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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.01.2023

Mein Jahreshighlight 2022

Die Stadt ohne Wind
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Dieses Buch fand ich beim Erscheinen zwar nicht gänzlich uninteressant, auf meine Wunschliste ist es aber erst gerückt, als ich die ersten begeisterten Meinungen dazu las. Da es aber dadurch sozusagen ...

Dieses Buch fand ich beim Erscheinen zwar nicht gänzlich uninteressant, auf meine Wunschliste ist es aber erst gerückt, als ich die ersten begeisterten Meinungen dazu las. Da es aber dadurch sozusagen ein “nachgerückter” Buchwunsch war, hatte ich gar nicht so große Erwartungen als ich begann und wurde dadurch positiv überrascht.

Eine Stadt aus Türmen, Kanälen und Magie
Was mich ziemlich schnell in seinen Bann gezogen hat, war das Worldbuilding, speziell die Stadt Hyperborea. Die Stadt, die unter einer Kuppel sich vor der rauen Außenwelt schützt und in der daher niemals Wind weht, besteht aus etlichen Türmen, die sich in verschiedene Ebenen gliedern, verbunden sind diese durch ein ausgeklügeltes System von Kanälen, welche sowohl als “Straßen”, als auch als Wasserversorgung dienen. Wie so oft herrscht ein strenges Klassensystem, die oberen Ebenen, die logischerweise durch die Fließrichtung von Wasser, das sauberste Wasser haben, sind den Reichen und Magiern vorbehalten, nach unten hin wird es immer dreckiger bis auf dem Boden nur noch eine eklige Brühe ankommt und die Ärmsten er Armen im ewigen Schatten der Türme leben müssen.

Eine Stadt aus Türmen ist zwar in der Fantasywelt nicht gänzlich neu, die Autorin haucht Hyperborea aber mit vielen detailverliebten Ideen ein ganz eigenes, individuelles Leben ein. So bewegt man sich auf den Kanälen zum Beispiel mit riesigen Schildkröten fort, wobei es da je nach Geld auch verschiedene “Modelle” gibt, von der Moosbedeckten, bis hin zur Vergoldeten. Solche individuellen Details fand ich großartig und zusammen mit einem Schreibstil, der dem/die Leser/in die Stadt bildhaft vor Augen führt, ohne sich in Beschreibungen zu verlieren war es ein echter Genuss zusammen mit Arka diese Stadt zu erkunden.
Ein weiterer Aspekt, den ich im Worldbuilding sehr spannend fand, war, dass Hyperborea kulturell und politisch an das byzantinische Reich angelehnt war. Das habe ich auch noch nicht so häufig erlebt. Vom römischen Reich oder den Griechen inspirierte Fantasywelten, ja, sehr geläufig, Byzanz jedoch stand bei dem, was ich bisher gelesen habe, noch nicht oft Pate.
Und zu guter Letzt in Sachen Worldbuilding, konnte mich auch das Magiesystem überzeugen. Wie dieses funktioniert erfährt man dadurch, dass Arka Unterricht erhält im Verlauf der Handlung ganz gut und es ist ein durchdachtes System, dass auch Grenzen hat. Das gefällt mir immer besser, als wenn einfach alles möglich ist, weil magic baby.

Ein ungleiches Gespann auf den Spuren einer Verschwörung
Das Worldbuilding ist also schon mal eine Eins plus mit Sahnehäubchen, wie sieht es mit den Charakteren aus? Da hätten wir natürlich zuallererst Arka. Als ich auf den ersten Seiten erfuhr, dass sie erst Dreizehn ist, machte ich mir schon Sorgen, denn normalerweise kann ich mit so jungen ProtagonistInnen mittlerweile nicht mehr viel anfangen. Doch meine Skepsis verflog schnell, denn Arka ist in ihren Gedanken und Verhalten sehr reif für ihre dreizehn Jahre. Das mag vielleicht, trotz der Dinge, die sie schon durchleben musste, nicht unbedingt die realistischste Darstellung einer Heranwachsenden sein, machte sie mir persönlich aber als Protagonistin viel sympathischer und ehe ich mich versah, wuchs mir Arka ans Herz, was nicht zuletzt auch an ihren Charakterzügen lag. Sie ist klug und pfiffig, ein bisschen vorlaut, dabei aber nie gemein und hat einen starken Willen.
Den Gegenpart dazu bildet Lastyanax. Er ist ein Magier, der nach dem Tod seines Mentors dessen Amt übernimmt. Er ist ruhig und besonnen, aber auch ehrgeizig, doch er hat das Herz auf dem rechten Fleck. Zusammen sind Arka und Lastyanax ein grundverschiedenes Duo, was ihr Zusammenspiel aber sehr interessant macht und für sowohl lustige als auch rührende Situationen sorgt.

