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Veröffentlicht am 17.05.2021

Opfer, für die sich niemand interessiert

DUNKEL
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Hulda Hermannsdottir steht kurz vor der Pensionierung, als sie von ihrem Chef erfährt, dass ihr Nachfolger früher als erwartet seinen Dienst antritt und sie die restlichen Monate ihrer offiziellen Dienstzeit ...

Hulda Hermannsdottir steht kurz vor der Pensionierung, als sie von ihrem Chef erfährt, dass ihr Nachfolger früher als erwartet seinen Dienst antritt und sie die restlichen Monate ihrer offiziellen Dienstzeit bei vollen Bezügen bereits zuhause bleiben kann. Da Huldas Privatleben alles andere als erfüllend ist, zieht ihr diese Nachricht den Boden unter den Füßen weg. So will sie sich nicht abservieren lassen! Sie ringt ihrem Chef die Zusage ab, einen letzten Cold Case bearbeiten zu dürfen, welchen kann sie selbst bestimmen.
Sie stößt auf den Fall einer jungen Russin, einer Asylbewerberin, die unter ungeklärten Umständen starb. Es stellt sich heraus, dass die damaligen Ermittlungen äußerst schlampig geführt wurden, vor allem wohl, weil keiner ein echtes Interesse für den Fall aufbrachte.
Innerhalb kürzester Zeit unternimmt Hulda mehr als das damalige Ermittlerteam und stößt auf interessante Hinweise, wonach es sich durchaus um Mord handelt könnte. Dass sie sich damit selbst in höchste Gefahr bringt, ist Hulda nicht bewusst.
Ragnar Jonasson hat mit Hulda eine interessante und ungewöhnliche Ermittlerin geschaffen, noch ungewöhnlicher ist, wie seine Hulda-Trilogie angelegt ist, denn Band 2 und 3 gehen jeweils zurück in die Vergangenheit.
Ich habe diesen ersten Band an einem verregneten Sonntag in einem Rutsch durchgelesen und werde mir jetzt schnellstmöglich die nächsten Bände besorgen.

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Veröffentlicht am 07.05.2021

Die verschiedenen Leben des Moritz Reincke

Jaffa Road
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Moritz Reincke alias Maurice Sarfati ist tot. Ein Schock für seine Tochter Noelle und seine Enkelin Nina, die von einem Notar davon in Kenntnis gesetzt werden. Beide wussten nicht, wo der Vater bzw. Großvater ...

Moritz Reincke alias Maurice Sarfati ist tot. Ein Schock für seine Tochter Noelle und seine Enkelin Nina, die von einem Notar davon in Kenntnis gesetzt werden. Beide wussten nicht, wo der Vater bzw. Großvater lebte, war er doch vor Langem aus ihrem Leben verschwunden. In seinem Haus in Sizilien erwartet sie der nächste Schock: sie treffen einen Mann, der nicht nur Moritz’ Arzt, sondern auch sein Sohn war, dessen Mutter in Haifa aufwuchs.

In diesem Episodenroman beschreibt Daniel Speck aus verschiedenen Blickwinkeln den Nahostkonflikt. Juden und Araber lebten als Nachbarn Seite an Seite, bis die Briten beschlossen, das Land willkürlich zu teilen, um den Juden die Möglichkeit zu geben, ihr eigenes Land, Israel, zu gründen. Aus Nachbarn werden Feinde, Menschen werden aus ihren Häusern und ihrer Heimat vertrieben, die Grausamkeit ist schwer zu ertragen. Obwohl mich die minutiöse Recherchearbeit des Autors beeindruckt, hat mich dieser Teil des Romans fast erschlagen angesichts der vielen vielen Details. „Die Husseini, Nashashibi und Khalidi stritten sich um Macht und Posten“ – so genau hätte es für meinen Geschmack nicht sein müssen. Auch die komplizierten Familienverhältnisse in den einzelnen Handlungssträngen – Berlin, Haifa und Jaffa – waren eine Herausforderung. Dass am Ende des Buchs eine Auflistung der wichtigsten Personen enthalten ist, habe ich leider erst relativ spät entdeckt. Wahrscheinlich hätte die Kenntnis von Specks zweitem Roman „Piccola Sicilia“ zum Verständnis beigetragen, dieses Buch habe ich allerdings nicht gelesen.

Die Geschichte ist spannend und gut erzählt, man ist als Leser gespannt, wie die einzelnen Handlungsstränge zusammenhängen. Um das Buch zu genießen, sollte man allerdings unbedingt ein Interesse am Nahostkonflikt und Politik mitbringen. Für meine Begriffe hätte Speck diesen Teil der Ereignisse allerdings etwas kürzen können.

