Profilbild von Seitenseglerin

Seitenseglerin

Lesejury Star
offline

Seitenseglerin ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Seitenseglerin über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.03.2024

Meh… Hat mich leider emotional nicht erreicht!

Die Kriegerin
0

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Zwei befreundete (Ex-)Soldatinnen kämpfen mit ihren Traumata.

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Präteritum
Perspektive: ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Zwei befreundete (Ex-)Soldatinnen kämpfen mit ihren Traumata.

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: keine Kapitel, Unterteilung durch Absätze

Inhaltswarnung: Gewalt, Blut, (sexualisierte) Gewalt gegen Frauen (bis Vergewaltigung), Tötung eines Tieres (Hund), Feuer, Suizid, psychische Krankheiten, Depression, Trauma, posttraumatische Belastungsstörung, Sexismus, Misogynie, selbstverletzendes Verhalten, Alkohol

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: --- ♥

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen:

- ruhige und langsame Geschichten
- reduzierter, eher distanzierter Schreibstil
- Leben als Soldatin
- Trauma / posttraumatische Belastungsstörung
- psychische Krankheiten / Suizid / Selbstverletzung
- sexualisierte Gewalt (Vergewaltigung) als zentrales Thema
- Spuren von magischem Realismus (Träume)

Lieblingszitate

"Die Soldatinnen hier im Feldlager warnen sich gegenseitig vor ihm. Anzeigen tut ihn niemand." Seite 128

"Denn natürlich kann in diesen Nächten etwas passieren, kann die Nähe, die beim Tanzen entsteht, ausgenutzt, kannst du gegen deinen Willen in eine Toilette gedrängt, können in dein Getränk K.-o.-Tropfen gemischt, kannst du fotografiert, berührt, gepackt, geküsst werden, ohne dass du selbst dabei ein Mitspracherecht hast." Seite 195

"Die Dunkelheit schlug hohe Wellen, füllte Lisbeths Lungen, zerdrückte ihre Brust, schmeckte nach Asche.“ Seite 13

Meine Rezension

Nachdem mich vor einigen Jahren das düstere, tiefgründige Debüt von Helene Bukowski („Milchzähne“) so begeistert hatte, wurde ich natürlich aufgrund des Titels und Klappentexts (beides klang sehr feministisch) sofort auf ihr neues Buch aufmerksam und wollte es lesen.

Doch konnte mich auch die „Kriegerin“ wieder emotional so abholen und mitreißen? Das muss ich leider verneinen, denn die Lektüre ließ mich seltsam unbefriedigt, ernüchtert und leicht enttäuscht zurück. Müsste ich die Leseerfahrung in einem Wort zusammenfassen, wäre das wohl: Meh!

Natürlich gab es ein paar Dinge, die mir auch dieses Mal wieder gut gefallen haben, z. B. die Grundidee und die Wahl der Themen (das Leben als Soldatin, Sexismus, sexualisierte Gewalt, Trauma). Einzelne Szenen haben mir zugleich das Herz zerrissen und mich unglaublich wütend gemacht! Die Schauplätze fand ich gut gewählt und erfrischend (Kreuzfahrtschiff, Bungalow am Meer, Militäreinsätze in anderen Ländern) und ich mochte die teils kafkaeske Grundstimmung, die Spuren des magischen Realismus (große Bedeutung von Träumen) und manch interessante Wendung oder Nebenfigur.

Aus feministischer Sicht gibt es ebenfalls nicht viel auszusetzen, weil der Roman so frauenzentriert ist und Alltagssexismus in einer männerdominierten Branche und die Folgen von sexualisierter Gewalt in den Fokus rückt. Als positiv habe ich auch empfunden, dass LGBT-Aspekte eingeflochten wurden und dass der Freund der Hauptfigur als alleinerziehender Vater ganz und gar nicht toxisch ist. Ein Pünktchen Abzug gibt es für das eine oder andere Klischee. Wer gerne Bücher und ihre Symbolik analysiert, ist hier übrigens an der richtigen Adresse – die „Kriegerin“ gibt das (mit ihren rosaroten Vögen, ungewöhnlichen Träumen und großen Steinen) auf jeden Fall her!

Das klingt doch alles ganz positiv, oder? Warum dann trotzdem nur 3 Sterne? Nun, leider vermochte es das Buch nicht, mich nachhaltig zu berühren und zu fesseln. Die Thematik, von der ich aufgrund des Klappentexts dachte, sie wäre das Kernthema (sexuelle Gewalt), nimmt tatächlich nur wenig Raum in der Geschichte ein. Der Schreibstil war dafür auch zu reduziert und oberflächlich, lieferte zu wenige Details, blieb in Bezug auf die Figuren zu distanziert. Es ist sehr schwer, mit den Charakteren mitzufühlen, wenn man als Leser:in nicht an sie herangelassen wird (und diesen Eindruck hatte ich). Ich konnte zum Beispiel das egoistische Verhalten der Protagonistin sehr oft nicht nachvollziehen (warum verlässt sie einfach so ihre Familie und Tochter, ohne sich zu melden, warum tötet sie aus Rache einen unschuldigen Hund?) und hatte auch am Ende des Buches das Gefühl, sie eigentlich überhaupt nicht zu kennen. Wer an einem unschuldigen Wesen seine Rachegefühle auslässt, ist zudem bei mir sowieso „unten durch“ – EGAL wie traumatisiert die Person ist, das ist für mich keine Entschuldigung oder Ausrede!

