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Veröffentlicht am 20.09.2023

Mit einem Unterton von Unbehagen

Die Fremden in meinem Haus
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Das Erste, was ich mich gefragt habe, als ich den Klappentext las, war: Wie kann es sein, dass man abends nach Hause kommt und eine fremde Familie im eigenen Haus wohnt? Die Antwort ergibt sich schnell, ...

Das Erste, was ich mich gefragt habe, als ich den Klappentext las, war: Wie kann es sein, dass man abends nach Hause kommt und eine fremde Familie im eigenen Haus wohnt? Die Antwort ergibt sich schnell, denn Fiona und Bram sind getrennte Eltern, die das Nestmodell leben. Sprich: Die Kinder wohnen fest im Haus, die Eltern wechseln sich dort ab und leben abwechselnd dort und in einer kleinen Wohnung. Dadurch erschien mir der Knackpunkt schon mal nicht allzu konstruiert.

Die Story selbst wird abwechselnd aus der Perspektive der Beiden geschrieben. Fionas Sicht der Dinge erfahren wir durch eine True-Crime-Podcast-Aufnahme. Sie muss ihre Worte weise wählen, denn jeder könnte sie hören und sie muss ihr Image aufrechterhalten. Lieber würde sie so sprechen, wie ihr der Schnabel gewachsen ist, das ist aber nur eingeschränkt möglich. Bram hingegen kann frei von der Leber weg erzählen - und der Grund hierfür stimmt ein wenig traurig.

Dieser Sichtwechsel war erfrischend und die doch sehr unterschiedlichen Stile haben enorm dazu beigetragen, die Charaktere mehrdimensional zu gestalten. Dennoch fand ich insgesamt, dass Fiona viel zu leichtgläubig dargestellt wurde, fast schon unrealistisch für ihren Charakter. Und Bram – sollte ich mit ihm mitfühlen wegen seines Schicksals? Ihn für seine Handlungen gedanklich ohrfeigen? Ist er hier eher der Antagonist? Spannend!

Zwar konnte ich mir relativ schnell zusammenreimen, was geschehen ist, und meine Vermutung hat sich am Ende auch bestätigt. Dennoch hatte ich durchgehend Spaß am Lesen und habe die Geschichte sehr genossen.

Fazit: Klug konstruiert, fesselnd, mit einem Unterton von Unbehagen und Nervenkitzel - ein blutdrucksteigernder Thriller mit kleineren Schwächen, über die man ruhigen Gewissens hinwegsehen kann, weil alles andere passt.

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Veröffentlicht am 20.09.2023

Typisch Coben - Wahnsinnig spannend!

Nur für dein Leben
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David sitzt lebenslänglich im Gefängnis. Er soll seinen kleinen Sohn Matthew mit einem Baseballschläger getötet haben. Doch er hat keine Erinnerung an die Tat. Als seine Schwägerin Rachel ihn nach fünf ...

David sitzt lebenslänglich im Gefängnis. Er soll seinen kleinen Sohn Matthew mit einem Baseballschläger getötet haben. Doch er hat keine Erinnerung an die Tat. Als seine Schwägerin Rachel ihn nach fünf Jahren besucht und ihm ein Foto zeigt, worauf ein Junge zu sehen ist, der Matthew ähnelt, gerät Davids Welt ins Wanken. Er muss hier raus und seinen Sohn finden. Mit Hilfe seines Patenonkels, der zufällig der Gefängnisdirektor ist, gelingt David die Flucht. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, denn wenn David gefasst wird, ist alles verloren…

Coben hat mit diesem Thriller wieder ein wahres Meisterwerk geschaffen. Wer seine Bücher kennt, weiß, dass er es versteht, die Spannung direkt zu Beginn aufzubauen und bis zum Ende aufrechtzuerhalten. Sein neuer Thriller knüpft an die bisherige Erfolgsschiene an. Dabei war es nicht nur Cobens fesselnder Schreibstil, der mich durch die Seiten gepeitscht hat. Vielmehr haben mich die komplexen und gut durchdachten Handlungsstränge fasziniert, mit denen der Autor den Leser in Atem hält. Dass er dabei oft familiäre Beziehungen und dunkle Geheimnisse untersucht, die hinter den Fassaden scheinbar glücklicher Familien verborgen sind, gefällt mir besonders gut.