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Veröffentlicht am 03.05.2021

Im Osten nichts Neues

Kim Jiyoung, geboren 1982
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Die 33jährige Kim Jiyoung leidet unter einer Persönlichkeitsstörung. Sie spricht und verhält sich wie ihre Mutter, dann wieder wie eine verstorbene Freundin, wobei sie von Ereignissen erzählt, die sie ...

Die 33jährige Kim Jiyoung leidet unter einer Persönlichkeitsstörung. Sie spricht und verhält sich wie ihre Mutter, dann wieder wie eine verstorbene Freundin, wobei sie von Ereignissen erzählt, die sie gar nicht miterlebt hat, ein Umstand, der nicht weiter erklärt wird.
Kim Jiyoung sucht daraufhin einen Psychiater auf, der Kims Werdegang in knappen und emotionslosen Worten schildert. Als mittlere von drei Geschwistern wächst sie in einer Familie auf, in der die Mutter die Fäden in der Hand hält und dafür sorgt, dass die Kinder ein gutes Leben führen können. Trotzdem ist es der wenig erfolgreiche Vater, der sich damit brüstet, wie weit sie es gebracht haben. Die Mutter, eine starke Frau, lässt dies jedoch so nicht stehen und bietet ihm Paroli.
Mit einer starken Mutterfigur vor Augen wundert es mich sehr, dass Kim Jiyoung so unterwürfig und duckmäuserisch durchs Leben geht. Ja, das Leben in Südkorea scheint ausgesprochen sexistisch und frauenfeindlich zu sein. Aber wenn man sich wie Kim Tag für Tag diesem Sexismus unterordnet und nie traut, den Mund aufzumachen und sich zu wehren, wie soll sich dann jemals etwas an der Situation ändern? Als Kim hochschwanger in der U-Bahn beleidigt wird, rennt sie beispielsweise tränenüberströmt davon und geht den restlichen langen Weg zu Fuß nach Hause, anstatt wütend zu werden und sich zu verteidigen. Dieses Verhalten ging mir unheimlich gegen den Strich. Vieles, was in diesem Buch geschildert wird, ist wirklich übel, aber Kims Verhalten ist es auch. Mimimi auf über 200 Seiten!
Es ist kaum vorstellbar, dass die geschilderten Zustände sich auf die jüngste Vergangenheit beziehen sollen. Ist Südkorea in gesellschaftlicher Hinsicht wirklich so rückständig? Zu gern würde ich eine südkoreanische Doktorandin befragen, die ich vor 2 Jahren kennenlernte, zu der ich aber leider den Kontakt verloren habe. Ihre Meinung würde mich wirklich sehr interessieren. Ich erinnere mich, dass sie auf jeden Fall von Deutschland nach Seoul zurückkehren wollte, weil sie sich dort gute Zukunftschancen ausrechnete. Das passt überhaupt nicht zu der im vorliegenden Roman propagierten Darstellung.
Ich hatte die Leseprobe sowie begeisterte Rezensionen gelesen, erwartete also ein interessantes Buch. Leider bin ich sehr enttäuscht. Der Sprachstil ist simpel und erinnert mich an den Schulaufsatz eines Drittklässlers, und leider konnte ich keine Empathie mit der Protagonistin empfinden, da ich mich so über ihre passive Opferrolle geärgert habe. Mir ist es ein Rätsel, wie es dieses Buch geschafft hat, zum „Weltbestseller“ zu werden!

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Veröffentlicht am 30.04.2021

Der Auserwählte

Der Morgen davor und das Leben danach
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Im Alter von zwölf Jahren verliert Edward Adler, genannt Eddie, seine beiden Eltern und seinen 15jährigen Bruder Jordan bei einem Flugzeugabsturz. Eddie saß ebenfalls im Flugzeug, überlebte aber als einziger ...

