vater eingewiesen, gegen ihren Willen. Sie behauptet stets fest, dass sie kerngesund ist und gar nicht in dem Sanatorium sein sollte. Doch nicht jeder glaubt ihr, manche verachten die junge Frau, manche bemitleiden sie und manche mögen sie...

Manchester 2006
Mittlerweile ist Ambergate ein verfallenes, verlassenes Haus, ohne den Grauen der vergangenen Tage. Sarah interessiert sich sehr für das Gebäude, ganz zum Missfallen ihres Vaters, ein Arzt im Ruhestand, der in Ambergate gearbeitet hat.
Trotzdem schleicht sich Sarah immer wieder heimlich dorthin und erkundet das Anwesen. Und findet schließlich auf einem Dachboden alte Koffer, von denen einer eine besondere Geschichte erzählt. Sarah geht dem Geheimnis auf den Grund und entdeckt eine Geschichte voller Unrecht, Grauen und Liebe...

Meinung:
Zum einen Teil gefällt mir das Cover gut, zum anderen Teil auch wieder nicht. Ich mag sowohl die Farben, als auch den Hintergrund mit der weiten Parkanlage und dem Gebäude. Hier stelle ich mir vor, dass es sich um Ambergate handeln könnte, irgendwie strahlt das Haus sowohl etwas herrlich altmodisches aus, gleichzeitig wirkt es kalt und bedrohlich. Eine gute Mischung!
Die Schriftfarbe mag ich auch, sie wirkt auffällig, gleichzeitig aber auch bedeckt und bringt noch eine andere Farbe hinein. Was mir leider nicht gefällt ist die Dame in Krankenschwesteruniform. Ich würde es besser finden, wenn sie sich nicht dem Betrachter zuwenden würde. Vielleicht würde ich mich eher mit ihr anfreunden, wenn sie nach vorn schaut und man ihr Gesicht nicht erkennt.
So bin ich etwas zwiegespalten und finde das Bild nicht richtig gelungen.

Schon als ich das Buch das erste Mal gesehen hatte, klang es für mich interessant, doch ich hatte nicht das dringende Bedürfnis, es unbedingt lesen zu müssen. Irgendwie bin ich immer wieder darüber gestolpert, sei es in Buchhandlungen oder bei Instagram, ich habe das Buch öfter gesehen und irgendwann ging es mir nicht mehr aus dem Kopf. Schließlich kam der Moment, indem ich es doch unbedingt lesen wollte, gerade weil ich keine richtig schlechte Meinung dazu gehört habe. Und ich war sehr glücklich, es vom Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen zu haben, wofür ich mich auch hier nochmal bedanken möchte!

Ich habe mit dem Lesen begonnen, als ich ziemlich unglücklich und traurig war und einfach nur nach einer Ablenkung gesucht habe. Und dafür war der Roman mehr als passend. Die Geschichte ließ sich unglaublich gut und flüssig lesen, sie war spannend und abwechslungsreich. Ich konnte mich ganz leicht darauf konzentrieren und mochte es, mich in die Geschichte fallen zu lassen und an nichts anderes mehr zu denken. Letztendlich hat dies dazu geführt, dass ich das Buch innerhalb von drei Tagen ausgelesen habe und am Ende enttäuscht war, dass es schon vorbei ist. Ich würde mich freuen, wenn weitere Werke der Autorin ins Deutsche übersetzt werden würden!

Von der ersten Seite an hat mir die Schreibweise richtig gut gefallen. Ich bin nur so durch die Handlung geflogen, oft war ich selbst überrascht, wie viele Seiten ich innerhalb von kurzer Zeit gelesen habe. Es gibt wunderbar lebendige Beschreibungen des Gebäudes, die ein Bild entstehen lassen, welches gleichzeitig interessant, aber auch abstoßend ist. Zudem wurde die Handlung auf eine lockere Art beschrieben, die Charaktere erschienen sehr lebendig und glaubwürdig, gerade Ellen hat mir durchweg richtig gut gefallen. Sie war mein Lieblingscharakter, ich fand es toll zu merken, dass sie eine wunderbare Krankenschwester ist und vieles hinterfragt
An der Schreibweise hat mir außerdem der realistische Charakter gefallen. Die Handlung wirkte nur selten wie ausgedacht und konstruiert, viele Geschehnisse waren natürlich und oft erschien es mir, als könnte die Geschichte genauso stattgefunden haben.