Außerdem fehlten mir Spannung, Tempo und Handlung (man hat teilweise überhaupt keine Ahnung, worauf die Geschichte hinauswill) – ich fand sie besonders im Mittelteil zäh bis langweilig. Mit seinen 250 Seiten war der Roman trotzdem (beim immerhin dritten Versuch) ganz gut zu schaffen – ich bin mir aber ziemlich sicher, dass ich nicht durchgehalten hätte, wenn er 400 Seiten gehabt hätte. Jetzt beim Schreiben der Rezension – nur knappe zwei Wochen nach Beendigung des Buches – fällt mir leider auf, dass ich schon wieder viel vergessen habe. Die Geschichte wird mir wohl nicht lange im Gedächtnis bleiben, sie hat einfach keinen bleibenden Eindruck hinterlassen…

Mein Fazit

„Die Kriegerin“ ist ein Roman, den ich mit hohen Erwartungen begonnen, jedoch leider ernüchtert und etwas enttäuscht beendet habe. Das lag hauptsächlich daran, dass mich das Buch emotional einfach nicht erreichen und auch nicht fesseln konnte. Für große Fans sehr ruhiger, reduzierter Geschichten könnte es vielleicht etwas sein, alle anderen sollten lieber zu Helene Bukowskis Debüt greifen („Milchzähne“), das fand ich nämlich echt großartig!

Bewertung

Cover / Aufmachung: 5 Sterne ♥
Idee: 5 Sterne ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 3 Sterne
Umsetzung: 3 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Einstieg: 2 Sterne
Ende: 4 Sterne
Schreibstil: 3 Sterne
Protagonistin: 2 Sterne
Figuren: 3,5 Sterne
Spannung: 2 Sterne
Pacing/Tempo: 2 Sterne
Wendungen: 4 Sterne
Atmosphäre: 3 Sterne
Emotionale Involviertheit: 2,5 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 4 Sterne
Einzigartigkeit: 4 Sterne

Insgesamt:

☆★☆ Sterne

Dieses Buch bekommt von mir drei Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.03.2024

Als Einstieg in das Thema perfekt, Fortgeschrittenen bietet das Buch kaum Neues

Es kann nur eine geben
0

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Kapitellänge: kurz bis mittel

Lieblingszitate

„Der weibliche Körper ist immer und überall zum Abschuss freigegeben. Jeder darf ihn immer und überall kommentieren ...

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Kapitellänge: kurz bis mittel

Lieblingszitate

„Der weibliche Körper ist immer und überall zum Abschuss freigegeben. Jeder darf ihn immer und überall kommentieren und Optimierungsvorschläge einreichen.“ E-Book, Position 1168

„Warum ist es denn bitte so vermessen, dass ich alles will vom Leben? […] Ich will Karriere UND Kinder UND zudem ‘ne gerechte Bezahlung UND faire Rente. Ja, eat this.“ E-Book, Position 1516

„[…] weil ich schon mit so vielen Frauen gesprochen habe, die in einer ähnlichen Situation waren. Dass jemand sie kleingehalten hat. Sei es der Chef, der Geschäftspartner oder, nicht selten, der Lebenspartner.“ E-Book, Position 2363

„Aber lasst uns auf jeden Fall dranbleiben. Wir sind auf einem guten Weg. Versprochen.“ E-Book, Position 4067

Meine Rezension

Als Feministin war mir Carolin Kebekus natürlich immer schon sympathisch. Sie ist witzig, traut sich was und nutzt ihre Bühne dafür, Bewusstsein für Ungerechtigkeiten zu schaffen. Deshalb war mir sofort klar, dass ich ihr feministisches Sachbuch lesen würde. Ich erhoffe mir davon neue Erkenntnisse und eine Auffrischung meines Wissens.

Nun wollt ihr sicher wissen, ob ich das Buch uneingeschränkt weiterempfehlen kann… Meine Antwort darauf ist: Kommt drauf an! Wer frisch ins Thema einsteigt bzw. sich noch nie näher damit beschäftigt hat (und auch auf Social Media keinen feministischen Accounts folgt), der:dem bietet dieses Werk eine schöne, locker-leicht präsentierte, breit gefächerte Einführung. Viele verschiedene Aspekte werden angerissen, sodass für jeden Geschmack und alle Interessen etwas dabei sein sollte, und am Ende hat mensch das Grundproblem (Patriarchat, Ungerechtigkeiten, Notwendigkeit des Feminismus, Rivalität unter Frauen als etwas Schädliches, mögliche Lösungsansätze) sicher verstanden und ist sicher deutlich informierter – und wütender – als vorher.