Die Charaktere sind unglaublich authentisch und real gezeichnet. Allen voran David, der mir sofort ans Herz gewachsen ist. Seine Flucht hat mich emotional total berührt, und wäre seine Schwägerin Rachel nicht an seiner Seite gewesen, hätte ich ihn liebend gern unterstützt. So sehr ging mir seine Geschichte unter die Haut. Ich wollte diesem verzweifelten Vater unbedingt dabei helfen, seine Unschuld zu beweisen und die Wahrheit ans Licht zu bringen.

Coben erzählt uns die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven. Hauptsächlich aber aus Sicht von David und Rachel. Das hat mir sehr gut gefallen und die Handlung für mich aufgelockert. Auch die überraschenden Wendungen haben meine Neugier herausgefordert und mich den Plot hautnah miterleben lassen. Vor allem gegen Ende gab es für mich kein Halten mehr, denn ich wollte unbedingt erfahren, ob David tatsächlich noch ein Happy End bevorsteht und ich erleichtert durchatmen darf.

Fazit: Schon lange hat mich ein Buch nicht mehr so in Atem gehalten. Eine filmreife Flucht, ein verzweifelter Vater und eine tragische Geschichte machen dieses Werk zu einem Pageturner. Wer mal wieder Lust auf eine ordentliche Portion Nervenkitzel hat, ist hier definitiv richtig. Lesen!

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Veröffentlicht am 20.09.2023

In Kürze durchgelesen

Schwarzvogel
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Ermittlerin Fredrika Storm ist gerade erst von Stockholm zurück in ihre Heimat nach Lund versetzt worden, als sie mit ihrem neuen Partner Henry Calment an einen möglichen Tatort gerufen wird. Eine junge ...

Ermittlerin Fredrika Storm ist gerade erst von Stockholm zurück in ihre Heimat nach Lund versetzt worden, als sie mit ihrem neuen Partner Henry Calment an einen möglichen Tatort gerufen wird. Eine junge Frau ist auf dem Eis eingebrochen und zu Tode gekommen. Laut der Zeugin, die zufällig zu Fredrikas Familie gehört, wurde diese von einem Unbekannten aufs Eis gejagt. War es nur ein Unfall, oder steckt doch mehr dahinter? Als immer öfter Spuren in Richtung Fredrikas Familie auftauchen, bringt sie das in große Gewissenskonflikte.

"Schwarzvogel" ist der erste Teil einer neuen Reihe mit Ermittlerin Fredrika Storm und zugleich das Krimidebüt der Autorin Frida Skybäck. Mein erster Gedanke dazu war: "Wieder einer dieser 0815-Ermittler-Krimis mit kaputten Protagonisten". Und ja, so ist es auch.

Zitat S. 13:
"Ihr vorheriger Chef hatte gesagt, sie könne froh sein, dass man sie nach allem, was passiert war, nicht degradiert hatte, wobei sie sich manchmal fragte, ob das nicht besser gewesen wäre. Mit einer handfesten Strafe hätte sie vielleicht besser umgehen können."

Allerdings hatten die Protagonisten bereits ab den ersten Seiten meine volle Sympathie gewonnen, und die Ermittlungen waren durchgehend spannend beschrieben. Der Spannungsbogen baut sich angenehm auf und die Autorin schafft es, den Leser immer wieder zweifeln zu lassen. Auch Fredrikas Gewissenskonflikt wird schnell deutlich und gut nachvollziehbar. Außerdem wird der aktuelle Fall authentisch aufgeklärt und war lange nicht vorhersehbar. Die ganze Familiengeschichte ist interessant und birgt noch ordentlich Stoff für weitere Teile.

Ich hatte das Buch jedenfalls in Kürze durchgelesen und war schlussendlich erstaunt darüber, wie gut die Autorin es geschafft hat, mich mit ihrem Debüt vollständig zu überzeugen.

Fazit: Eine neue Ermittler-Reihe mit geheimnisvollem Background und sympathischen und interessanten Protagonisten, der mich bestens unterhalten hat.

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Veröffentlicht am 20.09.2023

Tolles Setting, spannungsarme Passagen

Blinde Tunnel
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Sonja und Daniel geben ihr privilegiertes Leben in der Schweiz auf, um in Tschechien einen Neustart zu wagen. Auf einem alten Weingut wollen sie ihre Liebe zueinander wiederfinden. Doch natürlich kommt ...

Sonja und Daniel geben ihr privilegiertes Leben in der Schweiz auf, um in Tschechien einen Neustart zu wagen. Auf einem alten Weingut wollen sie ihre Liebe zueinander wiederfinden. Doch natürlich kommt alles anders, als die beiden erst eine mumifizierte Kinderleiche finden und ein paar Tage später Daniel für den Mord an einer Anwältin verantwortlich gemacht wird.

