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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.03.2020

Absolut empfehlenswert!

Nachttiger
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Im Dezember entdeckte ich mit Nebelinsel zum ersten Mal ein Wunderraum Buch für mich. Das Buch schaffte es auch prompt mein Monatshighlight zu werden und ich schaute mir daher das Programm des Verlages ...

Im Dezember entdeckte ich mit Nebelinsel zum ersten Mal ein Wunderraum Buch für mich. Das Buch schaffte es auch prompt mein Monatshighlight zu werden und ich schaute mir daher das Programm des Verlages weiter an. Nachttiger klang interessant und nach einer weiteren tollen Gelegenheit, meine Komfortzone zu verlassen. Doch war dieser Ausflug ins Ungewisse von Erfolg gekrönt?

Malaysia: Ein Potpourri der Kulturen
Wie der Klapptext schon verrät, spielt diese Geschichte in Malaysia bez. damals die Kolonie Britisch-Malaysia Anfang der 1930er. Ich persönlich kannte mich ehrlich gesagt bis dato überhaupt nicht mit diesem Land aus und so war das Lesen für mich ein Abtauchen in eine fremde, faszinierende Welt. Im Malaya, wie der historische Name des Landes ist, prallen drei Kulturen aufeinander. Zum einen die der Einheimischen, dann die britischen Kolonialherren und nicht zuletzt hat China mit einer enormen Zahl an Einwanderer enormen Einfluss und bringt, seine Traditionen und Kultur mit. Aus dieser Situation heraus entsteht eine faszinierende Vermischung von Kultur und Traditionen, so trifft zum Beispiel der malaiische Glaube an Geistertiger auf den chinesischen Zahlenaberglaube. Die Traditionen der Leute verschmelzen und bilden eine einzigartige Gesellschaft. Der Autorin gelingt es hervorragend diese Eigendynamik des Landes an den Leser zu vermitteln.

Die Odyssee eines Fingers
An diesem geheimnisumwitterten Ort verwebt die Autorin das Schicksal von fünf Menschen. Sie alle tragen eine der fünf konfuzianischen Tugenden im Namen:

Zhi – Weisheit
Yi – Rechtschaffenheit
Ren – Güte
Li – Ordnung
Xin – Aufrichtigkeit


Als Leser lernen wir die Namensträger aber erst nach und nach kennen, manche offenbaren sich sogar erst kurz vorm Ende des Buches. Zu Beginn handelt die Geschichte vor allem von dem jungen Ren, der den amputierten Finger seines toten Herren finden soll und Ji Lin, die durch Umstände ebenjenen Finger findet. Was folgt, ist eine fast schon aberwitzige, aber eben auch sehr amüsante Reise des Fingers, die man einfach nur als Odyssee bezeichnen kann. Mit voranschreiten der Handlung verweben sich die Schicksale der Figuren immer enger. Ich war absolut begeistert davon, wie die Autorin es schafft alles und jeden miteinander zu verbinden, diese Verbindungen aber immer erst nach und nach zu enthüllen. Stück für Stück die Fäden zu erkennen, die alles zusammenführen, stellte einen großen Lesegenuss dar und ließ das Buch zu keinem Zeitpunkt langweilig werden.

Die Grenzen verschwimmen
Doch die tolle Handlung, in der sich sogar Krimielemente finden lassen, ist nicht der einzige Grund, der dieses Buch zu einem Lesevergnügen macht. Ebenso gelungen fand ich die Vermischung von Mystik und Realität, von Traum und Wirklichkeit. In diesem Buch ist vieles nicht so, wie es scheint. Man fragt sich oft, was ist Legende und was ist wahr? Das Buch wandert dabei auf einem schmalen Grat zwischen Schein und Sein, hält aber exzellent die Balance.
Und auch bei den Charakteren selbst verschwimmen die Grenzen, viele haben Dinge getan, die nicht unbedingt gut waren, waren aber trotzdem keine schlechten Menschen. Es gibt kein schwarz oder weiß in diesem Buch und das ist immer ein Punkt, den man loben muss.

Fazit:


Mein zweites Buch aus dem Wunderraum Verlag und definitiv nicht mein Letztes! In Nachttiger entfaltet sich eine faszinierende Welt aus Mystik und Historik, aus Liebe, Verrat und Leidenschaft. Fünf Menschen, untrennbar verbunden durch die Odyssee eines Fingers. Witzig, mitreißend und betörend. Eine klare Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 26.03.2020

Gelungene Fortsetzung

Der Garten der schwarzen Lilien
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Nachdem ich im Dezember Das Schwert der Totengöttin gelesen hatte und mir dieses gut gefallen hatte, wollte ich natürlich auch wissen wie es mit Mirage und Zejn weitergeht und griff daher zu diesem zweiten ...