Aber auch abgesehen von den ProtagonistInnen kann das Buch mit seinen Charakteren punkten. Ob es das sture Pony Zwerg, der grummelige Pferdetrainer Kaul oder die selbstbewusste Phyrra, die einzige weibliche Magierin, an jeder Ecke begegnen einem interessante Charaktere mit Wiedererkennungswert.

Kommen wir zur Handlung. Hier bietet das Buch eine tolle Mischung aus Academia und Verschwörung. Dabei gelingt es der Autorin genau die richtige menge an Geheimnissen einzuflechten, dass man als LeserIn stets neugierig bleibt. Die Auflösung dieser fand ich ebenfalls gelungen, zwar konnte ich die ungefähre Richtung bereits früher in der Handlung erahnen, trotzdem konnten mich einige Details auch überraschen.

Fazit


Zum Glück habe ich mich von den BloggerInnen meines Vertrauens beeinflussen lassen, sonst wäre dieses Jahreshighlight doch glatt an mir vorbeigegangen. Stadt ohne Wind hat alles, was ich mir von einem Fantasybuch wünsche: Sympathische Charaktere, mit denen man mitfiebert, ein atemberaubendes Setting und einen spannenden Plot voller Geheimnisse und Intrigen.

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Veröffentlicht am 07.01.2023

Gestern, wie heute unterhaltsam.

WITCH 01
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W.I.T.C.H, da werden Kindheitserinnerungen wach. Leider kam ich aus diversen Gründen damals nur sporadisch zu dem Vergnügen die Comics zu lesen, ich konnte also nie die ganze Geschichte erfassen und wie ...

W.I.T.C.H, da werden Kindheitserinnerungen wach. Leider kam ich aus diversen Gründen damals nur sporadisch zu dem Vergnügen die Comics zu lesen, ich konnte also nie die ganze Geschichte erfassen und wie das mit solchen Dingen so ist, verliert man es in dem Chaos der Pubertät irgendwann aus den Augen. Doch als ich nun fast 20 Jahre später die Neuauflage im Programm von Egmont entdeckte, dachte ich mir sofort: Da habe ich was nachzuholen!

Die Wächterinnen des Netzes
In der Welt von W.I.T.C.H gibt es viele verschiedene Dimensionen, damit diese sich nicht kreuz und quer vermischen und Chaos verursachen und damit Gut und Böse getrennt bleiben, gibt es das große Netz. Doch dieses wird immer brüchiger und es liegt nun an Will, Irma, Taranee, Cornelia und Hay-Lin, das Netz und die Dimensionen zu beschützen, wobei sie natürlich auf so einige Widersacher treffen. Ausgestattet sind die Wächterinnen mit der Kraft der Elemente, Irma beherrscht das Wasser, Cornelia die Erde, Taranee das Feuer, Hay-Lin die Luft und Will Energie. Diese Elementekräfte sind es, die mich als Kind schon faszinierten und es immer noch tun. Ich liebe bis heute Geschichten, in denen die ProtagonistInnen die Kräfte der Elemente kontrollieren können, ganz gleich, ob es die westlichen vier, die chinesischen fünf, oder ganz freie Kombinationen daraus sind. Dementsprechend machen mir die Kampfszenen in W.I.T.C.H sehr viel Spaß und ich habe sehr gerne verfolgt, wie die Freundinnen ihre Kräfte entdeckten und langsam zu kontrollieren lernen und bin sehr gespannt, was sie damit in Zukunft noch werden anstellen können.
Der magische Aspekt ist daher ein großer Pluspunkt der Reihe für mich und ein wesentlicher Faktor, warum mir die Comics gefallen.