Wer Kebekus‘ Humor bei ihren Bühnenshows mochte, wird ihren einfachen, oft ironischen, sarkastischen, etwas flapsigen, mit Anglizismen gespickten Schreibststil auch hier zu schätzen wissen. Besonders gut gefallen hat mir übrigens das Gaming-Kapitel. Mir war ja vorher schon klar, dass Carolin eine echt coole Frau ist – aber nicht, dass sie SO cool ist. Ich fand es erfrischend und toll, wie unapologetisch sie von ihren Lieblingsgames schwärmt (wir haben die gleichen, nämlich „The Last of Us – Part 2“ und „Horizon Zero Dawn“ ♥) und dass sie ebenso als Kunst ansieht wie ich! Als begeisterte GamerIN, die sich immer wieder für ihr Hobby rechtfertigen muss, habe ich mich da echt gesehen und verstanden gefühlt.

Wer sich allerdings schon relativ tief in die Materie eingelesen und dazu noch feministischen Accounts auf Instagram und anderen sozialen Medien folgt, dem:der bietet das Buch kaum Neues (außer vielleicht beim Thema „Religion/Bibel/Kirche“, das ich jetzt NOCH negativer wahrnehme). Es wird zwar eine Fülle an verschiedenen Problemen angesprochen (von der Frau in der Bibel/im TV/in der Kirche/im Märchen über Rivalität unter Frauen und Bodyshaming bis hin zum Gender Gap und zu Abtreibung), dabei bleibt das Werk aber extrem oberflächlich und legt den Fokus eher auf Biographisches und Anekdoten, statt auf Informationsdichte. Dazu enthält „Es kann nur eine geben“ (großartiger Titel übrigens!) nur wenige Studien und seriöse Quellen (fast nur zusammenfassende Zeitungsartikel und Wikipedia, statt wissenschaftlicher Bücher/Papers) – auch hier erwarte ich von einem Sachbuch mehr. Vielleicht bin ich auch einfach mit falschen Erwartungen an diese Veröffentlichung herangegangen. Kebekus‘ Humor, ihre sprachlichen Wiederholungen, ihr Abschweifen, das bei ihren Bühnenshows und im mündlichen Bereich sehr gut funktioniert, empfand ich im Schriftlichen hingegen stellenweise als anstrengend, unnötig und etwas nervig.

Ich habe beim Lesen übrigens immer wieder an „Unsichtbare Frauen“ von Caroline Criado-Perez denken müssen (große Leseempfehlung an dieser Stelle! ♥) – aber nur, weil mir „Es kann nur eine geben“ wie das komplette Gegenteil davon vorkam (unwissenschaftlicher, weniger sachlich, weniger Informationsdichte, dafür flüssiger/angenehmer lesbar). Ich glaube, beide Bücher haben ihre Berechtigung, beide werden ihr Publikum finden und für beide bin ich dankbar, weil sie aufklären, sensibilisieren, Bewusstsein schaffen – es kommt eben darauf an, wonach man sucht. Gestolpert bin ich übrigens (das noch am Rande) hin und wieder über Bodyshaming/Fatshaming/generell Shaming DURCH Kebekus (z. B. wird Paris Hilton als dumm dargestellt, dicke Menschen indirekt als hässlich). Hier merkt man, dass sie sich selbst an manchen Stellen noch mehr reflektieren muss – und genau das würde ich mir auch von ihr wünschen. Perfekt sind wir allerdings alle nicht, wir lernen alle (im Optimalfall) jeden Tag dazu – also werfe ich hier sicher nicht den ersten Stein.

„Sie ist überhaupt nicht fett, sondern wunderschön. Okay, sie hatte zu dem Zeitpunkt damals
‘ne Glatze. Das hatte mich direkt etwas erleichtert.“ E-Book, Position 966

Mein Fazit

„Es kann nur eine gaben“ ist das perfekte Feminismus-Sachbuch für Einsteiger:innen und Fans von Carolin Kebekus, die sich einen ersten Überblick verschaffen möchten. Wer sich sich mit dem Thema allerdings schon etwas besser auskennt, dem bietet das Werk kaum Neues und nur wenig Tiefe – hier werden andere Lektüren sicher lohnenswerter sein. Von mir gibt es also nur eine bedingte Leseempfehlung!