Die Erzählung findet auf zwei zeitlichen Ebenen statt. Zum einen gibt es mit Sarah einen Erzählstrang im Jahr 2006, das Sanatorium wurde geschlossen und es wird darüber kaum noch gesprochen. Das Gebäude verfällt und wird nicht mehr genutzt, Sarah bezweifelt, dass es noch lange stehen wird. Zudem wundert sich die junge Frau, weshalb ihr Vater nie über seine Vergangenheit in Ambergate spricht.
Zum anderen gibt es eine kleine Reise in die Vergangenheit. Im Jahr 1956 begleiten wir Ellen Crosby auf ihrem Weg in den neuen Job, bei neuen Herausforderungen und dem Alltag in dem Sanatorium. Hier gibt es meiner Meinung nach viel mehr Einblicke in das normale Leben der Charaktere, sie sind besser durchdacht und haben mehr Charme. Weiterhin war die Handlung für mich spannender, ich habe diese Abschnitte viel lieber gelesen, es ist mehr geschehen und ich konnte mir diese Kapitel viel besser vorstellen.
Mir hat dieser Erzählstrang in der Vergangenheit deutlich mehr gefallen, wie es meist der Fall ist. Oft kann ich mich damit besser anfreunden und finde die Handlung lebendiger.
Auf jeden Fall hatte die Geschichte in der Vergangenheit mehr Charme, mehr Handlung und mehr Spannung. Ich mochte die Charaktere mehr und insgesamt hatte er das gewisse Etwas. Ich fand ihn durchdachter, im Gegensatz zu ihm kommt die Handlung in der Gegenwart etwas fad daher. Es passiert nicht sehr viel, lediglich bei der großen Auflösung kommt mal etwas Spannung herein.

Als Setting dient vor allem Ambergate, alle anderen Örtlichkeiten haben eindeutig eine untergeordnete Rolle und tauchen nur sehr vereinzelt auf. Deshalb werde ich im Folgenden nur auf das Sanatorium eingehen.
Wir lernen das Haus zu zwei unterschiedlichen Zeiten kennen. In der Gegenwart ist es verlassen und erscheint absolut abstoßend und gruslig. So stelle ich mir ein Haus vor, welches verwunschen ist oder von dem Gruselgeschichten erzählt werden.
In der Vergangenheit jedoch mochte ich das Gebäude ganz gerne. Es klingt makaber anhand des Wissens, was in dem Haus alles passiert ist und welche Schicksale sich dort abgespielt haben. Klar wirkte es oft gruslig und kalt, aber immer wieder tauchten Szenen auf, in denen eine ungewohnte Wärme spürbar ist, die die Räume in einem anderen Licht erscheinen lässt. So entsteht eine Mischung, die man wahrscheinlich nur als äußerer Betrachter wahrnimmt. Besucher sehen vielleicht nur den einladenderen Aspekt, zudem werden sie nicht unbedingt in die Schlafsäle Einlass bekommen haben. Die Krankenschwestern, aber auch die Patienten werden genau den anderen Charakter des Hauses wahrgenommen haben.
Ich fand es interessant, dass man auch als Leser diese beiden Gesichter des Gebäudes wahrnehmen konnte. So kenne ich das gar nicht, meist nimmt man entweder nur die einladende oder die kalte Seite eines Hauses war. Davon war ich wirklich positiv überrascht und ich mochte diesen Aspekt sehr.

