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Veröffentlicht am 06.07.2021

Wenn deine Welt plötzlich aus den Angeln gehoben wird

Betreff: Falls ich sterbe
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Carolina und Aksel sind beide Anfang/Mitte 30, erfolgreich im Beruf, müssen nicht aufs Geld achten und leben zusammen mit ihrem Baby in einer Eigentumswohnung in Stockholm. Alles scheint perfekt, bis Carolina ...

Carolina und Aksel sind beide Anfang/Mitte 30, erfolgreich im Beruf, müssen nicht aufs Geld achten und leben zusammen mit ihrem Baby in einer Eigentumswohnung in Stockholm. Alles scheint perfekt, bis Carolina eines Morgens Aksel tot im Bett auffindet. Er starb mit 34 im Schlaf an Herzversagen.
Ihre heile Welt bricht völlig in sich zusammen. Sie versteht nicht, wie das passieren konnte, gibt sich selbst die Schuld, weil sie der Meinung ist, Aksel zu viel zugemutet zu haben und nie zufrieden gewesen zu sein.
Glücklicherweise hat Carolina einen riesigen Freundeskreis. Von Aksels Tod an wechseln sich Freunde und Familie monatelang ab, ständig ist jemand in Carolinas Nähe, die Freunde kaufen ein, kochen, kümmern sich um Baby Ivan. Diesen Teil des Buchs fand ich wirklich erstaunlich. Ich glaube nicht, dass es viele Menschen gibt, die auf ein solches Netzwerk zurückgreifen können.
In diesem „autofiktionalen“ Roman – teils autobiographisch, teils Fiktion – beschreibt Carolina Setterwall minutiös ihre Gefühle und Gedanken, zunächst auf zwei Zeitebenen – Oktober 2014, die Zeit, als Aksel starb – und die Zeit des Kennenlernens sowie die Entwicklung der Beziehung von 2009 bis 2014. Dabei kommt sie vollkommen ohne wörtliche Rede aus, was mich zunächst ziemlich irritiert hat. Ich fand es äußerst gewöhnungsbedürftig, ein Buch von fast 500 Seiten zu lesen, in dem nur beschrieben wird und in dem keinerlei Dialoge vorkommen. Und doch hat mich Carolinas Geschichte fasziniert. Wir begleiten sie bis ins Jahr 2016, erleben mit, wie sie sich ihren Weg in den Alltag zurückerkämpft und sogar mit der Zeit Ausschau nach einem neuen Partner hält. Den Schluss fand ich dann nicht mehr ganz so interessant, denn sie geht eine fast schon symbiotische Beziehung mit einem Mann ein, der ebenfalls Witwer ist und eine kleine Tochter hat. Der Mann bleibt allerdings eine Randfigur, man erfährt nicht viel über ihn. In diesem letzten Teil wird klar, dass Carolina den mittlerweile über 2jährigen Ivan immer noch wie ein Baby behandelt und ihr ganzes Leben nur nach ihm ausrichtet. Wenn er weint oder sich langweilt, bespaßt sie ihn sofort, sie bringt es nicht fertig, ihm irgendetwas abzuschlagen. Konnte ich mich bisher gut in sie einfühlen, hat mich dieses Verhalten doch sehr gestört und befremdet. Bis auf die letzten 80 Seiten fand ich das Buch jedoch sehr interessant und lesenwert.

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Veröffentlicht am 29.06.2021

Bester Krimi des bisherigen Jahres

Tiefer Fjord
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Der Arzt Haavard und seine Frau Clara, eine Politikerin, haben sich auseinander gelebt. Es gibt nur noch wenige Berührungspunkte. Als in der Klinik, in der Haavard arbeitet, ein kleiner pakistanischer ...