Bewertung

Einstieg: 5 Sterne ♥
Inhalt: 4 Sterne
Feminismus: 5 Sterne ♥
Verständlichkeit: 5 Sterne
Schreibstil: 3 Sterne

Insgesamt:

☆★☆★ Sterne

Dieses Buch bekommt von mir vier Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.02.2024

Gelungene Kombination aus unheilvoller, bedrohlicher Grundstimmung & Tiefgang

Enemy
0

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Hen und Junior leben ein beschauliches Leben auf einer abgelegenen Farm. Eines Tages bekommen sie allerdings unerwarteten Besuch. Ein Mann im Anzug erklärt den beiden, ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Hen und Junior leben ein beschauliches Leben auf einer abgelegenen Farm. Eines Tages bekommen sie allerdings unerwarteten Besuch. Ein Mann im Anzug erklärt den beiden, dass Junior angeblich für eine mehrjährige Weltraummission ausgewählt wurde und schon bald seine Frau verlassen muss. Diese soll die Zeit aber nicht alleine verbringen müssen, denn es werde für Ersatz gesorgt…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählweise, Präsens
Perspektive: männliche Perspektive
Kapitellänge: kurz

Inhaltswarnung: Feuer, Gewalt, veraltete Rollenbilder
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): NICHT bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: --- ♥

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen:

- unheilvolle Grundstimmung
- schnörkellose Sprache
- Geschichten, die zum Nachdenken anregen
- wenig Handlung
- Slow-Burn-Geschichten
- Ehe/Beziehung/Alltag im Mittelpunkt
- Setting: abgelegene Farm, Landleben

Meine Rezension

“’But do any of us really have the freedom we think we have?’ she asks. […] Think about all the different forces and pressures that play a role in shaping what we do, how we act, how we dress, what we think. It’s hard, maybe impossible, not to be influenced by that.” Seite 192

Nach längerer Zeit (zum Glück: Jahren) hat mich im Jänner zum blödesten Zeitpunkt überhaupt (nämlich während 2 Buddyreads) wieder eine erwischt: eine böse Leseflaute – die Erzfeindin aller Bookstagrammer:innen. Weder das gehypte „Lied der Krähen“ noch das vielfach angepriesene „Fourth Wing“ konnten mich fesseln und aus dem Lese-Motivationsloch herausholen. Doch da sah ich in den Storys einer lieben Blog-Kollegin (@what.lilly.reads) ein Buch, das sofort mein Interesse weckte (nicht zuletzt, weil sie es schafft, einem eine Geschichte in nur wenigen Worten unglaublich schmackhaft zu machen, es ist eine Gabe!). Schließlich hatte mich „The Ending“ von Iain Reid schon damals aus meiner letzten Leseflaute geholt…

Ist das auch „Foe“ wieder gelungen? Jein, es hat mich zwar nicht nachhaltig von meiner Leseflaute befreit (sie dauert leider noch immer an), aber irgendwie hat es der Autor doch wieder geschafft, dass ich zumindest SEIN Buch innerhalb weniger Tage beendet habe. Das lag sicher auch an der einfachen, schnörkellosen, ja, fast schon reduzierten Sprache, die sehr gut zur Geschichte passt und eine:n auch auf Englisch nur so durch die Seiten fliegen lässt. Das war übrigens auch Iain Reids Ziel: Er wollte nach eigenen Angaben ein Buch schreiben, das mensch – wenn er:sie möchte – an einem einzigen Abend durchlesen kann. Eine Sache hat auch dieser Sci-Fi-Thriller (mit Horrorelementen) wieder geschafft: Er hat mich zum Nachdenken und ins Grübeln gebracht. Und zwar so intensiv, dass ich nach der Lektüre sofort andere Rezensionen und Theorien lesen musste, weil ich das Buch noch besser verstehen wollte. Das passiert mir selten und zeigt, dass es mich nicht kaltgelassen hat! Deshalb erhöhe ich meine Wertung im Nachhinein (= mit etwas Abstand zur Lektüre) nun von 3,5 auf 4 Sterne.

„Change is one of the only certainties in life. Human beings progress. We have to. We evolve. Wie move. We expand. What seems far-fetched and extreme becomes normal and then outdated pretty quickly.” Seite 14

Auch die Grundidee fand ich wieder sehr interessant, auch dieses Mal zahlt es sich aus, als Leser:in auf Details zu achten (zum Beispiel auf die Anführungszeichen), dann wird mensch nämlich am Ende belohnt. Worum es genau geht, werde ich hier nicht verraten, weil „Foe“ genau von dieser Ungewissheit, diesen Leerstellen, diesen vielen Fragen lebt, aber ich kann zumindest erwähnen, dass auch dieses Mal wieder diese für den Autor typische unheilvolle, beklemmende Stimmung das Buch durchzieht – wenn auch weniger intensiv als bei „The Ending“. Wer das also mag, ist hier definitiv an der richtigen Adresse! Die Figurenzeichnung hat mir ebenfalls wieder gefallen, erneut wirkten für mich die Charaktere sehr „echt“, auch wenn sie eine:n eigentlich nicht besonders nah an sich heranlassen.

