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Veröffentlicht am 07.04.2019

Doppelgänger

Golden Darkness. Stadt aus Licht & Schatten
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Ich schwanke hier immer noch zwischen vier Sternen und der vollen Punktzahl, denn das Buch hat mir mit seinen ungewöhnlichen Ideen wirklich sehr viel Spaß gemacht. Wie frisch ein Teil der Ideen allerdings ...

Ich schwanke hier immer noch zwischen vier Sternen und der vollen Punktzahl, denn das Buch hat mir mit seinen ungewöhnlichen Ideen wirklich sehr viel Spaß gemacht. Wie frisch ein Teil der Ideen allerdings wirklich ist, kann ich gar nicht beurteilen. Denn die Autorin hat das Setting von Dickens "Eine Geschichte von zwei Städten" in eine Welt der Zukunft versetzt. Dies ist mal ein Klassiker, den ich nicht kenne.

In dieser zukünftigen Welt ist New York geteilt in einen Teil voller reicher Lichtmagier und den dunklen Stadtteil, in dem auch die verachteten Doppelgänger ihr Dasein fristen. Sie zu erschaffen ist verboten, doch es geschieht immer wieder, wenn eigentlich totgeweihte Menschen der Lichtstadt illegal durch Magie vor dem Tode bewahrt werden.

Wir werden mitten hinein geworfen in diese komplexe Welt, und es dauert über 50 Seiten, bis die Protagonistin Lucie mit einigen Erklärungen aufwartet, die dem verwirrten Leser das Dunkel erhellen. Lucies Vater ist zwar ein Lichtmagier, doch sie stammt aus dem dunklen Teil von New York. Liiert ist sie nun mit dem reichen Ethan aus der äußerst mächtigen Sippe der Strykers. Dass ausgerechnet Ethan einen Doppelgänger namens Carwyn hat, ist für Lucie eine unangenehme Überraschung.

Carwyn war für mich das Highlight des Romans. Ich habe mit ihm mitgelitten, doch sein selbstironischer Humor hat mich auch immer wieder zum Schmunzeln gebracht.

Die Handlung schreitet schnell, fast zu schnell voran und wird von Lucie beinahe atemlos erzählt. Auf schmerzhafte Weise muss sie erfahren, dass weder in der Dunkelstadt noch in der Lichtstadt die Dinge so sind, wie sie scheinen und Carwyns und ihre Vergangenheit auf mysteriöse Weise verknüft sind.

Es zeichnet den Roman aus, dass er kein profanes Happy-End bietet. Dennoch hätte ich mir so manches Mal noch etwas mehr Tiefgang erhofft und meine, am Ende einen Logikfehler ausgemacht zu haben.

Trotzdem hält hier der Roman einmal, was der wunderschöne, fast lichtdurchflutete Buchumschlag verspricht. Gerne möchte ich mehr von Sarah Rees Brennan lesen!

Veröffentlicht am 05.04.2019

Denglisches Experiment

Das Glück der kleinen Gesten
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Optisch ist das Buch wirklich schön aufgemacht. Inhaltlich blieb es jedoch leider hinter meinen Erwartungen zurück. Oh, es gibt sogar zwei kleine Theorieteile über das Glück, habe ich mich zunächst gefreut. ...