Im Alter von zwölf Jahren verliert Edward Adler, genannt Eddie, seine beiden Eltern und seinen 15jährigen Bruder Jordan bei einem Flugzeugabsturz. Eddie saß ebenfalls im Flugzeug, überlebte aber als einziger von einhundertzweiundneunzig Passagieren schwer verletzt den Crash, weshalb ihn viele anschließend als von Gott auserwählt betrachten.
Die körperlichen Verletzungen heilen mit der Zeit, mit den seelischen sieht es anders aus. Eddie lebt nun mit seiner Tante Lacey, der Schwester seiner Mutter, und ihrem Mann John, die kinderlos und von der Situation ziemlich überfordert sind. Zum Glück wohnt im Nachbarhaus Besa mit ihrer ebenfalls zwölfjährigen Tochter Shay. Shay ist die einzige Person, in deren Gegenwart sich Edward halbwegs normal fühlt. Auch für Shay ist es ein Glück, Eddie zu treffen, denn sie ist durch ihre direkte Art, die viele vor den Kopf stößt, in der Schule ziemlich isoliert.
Der Roman behandelt parallel zueinander die Gegenwart – Edwards Leben nach dem Crash – und den Morgen des Flugzeugsabsturzes, der minutiös beschrieben wird. Der Leser lernt einige der Passagiere des Flugs von New York nach Los Angeles kennen. Fast alle haben einen neuen Lebensabschnitt vor sich. Linda fliegt zu ihrem Freund und hat gerade festgestellt, dass sie schwanger ist, Florida hat beschlossen, ihren Mann zu verlassen und in Kalifornien ein neues Leben zu beginnen, der Soldat Benjamin wiederum plant, die Armee zu verlassen, und Familie Adler zieht um, weil Mutter Jane als Drehbuchschreiberin an der Westküste ein gutes Angebot bekommen hat. Die Hoffnungen und Pläne der Passagiere werden geschildert, was die Situation umso bedrückender macht, denn der Leser weiß ja von Anfang an, dass sie ihr Ziel nie erreichen werden.
„Der Morgen davor und das Leben danach“ – übrigens ein sehr viel aussagekräftigerer Titel als der englische Originaltitel „Dear Edward“ – ist ein sehr berührendes Buch, das unter die Haut geht. Es ist spannend und zugleich herzzerreißend zu erleben, mit welchen Erwartungen und Forderungen sich Menschen an Edward wenden, vor allem Angehörige von Absturzopfern, und mitzuerleben, wie Edward peu à peu lernt, sich mit seinem neuen, „geschenkten“ Leben zu arrangieren und ohne Eltern und Bruder weiterzuleben. Ein New York Times Bestseller, zu Recht.

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Veröffentlicht am 28.04.2021

Großartiges Lesevergnügen

Der Donnerstagsmordclub (Die Mordclub-Serie 1)
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Als die 80jährige Joyce in die Luxus-Seniorenresidenz Coopers Chase einzieht, ahnt sie nicht, wie sehr dies ihr Leben verändern wird, denn Elizabeth, eine mutmaßliche frühere Geheimagentin, die es sich ...

Als die 80jährige Joyce in die Luxus-Seniorenresidenz Coopers Chase einzieht, ahnt sie nicht, wie sehr dies ihr Leben verändern wird, denn Elizabeth, eine mutmaßliche frühere Geheimagentin, die es sich zusammen mit zwei weiteren Senioren zur Aufgabe gemacht hat, alte ungelöste Kriminalfälle aufzuklären, lädt sie ein, dem „Donnerstagsmordclub“ beizutreten. (Der offizielle Name der Veranstaltung lautet allerdings „Diskussionsveranstaltung zur japanischen Oper“, damit niemand der anderen Bewohner von Coopers Chase auf die Idee kommt, sich zusätzlich zu den vieren zur betreffenden Zeit im „Puzzlestübchen“ einzufinden.)

Während sich der Club mit dem lange zurückliegenden Tod einer jungen Frau beschäftigt, wird einer der Investoren von Coopers Chase ermordet aufgefunden. Der Fall scheint klar, doch dann wird der Hauptverdächtige ebenfalls ermordet. Eine echte Herausforderung für den Donnerstagsmordclub!

Dieses Buch ist das Erstlingswerk des britischen Produzenten Richard Osman (oder, wie der Klappentext verrät, „sein erstes und bisher bestes Buch“). Ich habe mich schon lange nicht mehr so bei der Lektüre eines Buchs amüsiert. Für mich stand die Sprache und dieser typisch britische Humor im Vordergrund, die eigentlichen Kriminalfälle sind eher zweitrangig, zumal mir nicht ganz klar ist, warum das Seniorenermittlerteam die einen Schuldigen der Polizei melden und einen offensichtlichen Mörder decken wollen. Aber das tat dem Lesevergnügen keinen Abbruch.

Es ist selten, dass ich mit den Lobeshymnen auf Buchcovern übereinstimme, oft kommt es mit sogar so vor, als hätte ich ein anderes Buch als die betreffende Person gelesen, aber in diesem Fall ist die Einschätzung des Daily Mirror „Witzig, warmherzig und weise – einer der vergnüglichsten Romane des Jahres“ absolut zutreffend.

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