“Habitual, comfortable activity is the worst kind of prison, because the bars are concealed.” Seite 39

Eine feministische Analyse lässt mich hier hingegen sehr zwiegespalten zurück: Einerseits besteht das Buch den Bechdel-Test leider NICHT und folgen Hen und Junior einer sehr klischeehaften Rollenverteilung (sie arbeitet im Haus, putzt und kocht, er repariert und erledigt körperlich anstrengende Arbeiten im Freien), andererseits wird diese zwischen den Zeilen durchaus auch in Frage gestellt bzw. kritisiert bzw. als negativ und einengend dargestellt. Außerdem lebt Hen als Ehefrau eine sehr selbstbestimmte, aktive Sexualität, was mir ebenfalls gefallen hat.

“There’s no way we could function if we didn’t forget the vast majority of new information we acquire throughout the day. In other words, Junior, we sleep so we can forget.” Seite 128

Punkteabzug gibt es von mir hingegen für die inhaltlichen Wiederholungen und Spannungseinbrüche im Mittelteil, wo die Geschichte längere Zeit auf der Stelle tritt und nicht vom Fleck kommt. Über das Zukunftssetting und die Weltraummission hätte ich jedoch gerne noch mehr erfahren (= Worldbuilding). Wichtig zu wissen ist, dass auch „Foe“ generell wieder eine eher handlungsarme Geschichte ist: Viele Gespräche (= Dialoge), der Alltag auf einer Farm (ein wiederkehrendes Motiv in Iain Reids Büchern, vermutlich weil er selbst auf einer aufgewachsen ist) und die Beziehung von Hen und Junior stehen im Mittelpunkt. Wer also viel Action, atemlose Spannung und Drama erwartet, sollte definitiv nicht zu diesem Werk greifen! Auch „Foe“ stellt wieder ein paar tiefgründige und philosophische Fragen, ist insgesamt jedoch deutlich oberflächlicher als das großartige „The Ending“. Das Ende fand ich zudem weniger überraschend, es hat mich nicht so eiskalt getroffen, weswegen es etwas hinter meinen Erwartungen zurückblieb.

Mein Fazit

Obwohl „Foe“ nicht ganz mit „The Ending“, einem meiner absoluten Lieblingsthriller, mithalten kann (nicht so düster, nicht so tiefgründig, nicht so spannend), war es dennoch das richtige Buch zur richtigen Zeit, weil es mich trotz meiner Leseflaute zum Nachdenken gebracht, gefesselt und mich motiviert hat, es in wenigen Tagen durchzulesen. Das ist eine beachtliche Leistung! Fans von Iain Reid können hier meiner Meinung nach bedenkenlos zugreifen (auch für mich wird es nicht das letzte Buch des Autors bleiben), alle anderen sollten lieber mit dem genialen „The Ending“ beginnen, denn das wird euch garantiert überzeugen!

Bewertung

Cover / Aufmachung: 4 Sterne
Idee: 5 Sterne ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Sterne ♥
Umsetzung: 3,75 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Einstieg: 4 Sterne
Ende: 5 Sterne ♥
Schreibstil: 4 Sterne
Protagonist: 4 Sterne
Figuren: 4 Sterne
Spannung: 3 Sterne
Pacing/Tempo: 2 Sterne
Wendungen: 4 Sterne
Atmosphäre: 4 Sterne
Emotionale Involviertheit: 5 Sterne ♥
Feministischer Blickwinkel: 3 Sterne
Einzigartigkeit: 5 Sterne ♥

Insgesamt:

☆★☆★ Sterne

Dieses Buch bekommt von mir vier Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.02.2024

Cooles Setting, schwaches Ende…

The Dark
0

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Nach einem schweren Schicksalsschlag erhält Notärztin Kate das Angebot, auf einer Forschungsstation in der Antarktis zu arbeiten. Dort wird die 13-köpfige Crew monatelang ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Nach einem schweren Schicksalsschlag erhält Notärztin Kate das Angebot, auf einer Forschungsstation in der Antarktis zu arbeiten. Dort wird die 13-köpfige Crew monatelang auf sich gestellt sein. Während Kate mit ihren eigenen Problemen beschäftigt ist, hinterlässt das fehlende Sonnenlicht bei den anderen langsam seine Spuren (Kopfschmerzen, Depressionen, Streit). Bis eines Tages ein Team-Mitglied tot aufgefunden wird… War es wirklich ein Unfall?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählweise, Präsens
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: kurz bis mittel

Inhaltswarnung: Tod, Tod eines Tieres, Gewalt, Blut, Verletzungen, Alltag als Ärztin, Schwangerschaft, Geburt, Operationen, Medikamentenmissbrauch, Alkoholmissbrauch, psychische Krankheiten, Depression, Suizid
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Miststück, Schl+mpe

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen:

- starke, intelligente Frauenfiguren
- gleichberechtigte „Gesellschaft“
- Antarktis-Setting
- Isolation
- Jede:r verdächtigt jede:n
- Wissenschaftsthemen
- Protagonistin mit Problemen

Meine Rezension

„Wie ein Arzt der UNA erklärte, ist es leichter, jemanden von der internationalen Raumstation ISS zurückzuholen als im tiefen Winter von diesem Fleckchen Erde.“ Seite 32

Da ich sowohl Settings mit Schnee und Eis als auch Thriller liebe, in denen die Figuren isoliert und auf sich gestellt sind, hat mich der Klappentext von „The Dark“ natürlich sofort angesprochen. Der perfekte Thriller für die Wintermonate – dachte ich. Doch muss man dieses Buch wirklich gelesen haben? Ich finde nicht, auch wenn es mir insgesamt ganz gut gefallen hat.

