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Veröffentlicht am 09.12.2025

Ein Buch mit Höhen und Tiefen

The Heat is on – Something‘s Cooking Between Us
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In „The Heat Is On“ von Felicia Kingsley trifft Julia, die in ihrer Familie ständig unterschätzt und übergangen wird, auf Romeo, der eigentlich Dwight heißt und als Undercover-Cop in ihrem Familienrestaurant ...

In „The Heat Is On“ von Felicia Kingsley trifft Julia, die in ihrer Familie ständig unterschätzt und übergangen wird, auf Romeo, der eigentlich Dwight heißt und als Undercover-Cop in ihrem Familienrestaurant eingeschleust wird. Während Julia versucht, sich endlich beruflich zu behaupten und ihren Platz in der Küche zu finden, verfolgt Romeo eine geheime Mission: Er soll verdeckt arbeiten, um illegalen Machenschaften nachzugehen, die mit dem Restaurant und der Familie in Verbindung stehen. Zwischen Küchendruck, familiären Erwartungen und Dwights verborgenen Absichten entsteht eine unerwartete Nähe - doch diese basiert zunächst auf einer Lüge, die wie eine tickende Zeitbombe zwischen ihnen steht.

Als ich mit dem Buch begonnen habe, musste ich mich ehrlich gesagt erst einmal regelrecht hineinkämpfen. Ich brauchte ungewöhnlich lange, um eine Verbindung zur Geschichte aufzubauen, und das lag vor allem an den beiden Hauptfiguren.
Romeo war mir zunächst einfach nicht sympathisch. Seine Art - überheblich, provozierend, immer leicht von oben herab - hat mich eher abgestoßen als neugierig gemacht. Wenn das jemand wäre, der mich von einer Beziehung überzeugen wollte, hätte das bei mir persönlich absolut nicht funktioniert. Vielleicht sollte dieses Knistern genau durch diese Reibung entstehen, aber am Anfang war es für mich einfach zu viel Reibung und zu wenig Charme.
Julia dagegen fand ich anfangs ebenfalls ein wenig zickig, aber im Gegensatz zu Romeo konnte ich sie schnell verstehen. Denn eigentlich ist sie eher frustriert und das völlig zurecht. Sie hat eindeutig das Potenzial, viel eigenständiger und selbstbestimmter zu sein, als ihre Familie es ihr zugesteht. Dennoch wurde sie stets ein bisschen bevormundet, immer ein wenig übergangen – sogar dann, als es um die Position des Küchenchefs ging. Ihr innerer Konflikt zwischen dem Wunsch nach Anerkennung und der Realität, ständig zurückgesteckt zu werden, hat sie für mich greifbar und sympathisch gemacht. Sie war mir insgesamt wesentlich näher als Romeo, einfach weil ich ihre Reaktionen, Prinzipien und Grenzen so gut nachvollziehen konnte.

Trotz meiner Startschwierigkeiten muss ich sagen, dass mir besonders eines positiv aufgefallen ist: die Art, wie Dwight/Romeo sich im weiteren Verlauf gegenüber Julia verhält. Auch wenn ich seine Attitüde am Anfang überhaupt nicht mochte, wurde im Laufe der Geschichte klar, dass er unglaublich rücksichtsvoll mit ihren Ängsten, Einstellungen und Prinzipien umgeht. Die Beziehung, die sich entwickelt, ist nicht toxisch - im Gegenteil, sie basiert auf Respekt, gegenseitigem Verständnis und einem gewissen Maß an Bedürfnisorientierung.

Weiterhin positiv hervorheben möchte ich außerdem das große gesundheitliche Thema, das im Buch angesprochen und entstigmatisiert wird. Ich fand das ganze sehr feinfühlig umgesetzt und tatsächlich auch ermutigend. Es ist selten, dass so ein Aspekt nicht nur erwähnt, sondern wirklich respektvoll in die Handlung integriert wird. Das hat dem Roman für mich eine besondere Ebene gegeben, die ich so nicht erwartet hätte.

