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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.04.2021

Der Auserwählte

Der Morgen davor und das Leben danach
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Im Alter von zwölf Jahren verliert Edward Adler, genannt Eddie, seine beiden Eltern und seinen 15jährigen Bruder Jordan bei einem Flugzeugabsturz. Eddie saß ebenfalls im Flugzeug, überlebte aber als einziger ...

Im Alter von zwölf Jahren verliert Edward Adler, genannt Eddie, seine beiden Eltern und seinen 15jährigen Bruder Jordan bei einem Flugzeugabsturz. Eddie saß ebenfalls im Flugzeug, überlebte aber als einziger von einhundertzweiundneunzig Passagieren schwer verletzt den Crash, weshalb ihn viele anschließend als von Gott auserwählt betrachten.
Die körperlichen Verletzungen heilen mit der Zeit, mit den seelischen sieht es anders aus. Eddie lebt nun mit seiner Tante Lacey, der Schwester seiner Mutter, und ihrem Mann John, die kinderlos und von der Situation ziemlich überfordert sind. Zum Glück wohnt im Nachbarhaus Besa mit ihrer ebenfalls zwölfjährigen Tochter Shay. Shay ist die einzige Person, in deren Gegenwart sich Edward halbwegs normal fühlt. Auch für Shay ist es ein Glück, Eddie zu treffen, denn sie ist durch ihre direkte Art, die viele vor den Kopf stößt, in der Schule ziemlich isoliert.
Der Roman behandelt parallel zueinander die Gegenwart – Edwards Leben nach dem Crash – und den Morgen des Flugzeugsabsturzes, der minutiös beschrieben wird. Der Leser lernt einige der Passagiere des Flugs von New York nach Los Angeles kennen. Fast alle haben einen neuen Lebensabschnitt vor sich. Linda fliegt zu ihrem Freund und hat gerade festgestellt, dass sie schwanger ist, Florida hat beschlossen, ihren Mann zu verlassen und in Kalifornien ein neues Leben zu beginnen, der Soldat Benjamin wiederum plant, die Armee zu verlassen, und Familie Adler zieht um, weil Mutter Jane als Drehbuchschreiberin an der Westküste ein gutes Angebot bekommen hat. Die Hoffnungen und Pläne der Passagiere werden geschildert, was die Situation umso bedrückender macht, denn der Leser weiß ja von Anfang an, dass sie ihr Ziel nie erreichen werden.
„Der Morgen davor und das Leben danach“ – übrigens ein sehr viel aussagekräftigerer Titel als der englische Originaltitel „Dear Edward“ – ist ein sehr berührendes Buch, das unter die Haut geht. Es ist spannend und zugleich herzzerreißend zu erleben, mit welchen Erwartungen und Forderungen sich Menschen an Edward wenden, vor allem Angehörige von Absturzopfern, und mitzuerleben, wie Edward peu à peu lernt, sich mit seinem neuen, „geschenkten“ Leben zu arrangieren und ohne Eltern und Bruder weiterzuleben. Ein New York Times Bestseller, zu Recht.

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Veröffentlicht am 28.04.2021

Großartiges Lesevergnügen

Der Donnerstagsmordclub (Die Mordclub-Serie 1)
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Als die 80jährige Joyce in die Luxus-Seniorenresidenz Coopers Chase einzieht, ahnt sie nicht, wie sehr dies ihr Leben verändern wird, denn Elizabeth, eine mutmaßliche frühere Geheimagentin, die es sich ...

Als die 80jährige Joyce in die Luxus-Seniorenresidenz Coopers Chase einzieht, ahnt sie nicht, wie sehr dies ihr Leben verändern wird, denn Elizabeth, eine mutmaßliche frühere Geheimagentin, die es sich zusammen mit zwei weiteren Senioren zur Aufgabe gemacht hat, alte ungelöste Kriminalfälle aufzuklären, lädt sie ein, dem „Donnerstagsmordclub“ beizutreten. (Der offizielle Name der Veranstaltung lautet allerdings „Diskussionsveranstaltung zur japanischen Oper“, damit niemand der anderen Bewohner von Coopers Chase auf die Idee kommt, sich zusätzlich zu den vieren zur betreffenden Zeit im „Puzzlestübchen“ einzufinden.)

Während sich der Club mit dem lange zurückliegenden Tod einer jungen Frau beschäftigt, wird einer der Investoren von Coopers Chase ermordet aufgefunden. Der Fall scheint klar, doch dann wird der Hauptverdächtige ebenfalls ermordet. Eine echte Herausforderung für den Donnerstagsmordclub!