„Meile um Meile plattes Eis, der Horizont ist ein glatter Schnitt unter dem strahlend blauen Himmel, die Schneeoberfläche vom Wind zu horizontalen Wellen gemeißelt – mitsamt Schatten, sodass es auf unheimliche Art an ein Meer erinnert.“ Seite 23

Zu den größten Stärken von „The Dark“ gehören für mich ganz klar der einfache (aber nicht oberflächliche), flüssig lesbare Schreibstil und das extrem coole Antarktis-Setting, das sehr realistisch und atmosphärisch beschrieben wird. Man kann die eisige Kälte und die angespannte Stimmung unter den Crew-Mitgliedern fast selbst körperlich spüren! Ein weiterer Pluspunkt (Buch bitte nicht mit leerem Magen lesen!) ist auch das extrem leckere, ausgefallene Essen, das dort immer aufgetischt wird. Ob das realistisch und glaubwürdig ist, ist eine natürlich andere Frage…

„Der Schrecken des Unsichtbaren. Ein primitiver Teil meines Gehirns sagt mir, dass da draußen alles Mögliche sein könnte, auch wenn der rationale Teil weiß, dass da nichts weiter ist als Luft und Eis.“ Seite 104

Aus feministischer Sicht haben mir besonders die vielen starken, intelligenten und hochkompetenten Frauenfiguren (Ärztin, Leiterin der Station, Mechanikerin usw.) und die gleichberechtigte „Gesellschaft“ auf der Station gefallen. Es gibt hier keinen Sexismus und keine veralteten Geschlechterrollen oder -klischees, weil jede Person dort z. B. für ihre eigene Wäsche und ihre eigenen Aufgaben verantwortlich ist (alle sind Expert*innen in ihrem Feld). Das fand ich sehr erfrischend!

Auch die Grundidee, die Themen (Trauer, Sucht, Freundschaft, Liebe, Isolation, Leben in einer Extremsituation, psychische Krankheiten, Wissenschaft), die überraschenden Wendungen und so manche spannende Szene haben mich überzeugt. Die Protagonistin Kate fand ich außerdem sympathisch, ihre Entwicklung war glaubwürdig. Kates Innenwelt wird so greifbar und glaubwürdig geschildert, dass ich sofort eine Verbindung zu ihr aufbauen konnte! Das Hörbuch, das ich parallel gehört habe, hat mir insgesamt ebenfalls gut gefallen, auch wenn mir Tanja Geke manche Figuren zu klischeehaft gesprochen hat (z. B. den Russen mit übertriebenem Akzent).

Trotzdem blieb die Geschichte insgesamt hinter meinen Erwartungen zurück. Das lag (neben dem einen oder anderen unnötigen Klischee) hauptsächlich am überhasteten (stellenweise auch etwas unrealistischen) Schluss und daran, dass die eigentlich kompetente und vernünftige Protagonistin gegen Ende jeglichen gesunden Menschenverstand über Bord wirft und sich absolut dumm und nicht nachvollziehbar verhält. Dadurch bringt sie leider sich selbst und andere Menschen in Gefahr. Sehr schade! Auch für die Spannungseinbrüche und das geringe Tempo im Mittelteil gibt es Punkteabzug. Denn obwohl ich das Buch eigentlich mochte, konnte es mich irgendwie nie für längere Zeit fesseln und so habe ich schlussendlich über 2 Monate daran „herumgelesen“.

Mein Fazit

„The Dark“ ist für mich ein ganz guter feministischer Thriller für Zwischendurch (cooles Setting, flüssiger Schreibstil, starke Frauenfiguren), der mich allerdings nicht auf ganzer Linie überzeugen konnte (unlogisches Verhalten, überhastetes Ende, Spannungseinbrüche). Für mich ist es ein Buch, das man durchaus lesen kann, das man aber sicher nicht gelesen haben muss…

Bewertung

Cover / Aufmachung: 4 Sterne
Idee: 5 Sterne ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Sterne ♥
Umsetzung: 3,5 Sterne
Worldbuilding: 4 Sterne
Einstieg: 4 Sterne
Ende: 3 Sterne
Schreibstil: 4 Sterne
Protagonistin: 4 Sterne
Figuren: 3,5 Sterne
Spannung: 3 Sterne
Pacing/Tempo: 2,5 Sterne
Wendungen: 4 Sterne
Atmosphäre: 5 Sterne ♥
Emotionale Involviertheit: 4 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 5 Sterne ♥
Einzigartigkeit: 4 Sterne