Sonja empfand ich während der gesamten Handlung als kühl und herablassend. Ich wurde nicht warm mit, fand sie wenig empathisch und daher fiel es mir ebenfalls schwer, mit ihr mitzufühlen. Nach Daniels Verhaftung und Annas Ermordung hat sie zwar den Biss, das Geheimnis um das böhmische Dorf zu lüften, ist dennoch meist distanziert und in vielen Situationen nur körperlich anwesend.

Alsterdals Sprache, und bedingt durch die Übersetzung auch die von Hanna Granz (die auch die Eira-Sjödin-Trilogie der Autorin übersetzt hat), haben mir allerdings gut gefallen und meinem Kopfkino viel Futter gegeben. Die Atmosphäre, die sich um das verlassene Weingut rankt, kam gut bei mir an.

Der italienische Titel „Il tunnel dei morti“ („Der Tunnel der Toten“) gefällt mir besser als das Original bzw. somit auch die deutsche Übersetzung. Dennoch ist die Story zwar solide, aber durch die vielen geschichtlichen Einschübe wirkt sie eher wie ein Roman als ein Krimi. Die Spannung ist streckenweise da, flaut aber immer wieder ab. Das ist, meiner Meinung nach, dem geschuldet, dass die Story sehr geschichtslastig ist. Oft hatte ich das Gefühl, nicht der Krimi und der Mord an der Anwältin waren das Korsett, das gefüllt werden sollte, sondern die Annexion des Dorfes und dessen Rolle im Zweiten Weltkrieg sollten spannend dargestellt werden.

Fazit: Leider nicht mein liebstes Buch von Tove Alsterdal. Aber ein spannendes Thema an sich, ein gut gewähltes Setting und für Geschichtsfreunde durchaus ein interessantes Buch!

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Veröffentlicht am 07.09.2023

Aufwühlend, stimmt nachdenklich

Alle Farben grau
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Wenn ein geliebter Mensch sein Leben lässt, egal wie, dann ist das immer unfassbar traurig. Wenn aber ein Jugendlicher entscheidet, dass dieses Leben ihm nichts mehr zu geben hat und es für ihn das Beste ...

Wenn ein geliebter Mensch sein Leben lässt, egal wie, dann ist das immer unfassbar traurig. Wenn aber ein Jugendlicher entscheidet, dass dieses Leben ihm nichts mehr zu geben hat und es für ihn das Beste ist, ebenjenes freiwillig zu beenden, dann ist das besonders tragisch. Genau davon erzählt Martin Schäuble in seinem Roman „Alle Farben Grau“.

Pauls Welt hat sämtlichen Glanz und jegliche Farbe verloren. Häuser, Wände, Bäume, Straßen, sogar Menschen, alles um ihn herum ist grau. Und dazu lässt ihn seine innere Stimme immer wieder wissen, dass er nichts wert ist und niemandem etwas bedeutet. Immer wieder, damit Paul es keinesfalls vergisst.

Einfühlsam und bewegend erzählt der Autor die Geschichte des 16-jährigen Paul, der keinen anderen Ausweg aus seinen Problemen sieht, als sich selbst das Leben zu nehmen. Dabei sind die ständigen Perspektivwechsel, die Schäuble verwendet, wohl überlegt gewählt. Sowohl Paul als auch Freunde, Mitschüler und seine Familie erzählen in der Ich-Perspektive von ihren Erlebnissen und Erinnerungen. So fügen sich nach und nach sämtliche Teilchen zu einem traurigen, aber brillant erzählten Gesamtbild zusammen.

Einmal begonnen, konnte ich dieses Buch nicht mehr aus der Hand legen. Pauls Story hat mich bewegt und gleichzeitig entsteht beim Lesen ein tiefes Verständnis dafür, dass man, so offensichtlich die Dinge auch zu sein scheinen und so gut man jemanden zu kennen glaubt, eben doch nicht in das Innerste eines Menschen blicken kann und wir nur das sehen, was wir sehen wollen oder eben auch sollen.

Schäubles Roman ist ein Weckruf, Depressionen und Suizidgedanken nicht zu tabuisieren. Das Leben kommt mitunter knallhart daher, aber es ist in den strahlendsten Farben bunt und es lohnt sich dafür zu kämpfen.

Fazit: Schon lange hat mich ein Buch nicht mehr so sehr berührt wie „Alle Farben Grau“. Pauls Geschichte wird mich noch eine ganze Weile begleiten. Definitiv keine leichte Kost, dennoch absolut empfehlenswert!

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