Ganz unterhaltsam, aber wenig überraschend
Sieben letzte TageAlice Logan, erfolgreiche Strafverteidigerin, hat sich von ihrem Vater lange distanziert – nicht zuletzt wegen seiner Affären und Abwesenheit. Als er jedoch wegen eines alten Mordes zum Tode verurteilt ...
Alice Logan, erfolgreiche Strafverteidigerin, hat sich von ihrem Vater lange distanziert – nicht zuletzt wegen seiner Affären und Abwesenheit. Als er jedoch wegen eines alten Mordes zum Tode verurteilt wird und die Vollstreckung in sieben Tagen ansteht, lässt sie sich – angestoßen von ihrer Schwester – auf eine letzte, verzweifelte Suche ein.
Rutherfords Schreibstil ist klar – fast schon nüchtern – und auf das Wesentliche konzentriert. Die Handlung orientiert sich am titelgebenden Countdown, was für ein konstantes Spannungsniveau sorgt. Der Autor setzt auf kurze Kapitel und schnelle Szenenwechsel, was den Lesefluss begünstigt und die Dynamik der Geschichte unterstreicht. Allerdings wirkt der Stil stellenweise etwas nüchtern, fast schon funktional – atmosphärische Tiefe bleibt manchmal auf der Strecke, da Rutherford mehr Wert auf Plotentwicklung als auf poetische Ausschmückungen legt.
Die Atmosphäre lebt vom konstanten Zeitdruck und der düsteren Kulisse rundum das nahe Todesurteil. Dies erzeugt Spannung, die Stimmung bleibt insgesamt aber eher kühl und distanziert, was zwar zur Thematik passt, aber nicht immer für ein intensives Leseerlebnis sorgt.
Alice Logan als Protagonistin ist glaubwürdig gezeichnet: Ihre ambivalente Beziehung zum Vater, der die Familie verlassen und immer wieder enttäuscht hat, verleiht ihr emotionale Tiefe. Der innere Konflikt, ob sie dem Vater glauben oder ihn endgültig abschreiben soll, zieht sich authentisch durch den Roman.
Allerdings bleiben viele Nebenfiguren für mich eher blass. Die Dialoge wirken mitunter hölzern und konstruiert und es fehlt an Dynamik und authentischer Emotionalität. Die Figur des Vaters fungiert er eher als Auslöser, denn als wirklich greifbare Persönlichkeit.
Die Handlung ist stringent aufgebaut und folgt dem klassischen Muster eines Justizthrillers: Zweifel an der Schuld, neue Hinweise, Verschwörungstheorien und ein Wettlauf gegen die Zeit. Rutherford gelingt es, immer wieder neue Wendungen einzubauen, sodass das Tempo hoch bleibt. Allerdings wirkt der Strom an neuen Erkenntnissen manchmal überladen – als wolle der Autor unbedingt jede lose Faser zu einem perfekten Ganzen verknüpfen. Darüber hinaus war mir persönlich die Handlung an den meisten Stellen zu vorhersehbar und keinesfalls überraschend, da manche Hinweise zu auffällig platziert sind.
Das Finale ist durchdacht, aber im Ton „zu perfekt“. Einige Fragen bleiben offen oder werden etwas zu ad hoc beantwortet – was die Spannung dämpft. Und auch hier konnte ich mir bereits vorher die Entwicklung der Ereignisse denken. Es war, als wäre ich Alice Logan stets einen Schritt voraus.
Fazit
Insgesamt habe ich mich ganz gut unterhalten gefühlt. Die Atmosphäre und der Spannungsbogen funktionieren, auch wenn Charaktertiefe und Dialoge gelegentlich zu kurz kommen. Dennoch fehlt dem Roman für mich ›das gewisse Etwas‹: etwas mehr Tiefgang in der Figurenzeichnung, mutigere Dialoge, mehr Überraschung im Aufbau. Wer Justizthriller mit Zeitdruck und familiären Abgründen mag, wird hier sicher gut unterhalten – sollte aber keine allzu große literarische Tiefe oder Überraschungen erwarten.