Was die Handlung selbst betrifft, war sie für mich insgesamt „niedlich“, stellenweise auch richtig schön emotional. Es gab viele Momente, die mich zum Schmunzeln gebracht haben, und die Entwicklung zwischen Julia und Romeo war grundsätzlich gut nachvollziehbar.
Allerdings - und das hat mich beim Lesen immer wieder etwas gebremst - empfand ich das Hin und Her zwischen Julia und Romeo anfangs als sehr langgezogen. Teilweise hatte ich das Gefühl, dass Szenen sich etwas wiederholen oder unnötig in die Länge ziehen. Dadurch wirkte der Mittelteil auf mich streckenweise ein wenig zäh. Die langsame Entwicklung ihrer Beziehung fand ich an sich realistisch und schön, aber das Tempo war für meinen Geschmack nicht immer ideal ausbalanciert.

Und dann kam das Ende und da hatte ich plötzlich das gegenteilige Problem: Es ging mir zu schnell. Schlag auf Schlag wurden Entwicklungen präsentiert, große Zeitsprünge eingebaut und Entscheidungen getroffen, für die ich mir mehr Ausarbeitung gewünscht hätte. Wo vorher vieles lang und intensiv erzählt wurde, wirkte das Finale fast gehetzt. Ich hätte es schöner gefunden, wenn das emotionale und erzählerische Tempo hier etwas besser gestreckt gewesen wäre, um der Geschichte einen runderen Abschluss zu geben.

Fazit

Insgesamt mochte ich "The Heat Is On" von Felicia Kingsley trotz der Startschwierigkeiten und einiger Längen ganz gerne. Die Atmosphäre rund um die Küche, das Konkurrenzdenken, der familiäre Druck, die romantische Spannung war gut gemacht und hat mich wirklich abgeholt. Vor allem die respektvolle Dynamik, die sensible Thematisierung von Gesundheit und die nachvollziehbare Charakterentwicklung von Julia haben die Geschichte für mich am Ende zu einem lohnenswerten Leseerlebnis gemacht.

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  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 07.12.2025

Zwischen Ranch, Romance und Herzklopfen

Off to the Races
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In „Off to the Races“ dem Debütroman von Elsie Silvers kehrt Vaughn Harding nach dem Tod seines Großvaters auf die Gold Rush Ranch zurück, um den angeschlagenen Rennbetrieb wieder auf Kurs zu bringen und ...

In „Off to the Races“ dem Debütroman von Elsie Silvers kehrt Vaughn Harding nach dem Tod seines Großvaters auf die Gold Rush Ranch zurück, um den angeschlagenen Rennbetrieb wieder auf Kurs zu bringen und sich mit den Schatten der Familiengeschichte auseinanderzusetzen. Gleichzeitig tritt Billie Black, eine leidenschaftliche, unbeirrbare Pferdetrainerin, dort eine Stelle an. Zwischen beruflichen Herausforderungen, dem Versuch, die Ranch aus dem Skandal herauszuführen, und der wachsenden Anziehung zwischen Billie und Vaughn entfaltet sich eine Mischung aus ländlicher Ranch-Atmosphäre, Pferdeliebe und einer impulsiven Romance.

Schon auf den ersten Seiten hat mich der Schreibstil von Elsie Silver für sich eingenommen: leicht, flüssig, emotional zugänglich, aber ohne kitschige Überladenheit. Ich fand es angenehm, wie unkompliziert ich in die Geschichte hineingezogen wurde. Die Atmosphäre auf der Ranch ist warm, lebendig und greifbar. Es gibt diesen schönen Mix aus ländlicher Ruhe, alltäglicher Stall- bzw. Trainingsroutine und einer gewissen Schwere, die durch Vaughns familiäre Vergangenheit mitschwingt. Besonders gelungen fand ich die Beschreibungen der Pferde und der Arbeit mit ihnen. Das hat für mich unglaublich viel Herz und Detailschärfe transportiert.

