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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.06.2023

Unterhaltsamer dritter Teil

Der Freiheit entgegen (Die Gutsherrin-Saga 3)
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„Der Freiheit entgegen“ ist bereits der dritte Teil der Gutsherrin-Saga von Theresia Graw und problemlos ohne Vorwissen zu lesen. Ich war etwas enttäuscht, dass Dora, die Protagonistin der ersten beiden ...

„Der Freiheit entgegen“ ist bereits der dritte Teil der Gutsherrin-Saga von Theresia Graw und problemlos ohne Vorwissen zu lesen. Ich war etwas enttäuscht, dass Dora, die Protagonistin der ersten beiden Teile, nur eine ganz kleine Rolle als Mutter von Clara spielt. Doch auch Clara ist mir nach anfänglichen Schwierigkeiten im Laufe der Handlung sympathisch geworden. Zu Beginn des Romans ist sie 18 Jahre alt und wirkt noch sehr unreif. Manchmal hätte ich sie gerne wachgerüttelt, und ihre Verliebtheit und Naivität haben mich etwas genervt. Doch in Hamburg lernt sie endlich auf eigenen Füßen zu stehen und trifft bald auch die richtigen Entscheidungen. Allerdings fand ich es etwas unrealistisch, dass ihre Eltern die minderjährige Tochter allein in Hamburg wohnen lassen und auch, dass Clara ohne Berufsausbildung und Unterschrift der Eltern Anstellungen bekommt.
Trotz einiger Rückschläge gibt sie nicht auf. Sie ist ehrgeizig und wird immer selbstbewusster. Und auch ihre Freundinnen Sanni und Maria gehen ihren Weg. Maria und ihren Bruder Dino mochte ich besonders gern. Sie waren immer und ohne Zögern bereit Clara und Sanni zu helfen!
Der Schreibstil von Theresia Graw lässt sich absolut leicht und flüssig lesen und die 600 Seiten des Buches flogen nur so dahin. Ich habe den Roman zuerst als etwas seicht und vorhersehbar empfunden, doch spätestens als die Autorin gut recherchierte wichtige historische Ereignisse in die Geschichte integriert hat - z.B. der Besuch von J.F. Kennedy in Berlin, sowie die Auschwitz Prozesse in Frankfurt - wird die Handlung ernster und auch tiefgründiger. Zudem beschreibt sie anschaulich den Zeitgeist der 1960er Jahre, erzählt von den Beatles im Starclub, dem ausgelassenen Twist-tanzen der jungen Leute, der neuen Anti-Baby Pille, sowie der Rolle der Frau in der Gesellschaft und ihre Schwierigkeiten in einem „Männerberuf“ Fuß zu fassen.

Fazit: Trotz kleiner Kritikpunkte ist „Der Freiheit entgegen“ ein unterhaltsamer und flüssig zu lesender Roman. Ich kann alle drei Teile der Gutsherrin-Saga empfehlen, mein absoluter Favorit ist allerdings „So weit die Störche ziehen“.

Veröffentlicht am 26.05.2023

Fesselnde Familiengeschichte

Die Frauen von Capri – Im blauen Meer der Tage
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München Gegenwart: Die 43-jährige Catia ist unzufrieden mit ihrem Leben. Die Kinder werden erwachsen, der Job macht keinen Spaß und auch das Verhältnis zu ihrem Mann ist nicht das Beste. Zu allem Überfluss ...

München Gegenwart: Die 43-jährige Catia ist unzufrieden mit ihrem Leben. Die Kinder werden erwachsen, der Job macht keinen Spaß und auch das Verhältnis zu ihrem Mann ist nicht das Beste. Zu allem Überfluss muss sie auch noch ins Krankenhaus. Dort lernt sie die 80-jährige Italienerin Elisa Santoro kennen, die ihr anbietet, sie für einige Monate nach Capri zu begleiten, um beim Verkauf ihres Elternhauses zu helfen. Doch nach ein paar Wochen auf der italienischen Insel wird Catia klar, dass Elisa ihr etwas Wichtiges verschwiegen hat.
Capri Vergangenheit: Schon immer war für die junge Elisa klar, dass sie einmal die elterliche Weberei leiten und neue Designs für die Ziegenhaardecken entwerfen möchte - und dazu braucht sie weder Ehemann noch Kinder. Doch sie hat das Pech, als Mädchen im Süditalien der 1940er Jahre geboren worden zu sein, und für ihren Vater ist es unvorstellbar, dass eine Frau das Unternehmen leitet. Ein Ehemann muss her, doch damit ist Elisa überhaupt nicht einverstanden.