Stets war die Geschichte mit viel Spannung verbunden, natürlich habe ich immer auf das große Geheimnis und die Auflösung dessen gewartet. Und muss leider sagen, dass ich mit mehr Drama gerechnet hätte. Irgendwie war mir das Rätsel am Ende nicht groß genug, ich hatte in diesem Bezug mehr erwartet. Immerhin wird darauf hingearbeitet, es wird oft von geheimnisvollen Vorgängen gesprochen und Sarahs Vater will nicht über die Vergangenheit in Ambergate sprechen. Das ließ mich darauf schließen, dass einiges im Argen liegt und etwas ganz großes passieren wird, welches mir den Atem raubt und einfach krass ist. Leider war dem nicht ganz so, das Geheimnis war durchaus überraschend und besonders, doch nicht so riesig wie gedacht.

Es gibt ganz viele wunderbar durchdachte Charaktere, die ganz viel Charme haben. Für mich gibt es diese vor allem in der Vergangenheit, diese habe ich mir lebendig vorstellen können, sie sind abwechslungsreich und zeigen viele Facetten. Selbst einige Figuren, die anfangs etwas schwieriger erscheinen, haben doch das Herz am rechten Fleck und lassen mal eine andere Seite sichtbar werde. So wirken auch die strengsten Krankenschwestern plötzlich weicher und sanfter, sie zeigen, was der Alltag in dem Sanatorium mit ihnen gemacht hat.
Leider fand ich es etwas schade, dass man bei vielen Patienten und Mitarbeitern des Sanatoriums nicht erfahren hat, was mir ihnen geschehen ist. Ob und wie lange sie noch dort bleiben mussten, haben einige vielleicht geheiratet oder Kinder bekommen? Einige Informationen dazu hätten mir gut gefallen. Außerdem wäre es auch möglich gewesen, dies in die Gegenwart einzuflechten, vielleicht hätte Sarah in Ambergate noch irgendwelche Aufzeichnungen finden können, wo es Details über andere Personen gibt, die im Roman auftauchen und Patienten des Sanatoriums waren. Das hätte für mich das Ende nochmal runder gemacht, denn einige davon gingen mir mit ihrer Art schon ans Herz.
In dem Erzählstrang in der Gegenwart bin ich von den Protagonisten nicht ganz so begeistert. Sie sind nicht sehr authentisch, wirken etwas steif und emotionslos. Hier konnte mich niemand so recht überzeugen, einem jeden hat das gewisse Etwas gefehlt, was sie einzigartig macht. Es gibt immer wieder Ansätze, die die Figuren mögenswert machen, doch sie sind nicht ganz ausgereift und facettenreich, ihre Schicksale gehen nicht so sehr zu Herzen.

Fazit:
Ich bin richtig froh, das Buch gelesen zu haben. Es hat mich überzeugt, wartet mit einer spannenden und abwechslungsreichen Geschichte auf und besticht durch viele verschiedene Aspekte. Sei es die Schreibweise, das Setting oder ein großer Teil der Charaktere. Sie konnten überzeugen und haben das Buch zu etwas besonderem gemacht, was wirklich lesenswert ist.
Ich habe lange überlegt, ob ich dem Buch eine Bewertung mit 4 oder 4,5 Sternen gebe. Ich war mir unschlüssig und habe immer wieder über meine Meinung gelesen. Manche Aspekte mögen negativ wirken, sind aber gar nicht so gedacht, sondern schneiden aufgrund der geteilten Erzählsituation etwas negativer ab, was nicht gleichbedeutend mit schlecht ist.
Insgesamt hat der Roman nämlich einen sehr positiven Eindruck bei mit hinterlassen und konnte mich auf verschiedenen Ebenen überzeugen, weshalb ich gute 4,5 Stern vergebe. Ich bin sehr froh, dem Buch eine Chance gegeben zu haben und es auch so oft gesehen zu haben, sodass es mir irgendwann nicht mehr aus dem Kopf ging. Ich kann nur eine Lesempfehlung aussprechen!