Das starke Herzstück des Buches sind für mich ganz klar die Charaktere, wobei Billie von Anfang an mein Highlight war. Ihre wilde, direkte, moralisch gefestigte Art fand ich befreiend. Sie ist laut, ehrlich, mutig und verkörpert eine Energie, die mich sofort eingenommen hat. Vor allem bewundere ich, wie klar sie ihre Grenzen und Werte ausdrückt.
Vaughn hingegen brauchte bei mir etwas länger. Seine harte Schale, sein wortkarger, kontrollierter Stil – all das machte ihn zunächst schwer zugänglich. Aber Stück für Stück trat sein weicher Kern hervor, und ich konnte gut nachvollziehen, dass hinter seiner distanzierten Art viel Verletzlichkeit steckt. Dieses langsame Entwirren seiner Persönlichkeit fand ich grundsätzlich gelungen.

Der Beziehung der beiden bzw. deren Entwicklung stehe ich jedoch eher zwiegespalten entgegen: So sehr ich die Grundchemie zwischen Billie und Vaughn mochte, die Umsetzung war mir zu schnell körperlich. Die Intimität setzt früh ein und nimmt im Mittelteil so viel Raum ein, dass für mich die emotionalen Feinheiten zu wenig Platz bekommen haben. Die Sexszenen sind intensiv und zahlreich, inklusive viel Dirty Talk, und irgendwann hatte ich das Gefühl, dass diese Szenen die Handlung eher unterbrechen als voranbringen.
Mir fehlte hier ganz eindeutig die langsame wachsende emotionale Annäherung und die leisen Zwischentöne. Stattdessen wirkte es teilweise so, als würde körperliche Nähe den emotionalen Konflikt ersetzen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die eher angerissene, unaufgearbeitete Vergangenheit der Figuren. Sowohl Vaughn als auch Billie bringen komplexe Konflikte aus ihrer Vergangenheit mit, die eigentlich viel Tiefe versprechen. Sie werden zwar erwähnt, in Gesprächen angeschnitten und auf emotionaler Ebene angerührt, aber die echte Aufarbeitung blieb für mein Empfinden aus.
Ich hätte mir gewünscht, dass die Geschichte gerade hier noch weitergeht:
– mehr Konfrontation mit der Vergangenheit,
– mehr Klärung,
– mehr Entwicklung, die daraus entsteht.
So bleiben diese Konflikte wichtig, aber für mich unvollständig. Vermutlich als Folge davon war mir auch das Ende irgendwie zu schnell. Da hätte ich mir mehr gewünscht.

Was mich ebenfalls etwas enttäuscht hat, war die sehr positive, fast unproblematische Darstellung der Pferderennen. Gerade weil das Thema real eine Menge Kritik auf sich zieht – harte Trainingsmethoden, sehr frühes Höchstleistungsalter, Verletzungsrisiken, Ausmusterung –, hätte ich erwartet, dass der Roman das zumindest ansatzweise anspricht.
Billie wirkt als Figur extrem moralisch und aufrichtig, daher fand ich es besonders schade, dass ausgerechnet sie diese Aspekte kaum reflektiert. Die innige Mensch-Tier-Verbindung ist wunderschön geschildert, keine Frage, doch die systemischen Schattenseiten des Rennsports bleiben komplett außen vor.

Ein Lichtblick des Romans waren jedoch die Nebencharaktere, die wirklich wundervoll gezeichnet sind. Sie bringen Humor, Wärme und ein Gefühl von Familie in die Geschichte. Tatsächlich sind sie einer der Gründe, warum ich Lust auf die Fortsetzungen habe, denn sie wirken absolut vielversprechend, sympathisch und tragen meiner Meinung nach viel Potenzial in sich und ich freue mich sehr, bald mehr von ihnen zu lesen.