Meine Meinung: Antonia Riepp erzählt diese deutsch - italienische Familiensaga auf zwei verschiedenen Zeitebenen. Cover und Titel deuten eher auf eine leichte und sommerliche italienische Liebesgeschichte hin, doch das ist hier nicht der Fall. Der Fokus liegt eher auf Elisas Lebensgeschichte, die mich ganz besonders gefesselt hat. Elisa ist eigenwillig, selbstbewusst, begabt und weiß genau was sie will. Damit ähnelt sie ihrer deutschen Großmutter Wilhelmine - la tedesca - von der in der Familie nicht mehr gesprochen werden darf. Mal amüsiert, mal berührt und mal geschockt habe ich Elisas Lebensweg einige Jahre verfolgt und fand es sehr interessant über das Leben in Süditalien in den (hauptsächlich) 1960er Jahren zu lesen.
Die Geschichte in der Gegenwart hat mir zwar auch ganz gut gefallen, war aber eher nebensächlich für mich.
Der Schreibstil der Autorin lässt sich sehr angenehm und flüssig lesen und ihre bildhaften Beschreibungen der Landschaft haben eine wunderschöne Atmosphäre, sowie den Wunsch nach Italien zu reisen, erzeugt. Auch die Charaktere konnte ich mir gut vorstellen. In der Vergangenheit mochte ich Elisa sehr gern, habe mit ihr zusammen gehofft und gelitten und war immer auf ihrer Seite, doch mit der Zeit fand ich sie immer dominanter und in der Gegenwart war sie mir dann nicht mehr ganz so sympathisch. Trotzdem kann ich nachvollziehen, warum sie so geworden ist.
Catia gefiel mir ganz gut, sie versteht sich bestens mit der etwas speziellen alten Signora und ab und zu musste ich über ihre lockere und gewitzte Art, mit Elisa umzugehen, schmunzeln. Ihr tut der Tapetenwechsel sehr gut und sie hat Zeit über das Nachzudenken, was sie wirklich möchte. Die Lösung ihrer privaten Probleme war mir allerdings etwas zu schnell und zu einfach.

Fazit: Eine fesselnde Familiengeschichte mit einem wunderschönem Setting, italienischem Flair und einer interessanten Protagonistin. Eine tolle Urlaubslektüre.

Veröffentlicht am 18.05.2023

Das Wunder von Dieulefit

Die Kinder von Beauvallon - Der Spiegel-Bestseller nach wahren Begebenheiten
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Inhalt: 1940. Die neunjährige Lily verabschiedet sich auf dem Marktplatz von Sulzburg in Südbaden von ihrer gleichaltrigen besten Freundin Agnes, denn Lilys Familie gehört zu den 27 Menschen der jüdischen ...


Inhalt: 1940. Die neunjährige Lily verabschiedet sich auf dem Marktplatz von Sulzburg in Südbaden von ihrer gleichaltrigen besten Freundin Agnes, denn Lilys Familie gehört zu den 27 Menschen der jüdischen Gemeinschaft der kleinen Stadt, die ins Lager Gurs in Südfrankreich deportiert werden. Beide Kinder können noch nicht ahnen, was das für Lily bedeuten wird.
25 Jahre später erfährt Agnes im Rahmen einer Recherche für den Radiosender bei dem sie arbeitet, von einem kleinen französischen Ort namens Dieulefit, in dem im Zweiten Weltkrieg etwa 1500 Flüchtlinge von den Einwohnern versteckt wurden und so vor dem KZ gerettet. Für viele jüdische Kinder wurde die Schule Beauvallon bis zu Kriegsende ein neues Zuhause. Könnte auch Lily eines der Kinder sein und überlebt haben? Agnes Nachforschungen führen sie auf die Spur von äußerst mutigen und hilfsbereiten Menschen, die ihr Leben riskierten, um die Flüchtlinge zu schützen.