Nachdem ich im Dezember Das Schwert der Totengöttin gelesen hatte und mir dieses gut gefallen hatte, wollte ich natürlich auch wissen wie es mit Mirage und Zejn weitergeht und griff daher zu diesem zweiten Band.

Wie Feuer und Wasser
Die Fortsetzung setzt nahtlos an ihren Vorgänger an. Mirage und Zejn sind immer noch auf der Suche nach dem Schwert der Totengöttin, dass in Tradeas Unterwelt verloren ging, doch diese wird nicht nur von einem Bandenboss beherrscht und schon bald werden Zejn und Mirage immer tiefer in die kriminelle Welt von Tradea hineingezogen. Notgedrungen müssen die Beiden zusammen arbeiten, verfolgen aber weiterhin jeweils ihre eigenen Pläne. Manchmal hätte ich die Beiden echt anschreien können, besonders Mirage, die mir mit ihrer unbesonnenen übereilten Art zunehmend unsympathisch wird, das ist aber eine reine persönliche Einschätzung und werte ich nicht als Kritikpunkt.

Was ich jedoch als Kritikpunkt werte ist, dass durch die ständigen Kabbeleien und bewussten und unbewussten gegenseitigen Behinderungen, sich die erste Hälfte des Buches etwas zieht. Lustigerweise ist es also genau andersherum, als wie beim ersten Band, wo ich die zweite Hälfte schwächer fand. Was mir jedoch gut gefallen hatte war, dass man mehr über die Entstehung von Nifs Rückgrat erfährt.
Die zweite Hälfte des Buches wird dafür richtig spannend und es tauchen auch endlich wieder Untote aus, die hatte ich bis dahin schmerzlich vermisst. Der Showdown ist dramatisch und wie es mit Untoten so ist, auch ekelig, aber trotzdem, oder vielleicht auch grade deshalb unheimlich gut.

Das Ende öffnet dann einen neuen Handlungsstrang, den der Leser schon fast vergessen hat, der mich aber unglaublich neugierig macht. Außerdem freue ich mich riesig, wieder in die Vorlanden zurückzukehren. Untote im Wald und Moor sind halt doch noch gruseliger, als in der Stadt.

Fazit:


Dieses Mal schwächelt die erste Hälfte etwas, aber es ist immer noch eine gelungene Fortsetzung und ich bin jetzt mehr als bereit für das Finale (bei dem dann hoffentlich beide Hälften super sind =D )

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Veröffentlicht am 18.03.2020

Eine schöne Geschichte ABER...

Der Kuss des Kjer
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Dieses Buch stand wahrscheinlich über 7 Jahre auf meiner Wuli. Trotz der tollen Bewertungen, landete im Buchladen doch immer ein anderes Buch in der Tasche. Jetzt konnte ich es endlich bei Tauschticket ...

Dieses Buch stand wahrscheinlich über 7 Jahre auf meiner Wuli. Trotz der tollen Bewertungen, landete im Buchladen doch immer ein anderes Buch in der Tasche. Jetzt konnte ich es endlich bei Tauschticket ergattern und in diesem Monat auch gleich vom SUB befreien.

Die Heilerin und der Kjer
Die Grundhandlung von Der Kuss des Kjers ist schnell erzählt: Lijanas ist eine Heilerin aus dem Volk der Nivard, dieses liegt im Krieg mit dem Volk der Kjer. Mordan ist ein Kriegsherr aus ebenjenen Volk und hat den Auftrag Lijanas zu seinem König zu bringen. Da diese natürlich nicht freiwillig mit dem Feind mitgeht, entführt er sie kurzerhand und es beginnt eine Reise quer durch das Land.
Das Buch hält sich auch am Anfang nicht mit allzu viel Geplänkelt und Lijanas findet sich schon nach den ersten 20 Seiten in ihrer prekären Situation, das gefiel mir gut, da dadurch das Spannungslevel von Anfang an hoch angesetzt wurde.