Insgesamt:

☆★☆,5 Sterne

Dieses Buch bekommt von mir dreieinhalb Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.01.2024

3,75 Sterne: Mutiges und wichtiges Buch – ich habe mir trotzdem mehr erhofft…

Männer töten
0

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

In einem Club lernt die Stadtpflanze und Wahlberlinerin Anna Maria einen oberösterreichischen Bauern namens Hannes kennen. Wenig später zieht sie zu ihm aufs idyllische ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

In einem Club lernt die Stadtpflanze und Wahlberlinerin Anna Maria einen oberösterreichischen Bauern namens Hannes kennen. Wenig später zieht sie zu ihm aufs idyllische Land. Doch schon bald fallen ihr seltsame Dinge auf: Die katholische Pfarrerin ist weiblich, die Frauen in Engelhartskirchen verscheinen unglaublich glücklich und frei und es gibt überraschend viele Witwen…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Präsens
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: keine Kapitel, das Buch ist in vier Teile untergliedert

Inhaltswarnung: Tod, Gewalt gegen Frauen, s+xualisierte Gewalt (bis Vergew+ltigung), S+xismus, Blut, Alkoholmissbrauch, Erbrechen, Schwangerschaft, Suizid, psychische Krankheiten
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Bitch (nicht als Beleidigung verwendet), H+re, Schl+mpe

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen:

- starke Frauenfiguren
- Gesellschaftskritik
- Feminismus
- historische Fiktion
- Gewalt gegen Frauen / s+xualisierte Gewalt / Misogynie als zentrales Thema
- Matriarchat als Dystopie und Utopie zugleich
- Dorfsetting
- Partys & Alkohol
- Situationskomik

Meine Rezension

„Wir alle stellen es uns manchmal vor.
Wir stellen uns Fragen. Fragen wie: Was wäre, wenn?
Wie es sich anfühlen würde […]
Am Ende würdest du dich nicht fragen, ob Rache glücklich macht
Du kennst die Antwort“ E-Book, Position 39

2023 war für mich ein eher fantasy- und romantasylastiges Jahr – Literatur kam da ehrlicherweise etwas (zu) kurz. Deshalb wollte ich es auch mit „ernsthafter Literatur“ abschließen, am besten mit feministischer, am besten mit weiblicher, am besten mit österreichischer. Welches Buch hätte sich da besser angeboten als „Männer töten“ von Eva Reisinger? Das Lob im Feuilleton, die zahlreichen Lesungen und die Nominierung für den Österreichischen Buchpreis hatten mich nämlich sehr neugierig gemacht! Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, meine Erwartungen wären nicht hoch gewesen. Doch konnten sie auch erfüllt werden?

Leider nicht ganz! Autorin Eva Reisinger hat aus einer grandiosen Idee ein gutes Buch gemacht (ohne Zweifel!), aber es hätte auch ein großartiges werden können. Was die vielversprechenden, mutigen und provokanten ersten Seiten versprechen (Autorin träumt vom Matriarchat, Triggerwarnung erklärt, dass in diesem Buch Männer sterben werden), kann der Rest leider nicht ganz halten.

Dabei gibt es viele Dinge, die mir an diesem Buch (und rund ums Buch) sehr gut gefallen haben: Da wären zum Beispiel die herrliche Situationskomik und der eigenwillige Humor, der mich immer wieder zum Auflachen gebracht hat. Beste Szene: Die Frauen des Dorfes betrinken sich im Zuge eines Junggesellinnenabschieds auf dem Parkplatz, als eine Gruppe Kinder vorbeigeht und eines davon freundlich mit „Hallo, Mama!“ grüßt. Unvereinbar mit dem konservativen österreichischen Ideal der aufopferungsvollen, vorbildlichen, perfekten, nie an sich oder Spaß denkenden Mutter und für manche vermutlich ziemlich skandalös – ich fand es erfrischend und charmant! Positiv überrascht hat mich übrigens auch die Beziehung der Hauptfigur zu Hannes, dem Bauer – dieser wird zur Abwechslung mal nicht als rückständig, sondern als unglaublich liebevoll, geduldig und als Mann mit einem Herz aus Gold dargestellt.