Optisch ist das Buch wirklich schön aufgemacht. Inhaltlich blieb es jedoch leider hinter meinen Erwartungen zurück. Oh, es gibt sogar zwei kleine Theorieteile über das Glück, habe ich mich zunächst gefreut. Außer dem altbekannten Dankbarkeitstagebuch ist hier inhaltlich jedoch wenig hängengeblieben. Ich habe schon das eine oder andere Glücksbuch gelesen, jeweils von Autoren mit medizinischen oder psychologischen Hintergrund, sie sowohl informativ als auch unterhaltsam waren. Die Autorinnen von „Das Glück der kleinen Gesten“ erzählen allerdings zunächst in erster Linie von sich selbst. Sie sind zweifellos sympathisch. Sie sind für mich jedoch weder als Personen noch aufgrund ihres Lebensumfeldes so faszinierend, dass ich eine Menge über sie erfahren wollte. Interessiert hätte mich allerdings: Warum wird eine der Autorinnen im Klapptext als Friedensbotschafterin betitelt? Das hat bei mir große Erwartungen geweckt. Würde ich hier auf eine UN-Botschafterin treffen, die aus ihrem Erfahrungsschatz berichten würde? Anscheinend war hier kein bon anderen verliehener Titel gemeint.
Ich habe das Lesen des Buches als zunehmend anstrengend empfunden, auch, weil die Autorinnen ein seltsames „Denglisch“ pflegen. Vorausgeschickt, ich liebe das Englische und verstehe es beinahe so gut wie Deutsch. Dennoch fand ich es eigenartig, dass ständig ohne Not englische Begriffe eingestreut waren, obwohl es wunderbare deutsche Begriffe gegeben hätte. Dadurch entsteht ein irgendwie unseriöser Eindruck und ich musste manchmal an Influencer-Videos denken. Für mich ist das keine positive Assoziation.
Den Hauptteil des Buches machen die Beschreibungen vieler kleiner Gesten aus, mit denen die Autorinnen sich und anderen Glück bringen wollten. Am meisten gefallen haben mir in der Regel die sogenannten Gastgesten, also Gesten, die Bekannte der Autorinnen beigesteuert haben. Manche der anderen Gesten habe mich etwas befremdet, so zum Beispiel, wenn eine der Autorin ihrer an einem tödlichen Hirntumor erkrankten Mutter, die nach einem epileptischen Anfall im Krankenhaus gelandet ist, erklärt, was für ein Glück diese habe. Natürlich ist es wichtig, in so einer schrecklichen Situation, in der ich als Tochter leider selbst schon war, für die andere stark zu bleiben. Als Mutter hätte ich mich da im besten Fall auf den Arm genommen gefühlt. Verstörend fand ich die Idee, einer Bestatterin beim Herrichten einer Leiche zuzusehen, um Wertschätzung für den Beruf auszudrücken. Was hätte wohl die Tote zu ihren Lebzeiten dazu gesagt und waren die Angehörigen einverstanden? Ich hoffe, dass das in Deutschland nicht legal ist. Eigentlich muss man zu Lebzeiten einwilligen, wenn die eigene Leiche irgendwelchen Experimenten dienen soll.
Und genau das ist dieses Buch: ein Experiment. Die Autorinnen haben sich als Fremde zusammengefunden, um ihre Glücksbotschaften unters Volk zu bringen. Das ist zuweilen nett (z.B. Seifenblasen für fremde Kinder) und manchmal wie geschildert einfach seltsam. Zudem habe ich gestaunt, was für kleine Gesten (einem Fremden eine noch gültige Fahrkarte schenken) große Überwindung gekostet haben. Wenn solche Dinge als Herausforderung empfunden werden, wurde das Leben sicher sehr behütet gelebt.
In einer kleinen Zusammenfassung zum Schluss bleibt nicht unerwähnt, dass man sich auch einfach ehrenamtlich oder nachbarschaftlich engagieren kann. Das tue ich bereits lange, weswegen die Glücksbotschaften des Buches für mich persönlich wirklich extrem an der Oberfläche bleiben. Dennoch sind sie nicht verkehrt und lösen beim Lesen eine kleine positive Grundstimmung aus, was ja auch schon etwas wert ist. Viele kann man nachmachen, auch wenn man nicht so viel Tagesfreizeit hat wie die Autorinnen.

Veröffentlicht am 05.04.2019

Sylt hautnah

Inselluft mit Honigduft
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Sylt, ich komme, wollte meim Herz rufen, als ich das Buch am Ende zugeschlagen habe.

Kerin Schmidt, Jahrgang 1983, berichtet von ihrer idyllischen Kindheit auf Sylt. Ihre Eltern bewirtschaften einen Bauernhof ...

Sylt, ich komme, wollte meim Herz rufen, als ich das Buch am Ende zugeschlagen habe.

Kerin Schmidt, Jahrgang 1983, berichtet von ihrer idyllischen Kindheit auf Sylt. Ihre Eltern bewirtschaften einen Bauernhof in Morsum, aber eigentlich ist es eine Großfamilie, die die kleine Kerin da als Einzelkind um sich hat. Mit Kühen, Pferden, Kater, Hund und Schafen, guten Freunden und wunderbaren Nachbarn darf sie inmitten der herrlichen Natur aufwachsen. Das ist so idyllisch, dass man vor Neid erblassen könnte. Gleichzeitig ist die Autorin aber so sympathisch, dass man es ihr von Herzen gönnen kann. Natürlich bleibt auch der eine oder andere Schicksalsschlag nicht aus, wird aber typisch friesisch lakonisch abgehandelt.

Dass Kerin als junge Erwachsene nach Hamburg zieht und sogar moch weiter wandern möchte, verwundert. Wie kann man so eine Heimat freiwillig hinter sich lassen? Doch zum richtigen Zeitpunkt erscheint schließlich Till, der Mann ihres Lebens. Gemeinsam beschließen sie die Rückkehr auf den elterlichen Hof und den Aufbau einer Imkerei.

Das Buch war für mich fast wie ein kleiner Kurzurlaub. Kerin beschreibt Sylt bildhaft und poetisch, manchmal reimt sie sogar ein wenig. Fast hatte die Geschichte etwas Märchenhaftes, Aus-der-Zeit-Gefallenes: wunderbar.