Meine Meinung: Der Roman basiert auf wahren Begebenheiten. Das Dorf Dieulefit und die Schule Beauvallon, sowie die Lehrerinnen und einige andere hier erwähnte Charaktere, gab es wirklich. Die Geschichte um Agnes, Lily und Jolie ist zwar fiktiv, doch angelehnt an reale Vorbilder und hätte sich genauso abspielen können.
Wieder einmal schafft es Bettina Storks, uns auf spannende, berührende und unterhaltsame Weise auf eine Reise in die Vergangenheit mitzunehmen und ein dunkles Kapitel aus der Geschichte lebendig werden zu lassen. Ihr Schreibstil lässt sich trotz des ernsten Themas sehr angenehm und flüssig lesen. Zudem beschreibt sie alle Charaktere authentisch und bildhaft, so dass ich sie mir gut vorstellen und mit den Protagonisten mitfiebern konnte.
Die Autorin erzählt diese Geschichte auf zwei Zeitebenen und aus drei verschiedenen Perspektiven. Während wir in der Gegenwart Agnes bei ihrer Suche nach ihrer Freundin Lily und ihrer Recherche zu dem "Wunder von Dieulefit" begleiten, erfahren wir in der Vergangenheit, wie es Lily seit ihrer Deportation ergangen ist und lernen die junge und mutige Widerstandskämpferin Jolie kennen. Mir haben beide Zeitebenen gleich gut gefallen, wobei natürlich die Kapitel in der Vergangenheit noch dramatischer und berührender sind.
Ich hatte noch nie etwas von dem Dorf und seiner Geschichte gehört und finde es absolut bewundernswert, dass alle Einwohner des kleinen Städtchens zusammengehalten und geschwiegen haben. Respekt vor soviel Mut!

Fazit: Ein Roman, der schon auf den ersten Seiten berührt. Ein wichtiges und von der Autorin gut recherchiertes und authentisch erzähltes Kapitel aus unserer Vergangenheit über das man viel zu wenig weiß.

Veröffentlicht am 15.05.2023

Unterhaltsamer Schwedenkrimi

Schärensturm
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Inhalt: Kommissarin Sofia Hjortén ist hochschwanger, doch sie lässt es sich trotzdem nicht nehmen, weiterhin zu arbeiten. Als in einer verschneiten Winternacht ein 4-jähriges Mädchen aus dem Ferienhaus ...

Inhalt: Kommissarin Sofia Hjortén ist hochschwanger, doch sie lässt es sich trotzdem nicht nehmen, weiterhin zu arbeiten. Als in einer verschneiten Winternacht ein 4-jähriges Mädchen aus dem Ferienhaus seiner Familie verschwindet, arbeitet auch sie an dem Fall mit. Die großangelegte Suchaktion von Polizei und Einwohnern des Ortes wird durch den Schnee erschwert und verläuft ergebnislos. Dann wird ein weiteres Familienmitglied vermisst …

Meine Meinung: Ich habe schon den ersten Fall von Sofia Hjortén „Schärennacht“ sehr gerne gelesen und mich deshalb sehr auf eine Fortsetzung der Reihe gefreut. Natürlich kann „Schärensturm“ auch als Einzelband gelesen werden, ich finde es allerdings hilfreich, schon etwas Vorwissen zu den Protagonisten zu haben. Ich mag vor allem Sofia gern und die Mischung aus ihren Privatleben - das diesmal hauptsächlich von ihrer Schwangerschaft bestimmt wird - und der Polizeiarbeit gefällt mir sehr. (Allerdings finde ich es etwas ungewöhnlich, dass ihr erlaubt wurde, in der 36. Schwangerschaftswoche noch zu arbeiten). Und auch Sofias Ex-Freund Fredrik spielt in diesem Buch wieder eine Rolle. Über seine positive gesundheitliche Entwicklung habe ich mich gefreut.
Lina Areklew erzählt diesen Krimi aus der Sicht eines allwissenden Erzählers, unterbrochen von kursiv gedruckten kurzen Kapitel aus der Sicht des Täters. Der Schreibstil der Autorin ist sehr angenehm und flüssig zu lesen. Dass die Handlung im verschneiten schwedischen Winter spielt, hat mich (jetzt im Mai) überhaupt nicht gestört und die schönen Landschaftsbeschreibungen ließen ein Bild vor meinen Augen entstehen.
Die Polizei tappt sehr lange im Dunkeln, findet weder die verschwundenen Personen, noch ein Motiv für eine Entführung. Die Krimihandlung ist insgesamt eher ruhig. Erst ganz am Ende wird es doch noch spannend und dramatisch. Die Auflösung war für mich völlig überraschend.