„Währenddessen morden die Männer im Land weiter und in der Zeitung wundert man sich, dass es nicht von allein besser wird. Die Polizei rät Frauen, selbstbewusster zu sein, dann würden sie nicht vergewaltigt. Was nach Satire klingt, ist in Österreich viel zu oft Realität.“ E-Book, bei 46%

Aus feministischer Sicht begrüße ich natürlich nicht nur das durchgehende Gendern (alles andere wäre auch inkonsequent gewesen), die vielen starken weiblichen Figuren
und das Matriarchat, das Eva Reisinger in ihrem Roman erschafft, sondern auch die Themenwahl (Misogynie, Sexismus, sexualisierte Gewalt) und die klare Kritik am Umgang Österreichs mit Femiziden und Gewalt gegen Frauen. Nicht nur ihr Buch, sondern auch ihre Interviews nutzt die Autorin übrigens, um aufzuklären, dass Frauenmorde eben nicht aus dem Nichts kommen und unbeeinflussbar wie Naturkatastrophen, sondern dass sie (leider!) eine logische Konsequenz von veralteten Rollenbildern, toxischer Männlichkeit, Misogynie und Rape Culture sind. Gewalt gegen Frauen kann hierbei als Pyramide oder Kontinuum gesehen werden: Was mit verlgeichsweise harmlosen sexistischen Sprüchen und Vergew+ltigungswitzen beginnt, setzt sich als Catcalling und Belästigung fort und endet mit s+xueller Gewalt und Femiziden. Für ihren Einsatz und ihren Mut kann ich der Autorin nur applaudieren und dankbar sein!

„Wie oft hat sie sich in Sicherheit gewogen: Zum Glück ist ihr das nicht passiert. […] Die Statistik schwebt über ihr und erinnert sie daran, dass es ihr irgendwann passieren könnte.“ E-Book, bei 47%

Auch in diesem Roman gibt es Überlebende sexualisierter Gewalt, auch in dieser Welt (zumindest außerhalb von Engelhartskirchen) wird den Frauen nicht geglaubt, wird der Täter verteidigt, will der Täter nicht einmal sich gegenüber zugeben, was er getan hat. Doch dieses Mal schlagen die Frauen zurück, wehren sich, greifen selbst zu drastischer Gewalt. Ich glaube, in der Literatur ist es erlaubt, dabei als Leserin auch so etwas wie Katharsis, Gerechtigkeit, Erleichterung zu fühlen – auch wenn man im echten Leben eine absolute Gegnerin von Auge-um-Auge und Selbstjustiz ist. (Großer Filmtipp zum Thema, den jede:r gesehen haben sollte: „Promising Young Woman“. Unbedingt anschauen! ♥) Übrigens: Wer sich hier über die Männermorde empört, aber am Sonntag entspannt den Tatort mit seinen zerstückelten Frauenleichen schaut (tote Frauen sind für uns leider längst „normal“ geworden) und sich nicht über die Berichte REALER Frauenmorde aufregt, den:die kann ich sowieso nicht ernst nehmen! Wo bleibt hier eure Wut? Wo der Antrieb, wirklich etwas zu verändern?

Trotz seiner Stärken und guten Intentionen lässt mich der vorliegende Roman aber auch mit einer gewissen Ernüchterung zurück: Das lag zum Beispiel am einfach gehaltenen, etwas oberflächlichen Schreibstil, von dem ich mir bei einem Buch, das immerhin für den Österreichischen Literaturpreis nominiert wurde, einfach mehr erwartet habe. Dazu kommt, dass die Hauptfigur und einige der Nebenfiguren etwas blass und wenig greifbar bleiben, wodurch die Geschichte leider nicht die emotionale Durchschlagskraft entwickeln kann, die sie haben hätte können. Richtig packen konnte mich zudem erst die zweite Hälfte, in der die Handlung dann nach einer langen (und teils auch etwas langweiligen) Durststrecke voller Dorfidylle, Alkoholexzesse und Partys (mir war das einfach too much, sorry) endlich in Schwung kommt. Das offene Ende lässt viel Raum für Interpretation und Spekulation und hat mich zwiegespalten zurückgelassen. Die paar Tage Abstand zur Lektüre haben mir deutlich gemacht, dass es für 4 Sterne leider nicht ganz reicht, deshalb 3,75 Sterne.

Mein Fazit

„Männer töten“ ist ohne Zweifel ein wichtiges und mutiges Buch (besonders für das konservative Land, in dem es erschienen ist), das hoffentlich viele Leute zum Nachdenken bringen und längst notwendig gewesene Diskussionen anstoßen wird. Dafür bin ich Eva Reisinger sehr dankbar! Meiner Meinung nach hätte man aus der großartigen Grundidee aber noch deutlich mehr machen können (in sprachlicher und emotionaler Hinsicht, auch was die Tiefe betrifft).

Bewertung

Cover / Aufmachung (alt): 4 Sterne
Idee: 5 Sterne ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 5 Sterne ♥
Umsetzung: 3,75 Sterne
Worldbuilding: 4 Sterne
Einstieg: 2 Sterne
Ende: 3 Sterne
Schreibstil: 2,5 Sterne
Protagonistin: 3,5 Sterne
Figuren: 3,5 Sterne
Spannung: 3 Sterne
Pacing/Tempo: 2 Sterne
Wendungen: 4 Sterne
Atmosphäre: 3 Sterne
Emotionale Involviertheit: 3,5 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 5 Sterne ♥
Einzigartigkeit: 4 Sterne

Insgesamt:

☆★☆,75 Sterne

Dieses Buch bekommt von mir 3,75 Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere