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Veröffentlicht am 04.07.2018

Galaktisch guter Roman

Miss Gladys und ihr Astronaut
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Zuerst hat mich der Titel des Buchs ein wenig abgeschreckt, und auch das Coverbild: ein kleiner Astronaut in einer großen Teetasse. Es ist zwar ein echter Hingucker, aber beides kam mir ein wenig albern ...

Zuerst hat mich der Titel des Buchs ein wenig abgeschreckt, und auch das Coverbild: ein kleiner Astronaut in einer großen Teetasse. Es ist zwar ein echter Hingucker, aber beides kam mir ein wenig albern vor. Doch dann fing ich an zu lesen und war sofort begeistert.
Tom Major ist ein alter Griesgram, der sich nur deshalb ins All schießen lässt, weil er niemanden auf der Welt hat. Von seiner Familie lebt keiner mehr, und als sich seine Frau von ihm scheiden lassen will, ist das der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Die Medien sind begeistert, dass sich am Todestag von David Bowie ein „Major Tom“ für die Marsmission meldet.
Durch Zufall lernt Major am (Satelliten-)Telefon die alte Dame Miss Gladys kennen, die Alzheimer hat. Als sie ihren Enkelkindern James und Ellie von dem Telefonat mit dem Astronauten erzählt, glauben diese ihr natürlich nicht. Nach und nach lernt man die Lebensgeschichten von Tom und Miss Gladys und ihrer Familie kennen. Obwohl vieles tragisch ist, was sie erlebt haben, ist die Geschichte auch teilweise urkomisch und herzerwärmend.
Durch die Bekanntschaft mit Miss Gladys und ihren Enkeln entwickelt Tom Major plötzlich Empathie mit anderen Menschen, ein Gefühl, das ihm, zumindest in den letzten Jahren, fremd war. Er wächst über sich selbst hinaus, wagt sich sogar an die Reparatur einer Satellitenschüssel, für die ein Weltraumspaziergang erforderlich ist. Nicht, weil sein Arbeitgeber, die britische Space Agency, nur so mit ihm in Kontakt bleiben kann, sondern weil Miss Gladys’ Enkel James dringend seine Hilfe benötigt...
Ein Buch, das mich ein wenig an "Ein Mann namens Ove" erinnert und mir von der ersten bis zur letzten Seite großen Spaß gemacht hat.

Veröffentlicht am 25.06.2018

Mörderisches Hamburg

Das Haus der Mädchen
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An ihrem ersten Abend in Hamburg lernt Leni ihre Zimmernachbarin Vivien kennen, die wie sie ein Zimmer über die Internetplattform BedtoBed.com gemietet hat. Die beiden könnten unterschiedlicher nicht sein, ...

An ihrem ersten Abend in Hamburg lernt Leni ihre Zimmernachbarin Vivien kennen, die wie sie ein Zimmer über die Internetplattform BedtoBed.com gemietet hat. Die beiden könnten unterschiedlicher nicht sein, Leni, ein schüchternes Mädchen aus der Kleinstadt, und die aufgetakelte Vivien, deren Ziel es ist, sich in Hamburg einen reichen Mann zu angeln. Trotzdem freunden sie sich an. Als Vivien plötzlich verschwindet, schrillen bei Leni alle Alarmglocken, da sie für den Abend mit Vivien verabredet war.
Sie geht zur Polizei, wo sie zunächst nicht ernst genommen wird, doch dann stellt sich heraus, dass Vivien nicht die erste junge Frau auf Besuch in Hamburg ist, die spurlos verschwindet.
Ein Obdachloser war Zeuge eines Mordes, die Polizei glaubt, dass es einen Zusammenhang zwischen den vermissten Mädchen und diesem Mordfall gibt. Obwohl der Mann im Visier des Mörders ist, beteiligt er sich an der Suche nach Vivien, nachdem er Leni kennengelernt hat. Hat der Chef des Verlags, in dem Leni ein Praktikum macht, etwas mit der Sache zu tun? Immerhin besitzt er einen weißen Kastenwagen wie ihn der Mörder gefahren ist. Oder der wohlhabende Hausbootbesitzer ten Damme, mit dem Vivien sich am Abend vor ihrem Verschwinden getroffen hatte?
Das Haus der Mädchen ist ein spannender und richtig gut konstruierter Krimi, der bis zum Schluss für Überraschungen sorgt. Nichts frustriert mich mehr als ein Krimi, dessen Ende so absurd und unglaubwürdig ist, dass es mir das gesamte Buch vergällt. Dies ist hier ganz und gar nicht der Fall. Für mich war das der erste Krimi von Andreas Winkelmann, aber sicher nicht der letzte.

Veröffentlicht am 20.06.2018

Die große Liebe?

Eine Liebe, in Gedanken
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Als ihre Mutter Antonia Weber stirbt, räumt die Tochter die Wohnung aus und findet dabei alte Briefe und Aufzeichnungen. Sie beginnt sich Gedanken zu machen, wie ihre Mutter als junge Frau war.
Wir erfahren, ...

Als ihre Mutter Antonia Weber stirbt, räumt die Tochter die Wohnung aus und findet dabei alte Briefe und Aufzeichnungen. Sie beginnt sich Gedanken zu machen, wie ihre Mutter als junge Frau war.
Wir erfahren, dass Antonia im Alter von 22 Jahren Edgar, ihrer großen Liebe begegnet. Beide scheinen es ernst miteinander zu meinen. Als Edgar das Angebot bekommt, in Hongkong für seine Firma eine Zweigstelle zu eröffnen, sieht Toni dies als Chance, etwas von der Welt zu sehen. Zunächst reist Edgar allein ab, Toni soll später nachkommen. Doch nicht alles kommt wie erhofft.
Kristine Bilkau hat mit „Eine Liebe, in Gedanken“ ein sehr schönes, poetisches Buch geschrieben. Sie schafft es, mit wenigen Worten Stimmungen zu beschreiben, dass man sich die Szenen genau vorstellen kann. Vor dem inneren Auge des Lesers entstehen die 1960er Jahre, eine Zeit des Aufbruchs und gleichzeitig eine Zeit, in der die Gleichberechtigung von Mann und Frau noch in weiter Ferne liegt.
Es werden viele Themen angesprochen, Liebe, Hoffnung, Enttäuschung, das Alter und die Einschränkungen, die damit einhergehen, Familien und ihre Probleme und vieles mehr. Es ist ein Buch, das zum Nachdenken anregt. Mir hat es gut gefallen.

Veröffentlicht am 18.06.2018

Wie man schnell und effektiv seine Ehe zerstört

Alles Begehren
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Der verheiratete Lehrer Callum lernt in der Bar seines Bruders die sehr viel jüngere Kate kennen. Die beiden haben eine heiße Affäre bis Belinda, Callums Frau, ihnen auf die Schliche kommt. Vor die Wahl ...

Der verheiratete Lehrer Callum lernt in der Bar seines Bruders die sehr viel jüngere Kate kennen. Die beiden haben eine heiße Affäre bis Belinda, Callums Frau, ihnen auf die Schliche kommt. Vor die Wahl zwischen Kate und Belinda gestellt, entscheidet sich Callum für seine Frau, die sich allerdings nicht sicher ist, ob sie ihm verzeihen kann. Was er zu dem Zeitpunkt nicht weiß, ist, dass Kate von ihm schwanger ist.

17 Jahre später, Kate ist inzwischen eine erfolgreiche Schauspielerin, treffen sich Callum und Kate durch Zufall wieder und ihre Anziehung zueinander ist ungebrochen. Anstatt dem Schicksal dankbar zu sein, dass Belinda ihm nach dem ersten Mal eine zweite Chance gab, setzt Callum erneut alles aufs Spiel und die beiden treffen sich wieder heimlich. Kate ist inzwischen ebenfalls verheiratet und hat eine kleine Tochter. Ihr Ehemann Matt tut alles für sie, doch Kate behandelt ihn nicht sonderlich gut, auch schon vor dem Wiedersehen mit Callum, in dem sie den Mann ihres Lebens sieht. Dieses Mal ist es Matt, der die beiden in flagranti erwischt.

Alles Begehren ist ein Buch über irrationales, alles verzehrendes Begehren, ohne Rücksicht auf Konsequenzen. Kate ist eine sehr rücksichtslose, egoistische Person, die glaubt, sie habe ein Anrecht auf Callum. Dass sie eine bislang glückliche intakte Ehe zerstört und den Kindern ihren Vater wegnimmt, stört sie nicht. Auch dass ihre eigene Ehe zu Bruch geht, ist für sie kein Hinternis.
Callum wiederum ist schwach und extrem geschmeichelt, dass eine junge, schöne und erfolgreiche Frau sich für ihn interessiert. Was er für diesen Kick opfert, wird ihm erst bewusst, als es zu spät ist.

Im Verlauf des Buchs wurden mir Kate und Callum zunehmend unsympathisch, ihre Ehepartner hingegen immer sympathischer. Ein Buch, das mich teilweise sehr frustriert und mit gespaltenen Gefühlen zurückgelassen hat.


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Veröffentlicht am 17.06.2018

Geschichte aus einer Zeit, als ein entzündeter Blinddarm einem Todesurteil gleichkam

Die Charité: Hoffnung und Schicksal
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Elisabeth, eine junge Frau aus einfachen Verhältnissen, beschließt, in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts als Wärterin (wie Pflegerinnen damals hießen) an der Berliner Charité anzufangen. Der Lohn ist ...

Elisabeth, eine junge Frau aus einfachen Verhältnissen, beschließt, in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts als Wärterin (wie Pflegerinnen damals hießen) an der Berliner Charité anzufangen. Der Lohn ist karg, doch sie hat freie Kost und Logis.
Gleich an ihrem ersten Arbeitstag lernt Elisabeth die Grauen der einzelnen Abteilungen kennen: die Abteilung für Syphilis- und Krätzekranke, die Gebärstation, die Salivationsstube... Alle haben sie gemeinsam, dass die hygienischen Zustände haarsträubend sind. Die Behandlungsmethoden grenzen zum Teil an Folter. So wird eine geisteskranke Frau mit Krätze infiziert, um auf diese Weise ihren Geist wiederzuerwecken.
Die Kenntnisse über die Verbreitung von Krankheiten sind zu dieser Zeit sehr rudimentär. Als die Cholera ausbricht, wird deren Ursprung in sogenannten Miasmen gesucht, üblen Dämpfen, die aus dem Fluss aufsteigen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Wärtern, für die ihre Arbeit eine ungeliebte Pflicht ist, der sie oft genug nur sehr nachlässig nachkommen, kümmert sich Elisabeth aufopferungsvoll um ihre Patienten und erwirbt sich bald einen Ruf, einen beruhigenden Einfluss auf die Patienten auszuüben. Auch Dr. Dieffenbach und seinem Subchirurgen Heydecker fällt Elisabeth positiv auf, obwohl sie sich nicht scheut, den Ärzten zu widersprechen, wenn sie deren Behandlungsmethoden nicht gutheißt. Heydecker fühlt sich immer mehr zu der jungen Frau hingezogen, und auch Elisabeth empfindet etwas für den jungen Arzt. Doch dann muss Heydecker als Militärarzt zur Armee und verlässt die Charité. Daraufhin trifft Elisabeth eine folgenschwere Entscheidung.
Das Buch ist interessant und flüssig geschrieben, wenngleich manches für mich sprachlich hart an der Grenze zum Kitsch ist. Doch die interessanten Charaktere und die beschriebenen Entwicklungen in der Medizin machen dieses kleine Manko wett. Besonders interessant finde ich, dass einige der Personen historisch belegt sind und sich die beschriebenen Ereignisse tatsächlich zugetragen haben. Auf jeden Fall ist das Buch gut recherchiert und obwohl das eine oder andere vorhersehbar ist, sehr spannend zu lesen. Historische Romane sind sonst nicht mein bevorzugtes Genre, doch dieses Buch hat mich wirklich gefesselt.