Fünf Freundinnen und der ganz normale Teenie Alltag
Sympathisch waren mir nicht nur die Magie, sondern auch die Protagonistinnen. Jede der fünf Mädchen hat einen eigenen individuellen Charakter, wobei ich Hay-Lin und Taranee am liebsten mochte. Cornelia fände ich als Mensch in echt zwar nicht allzu sympathisch, aber sie trägt dazu bei, dass die Gruppendynamik spannender wird und nicht nur aus Friede-Freude-Eierkuchen besteht. Insgesamt bilden die verschiedenen Charakterzüge der Wächterinnen ein ausgeglichenes Team, das zusammen gut funktioniert und mir gefallen hat.
Als LeserIn der Comic bekommt man auch deshalb schnell ein Gefühl für die fünf Mädchen, weil sich nur ein Teil der Handlung mit Magie und dem Kampf gegen das Böse beschäftigt, denn Will und ihre Freundinnen gehen auch weiterhin zur Schule und müssen den ganz normalen Alltag von 12-14-jährigen bewältigen, inklusive all der kleinen und großen Probleme rund um Schule, Freundschaft und liebe, die das so mit sich bringt. Für mich waren viele der Teenie-Dramen nicht mehr wirklich ansprechend, das würde ich aber nicht dem Comic zulasten legen, da ich ja auch nicht die primäre Zielgruppe bin. Dennoch hätte ich es unabhängig davon noch schöner gefunden, wenn der Fokus noch mehr auf die Freundschaft und andere Sorgen, in dem Alter gelegt worden wäre, und nicht für jedes Mädchen schon ein passender Deckel gesucht werden müsste. Dafür ziehe ich ein Punkt ab, da auch ein Teenager Leben aus mehr besteht, als Liebeskummer und Liebesdrama.

Fazit:


Auch nach 21 Jahren nach der Veröffentlichung des ersten W.I.T.C.H Comics hierzulande, hat die Reihe rund um fünf Freundinnen, die mit der Kraft der Elemente gegen das Böse kämpfen, nichts von seiner Sogkraft verloren und macht immer noch Spaß zu lesen. Lediglich die Themen des Alltags der Mädchen könnten etwas vielfältiger gestaltet sein.

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Veröffentlicht am 07.01.2023

Wie und was man lesen sollte...

Die Katze, die von Büchern träumte
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Wenn ein buch schon im Inhaltstext mit “Eine zauberhafte Hommage an die Macht der Literatur und der Fantasie” beworben wird, kann man als Bibliophile nur schwer daran vorbeigehen, nicht wahr? So ging es ...

Wenn ein buch schon im Inhaltstext mit “Eine zauberhafte Hommage an die Macht der Literatur und der Fantasie” beworben wird, kann man als Bibliophile nur schwer daran vorbeigehen, nicht wahr? So ging es mir jedenfalls, als ich Die Katze, die von Büchern träumte entdeckte und das Büchlein wanderte prompt auf die Leseliste.

Ein Junge, eine Katze und die Rettung der Bücher
Bei keine 200 Seiten ist die Handlung dieser Geschichte schnell erzählt: Der schüchterne und eigenbrötlerische High School Schüler Rintaro lebt mit seinem Großvater zusammen, der ein Buchantiquariat führt und vergräbt sich dort für sein Leben gerne zwischen Nietzsche, Dumas und Shakespeare. Doch als sein Großvater plötzlich verstirbt, weiß Rintaro nicht mehr, was er tun soll. In diesem Moment taucht eine sprechende Katze auf und bittet Rintaro um Hilfe, denn es gilt Bücher zu retten. Dazu führt der getigerte Kater Rintaro in geheimnisvolle Welten, in denen die Bücher in Gefahr sind. Die Geschichte ist dementsprechend unterteilt in die verschiedenen Labyrinthe, genannte Welten, die sich alle anderen “Buchproblemen” widmen.
Schnell wird deutlich, dass es nicht nur darum geht, die Bücher zu retten, sondern vor allem auch Rintaro, der sich nach dem Tod seines Großvaters immer weiter zurück gezogen hat, die Schule schwänzt und droht zum klassischen Hikikomori zu werden. Die Geschichte setz hier klare Fokuspunkte und konzentriert sich allein auf diese beiden zentrale Themen. Dieser starke Fokus ist in meinen Augen weder als besonders gut, noch schlecht zu bewerten, sondern sei hier einfach zur Orientierung erwähnt.