Dieses Buch ist das Erstlingswerk des britischen Produzenten Richard Osman (oder, wie der Klappentext verrät, „sein erstes und bisher bestes Buch“). Ich habe mich schon lange nicht mehr so bei der Lektüre eines Buchs amüsiert. Für mich stand die Sprache und dieser typisch britische Humor im Vordergrund, die eigentlichen Kriminalfälle sind eher zweitrangig, zumal mir nicht ganz klar ist, warum das Seniorenermittlerteam die einen Schuldigen der Polizei melden und einen offensichtlichen Mörder decken wollen. Aber das tat dem Lesevergnügen keinen Abbruch.

Es ist selten, dass ich mit den Lobeshymnen auf Buchcovern übereinstimme, oft kommt es mit sogar so vor, als hätte ich ein anderes Buch als die betreffende Person gelesen, aber in diesem Fall ist die Einschätzung des Daily Mirror „Witzig, warmherzig und weise – einer der vergnüglichsten Romane des Jahres“ absolut zutreffend.

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Veröffentlicht am 24.04.2021

Ein Richter mit Selbstzweifeln

Die Wahrheit der Dinge
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Frank Petersen ist Richter mit Leib und Seele, doch in letzter Zeit wurden mehrere seiner Urteile vom BGH aufgehoben, was ihm sehr zu schaffen macht. Seine Frau Britta wirft ihm Überheblichkeit und Ichbezogenheit ...

Frank Petersen ist Richter mit Leib und Seele, doch in letzter Zeit wurden mehrere seiner Urteile vom BGH aufgehoben, was ihm sehr zu schaffen macht. Seine Frau Britta wirft ihm Überheblichkeit und Ichbezogenheit vor. Als Petersen den potentiellen Schwiegervater seines Sohns hinter Gitter bringt, ist das Maß voll: Britta zieht mit dem gemeinsamen Sohn aus.
Zur selben Zeit erfährt Petersen, dass Corinna Maier, die Frau, die vor Jahren den Mörder ihres Sohns im Gerichtssaal erschoss, aus dem Gefängnis entlassen wird. Petersen war der Richter in dem Fall und der Mord im Gerichtssaal geht ihm bis heute nach.
Da Petersen Urlaub und außer Renovierungsarbeiten nichts zu tun hat, beschließt er spontan, Corinna aus dem Gefängnis abzuholen. Warum, ist ihm selbst nicht ganz klar. Trotz der seltsamen Situation verbringen die beiden ein paar Tage miteinander, in denen sie sich offen aussprechen. Corinna, die Petersen als eingebildeten und von sich selbst überzeugten Juristen in Erinnerung hat, lernt den Menschen Petersen kennen und schätzen. Petersen seinerseits wird während dieser Zeit klarer, wie er sein Leben ändern will und muss.
Die erste Hälfte des Buchs konnte mich nicht wirklich fesseln, was wahrscheinlich daran liegt, dass der Leser die Fakten nur häppchenweise serviert bekommt. Man erfährt von den Fällen Maier und Korkmaz, doch nicht, worum es dabei geht. Diese Salamitaktik hat mich etwas genervt. Die zweite Hälfte fand ich dann sehr interessant, zumal die beiden Fälle wahren Gegebenheiten nachempfunden sind. Ein interessantes Buch, das zum Nachdenken über Recht und Gerechtigkeit anregt, bei dem der Funke bei mir allerdings erst spät übergesprungen ist.

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Veröffentlicht am 15.04.2021

Hände weg von deutschen Fräuleins

Stay away from Gretchen
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Jeden Abend schaut die 85jährige Greta Nachrichten. Nicht, weil sie die Weltpolitik interessiert, vielmehr möchte sie ihren Sohn Tom, den Nachrichtensprecher, sehen. Greta lebt seit dem Tod ihres Mannes ...