Veröffentlicht am 01.04.2019

Spionagenetz

Schatten der Toten
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Mit diesem dritten Band kommt die Reihe um die Berliner Tatortreinigerin Judith Keppler zu einem Ende. Ich bin ihrer Geschichte sehr gern gefolgt, muss aber sagen, dass mir der erste Teil am besten gefallen ...

Mit diesem dritten Band kommt die Reihe um die Berliner Tatortreinigerin Judith Keppler zu einem Ende. Ich bin ihrer Geschichte sehr gern gefolgt, muss aber sagen, dass mir der erste Teil am besten gefallen hat. Judiths ungewöhnlicher Beruf, der für mich viel Stoff geboten hätte, spielt hier kaum mehr eine Rolle. Stattdessen geht es noch immer um Judiths tragische Kindheit, die deutsch-deutsche Vergangenheit und ein wahres Netz an Spionageringen, das sich diesmal sogar bis nach Odessa zieht.

Als gebürtige Berlinerin, die noch immer jeden Tag in die Berliner Senatsverwaltung pendelt, hat mich die Schilderung des Berliner Lokalkolorits vollends überzeugt. Das Dienstgebäude in der Klosterstraße und das Landesamt für Verfassungsschutz sind mir bekannt und boten mir daher goßen Wiedererkennungswert. Auch dass Frederik Meißner nun eine größere Rolle spielte, hat mich gefreut. Judiths Handlungsgründe waren für mich dagegen nicht immer völlig nachvollziehbar, außer dass sie so handeln musste, um die Handlung wie gewünscht voranzutreiben. So folgt sie beispielsweise Frederik zu einem brandgefährlichen Undercovereinsatz nach Odessa, damit er etwas früher zu seiner schwer kranken Tochter zurückkommt. Was sie dafür inszeniert, ihn dort überhaupt aufzufinden, ist schon ziemlich extrem.

Auch Judiths Rabenvater Larcan, Quirin Kaiserley und die Kellermanns trifft man wieder. Warum Isa Kellermann sich wie ein Bluthund an Larcans Spuren heftet, habe ich leider mordsschnell durchschaut.

Ich bin kein Fan von Spionageromanen und hätte diesen ohne die Erzählkunst der Autorin sicher nicht gelesen. Ihre Einzelbände und die Jugendbücher haben für mich aber eine größere Sogwirkung entfaltet.

Bedauerlich find ich, dass das Buch nur als Taschenbuch erscheint, so dass es optisch im Regal nicht zu den Vorgängern passt.

Veröffentlicht am 31.03.2019

Die Geschichte der Draculaer

Die Blutchronik
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Nach einigen Jahren ist nun der zweiten Teil der Geschichte über Vlad Draculeas Familie von Liliana Le Hingrat erschienen. Den ersten Teil sollte man unbedingt gelesen haben. Da es nun schon einige Jahre ...

Nach einigen Jahren ist nun der zweiten Teil der Geschichte über Vlad Draculeas Familie von Liliana Le Hingrat erschienen. Den ersten Teil sollte man unbedingt gelesen haben. Da es nun schon einige Jahre her ist, dass ich "Das dunkle Herz der Welt" gelesen habe, hat es etwas gedauert, bis mir die komplexen Ereignisse des ersten Teil wieder einfielen. Beim Wiedererkennen der Protagonisten hilft zum Glück ein Personenverzeichnis am Ende des Buches.

Standen im Vorläufer noch Vlads Eltern im Vordergrund, rückt nun vor allem Vlad in den Mittelpunkt, neben seinem Bruder Radu. Dabei zeichnet die Autorin Vlad als komplexe Persönlichkeit und zeigt auf, wie durch eine grausame Kindheit aus Vlad ein oft mittleidloser Mensch und grausamer Feind geworden ist, der den Namen "der Pfähler" nicht ohne Grund trägt. Und von Feinden ist Vlad geradezu umgeben. Nicht nur die Osmanen greifen immer wieder nach der Walachei, ebenso die Ungarn und selbst Radu ist ein Konkurrent um den Thron, den Vlad mal erobert und mal wieder verliert.

Auch die Frauen ins Vlads Leben beschreibt die Autorin und hat hierzu akribische Recherche betrieben, um die neuesten geschichtlichen Erkenntnisse einarbeiten zu können. Diese Schilderung der menschlichen Facetten in Vlads Leben, auch verkörpert im heidnischen Priester Roxolan, der Vlad lebenslang beschützt, waren für mich die Highlights des Romans.

Leider endet wohl die Reihe mit diesem Buch. Auch wenn ein absolut angemessener Abschluss gefunden wurde, hätte ich durchaus Interesse, den weiteren historischen Entwicklungen in Romanform länger zu folgen.