Das Abenteuer der Rettung der Bücher ist also auch eine Selbstfindungsreise. Dementsprechend bekommen wir als Leser/in einen guten Eindruck von Rintaro, wie er denkt und fühlt und was für Probleme er hat. Die restlichen Charaktere bleiben dagegen etwas blass, einschließlich die titelgebende Katze, die dann doch überraschend wenig zur Rettung der Bücher beiträgt. Überhaupt entpuppen sich die Rettungmissionen als relativ unspektakulär. Rintaro trifft auf Menschen, die Bücher schlecht behandeln (dazu gleich mehr), er redet kurz mit ihnen und schon nach kurzer Zeit lässt sich sein Gegenüber überzeugen und ist bekehrt. Mission erfüllt. Das ging mir alles zu leicht und zu schnell und es ließ die wiederholten Warnungen der Katze, die Missionen seien super gefährlich, albern wirken.

Wie und was du zu lesen hast
Was mich jedoch an den Mission noch mehr egstört hat, als ihre Einfachheit ist die elitäre Sichtweise auf Literatur,d ie hinter ihnen steht. Im Grunde ist eine Aussage des Buches, dass nur Klassiker es wert sind, gelesen und geliebt zu werden. So wird zum Beispiel immer wieder betont, wie besonders Rintaros Buchhandlung sei, weil es angeblich der einzige Ort ist, an dem man noch “Literatur” wie Kant oder Nietzsche finden kann, während alle anderen Buchhandlungen nur noch Mainstream Schund verkaufen. Tatsächlich wird sogar behauptet, man bekäme Bücher von Kafka, Austen oder Saint-Exupéry nirgendwo sonst mehr (von online-handel hat der Autor offenbar noch nie was gehört). Diese Lobpreisung der klassischen Literatur als das einzig Wahre fand ich schon etwas albern und ich lese selbst auch gerne Klassiker, aber eben nicht nur. Noch schlimmer wurde es dann im dritten Labyrinth. Hier wird es als Misshandlung von Literatur dargestellt, wenn ein Verlag es wagt Bücher zu drucken, die keine tiefgehende Bedeutung haben, sondern einfach der Unterhaltung dienen. Auch wie man zu lesen hat, wird ganz genau festgelegt. So bist du zum Beispiel kein/e Bücherliebhaber/in, wenn du nicht regelmäßig bestimmte Bücher (Klassiker!) erneut liest. Kurzfassungen, Lektüreschlüssel und Zusammenfassungen darfst du nicht mal mit der Kneifzange anfassen, die gehören in den Giftschrank! Und wenn dich das Buch beim Lesen nicht fordert, und Kopfschmerzen bereitet, dann ist es nichts wert.

Letztendlich ist dieser kurze Roman zwar eine Hommage an die Literatur, nur eben leider eine ganz bestimmte, ausgewählte Art von Büchern gewidmet. Das fand ich mehr als schade, sollte Lesen doch eigentlich etwas sein, was Menschen aller Art, Herkunft, Gesellschaftsschicht etc. verbindet. Man sollte sich nicht dafür schämen müssen, wenn man statt zu Nietzsche, lieber zu Fitzek greift und es ist auch keine Schade der reinen Unterhaltung oder Entspannung wegen zu lesen, aber genau das wird hier unterschwellig suggeriert und hat mir daher sehr missfallen. Auf drei Sterne gerettet hat die Geschichte eigentlich nur ein paar allgemeingültige Aussagen zum lesen/zu Büchern, die ich sehr schön fand. So zum Beispiel, dass Lesen zwar toll ist, man aber darüber hinaus seine Mitmenschen und den Bezug zur Realität nicht vergessen sollte, oder dass Bücher einem in schwierigen Zeiten als Freunde zur Seite stehen können.

Fazit:


Die Geschichte rund um Rintaro vermittelt durchaus Liebe zur Literatur, allerdings aus einer sehr elitären Perspektive heraus, die ganz genau festlegt, wie man zu lesen hat und was es wert ist gelesen zu werden. Das ist mehr als traurig, denn ein paar sehr schöne Lebensweisheiten und Aussagen über Bücher sind in der Geschichte enthalten. Schade nur, dass sie offenbar nicht für alle Bücher und nicht für alle Leser/innen gelten.

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Veröffentlicht am 06.12.2022

Eine weitere bisher ungehörte Figur aus der Mythologie bekommt eine Stimme.

Galatea
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Mit Ich bin Circe hat sich Madeline Miller letztes Jahr in mein Herz geschrieben und mir mein Jahreshighlight 2021 beschert. Klar bekam ich da große Augen, als ich sah, dass etwas Neues von ihr veröffentlicht ...