Fazit

„Off to the Races“ von Elsie Silvers hat mich durch seine Atmosphäre, die starke Protagonistin und die liebenswerten Nebenfiguren überzeugt. Der Schreibstil ist angenehm, die Ranchwelt einladend, und es gibt viele Momente voller Herz und Humor.
Gleichzeitig sorgen die zu schnelle körperliche Ebene, die fehlende Vertiefung der persönlichen Konflikte und die unkritische Darstellung des Rennsports dafür, dass das Buch für mich nicht sein volles Potenzial ausschöpft.
Trotzdem bleibe ich optimistisch: Die Nebencharaktere und das Setting haben mich neugierig gemacht und ich hoffe sehr, dass die Folgebände emotional ausgewogener sind und die Schwächen dieses Bandes weniger stark ausfallen.

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  • Gefühl
Veröffentlicht am 04.12.2025

gemütlicher Winterroman

Winterknistern auf Schottisch
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In „Winterknistern auf Schottisch“ dem 7. Band von Karin Lindbergs „Liebe am Loch Ness“-Reihe begleitet man die Protagonistin Maggy – eine junge Frau, die mitten in einem persönlichen und beruflichen Umbruch ...

In „Winterknistern auf Schottisch“ dem 7. Band von Karin Lindbergs „Liebe am Loch Ness“-Reihe begleitet man die Protagonistin Maggy – eine junge Frau, die mitten in einem persönlichen und beruflichen Umbruch steckt – auf eine Reise ins winterliche Schottland. Dort trifft sie auf einen Mann, der auf den ersten Blick so gar nicht in ihr Leben zu passen scheint: wortkarg, zurückhaltend und mit einer eigenen, nicht ganz unkomplizierten Vergangenheit. Zwischen rauer Landschaft, gemütlichen Kaminabenden und einigen Turbulenzen entwickelt sich eine Geschichte, in der beide lernen müssen, Nähe zuzulassen und alte Wunden zu überwinden.

Schon auf den ersten Seiten hat mich die winterliche Atmosphäre des Buches eingefangen. Karin Lindberg schreibt klar, warm und sehr bildhaft, sodass ich mich sofort in die schottische Landschaft hineinversetzt fühlte. Die schneebedeckten Hügel, die rauen Küstenwinde, der Duft nach Kaminholz – all das schafft eine Stimmung, die perfekt zu einer gemütlichen Winterromanze passt. Ich liebe es, wenn ein Setting so viel Charakter bekommt, dass es den emotionalen Ton der Geschichte mitträgt, und genau das gelingt der Autorin ausgesprochen gut.

Die Handlung selbst verläuft in einem ruhigen, gut gesetzten Tempo. Sie bietet genügend kleine Konflikte, emotionale Momente und schöne Dialoge, ohne dabei jemals hektisch zu werden. Was ich allerdings sagen muss: Die Geschichte ist vorhersehbar und das von Anfang an. Ich hatte sofort ein Gefühl dafür, wohin alles führen wird, und im Grunde ist auch genau das eingetreten. Überraschungen und unerwartete Wendungen blieben daher für mich eher aus. Allerdings hat mich das hier nicht weiter gestört, denn ich bin ohne die Erwartung an spektakuläre Twists in das Buch gegangen. Für mich war klar, dass „Winterknistern auf Schottisch“ eher ein wohlig-warmes Wohlfühlbuch sein würde und das hat es absolut erfüllt.

Lindbergs Schreibstil trägt dabei sehr zu diesem cozy Gefühl bei: flüssig, warm, leicht zu lesen. Besonders gefallen haben mir die ruhigen, nachdenklichen Passagen, in denen die Figuren einen Moment innehalten und ihren eigenen Verlauf hinterfragen. Genau diese Balance aus Emotion und Leichtigkeit zieht sich durch das ganze Buch.

Die Hauptcharaktere mochte ich jeden für sich sehr und auch ihre Dynamik ist stimmig: humorvolle Dialoge, vorsichtiges Annähern, ein paar Emotionen, die aufbrechen. Besonders schön finde ich zudem, dass auch die Protagonist*innen aus den anderen Bändern der Reihe wieder eine Rolle einnehmen. Sie geben der Geschichte zusätzlich Struktur, ohne sich in den Vordergrund zu drängen.