Der Arzt Haavard und seine Frau Clara, eine Politikerin, haben sich auseinander gelebt. Es gibt nur noch wenige Berührungspunkte. Als in der Klinik, in der Haavard arbeitet, ein kleiner pakistanischer Junge an den Folgen körperlicher Misshandlung stirbt, sind beide gleichermaßen betroffen, denn Clara hat in den letzten Monaten eine Gesetzesvorlage zum Schutz misshandelter Kinder erarbeitet, die allerdings soeben abgelehnt wurde.
Dann wird der Vater des misshandelten Kindes in der Klinik erschossen und der Verdacht fällt zunächst auf die Klinikmitarbeiter. Wenig später wird eine weitere Ermordete aufgefunden, ausgerechnet in dem Hotel, in dem sich Haavard und sein Team zu einem Meeting aufhalten. Auch dieses Mal handelt es sich um eine Einwanderin. Sind es rassistische Taten oder steckt etwas ganz Anderes dahinter?
Haavard gerät ins Visier der Ermittler, denn er hätte Gelegenheit zu beiden Morden gehabt. Er wird zur Befragung abgeholt und über Nacht in der Polizeistation festgehalten. Für Clara kommt dies zur Unzeit, denn sie wurde soeben zur Staatssekretärin ernannt und die Aufmerksamkeit der Presse liegt auf ihr. Doch dann geschieht ein dritter Mord und Haavard hat das beste Alibi von allen: er befand sich zum Tatzeitraum in Polizeigewahrsam.
Die Geschichte wird in kurzen Kapiteln aus der Sicht der einzelnen Personen geschildert. Dabei erfahren wir viel aus ihrer Vergangenheit, die vor allem für Clara nicht einfach war. Das Buch ist unglaublich spannend und mit überraschenden Wendungen, ich konnte es wirklich kaum aus der Hand legen. Für mich ist es der beste Krimi, den ich bisher in diesem Jahr gelesen habe. Ich freue mich jetzt schon auf den zweiten Band der Reihe!

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Veröffentlicht am 25.06.2021

Was macht Freundschaft aus?

Heldinnen werden wir dennoch sein
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Susi, Elli, Helma und Ute sind Mitte 50, doch sie kennen sich schon seit ihrer Schulzeit, in der sich die Clique regelmäßig traf. Auch Marie gehörte dazu, doch sie starb vor Jahren bei einem Verkehrsunfall. ...

Susi, Elli, Helma und Ute sind Mitte 50, doch sie kennen sich schon seit ihrer Schulzeit, in der sich die Clique regelmäßig traf. Auch Marie gehörte dazu, doch sie starb vor Jahren bei einem Verkehrsunfall. Ein weiteres wichtiges Mitglied der Clique war der einfühlsame Frankie, den die Mädchen gern um sich hatten, weil er nicht so ein Macho war wie die anderen Jungs in der Klasse. Helma fühlte sich besonders zu Frankie hingezogen, doch es wurde nie mehr zwischen ihr und Frank, denn Frankie war schwul, was den Mädchen entweder nicht bewusst war oder deshalb nicht angesprochen wurde, weil Homosexualität zu der damaligen Zeit noch ein Tabuthema war. Nur Helmas Onkel, der Alkoholiker Jupp, der bei Helma und ihrer Familie lebte, bezeichnete Frankie im Suff als Memme, die endlich beweisen sollte, ein „richtiger Mann“ zu sein.
Das Buch spielt auf zwei Zeitebenen, der Teenagerzeit der Clique in den 70er und 80er Jahren und der Gegenwart. Damals waren die Probleme, mit denen sich die Freundinnen herumschlugen, Fragen wie „wie finde ich einen Freund?“ oder „wie schaffe ich ein möglichst gutes Abitur?“, im Falle von Helma ging es allerdings um sehr viel tiefgründigere Dinge, denn sie pflegte ihre krebskranke Mutter und musste neben der Schule her noch den Haushalt schmeißen.
Heute sind die Probleme der Frauen ganz anderer Art: finanzielle Sorgen, Scheidung, Fremdgehen des Partners, gesundheitliche Probleme, das Abnabeln der Kinder, usw.
Während sich die Clique früher fast täglich getroffen hat, sind die Verbindungen heute lose und zu Frank, der nach Berlin gezogen ist, ist der Kontakt ganz abgebrochen. Erst mit der Zeit wird klar, dass in der Jugend ein einschneidendes Ereignis stattgefunden hat, das sie alle geprägt hat.
Das Buch befasst sich mit dem Thema was macht eigentlich Freundschaft aus? Wie wichtig sind Ehrlichkeit und Loyalität und führt das Fehlen derselben zwangsläufig zum Bruch? Was muss eine Freundschaft aushalten und was sind absolute no-gos?
Obwohl ich nicht alle Handlungen und Problemlösungen nachvollziehen konnte und mir manches zu glatt lief, hat mir das Buch als Ganzes gefallen. Es ist keine seichte Frauen-Wohlfühllektüre, sondern spricht durchaus ernste Themen und Konflikte an, die zum Nachdenken anregen.

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Veröffentlicht am 09.06.2021

Verbrechen am Polarkreis

RAVNA – Tod in der Arktis
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Die junge Samin Ravna möchte mit der jahrhundertealten Tradition ihrer Familie, Rentiere zu halten, brechen und stattdessen zur Polizei gehen. Sie sieht darin ihre einzige Chance, aus ihrem kleinen Heimatort ...