Mit Ich bin Circe hat sich Madeline Miller letztes Jahr in mein Herz geschrieben und mir mein Jahreshighlight 2021 beschert. Klar bekam ich da große Augen, als ich sah, dass etwas Neues von ihr veröffentlicht werden würde, selbst wenn es “nur” eine kurze Erzählung ist.
 
Wenn der Mythos endet, beginnt etwas Neues
Die ca. 40-seitige Kurzgeschichte Millers widmet sich dem Mythos von Pygmalion. Ein Motiv, dass in der Literatur der Neuzeit bereits viel Aufmerksamkeit und Adaptionen bekommen hat, was zunächst etwas verwunderlich scheint, ist der Mythos selbst doch eigentlich “nur” eine Randnotiz im großen Universum der griechischen Mythologie. Im 3. Jh. v.Chr. lediglich als kurze Anekdote zum Aphroditekult auf Zypern erwähnt, macht erst Ovid eine richtige Erzählung daraus, wobei auch hier Pygmalions Geschichte nur ein Teil, ein Mythos innerhalb eines Mythos rund um Orpheus ist. Die Geschichte ist eine von drei über unterschiedliche Liebschaften, die Orpheus, nachdem er nach dem Verlust seiner geliebten Eurydike der heterosexuellen Liebe abgeschworen hat, erzählt.

In den folgenden Jahrhunderten wurde der Stoff vielfach adaptiert, Jean-Jacques Rousseaus gab 1770 in seinem Werk Pygmalion der zum Leben erwachten Frau, die bei den antiken Autoren noch namenlos war, erstmals einen Namen: Galathée, zu deutsch: Galatea. Doch wie man diese ganzen Adaptionen auch dreht und wendet, es sind männliche Autoren, die sich vorrangig um die Perspektive des Pygmalion bemühen. Es war also höchste Zeit sich mal zu fragen, was Galatea selbst von der ganzen Sache hielt und wer könnte dieser Figur besser eine Stimme verleihen, als die Queen of ancient feminism storys: Madeline Miller.
Dabei erzählt sie, anders als in ihren Romanen, nicht den bekannten Mythos auf ihre Art nach, sondern schafft vielmehr eine Ergänzung, indem sie erzählt, was aus Galatea und Pygmalion nach den Ereignissen aus dem Mythos wurde. Damit beschert sie uns nicht nur Einblicke in die Gefühlswelt einer bisher stumm gebliebenen Figur, sie verleiht auch dem eigentlichen Mythos eine neue Leseart, die in meinen Augen durchaus plausibel und vereinbar mit dem original ist, denn wenn man sich die Verse Ovids, die in dem Büchlein ebenfalls abgedruckt sind, anschaut, steckt da schon einiges an Misogynie drin, das mag seine historischen Gründe haben und liegt nicht daran, dass Ovid oder seine Zeitgenossen per se schlechte Menschen waren, die Verbindung von Frauen mit schlechten und lasterhaften Eigenschaften und die Reduzierung Galateas auf die Erfüllung von Pygmalions Wünschen lassen sich dennoch nicht von der Hand weisen.

Von der Suche nach Selbstbestimmung
Von der Handlung der Kurzgeschichte brauche ich euch eigentlich nichts zu erzählen, was nicht schon im Klapptext steht, alles andere wäre nur Spoiler. Reden wir also lieber über die Themen, die Miller hier aufgreift, denn trotz der Kürze der Geschichte werden einige leider immer noch hochaktuelle Themen behandelt. Das zentrale Motiv ist in meinen Augen die Suche Galateas nach Selbstbestimmung für sich und ihre Tochter. Sie will raus aus einem Teufelskreis aus Bevormundung und Entmündigung, der die kurzen 15 Jahres ihres bisherigen Lebens vollkommen bestimmte. An dieser Stelle kann ich schon mal sagen, dass mir das Ende der Kurzgeschichte sehr gut gefallen hat, denn es verdeutlicht, dass mitunter Selbstbestimmung und Freiheit noch wichtiger und essenzieller sind, als das eigene persönliche Glück.