Fazit: Alles in allem hätten dem Buch vielleicht fünfzig Seiten weniger gutgetan, doch trotzdem habe ich Sofia, ihre Kollegen und Freunde auch in „Schärensturm“ wieder sehr gerne bei ihrer Arbeit, sowie im Privatleben, begleitet.

Veröffentlicht am 14.05.2023

Erschreckende Erziehungsmaßnamen in den 1960er Jahren

Gezeitenkinder
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Inhalt: Norderney 1962: Nach der gemeinsam absolvierten Ausbildung zu Kinderpflegerinnen, fangen die jungen Cousinen Hanna und Evi an, zusammen im Kindererholungsheim Strandhafer zu arbeiten. Während Evi ...

Inhalt: Norderney 1962: Nach der gemeinsam absolvierten Ausbildung zu Kinderpflegerinnen, fangen die jungen Cousinen Hanna und Evi an, zusammen im Kindererholungsheim Strandhafer zu arbeiten. Während Evi auf ein Abenteuer hofft, freut Hanna sich auf die Arbeit mit den Kindern und hat auch schon einige Beschäftigungsideen. Doch sehr schnell gibt man ihr zu verstehen, dass ihr Engagement und ihre Freundlichkeit den Kindern gegenüber nicht erwünscht ist. Im Heim herrschen sehr strenge Regeln, sowie herzlose und drastische Strafmaßnahmen. Hanna kann das so nicht akzeptieren und möchte etwas dagegen unternehmen, doch nicht einmal Evi ist auf ihrer Seite.

Meine Meinung: Der Einstieg in das Buch fiel mir leicht. Der Schreibstil von Luise Diekhoff ist flüssig, lebendig und bildhaft, so dass ich mir alles sehr gut vorstellen konnte.
Die Autorin erzählt diese Geschichte aus drei verschiedenen Perspektiven. Wir begleiten hauptsächlich Hanna, die voller Vorfreude ihre neue Stelle antritt, doch schon am ersten Tag eine Strafpredigt über sich ergehen lassen muss. Ich mochte Hanna von Anfang an sehr gern. Wegen einer Lern- und Leseschwäche fühlt sie sich oft unsicher, aber sie zeigt viel Empathie und Mut. Die Kapitel aus der Sicht der 10-jährigen Rita, die zur selben Zeit wie Hanna im Heim wohnt, und die ich sofort in mein Herz geschlossen habe, haben mich ganz besonders berührt. Und dann gibt es noch Wilko, den jungen Hausmeister des Kinderheims. Auch ihn mochte ich. Seine Geschichte nimmt Bezug auf die Nazi-Vergangenheit der Insel und die Zwangsarbeiter, die damals dort arbeiten mussten. Die Verbindung zu dem Heim wird erst sehr spät deutlich und dann wird die Handlung sogar noch richtig spannend.
Der absolut herzlose Umgang der Schwestern mit den ihnen anvertrauten Kindern, die drastischen erzieherischen Maßnahmen und Strafen haben mich sehr schockiert. Vor allem, weil es kaum Schwestern gab, die freundlich zu den Kindern waren. Auch Evis Verwandlung hat mich enttäuscht. Sie ist oberflächlich und nur an ihrem eigenen Wohl interessiert.