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Veröffentlicht am 27.04.2020

Gezeitenstürme

Gezeitenstürme
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Handlung:
Herbst 1944
Eigentlich hat die 15-jährige Elli keine Geheimnisse. Bis sie einen Soldaten, der kaum älter ist als sie selbst, auf dem Heuboden des elterlichen Hofs findet und ihm verspricht, ihn ...

Handlung:
Herbst 1944
Eigentlich hat die 15-jährige Elli keine Geheimnisse. Bis sie einen Soldaten, der kaum älter ist als sie selbst, auf dem Heuboden des elterlichen Hofs findet und ihm verspricht, ihn nicht zu verraten. Georg ist desertiert und möchte nicht wieder zurück an die Front.
Doch trotz ihrer Bemühungen gelingt es Elli nicht, das Geheimnis für sich zu behalten und ihr Vater willigt ein, den Jungen bei sich auf dem Hof zu lassen. Aus einer Verbundenheit zwischen Elli und Georg entsteht erst eine starke Freundschaft, die sich schließlich zu einer zarten Liebe entwickelt. Trotzdem behält Georg viele Details aus seinem Leben für sich und gibt nur wenig über seine Vergangenheit preis. Nur mit einer Leidenschaft geht er offen um: mit seiner Liebe zur Musik. Und genau diese steht nach dem Kriegsende zwischen den jungen Paar...

Meinung:
Das Cover ist idyllisch und zeigt eine schöne Landschaft, die gleichzeitig stark an das Cover des anderen Bandes der Nordsee-Saga erinnert. Wieder sind Dünen, sowie das Meer und ein niedliches Häuschen zu sehen, diesmal befinden sich aber zwei Damen auf dem Cover. Hier sehe ich nicht ganz durch, wer soll die zweite Frau sein? Ich könnte mir vorstellen, dass es sich auf jeden Fall um Elli handeln könnte, doch keine zweite weibliche Person steht so stark im Mittelpunkt wie sie und würde ein Auftauchen auf dem Titelbild rechtfertigen.

Erst vor kurzem hatte ich den zweiten Teil der Nordsee-Saga gelesen, ich war tatsächlich fest davon überzeugt, dass es sich dabei um den ersten Teil handelt. Doch es war gar ein Problem, es wurde nichts gespoilert und die Bücher lassen sich prima unabhängig voneinander lesen. Es gibt ab und an ein paar kleine Details, die man in einen Zusammenhang stellen könnte, doch sie sind für die Geschichte nicht entscheidend und geben nichts vorweg.

Mir ist der Einstieg in diesen Teil viel leichter gefallen. Ich weiß selbst nicht woran es lag, vielleicht weil ich den Protagonisten vom Alter näher bin oder weil die Geschichte direkter gestartet ist. Es gibt nicht erst lange Abschnitte, sondern Georg taucht recht schnell in der Geschichte auf und wird ein fester Bestandteil dessen. Zudem fand ich Elli anfangs sehr interessant, ich mochte ihren Charakter und war besonders von ihrem Fleiß und ihrer Arbeitskraft beeindruckt. Sie schien unermüdliche Energie zu haben und war mir direkt sympathisch.

Auch die Schreibweise hat mir gut gefallen. Sie war einfach und leicht verständlich, ich habe das Buch leicht lesen können und hatte besonders an diversen Landschaftsbeschreibungen großes Vergnügen. Auch konnte ich mir die Gebäude richtig gut vorstellen und mochte die Darstellung von Elli und ihrer Familie.
Immer mal wieder werden norddeutsche Kosenamen und Bezeichnungen eingebunden, die einen angenehmen Effekt auf die Handlung haben und sehr natürlich wirken. So entsteht eine sehr ansprechende Schreibweise, die sich gut lesen lassen hat und zu der meist lockeren Handlung gepasst haben.