Was ich an Madeline Miller schätze ist, dass sie Stil und Stimmung an ihre Figuren anpassen kann. Galatea erzählt ihre Geschichte gefasst und distanziert, fast schon teilnahmslos und die Geschichte bekommt dadurch eine erdrückende Stimmung, die jedoch sehr gut zu dem passt, was Galatea erdulden muss. Wer Leid über lange Zeit ertragen muss, stumpft zum Selbstschutz ab, das heißt nicht, dass die Person aufgegeben hat. Zudem passt für mich dieser nüchterner Charakterzug auch gut zu einer Frau, die nicht wie Menschen langsam aufgewachsen ist, Erfahrungen gesammelt und durch ein soziales Umfeld geprägt worden ist, sondern ohne Beistand durch göttliches Tun in ein Leben, in dem ihre Meinung nie gefragt war und allzu große Gefühlsregungen unerwünscht sind, hinein katapultiert worden ist. Diese Erzählweise macht es vielleicht manchen Leser/innen schwer Zugang zu Galatea zu finden, unterstreicht für mich jedoch nur Galateas Leid und verstärkt die Intensität der Geschichte.

Im Grunde ist das einzige Manko an der Kurzgeschichte für mich: Paphos. Dafür, dass diese für Galatea der zentrale Antrieb ist, hätte ich mir ein paar mehr Seiten, die sich näher mit der Tochter auseinandersetzten gewünscht.

 
Eins noch zum Abschluss: Ich sehe durchaus, dass man die Preispolitik hinter diesem Büchlein kritisieren kann und finde selbst auch, dass 20€ trotz der wunderschönen Aufmachung mit Illustrationen und Farbschnitt zu viel sind. Dies sei hier erwähnt, hat aber keinen Einfluss auf meine Sternebewertung, denn in meiner Rezension bespreche ich das Werk, nicht den Verlag und dessen Preise.

Fazit:


Natürlich kann diese Kurzgeschichte nicht mit Millers Romanen verglichen werden, doch diesen Anspruch sollte man an Kurzgeschichten auch nicht stellen. Die kurze Erzählung rund um Galatea hat trotzdem einiges zu bieten, indem sie aufzeigt, wie wichtig Selbstbestimmung und Freiheit ist. Darüber hinaus zeigt sie, wie wandelbar der Still der Autorin in Abhängigkeit von den erzählenden Figuren ist. Ich werde definitiv noch mehr von Madeline Miller lesen.

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Veröffentlicht am 27.11.2022

Coming of Age Geschichte mit Gruselelementen

Die Legende von Sleepy Hollow - Im Bann des kopflosen Reiters
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Achtung: Ich kann diese Rezension leider nicht schreiben, ohne einen der ersten Plottwist des Romans bezüglich Protagonist Ben zu verraten. Wenn ihr euch also überraschen lassen wollt, lest bitte nur das ...

Achtung: Ich kann diese Rezension leider nicht schreiben, ohne einen der ersten Plottwist des Romans bezüglich Protagonist Ben zu verraten. Wenn ihr euch also überraschen lassen wollt, lest bitte nur das Fazit.



Von Christina Henry habe ich ja nun schon mehrere Bücher gelesen. Daher wanderte auch ihr neustes Werk zugleich auf meine Leseliste

Zurück in Sleepy Hollow
The Legend of Sleepy Hollow von Washington Irving 1820 veröffentlicht, gilt als eine der ersten Kurzgeschichten der amerikanischen Literatur. Ein echter Klassiker also, den Christina Henry hier adaptiert, wobei das vielleicht nicht ganz das richtige Wort ist. Vielmehr stellt Christina Henrys Horseman eine Ergänzung zu Irvings Erzählung dar. So lässt sie alle Ereignisse aus der Originalerzählung nahezu unverändert stehen und knüpft ihre Geschichte 30 Jahre später an. Tatsächlich fühlt sich diese Verbindung relativ nahtlos und passend an, da die Autorin immer wieder ihre Figuren die Geschehnisse aus Irvings Erzählung rekapitulieren lässt, Verbindungen herstellt
Dazu kommt eine gelungene und atmosphärische Beschreibung des verschlafenen, doch auch mythischen Sleepy Hollow, in dem Abseits vom restlichen Amerika des 19. Jahrhunderts die Uhren anders zu laufen scheinen und in dem Aberglaube und das Zusammengehörigkeitsgefühl als Dorfgemeinschaft noch andere Dimensionen hat, als im restlichen Land. Den Roman zu lesen fühlt sich wie ein zurückkommen in das geheimnisvolle Örtchen an und Christian Henry gelingt es hervorragend, diese aus der Zeit gefallene Gemeinschaft zu schildern, ihre Eigenarten und Marotten demdie Leserin näherzubringen und die dunklen Wälder bedrohlich und geheimnisvoll erscheinen zu lassen.
 
