Ein großer Genuss
Der MarkisenmannDas Cover dieser Geschichte taugt auf jeden Fall zum hässlichsten Bucheinband des Jahres und ist wirklich abschreckend. Ein Wunder fast, dass die Marketingabteilung des Verlags es trotzdem gewagt hat, ...
Das Cover dieser Geschichte taugt auf jeden Fall zum hässlichsten Bucheinband des Jahres und ist wirklich abschreckend. Ein Wunder fast, dass die Marketingabteilung des Verlags es trotzdem gewagt hat, damit auf den Markt zu gehen. Aber… es passt zu dem Roman, wie die Faust aufs Auge.
Worum geht es?
In diesem wirklich herzerwärmenden Coming of Age Roman mit ganz viel Ruhrpottcharme lernen wir Ich-Erzählerin Kim und ihre Familie kennen. Sie ist eine aufmüpfige 15Jährige , die mit ihrer Mutter, ihrem Stiefvater und dem kleinen Bruder in einer Schicki - Micki Gegend im Speckgürtel von Köln wohnen und wie das bei Pubertierenden so ist, fühlt sie sich übersehen, ungeliebt und unverstanden. Nachdem sie es mit ihren Aktionen auf die Spitze getrieben hat und ihren kleinen Bruder ernsthaft verletzt hat, beschließt die Familie, dass Kim die Sommerferien besser bei ihrem leiblichen Vater verbringen solle, damit wieder Ruhe in das Familienleben einkehren könne. Kim soll obwohl sie ihren Vater überhaupt nicht kennt, die Ferien bei diesem Fremden verbringen. Ihr Vater, optisch schon mal enttäuschend, holt sie am Duisburger Bahnhof ab und nimmt sie mit in eine völlig neue Welt. Hat Kim in der 1. Nacht noch Fluchtgedanken, so macht sie doch eine tolle Entwicklung durch und kehrt nach 6 Wochen Duisburg Meiderich mit Tränen in den Augen in ihr Elternhaus zurück, weil es der beste Sommer ihres Lebens war.
Während ihr Stiefvater reich und arrogant ist, ist der „Unscharfe“ wie sie ihren Vater insgeheim nennt, weil er auf dem einzigen Foto was sie von ihm hat nur verschwommen zu erkennen ist, ein armer Schlucker. Er lebt in einer heruntergekommenen Halle im Industriegebiet und versucht mehr schlecht als recht Markisen im Direktvertrieb an der Haustür zu verkaufen. Sein Verkaufstalent ist unterirdisch, die Markisen, die aus DDR Restbeständen stammen grauenhaft hässlich. Da braucht es schon eine pfiffige Teenagertochter die seine Verkaufsgespräche mit ein paar Tricks ein bisschen pusht.
Kim hat endlich das Gefühl ,dass man ihr zuhört. Sie ist auch bei Papa Ronald Papen‘s Kumpels voll akzeptiert wenn die beiden abends in Rosie‘s Pilstreff etwas Geselligkeit suchen.
Und auch wenn ihr Papa eigentlich nichts zu bieten hat, gibt er seiner Tochter in diesen Ferien doch eine ganze Menge mit für ihr weiteres Leben, vor allem Liebe.
Ich hätte nie gedacht, dass mich dieses Buch so begeistern würde, aber Jan Weiler hat die Geschichte mit einem tollen Humor und trotzdem ganz viel Tiefe sehr einfühlsam erzählt. Es sind immer wieder ganz tolle Bilder, die der Autor , mit seiner Erzählweise hervorruft.
„Der Markisenmann“ ist ein tolles Sommerbuch, eine klasse Urlaubslektüre, ein Buch, dass immer passt und ja tatsächlich ein Überraschungshighlight.
Unbedingt lesen!