Ich war überrascht davon, dass es diesmal eine zweite Zeitebene gibt. Diese findet im Jahr 1949 statt und lässt sich nicht sofort in die Handlung einordnen. Man hat viel Platz für Vermutungen und sie erhöht die Spannung. Zudem gab es so eine Abwechslung zu der normalen Handlung und ein wenig habe ich auf diese Abschnitte hingefiebert, einfach um den ganzen Sachverhalt zu verstehen und dieses Geheimnis aufgedeckt zu bekommen.
Doch so sehr ich diese Zeitebene mochte, blieben trotzdem einige Fragen, die nicht wirklich beantwortet wurden. Leider kann ich darüber nicht zu viel verraten, sonst würde ich zu viel von der Handlung vorwegnehmen, doch manches war für mich nicht perfekt erklärt und aufgelöst.

So erstreckt sich die Handlung auf knapp fünf Jahre, sie beginnt kurz vor dem Kriegsende im Jahr 1944 und endet 1949. Der eine Erzählstrang wird immer klar herauskristallisiert, es gibt bei dem im Jahr 1949 immer eine kurze Erwähnung der Jahreszahl am Anfang des Kapitels, so kann es gar keine Missverständnisse geben. Mir hat es bei der Handlung im Jahr 1944 und folgend etwas gefehlt, dass es nicht viele Hinweise auf die Jahreszahl gibt und man so einen besseren Überblick darüber bekommt, sich einfach besser orientieren kann. Es gibt zwar die Erwähnung auf manche Feste und das Wetter, wovon man sich einiges ableiten kann, doch mir hat das nicht gereicht.

Mir hat es richtig gut gefallen, wie viele historische Details eingebunden wurden. Nicht nur die Angst vor dem Krieg, das Leben von Flüchtlingen und das Desertieren von Soldaten, sondern auch der Schwarzmarkthandel und die Nachkriegszeit mit dem Nahrungsmangel finden eine Erwähnung. So ergibt sich ein breitgefächertes Bild, welches viel Wahres in sich birgt und einen soliden Grundstamm für eine gute Geschichte legt. Ich mochte es sehr, dass anhand von anschaulichen Beschreibungen so viel Authentizität in die Geschichte gelegt wird und man so auf eine angenehme und gut vorstellbare Weise die Informationen übermittelt bekommt.

Als Setting dient vor allem der Bauernhof der Familie Bruns, dazu gibt es noch einige Szenen am Meer, in der Kirche oder bei Freunden. Doch das Hauptaugenmerk liegt eindeutig auf dem Hof, dieser ist mit vielen Worten beschrieben wurden und ich hatte schon nach wenigen Seiten ein erstes Bild davon, welches sich immer weiter verstärkt hat und immer farbenfroher und lebendiger wurde. Ich konnte mir vor allem die Küche mit der Essecke sehr gut vorstellen, ich mochte die Zusammentreffen der Familie Bruns unglaublich gerne, sie wirkten dort am natürlichsten und ich mochte die Dynamik, die untereinander herrschte sehr gerne!
Zum anderen gab es einige wunderschöne Beschreibungen der See, sie wurde mit leuchtenden Worten beschrieben, sodass ich mir dies immer deutlich vorstellen konnte. Außerdem bin ich ein bisschen der Meinung, dass dort immer einige Schlüsselmomente stattgefunden haben und man die Charaktere von einer weicheren und verletzlicheren Seite zu sehen bekommen hat.