Fazit

Am Ende bleibt für mich der Eindruck einer süßen, kuscheligen, aber insgesamt nicht aufregenden Winterromanze. „Winterknistern auf Schottisch“ von Karin Lindberg ist ein Buch, das ich für ein paar entspannte Lesestunden gelesen habe und genau das hat es mir gegeben. Es ist gemütlich, herzerwärmend und ideal, wenn man eine kleine Auszeit braucht, ohne emotional durchgeschüttelt zu werden. Ein schönes, unaufgeregtes Buch für den Winter.

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Veröffentlicht am 21.11.2025

tief berührend und authentisch

Lebensbande
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Der neue Roman von Mechthild Borrmann „Lebensbande“ verwebt mehrere Zeitebenen und Perspektiven miteinander, um die Folgen von Schuld, Schweigen und familiären Geheimnissen sichtbar zu machen. Im Zentrum ...

Der neue Roman von Mechthild Borrmann „Lebensbande“ verwebt mehrere Zeitebenen und Perspektiven miteinander, um die Folgen von Schuld, Schweigen und familiären Geheimnissen sichtbar zu machen. Im Zentrum stehen drei junge Frauen, deren Leben durch historische Ereignisse – insbesondere durch politisch verursachtes Unrecht im 20. Jahrhundert – und durch die Entscheidungen ihrer Familien nachhaltig geprägt werden. Während die Gegenwartshandlung das langsame Enthüllen eines lange verdrängten Verbrechens beschreibt, folgt die Vergangenheitsebene den Menschen, die schuldig wurden, wegschauten oder überlebten.
Die Verbindung zwischen diesen Schicksalen kristallisiert sich erst spät heraus und bildet den Kern des Romans: Wie wirken Verletzungen über Generationen hinweg fort und welche Verantwortung trägt man für eine Wahrheit, die man nicht kennt, aber deren Folgen man spürt?

Schon nach den ersten Seiten des Buches hatte ich das Gefühl, in eine sehr besondere Stimmung einzutauchen – eine Atmosphäre, die gleichzeitig leise und gespannt ist, als wäre etwas Ungesagtes im Raum, das sich nur sehr vorsichtig zeigt. Genau diese Feinheit in der Erzählweise hat mich sofort abgeholt. Es gibt Bücher, die laut um Aufmerksamkeit ringen, "Lebensbande" gehört für mich jedoch im Gegenteil dazu zu denen, die flüstern und gerade deshalb so eindringlich wirken.

Borrmanns Sprache ist für mich klar, konzentriert und niemals überladen. Ich mag, wie sie mit wenigen, präzisen Sätzen eine Stimmung aufbauen kann, die ich während des Lesens fast körperlich gespürt habe. Alles wirkt bewusst gesetzt, nichts wirkt künstlich oder erzwungen.
Was mich besonders fasziniert hat, sind die Perspektiv- und Zeitebenenwechsel, da sie mir das Gefühl geben, aus verschiedenen Blickwinkeln auf dieselbe Geschichte zu schauen. Diese Switches sind für mich wie kleine Fenster, die sich öffnen: mal in eine andere Zeit, mal in das Innere einer Figur, mal an einen Ort, über den man vorher nur eine Ahnung hatte. Diese Wechsel machen den Roman für mich unglaublich lebendig und authentisch. Ich hatte nie das Gefühl, aus dem Fluss gerissen zu werden, sondern eher, dass das Erzählen dadurch an Tiefe gewinnt. Als würde ich Stück für Stück in ein Geflecht hineinschauen, das erst durch diese unterschiedlichen Einblicke überhaupt als Ganzes erkennbar wird.

Die Handlung entfaltet sich langsam, beinahe tastend, und gerade das mochte ich sehr. Es geht nicht um schnelle Wendungen, sondern um das allmähliche Aufdecken von Zusammenhängen. Ich habe beim Lesen immer gespürt, dass die wahren Konflikte nicht spektakulär sind, sondern versteckt in Momenten des Schweigens, der Angst, der Unwissenheit oder der falsch verstandenen Fürsorge. Genau dieser leise Spannungsbogen hat mich gefesselt. Die Geschichte wirkt nie überdramatisiert. Sie vertraut darauf, dass menschliche Schicksale für sich sprechen. Und das machen sie hier definitiv.