Die nächsten 300 Seiten verbringt Lijanas also notgedrungen mit den Kjer auf den in deren Heimatland. Die Autorin nimmt sich an dieser Stelle viel Zeit ihre beiden Protagonisten sich langsam antasten zu lassen. Ich mochte es sehr, dass wir hier keine "Liebe auf den ersten Blick" Geschichte haben. Lijanas und Mordans Verhältnis zueinander ändert sich wirklich in einem ganz langsamen Tempo, wurde aber auch nie langweilig, da die Gruppe auf der Reise auch so manche Schwierigkeiten begegnen müssen, sodass die Liebesbeziehung zwar einen großen Raum einnimmt, aber nicht den alleinigen Fokus darstellte und sich die Spannung daher auch nicht nur aus dieser einen Sache heraus einstellte.

Eine Jungfrau in Nöten
Zuerst möchte ich sagen: Ich mochte die Liebesgeschichte in diesem Buch, ich mochte sie wirklich, trotzdem komme ich nicht drumherum, einige Kritikpunkte anzumerken. Im Wesentlichen ist es das Frau-Mann-Bild in diesem Buch. Mordan verhält sich Lijanas gegenüber wirklich abscheulich, ist der festen Meinung Frauen haben sich Männer zu unterwerfen, still zu sein und gehorsam und auch wenn wir als Leser erkennen, wie er zu diesem Weltbild kam und er zumindest im Bezug auf Lijanas zu einem anderem Urteil kommt, zeigt er bis zum Schluss keinen wirklichen Ansatz sein Weltbild generell zu überdenken. Dies trifft ebenso auf den blinden Gehorsam gegenüber dem König und der Form der Sklaverei bei den Kjer zu.
Lijanas hingegen ist prinzipiell in ihren Gedanken und Gefühlen eine starke, selbstbestimmte Frau, dennoch muss sie im verlauf der Handlung immer wieder von Mordan gerettet werden. Ein paar solcher Szenen sind ok, ich hätte mir aber gewünscht, dass wenigstens ein paar Mal Lijanas sich selbst hilft und nicht auf Hilfe von Außen angewiesen ist.

Ein völlig überflüssiger Drogenrausch
Ein zweiter Punkt, der mir nicht so gefallen hat, ist die fehlende Ausarbeitung mancher Handlungsstränge. Im späteren Verlauf taucht urplötzlich ein fremdes, namenloses Volk auf, versetzt unsere Protagonisten in einen aphrodisierenden Drogenrausch (Warum, weshalb,wieso kann man nur spekulieren) und schwupsiwupps sind sie auch schon wieder weg und es wird im restlichen Buch auch nicht mehr darauf eingegangen. Als Leser denkt man sich blos, "Waz zum Teufel war das gerade?" Das passiert leider mehrmals in der Geschichte. Es wird ein durchaus spannender neuer Handlungsstrang aufgemacht, nur um ihn ins Leere laufen zu lassen, sobald er die beiden Protagonisten nicht mehr unmittelbar betrifft. Das ist sehr schade, da hätte man es auch ganz lassen können.

Fazit:


Der Kuss des Kjer macht Spaß zu lesen, keine Frage, allerdings erscheint im Nachhinein der ein oder andere Handlungsstrang recht überflüssig und auch das Verhältnis von Frau zu Mann sollte nochmal überdacht werden. Wer eine schöne Liebesgeschichte im Fantasygewand lesen möchte, kann gerne zugreifen, wer viel Wert auf ein modernes Frauenbild legt, sollte jedoch lieber zu einem anderen Buch greifen.

Veröffentlicht am 18.03.2020

Ein Wunder, wer hier durchsieht

Wie Eulen in der Nacht
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Maggie Steifvater dürfte vielen unter Euch bekannt sein, ob nun mit ihrer Mercy Falls oder Raven Boys Reihe. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich drei Bücher von ihr auf meinem SUB hatte. Das ...

Maggie Steifvater dürfte vielen unter Euch bekannt sein, ob nun mit ihrer Mercy Falls oder Raven Boys Reihe. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich drei Bücher von ihr auf meinem SUB hatte. Das wollte ich nun endlich ändern und meinen ersten Stiefvater lesen, beherzt griff ich also zu einem der Dreien: Wie Eulen in der Nacht.

Ein poetischer Schreibstil
Schon mit der ersten Seite von Wie Eulen in der Nacht wird deutlich: Maggie Stiefvater schreibt anders! Ihr Stil ist metaphernreich und bildgewaltig, schwankt zwischen Prosa und Lyrik. Dabei wählt sie auch eigentümliche Perspektiven, beschreibt zum Beispiel eine Situation aus der Sicht eines LKWs oder der Wüste selbst.