Es gibt einen langsamen Spannungsaufbau, man merkt, dass sich langsam aber sich etwas zusammenbraut. Doch dabei entstehen leider ab und an Längen, einige Szenen verlängern das Buch nur unnötig. Sie sind zwar nett zu lesen, es wird das normale Leben von Bauern, einer jungen Liebe und dem Alltag zu und nach Kriegszeiten erzählt. An sich finde ich das auch spannend und ich mag es, wenn nicht dauernd Dramen eingebaut werden. Doch hier waren es mir ein paar zu viele dieser Erzählungen, sie haben nicht zwingend zu dem Weitergang der Geschichte beigetragen und erschienen etwas unnötig.
Gerade durch die Einstreuung von Szenen, die im Jahr 1949 spielen und bereits erste Vermutungen zulassen, die ganze Situation aber nicht auflösen und so die Aufmerksamkeit ankurbeln, bin ich immer weiter am Ball geblieben. Teilweise habe ich darauf gewartet, dass es weitere Informationen zu der Situation gibt, in der sich Elli gerade befindet. Doch diese Szenerie wird erst am Ende aufgelöst und so habe ich trotz einiger Längen mit viel Interesse weitergelesen.

Die Darstellung der Protagonisten war meist sehr gelungen. Es gibt allerhand verschiedene Charaktere, die sich eindeutig voneinander unterscheiden. die nicht alle sympathisch erscheinen oder in denen man sich auch leicht täuschen kann. Es ist dem Leser selbst überlassen, wie man einen Protagonisten einschätzt und die Sympathie wird nicht in eine bestimmte Richtung gelenkt.
Mir hat stets die Familie Bruns mit ihren verschiedenen Wesen am besten gefallen, nicht nur die Dynamik mochte ich gerne, sondern auch, wie die damals innerhalb einer Familie typische Hierarchie dargestellt wurde. Sie wirkte realistisch und wurde sehr anschaulich beschrieben, sodass man gar keinen Zweifel daran haben muss, dass es genau so damals abgelaufen ist.
Tatsächlich hatte ich während manchen Szenen das Gefühl, dass die Familie nicht nur erdacht ist, sondern genau in diesem Moment so versammelt am Esstisch sitzen könnte und eine Mahlzeit einnehmen, Probleme bereden oder einer Tätigkeit nachgehen.
Als Hauptprotagonistin steht Elli im Mittelpunkt. Ich mochte ihre Art sehr gerne, sie ist ein sympathisches Mädchen, welches nicht nur freundlich auftritt, sondern auch unglaublich fleißig ist und sich für keine Arbeit auf dem elterlichen Hof zu schade ist. Manchmal war mir Elli zu impulsiv, sie hat ihre Emotionen teils einfach raus gelassen und nicht über mögliche Folgen nachgedacht. Zudem änderte sich ihr Wesen, sie wurde reifer und manche Aussagen und Handlungen habe ich kritisch hinterfragt. Am Ende war sie mir nicht mehr so angenehm wie noch am Anfang, trotzdem fand ich Elli ganz interessant und empfand sie als gute Seele.
Georg blieb mir immer etwas blass. Er hatte ebenfalls zahlreiche Charakterzüge erhalten und nach und nach erfährt man auch ein paar Details aus seinem Leben vor dem Krieg. So kann man sich ein recht gutes Bild seines Wesens machen, ihn einschätzen und bewerten. Und oft fand ich Georg merkwürdig, er schien mir nicht immer aufrichtig und ich hatte stets das Gefühl, er ist nicht der sympathische Kerl, für den er sich gern darstellt.

Fazit:
Im Großen und Ganzen ein guter erster Teil der Nordsee-Saga, es gibt eine recht spannende Handlung, mit vielen, ganz wunderbar erklärten Details über historische Zusammenhänge. Zudem mochte ich das Setting gerne, ich habe den Bruns-Hof sehr lebendig vor Augen gehabt und konnte mir viele Protagonisten in diesem Setting richtig gut vorstellen. Und auch die Familie Bruns waren tolle Charaktere, die sehr individuell waren und die ich gerne auf ihrem Lebensweg ein Stück begleitet habe.
Es gibt kleine Kritikpunkte, am schwersten wiegt für mich die Länge des Buches, wodurch sich manche Szenen etwas gezogen haben und fast schon zu viel des Guten waren. Einiges hätte durchaus weggelassen werden können und die Handlung wäre immer noch rund gewesen und man hätte nichts wichtiges verpasst.

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