Die Figuren waren für mich das emotionale Herz des Romans. Sie sind nicht heroisch oder idealisiert, sondern wirken verletzlich, widersprüchlich und sehr menschlich. Gerade diese Unvollkommenheit hat sie mir so nah gebracht. Viele handeln aus Überforderung, aus Liebe, aus Angst oder aus Unwissenheit und ich konnte all das gut nachvollziehen.

Das Buch hat mich insgesamt auf eine sehr stille, aber nachhaltige Weise getroffen. Es ist keines dieser Werke, die man zuklappt und sofort abhakt. Vielmehr hatte ich das Gefühl, dass die Gedanken erst nach dem Lesen nachhallen, sich ordnen, wieder aufsteigen. Ich musste mehrfach kurze Pausen machen, nicht wegen Schwere, sondern wegen der Intensität des Menschlichen, das zwischen den Zeilen liegt.

Fazit

„Lebensbande“ von Mechthild Borrmann ist für mich alles in allem ein tief berührender, eindringlicher Roman, der sich nicht durch Lautstärke, sondern durch Genauigkeit und Feingefühl auszeichnet. Die Perspektivwechsel und unterschiedlichen Einblicke machen ihn lebendig und vielschichtig. Die Geschichte wirkt nach – ruhig, aber kraftvoll. Für mich gehört das Buch zu jenen, die einen noch eine ganze Weile begleiten, auch wenn man sie längst aus der Hand gelegt hat.

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Veröffentlicht am 20.11.2025

gemütlich einnehmend

Winterherzen in Chanting Hills
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In „Winterherzen in Chanting Hills“ von Clara Sanders kehrt Isla, eine alleinerziehende Mutter, mit ihrem fünfzehnjährigen Sohn Ben in das verschneite Dorf Chanting Hills zurück, das früher ihre Heimat ...

In „Winterherzen in Chanting Hills“ von Clara Sanders kehrt Isla, eine alleinerziehende Mutter, mit ihrem fünfzehnjährigen Sohn Ben in das verschneite Dorf Chanting Hills zurück, das früher ihre Heimat war. Sie übernimmt das alte Cottage ihrer Eltern, um dort eine Tagesmutter-Tätigkeit aufzubauen („Fairyland“), während Ben sich in dieser vertrauten Umgebung neu orientiert. Doch nicht alle Dorfbewohner sind von ihrem Vorhaben begeistert: Besonders Harry, ihr mürrischer Nachbar, kritisiert den Lärm und fordert die Schließung des Kindergartens. Zusätzlich gerät Isla in eine komplizierte Beziehung zu Harrys Neffen Oliver, einem besonnenen Schreiner, dessen wahre Absichten nicht sofort klar sind.

Der Einstieg in das Buch ist mir unglaublich leichtgefallen; ich bin quasi sofort in die winterliche Welt des Buches hineingefallen. Die Autorin schafft es, die Atmosphäre von Chanting Hills so lebendig und zugleich behutsam zu zeichnen, dass ich beinahe das Gefühl hatte, selbst durch den Schnee zu laufen, den Atem in der Kälte zu spüren und das warme Licht des Cottage vor mir aufleuchten zu sehen.

Ihr Schreibstil ist angenehm flüssig, sehr gefühlvoll, aber ohne Übertreibungen oder unnötigen Kitsch. Gerade die leisen Zwischentöne, die kleinen Gesten und die unausgesprochenen Momente haben mich mitgerissen. Man merkt, dass Clara Sanders ihre Figuren ernst nimmt und ihnen Raum gibt, sich zu entfalten, anstatt sie in starre Rollen zu pressen.