"Pete war auf der Stelle verliebt. Dieser befremdlichen kalten Wüste ist es gleich, ob man in ihr lebt oder stirbt, aber er verliebte sich trotzdem in sie. [...] Er verliebte sich so heftig, dass selbst diese Wüste es bemerkte. Sie war nur beiläufige Affären mit durchreisenden Fremden gewohnt und stellte seine Zuneigung gleich grausam auf die Probe, indem sie einen Sandsturm aufwirbelte." (Maggie Stiefvater:Wie Eulen in der Nacht, Knaur, S.26.)

Dieser Stil ist definitiv nicht zum "eben mal schnell durchlesen" gedacht. Er verlangt Konzentration, belohnt den Leser aber dafür mit imposanten Wortgebilden und Sprachkunstwerken. Obwohl ich normalerweise kein Fan von mit Metaphern überladene Schreibstile bin, fand ich Stiefvaters Art zu Schreiben faszinierend, besonders die erwähnten Perspektivwechsel oder auch die kurzen Steckbrief artigen Umschreibungen der Charaktere, die dennoch unglaublich viel über die Personen aussagen.

Was geht da vor sich in Bicho Raro?
Doch leider war es nicht nur der Schreibstil, der eigentümlich war. Auch in ihrem Erzählstil verliert sich die Autorin in Irrungen und Wirrungen, doch während das beim Schreibstil noch poetisch anmutet, strengt es im Handlungsverlauf nur noch an. Das Buch hat "nur" 300 Seiten und die ersten 200 fühlten sich wie eine überlange Einleitung an. Die Geschichte springt vor, zurück und nach alle Seiten aus, sodass es einem schwerfällt ihr mit gebürtigem Interesse zu folgen. Als es dann endlich richtig losging, war ich nur noch genervt und wollte den Rest schnell hinter mich bringen. Wären es zu diesem Zeitpunkt nicht nur noch rund 100 Seiten gewesen, hätte ich das Buch wahrscheinlich abgebrochen.
Dabei waren sehr schöne Ansätze da. Die Wunder zum Beispiel. Die Ideen, in welcher Form sich die Ängste und die Dunkelheit der einzelnen Personen manifestiert fand ich toll und ich hätte sogar lieber noch viel mehr von den Pilgern, als von den Sorias gelesen.

Fazit:


Wie Eulen in der Nacht konnte mich leider kaum ansprechen. Der Schreibstil der Autorin ist einzigartig und faszinierend, die Geschichte jedoch zu verworren und das Tempo zu langsam.

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Veröffentlicht am 10.03.2020

Einzigartig, neuartig und berührend, ein Jahreshighlight!

Lincoln im Bardo
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Auf George Saunders wurde ich durch Fuchs 8 aufmerksam, dass mir sehr gefallen hatte. Da ich mir eh vorgenommen hatte mal meine Komfortzone zu verlassen und mich in anderen Genre umzuschauen, kam das ...

Auf George Saunders wurde ich durch Fuchs 8 aufmerksam, dass mir sehr gefallen hatte. Da ich mir eh vorgenommen hatte mal meine Komfortzone zu verlassen und mich in anderen Genre umzuschauen, kam das Buch wie gerufen. Wobei so ganz ohne phantastisches Element ist dieses Buch ja auch nicht, immerhin kommen hier mehr Tote, als Lebende zu Wort.