Jeden Abend schaut die 85jährige Greta Nachrichten. Nicht, weil sie die Weltpolitik interessiert, vielmehr möchte sie ihren Sohn Tom, den Nachrichtensprecher, sehen. Greta lebt seit dem Tod ihres Mannes allein in einer großen Altbauwohnung in Köln-Porz, Tom nur weniger Kilometer entfernt in einem schicken Penthouse in der City. Als vielbeschäftigter Journalist hat er nicht viel Zeit für die Mutter. Deshalb kommt es ihm äußerst ungelegen, als er eines Nachts einen Anruf von der Polizei bekommt: seine Mutter wurde orientierungslos in ihrem Auto 400 Kilometer entfernt von Köln aufgegriffen und ins örtliche Krankenhaus eingeliefert, Diagnose: Demenz.
Tom glaubt zunächst an eine Fehldiagnose, doch dann muss er sich eingestehen, dass seine Mutter ihre Krankheit meisterhaft vor ihm versteckt und überspielt hat.
In einem zweiten Handlungsstrang erleben wir Greta als kleines Mädchen bis ins Erwachsenenalter. Aufgewachsen in Ostpreußen, musste sie mit ihrer Familie vor den russischen Besatzern fliehen. Ohne Vater, denn der ist an der Front. Was sie auf der Flucht erleben, ist unmenschlich und als Flüchtlinge sind sie nirgendwo willkommen. Ihr Ziel ist Heidelberg, Oma Gustes Heimat. Dort leben sie zunächst mehr schlecht als recht in einem Gartenhäuschen, doch alles ist besser als was sie zuvor ertragen mussten.
In Heidelberg lernt Greta den jungen schwarzen GI Robert Cooper kennen. Zunächst beäugt sie den Besatzer misstrauisch, doch er ist nett zu ihr und hilft ihr eines Tages, als sie von einer Gruppe Jugendlicher überfallen wird. Mit der Zeit entwickelt sich aus der Freundschaft mehr, doch natürlich müssen sie ihre Gefühle füreinander geheim halten, denn bei den Deutschen sind „Amiliebchen“ verhasst. Die Amerikaner haben sogar eine Broschüre für die in Deutschland stationierten Soldaten herausgegeben, „Stay Away from Gretchen“, in der sie die Soldaten vor den mit Syphilis infizierten deutschen Frauen warnen.
Mit fortschreitender Demenz lebt Greta immer mehr in der Vergangenheit. Eines Tages sucht sie in einem Kindergarten nach „Marie“. Tom beginnt die Wohnung seiner Mutter zu durchsuchen und findet das Foto eines dunkelhäutigen Kleinkinds. Er stellt fest, dass er herzlich wenig über die Vergangenheit seiner Mutter weiß und beginnt Nachforschungen anzustellen...
„Stay away from Gretchen“ ist ein äußerst packender Roman, den ich regelrecht verschlungen habe. Man merkt, dass die Autorin mit dem Thema Demenz vertraut ist. Gleichzeitig bringt sie uns ein Stück Zeitgeschichte nahe. Das Buch ist hervorragend recherchiert, die zitierten Reden und Schriftstücke werden durch das angehängte Literaturverzeichnis belegt. Absolute Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 12.04.2021

Von Kommunisten und Kommunarden

Teufelsberg (Wolf Heller ermittelt 2)
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Zu Beginn des Buchs wird eine Frau von einem jungen Mann erdrosselt, mit dem sie eben noch getanzt und gekifft hat. Ein völlig sinnloser Mord, doch da der Mörder kurz darauf selbst das Zeitliche segnet, ...

Zu Beginn des Buchs wird eine Frau von einem jungen Mann erdrosselt, mit dem sie eben noch getanzt und gekifft hat. Ein völlig sinnloser Mord, doch da der Mörder kurz darauf selbst das Zeitliche segnet, kann er nicht mehr zu seinen Beweggründen befragt werden. Die Nichte der Ermordeten, die junge attraktive Amerikanerin Louise, findet die Tante und alarmiert die Polizei. Es stellt sich heraus, dass Louise und der herbeigerufene Kommissar Wolf Heller mal was miteinander hatten, was schon ein großer Zufall ist, aber hej, Berlin ist ja ein Dorf.
Es geschehen weitere Morde, die Polizei stößt auf einen Vierfachmörder von Frauen, doch statt ihn dingfest zu machen, wird er erst mal beschattet. Dass er derweil die Frau, bei der er gerade wohnt, übelst zurichtet, ist anscheinend ein hinzunehmender Kollateralschaden und wie so manches in diesem Roman ziemlich fragwürdig.
Wolf Hellers Halbschwester Petra, gerade erst aus Berchtesgaden angereist, wo es ihr in sexueller Hinsicht zu langweilig war, zieht in kürzester Zeit in eine angesagte Kommune zu einem stadtbekannten Terroristen, erpresst einen Immobilienhai und fackelt zusammen mit ihrem Lover ein Auto ab. Außerdem erfährt der Leser, dass „die Uschi“ darauf aufpasst, dass „der Rainer“ nicht fremdgeht. Jüngere Leser haben wahrscheinlich keine Ahnung, um wen es sich hierbei handelt, aber mal ganz abgesehen davon, wen sollte es heute noch interessieren, wer vor 50 Jahren mit wem im Bett war?
Die hübsche Louise verliebt sich währenddessen in einen russischen KGB Agenten, der sich als Amerikaner ausgibt und sie prompt entführt. Die ganze Story ist äußerst lahm und ich habe mich über weite Strecken gelangweilt.
Im übrigen frage ich mich, ob Bücher heutzutage nicht mehr korrekturgelesen werden? Gleich zweimal wird „dass“ mit „das“ verwechselt, ein Armutszeugnis für einen renommierten Verlag. Von diesem Buch hatte ich mir weitaus mehr versprochen.

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