Isla als Protagonistin hat mich ebenfalls schnell für sich eingenommen. Sie ist weder überstark noch hilflos, sondern eine Frau, die mit Mut und Unsicherheit zugleich versucht, ein neues Kapitel zu beginnen. Für mich die perfekte Mischung für Authentizität. Besonders berührt hat mich zudem die Beziehung zu ihrem Sohn Ben. Er ist meiner Meinung nach für sein Alter sehr glaubwürdig dargestellt: manchmal trotzig, manchmal verletzlich, dann wieder erstaunlich reif. Ihre Interaktionen wirkten absolut authentisch, mit allen kleinen Spannungen und großen Gefühlen, die dazugehören.
Auch Oliver, der Schreiner und Neffe des grummeligen Nachbarn, hat mir sehr gefallen. Er wirkt zu Beginn fast schon zu unkompliziert, doch nach und nach zeigt sich, dass hinter seiner Ruhe eine ganze Menge Verantwortung und auch familiäre Belastung steckt. Diese sanfte Enthüllung seiner Hintergrundgeschichte hat ihm Tiefe gegeben, und ich mochte besonders, dass die Autorin ihn nicht als glatten „Perfekt-Mann“ schreibt, sondern als jemanden, der sich ehrlich müht und Fehler macht.
Harry selbst, mit seinem mürrischen Auftreten und seinen harschen Worten, hätte leicht ein eindimensionaler Antagonist werden können, aber selbst bei ihm blitzen Momente durch, die zeigen, dass sein Widerstand aus Sorgen und Verletzungen entsteht und nicht aus reiner Bosheit.

Die Handlung entwickelt sich ruhig, aber beständig. Ich mochte dieses Tempo sehr, weil es den Charakteren Zeit gibt, ihre eigenen Kämpfe auszutragen. Es geht nicht nur um Romantik, sondern genauso um Neuanfänge, Verantwortung, Elternschaft, Vertrauen und die Frage, wie man mit der Vergangenheit leben kann, ohne sich von ihr bestimmen zu lassen.

Dass der Roman gerade in der Vorweihnachtszeit spielt, verstärkt die emotionale Stimmung: Die Lichter, die Traditionen, das Zusammenrücken der Dorfgemeinschaft – all das verleiht dem Buch eine Wärme, die ich beim Lesen sehr genossen habe. Zugleich wirken die Konflikte niemals künstlich; alles ergibt sich nachvollziehbar aus den Lebenswegen der Figuren.
Was mir besonders gefallen hat, ist, dass „Winterherzen in Chanting Hills“ ein echtes Wohlfühlbuch ist, ohne oberflächlich zu werden. Die Emotionen wirken aufrichtig, die Gespräche lebendig, und die Liebesgeschichte wächst organisch, mit Unsicherheiten, Annäherungen und Zweifeln. Auch das „Fairyland“, Islas liebevoll gestaltetes Kinderprojekt, ist nicht nur eine Nebenidee, sondern ein Symbol für das, was Isla sucht: einen Ort, an dem sie Wurzeln schlagen und gleichzeitig etwas geben kann. Das hat dem Roman für mich eine zusätzliche Tiefe verliehen.

Natürlich gibt es auch Momente, die vorhersehbar sind – das gehört zur Art dieser Geschichten einfach dazu –, doch der Stil der Autorin sorgt dafür, dass selbst erwartbare Wendungen sich gut und stimmig anfühlen. Für mich war das weniger ein Nachteil als vielmehr ein Teil des charmanten Leseerlebnisses, das mir das Gefühl gegeben hat, mich in einer warmen Decke einzukuscheln und den Schnee draußen leise fallen zu hören.

Fazit

Alles in allem hat mich „Winterherzen in Chanting Hills“ von Clara Sanders nicht nur mit seiner winterlichen Atmosphäre verzaubert, sondern auch mit seinen liebevoll gezeichneten Figuren und der warmen, unaufdringlichen Emotionalität. Es ist ein Buch, das sich perfekt für die Adventszeit eignet, das Herz berührt, ohne aufdringlich zu sein, und das mir am Ende das Gefühl gegeben hat, ein kleines, leises Weihnachtswunder miterlebt zu haben.

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