Eine Kakophonie aus Hunderte von Stimmen
Wie auch schon in seiner fuchsigen Kurzgeschichte, beschreitet George Saunders völlig neue Wege was die Art des Erzählens betrifft. Der Großteil des Buches ist in einer Art "Dialog" geschrieben, in den die Geister des Oak Hill Cemetery das Geschehen kommentieren. Wer gerade spricht, erfährt man durch einen Vermerk. Ich setzte Dialog in Anführungszeichen, da die Geister nicht zwangsläufig ein Gespräch miteinander führen. Vielmehr hat man den Eindruck, man würde in einem riesigen Raum voller Leute stehen und alle rufen einem gleichzeitig ihre Meinung zu.
Das mag im ersten Moment verwirren, doch mit der Zeit entfaltet sich ein vielstimmiger und interessanter Chor, denn all diese Geister hängen im Bardo fest und haben alle ihre eigene Geschichte. Das Bardo stammt aus dem Tibetischen Buddhismus, bei Saunders ist es eine Art Zwischenreich zwischen dem Tod und dem, was auch immer danach kommt. Menschen, die sich ihren eigenen Tod nicht eingestehen, oder sonst wie das Bedürfnis haben noch etwas zu erledigen, hängen hier fest. Dabei spiegelt sich ihre Lebensweise in ihrem Aussehen und Verhalten wider. Ein Jäger z. B. der sein Leben lang Tiere zum Spaß an der Jagd getötet hat muss nun mit jedem einzelnen getöteten Tier Freundschaft schließen. Hans Vollmann, einer der drei Geister, die die Geschichte maßgeblich erzählen, starb, als er sich gerade darauf freute endlich die Ehe mit seiner geliebten Frau zu vollziehen und läuft nun mit einem gewaltigen Ständer herum. An diesen Stellen beweist der Autor einen makabere, witzigen Sinn für Humor.

All diese Geister verbindet eines: Das Gefühl, noch nicht gehen zu können. Die Gründe dafür sind so vielfältig wie das Leben selbst und Saunders gibt sich sichtlich Mühe ein breites Spektrum an Menschen zu Wort kommen zu lassen. Nach eigenen Angaben kommen in seinem Buch 166 Geister vor. Er bildet damit einen Querschnitt durch die amerikanische Gesellschaft des 19. Jh. ab. Vom Säufer bis zum Kaufmann, Sklaven, wie Sklavenhalter, einfache Bauern und Junggesellen, Mütter, Priester und noch viele mehr, so gut wie jeder hat eine Stimme und auch wenn die meisten kaum eine Seite lang von sich selbst erzählten, berührten mich viele Schicksale.

Historische (Un)genauigkeiten
Doch die zahlreichen Geisterstimmen sind nicht das einzige Besondere an diesem Buch. Zusätzlich hat der Autor Kapitel mit Zitaten und Anekdoten aus historischen Quellen hinzugefügt und nimmt so ganz nebenbei die Subjektivität ebenjener aufs Korn. So führt er zwölf Quellen auf, die den Mond am Abend eines Festes im weißen Haus beschreiben. Je nach Quelle ist Vollmond, Sichelmond oder Neumond und er leuchtet weiß, gelb, blau, grün oder rot. Amüsanter kann man nicht verdeutlichen, das solche Berichte stets von Vergesslichkeit und persönlichen Intentionen des Erzählers getrübt sind. Herr Saunders legt sogar zu diesem Aberwitz noch einen drauf, indem er manche seiner Quellen (aber nicht alle!) frei erfunden hat.

Eine Geschichte vom Tod und dem Leben
Wahrscheinlich klingt das Alles, so wie ich es jetzt erzähle ziemlich chaotisch und eigentlich ist es das auch, aber uneigentlich hatte ich beim Lesen nie das Gefühl, dass der rote Faden fehlt. Dieser findet sich nämlich in zwei zentralen Themen: Präsident Lincoln und der Tod, die letztendlich beide aber gar nicht so deutlich voneinander zu trennen sind. Die historischen Quellen vermitteln das Bild des Präsidenten, wie ihn seine Zeitgenossen kannten, wir als Leser bekommen aber ein anderes Bild des Staatsmannes, nämlich nicht das des stolzen 16. Präsidenten, sondern vielmehr das, eines trauernden Vaters. Eines Vaters, der nicht Abschied nehmen kann und will von seinem heiß geliebten Sohn, dessen tief gehende Trauer nicht nur die Herzen der Geister von Oak Hill erweicht, sondern auch dem Leser nahe geht. Gleichzeitig ist dies keine reine Erzählung voller Trauer und Schatten, nein es findet sich auch Liebe, Licht und vor allem etwas Lebensbejahendes in dem Roman, sodass man das Buch am Ende mit einem guten Gefühl zuschlägt.

Fazit:


In einem neuem Erzählkonzept verarbeitet Saunders die Trauer der Zurückgeblieben ebenso, wie die unerfüllten Träume der Toten und füllt das ganze auch noch mit historischen Anekdoten an. Was auf den ersten Blick wie ein heilloses Chaos anmutet, entpuppt sich beim weiteren Lesen durch den roten Faden: Leben, Trauer, Tod, als grandiose Erzählkunst, die tief berührt. Schon jetzt ein Jahreshighlight!

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