Die junge Samin Ravna möchte mit der jahrhundertealten Tradition ihrer Familie, Rentiere zu halten, brechen und stattdessen zur Polizei gehen. Sie sieht darin ihre einzige Chance, aus ihrem kleinen Heimatort Vadso fortzukommen und ein geregeltes Einkommen zu haben.
Zunächst muss sie ein Praktikum an der Polizeistation in Vadso absolvieren. Gleich an ihrem ersten Tag dort wird ein Toter gefunden. Alles deutet darauf hin, dass ein Same der Täter war. Doch als sich herausstellt, dass sich das Mordopfer mit einem Norweger getroffen hatte, der ihm Land abkaufen wollte, ist für die Polizisten schnell ein Schuldiger gefunden. Der hinzugerufene Kommissar aus Kirkenes, Rune Thor, ist froh, den Fall so schnell wie möglich abzuschließen und wieder abzureisen, doch Ravna gibt nicht auf. Woher hätte ein Norweger wissen sollen, dass man einem toten Samen Birkenrinde zusteckt und einen Strich auf den Boden macht? Als sie dann auch noch ein Opfertier findet, ist für sie die Sache klar. Ihre Kollegen sind alles andere als begeistert von Ravnas Alleingängen, doch Rune Thor gefällt ihre Hartnäckigkeit und akzeptiert sie als Partnerin. Gemeinsam versuchen sie, dem wahren Täter auf die Spur zu kommen. Dann geschieht ein zweiter Mord...
Elisabeth Herrmann gelingt es in „Ravna“ sehr gut, die Landschaft am Polarkreis und die ganz besondere Stimmung sowie das Misstrauen und die Konflikte zwischen den Samen und den Norwegern zu beschreiben. Ravna ist eine eigenwillige Protagonistin und auch Rune Thor, der durch eine persönliche Tragödie aus der Bahn geworfen wurde, entspricht ganz und gar nicht dem Bild, das man sich von einem Kommissar macht. Die Geschichte ist sehr vielschichtig und bringt dem Leser die Mythen und Riten der samischen Bevölkerungsgruppe nahe. Für mich war das Buch ein wahrer Pageturner. Ich hoffe sehr, dass es eine Fortsetzung der Geschichte um Ravna und Rune Thor geben wird! Klare Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 05.06.2021

Etwas schleppend

Das Grab in den Schären
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Bei Bauarbeiten auf einer bisher unbewohnten Schäreninsel wird ein Skelett gefunden. Da nur winzige Skelettstücke vorhanden sind, ist es schwierig zu bestimmen, um wen es sich dabei handeln könnte.
Die ...

Bei Bauarbeiten auf einer bisher unbewohnten Schäreninsel wird ein Skelett gefunden. Da nur winzige Skelettstücke vorhanden sind, ist es schwierig zu bestimmen, um wen es sich dabei handeln könnte.
Die Polizei findet heraus, dass drei Personen in Frage kommen und geht den Umständen ihres Verschwindens.
Nora Linde, die seit ihrem letzten Fall, der beinahe in einer Katastrophe geendet hätte, krankgeschrieben ist und den Sommer auf Sandhamn verbringt, hört von dem Leichenfund und beschließt, auf eigene Faust zu ermitteln, da sie eine der verschwundenen Personen persönlich kannte. Dabei findet sie Dinge heraus, die die Polizei nicht weiß.
Thomas Andreasson, der die Ermittlung leitet, ist allerdings alles andere als begeistert, als er erfährt, dass Nora in ihrer Freizeit Ermittlungen anstellt...
Ich habe bisher alle Bücher dieser Reihe gelesen und fand die ersten richtig gut. Auch der letzte Band war spannend, doch dieser ist sehr langatmig. Ständig wird auf den letzten traumatischen Fall Bezug genommen, was mich sehr genervt hat. Was auch viel zu viel Platz einnahm, war Noras Alkoholproblem. Abend für Abend leert sie Flasche um Flasche, provoziert ihren Partner, vernachlässigt die Tochter. Alles in allem ist die Nora Linde in „Das Grab in den Schären“ eine ziemlich unsympathische Person, die sich in alles einmischt. Spannung kommt eigentlich erst im letzten Drittel des Buchs auf. Wenn es um Liebesszenen geht, ist mir die Sprache viel zu schwülstig: Ihr wurde schwindlig vor Liebe, sie hatte seine Lippen empfangen... usw. Ich weiß nicht, ob die Bezeichnung „Königin des schwedischen Krimis“ eine Erfindung des KiWi Verlags ist, aber mit diesem Buch wird Viveca Sten dieser Auszeichnung jedenfalls nicht gerecht.

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