Eine Coming of Age Geschichte
Und an diesem verwunschenen Ort aufgewachsen ist Protagonist Ben, mit dem uns Christina Henry gleich im zweiten Kapitel ein Plottwist beschert, denn Ben ist eigentlich Bente und biologisch als Mädchen zur Welt gekommen. Ich gebe gerne zu, dass mich die Tutorin hier echt erwischt hat und dieser Twist mich überrascht hat, so beginnt ein Buch schon mal vielversprechend.
Es zeigt sich auch ziemlich schnell, dass Bens Kampf um Anerkennung als Junge , aber auch seine eigene innere Suche nach Identität einen großen Raum in diesem Buch einnehmen. Es gibt zwar auch, ein paar schaurige Stellen und Magie, die am Werke ist, doch in vielerlei Hinsicht ist Henrys Die Legende von Sleepy Hollow vor allem eine Coming of Age Geschichte. Das kann enttäuschen, wenn man sich auf ein richtig grusliges Horrorbuch eingestellt hat, ist aber objektiv betrachtet nicht schlecht gemacht und liest sich durchaus ebenfalls spannend. So kommt es auch, dass der sagenumwobene Reiter deutlich weniger Präsenz hat, als man annehmen würde, wenngleich er gerade zum Ende trotzdem eine zentrale Rolle erfüllt. Das ist jetzt alles nicht, was ich als besonders gut, oder besonders schlecht werte, ich erzähle es euch einfach, damit ihr wisst, was euch erwartet und nicht allein von falschen Erwartungen her enttäuscht seit. Denn insgesamt hat mir die Handlung doch recht gut gefallen, auch wenn es in eine andere Richtung ging, als gedacht. Die Vorhersehbarkeit, was die Mysterien um die Identitäten von Reiter und Monster im Wald angeht, und ein ziemlich schwacher Antagonist, der seinen eigenen Worten nach einfach böse Dinge tut, weile er eben böse ist, machen das Buch zwar zu keinem Highlight, konnten im Großen und Ganzen aber dennoch unterhalten.
 
Was es heißt ein Mann/Junge zu sein
Leider gab es auch etwas, was mir gar nicht zugesagt hat, und das ist, wie in diesem Buch Rollenbilder idealisiert werden. Denn während die Autorin zwar mit ihrem Transgender Protagonist eine zeitgemäße Auseinandersetzung anstrebt, zementiert sie im restlichen Buch Klischeerollenbilder. Und dabei rede ich nicht von den Reaktionen in Bens Umfeld, diese sind in einem amerikanischen Dorf des 19. Jh. ja kaum anders zu erwarten, vielmehr waren es Bens eigene Gedankengänge, die mir sauer aufstießen. Für Ben heißt ein Junge zu sein, stark, mutig und furchtlos (selbst bei offensichtlicher Gefahr) zu sein, auf keinen Fall je zu weinen und Probleme mit den Fäusten zu lösen. Dieses ermüdendes Rollenbild des starken Mannes wird kommentarlos idealisiert. Das Weibliche hingegen wird mit schwach, emotional, albern, oberflächlich und schwätzerisch etc. verbunden. Bens Gedankengänge drehen sich ständig darum, nur ja nicht feige wie ein Mädchen zu sein, der Großvater, der das Rollenbild des starken, mit den Fäusten denkenden Mannes erfüllt, wird bis zum Gehtnichtmehr idealisiert. Das alles hätte ich mit Zähneknirschen Ben als 14-jährigen noch durchgehen lassen, wenn nach dem Zeitsprung mehr Einsicht gekommen wäre, doch auch als Erwachsener hält Ben an diesen Rollenbildern fest, was ich sehr schade fand. Wenn man sich die Freiheit nimmt, einen Transgender Charakter ins 19. Jh. zu setzten, hätte man es ja wenigstens komplett durchziehen können.

Fazit:


Das Buch ist gerade in der Beschreibung des Dorfes Sleepy Hollow und des Waldes sehr atmosphärisch, liest sich flott durch und kann unterhalten, solange man sich auf eine Coming of Age Geschichte mit Gruselelementen statt eines reinen Horrorbuches einstellen kann. Punktabzug gibt es aber für sehr ermüdende Rollenklischees in Bezug auf idealisierte Männlichkeit.

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