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Veröffentlicht am 02.05.2022

solide japanische Literatur

Das Leben eines Anderen
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Akira Kido ist eigentlich Scheidungsanwalt. Doch nachdem er von einer ehemaligen Klientin um Hilfe gebeten wird, begibt er sich auf eine ungewöhnliche Spurensuche. Bei diesem interessanten Fall handelt ...

Akira Kido ist eigentlich Scheidungsanwalt. Doch nachdem er von einer ehemaligen Klientin um Hilfe gebeten wird, begibt er sich auf eine ungewöhnliche Spurensuche. Bei diesem interessanten Fall handelt es sich nämlich um die gestohlene Identität des Mannes der Klientin. Denn nach dessen frühzeitigen Tod stellte sich heraus, dass dieser in Wirklichkeit ganz jemand anderes ist, als es schien. Fasziniert davon, seine eigene Identität aufzugeben und das bisherige Leben komplett hinter sich zu lassen, versteift sich Akiro immer mehr auf die Suche nach der Wahrheit und den Hintergründen des Identitätswechsels.

Für mich persönlich fällt es schwer, das Buch in eine bestimmte Schublade zu stecken. Den einerseits erinnert es an das typische Katz-und-Maus-Spiel eines Kriminalromanes und dieses zu verfolgen brachte einerseits eine unterschwellige und sanfte Spannung in die Geschichte, da dieser Aspekt des Buches nicht zu deutlich und tonangebend. Darüber hinaus erinnern sehr viele Elemente an einen Gesellschaftsroman. So setzt sich das Buch einerseits mit Sippenhaftung auseinander, aber auch mit anderen wichtigen Aspekten der japanischen Gesellschaft, wie der koreanisch-japanischen Geschichte oder den Vorurteilen gegenüber der koreanischstämmigen Minderheit im Japan. Hier gibt das Buch einen äußerst interessanten und wichtigen Einblick, der mir als Europäer recht unbekannt war. Darüber hinaus konnte mich auch der Schreibstil des Autors überzeugen, wenn auch nicht begeistern. Denn bei meinen bisherigen Erfahrungen mit ostasiatischer Literatur habe ich gemerkt, dass mir der recht nüchterne Schreibstil, nicht immer zusagt. Dieses mal aber war dieser weniger trocken, auch wenn er nicht voll und ganz meinen Geschmack traf.

Letztendlich ist der Roman ein solides Stück japanischer Literatur, das definitiv lesenswert ist, auch wenn ich leider nicht ganz überzeugt werden konnte.

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Veröffentlicht am 17.04.2022

Guter Einblick in die österreichische Geschichte

Der Trafikant
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Im Sommer 1937 kommt der junge Franz Huchel nach Wien und beginnt dort eine Ausbildung zum Trafikanten bei Otto Trsnjek. Schnell taucht der aus dem beschaulichen Salzkammergut stammende Franz in das hektische ...

Im Sommer 1937 kommt der junge Franz Huchel nach Wien und beginnt dort eine Ausbildung zum Trafikanten bei Otto Trsnjek. Schnell taucht der aus dem beschaulichen Salzkammergut stammende Franz in das hektische und aktive Leben Wiens ein, lernt neue Vergnügungen kennen, begegnet der Liebe und tritt unter anderem auch in Kontakt zu Siegmund Freud, der Stammkunde der Trafik ist,. Schnell kann dieser den jungen Mann faszinieren und ihn als Gesprächspartner für sich gewinnen. Doch es ist der Vorabend des Anschlusses an Deutschland und neben den Freuden des Stadtlebens muss Franz recht schnell auch mit den Schattenseiten des politischen Epizentrums Wien Bekanntschaft machen.

Der Roman bietet wirklich gute Unterhaltung. Bedingt durch den simplen und geradlinigen Schreibstil wird man sehr schnell und flüssig durch die Geschichte getragen und ließt lange Passagen am Stück. Dazu kommt noch, dass durch die persönlichen Lebensleiden Franz Huchels und durch die Zeit des Anschlusses und den damit verbundenen politischen Umbrüchen, die in diesem Buch aufgearbeitet werden, ein enormer Spannungsbogen entsteht, der die Leserschaft an der Stange hält. Gerade diese Mischung ist es aber auch, die das Buch so interessant macht. Weder die Geschichte rund um den Protagonisten, noch die historischen Hintergründe gewinnen an Übergewicht. Diese Balance verursacht deshalb, dass das Buch weder zu kitschig und emotional verwirrend wird, noch, dass trockene historisch interessante Passagen den Lesefluss und die Spannung beeinträchtigen. Im Generellen bietet das Buch eine sehr anschauliche und unterhaltsame Möglichkeit, sich mit der österreichischen Gesellschafts- und Politiklage der Jahre 1937, 38 und 39 auseinanderzusetzen, da diese spielerisch und authentisch in den Inhalt mit einfließen. Einzig und alleine den Protagonisten Franz empfand ich als ein wenig blass und unindividuell gestaltet. Da habe ich definitiv schon Erfahrungen mit einem facettenreicher gestalteten Figurenensamble machen können.

Nichts destotrotz ist und bleibt das Buch eine spannende und interessante Lektüre, die ich nur weiter ans Herz legen kann.

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Veröffentlicht am 26.03.2022

Mysteriös, spannend, unheimlich

Der unsichtbare Freund
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Die alleinerziehende Mutter Kate flieht zusammen mit ihrem Sohn Christopher vor ihrem gewalttätigen Partner in ein verschlafenes Nest im Großraum von Pittsburgh. Kurz nach ihrer Ankunft beginnt der siebenjährige ...

Die alleinerziehende Mutter Kate flieht zusammen mit ihrem Sohn Christopher vor ihrem gewalttätigen Partner in ein verschlafenes Nest im Großraum von Pittsburgh. Kurz nach ihrer Ankunft beginnt der siebenjährige plötzlich Stimmen zu hören, verschwindet kurz danach für 6 Tage im Wald, kann sich allerdings bei seinem Auftauchen an nichts mehr erinnern. Dennoch hat er plötzlich besondere Fähigkeiten, beginnt sich mehr und mehr zu verändern. Fanatisch verfolgt er sein Projekt, im Wald ein Baumhaus zu errichten. Eine Aufgabe, die ihm von der mysteriösen Stimme aufgetragen wurde, und sollte er es nicht rechtzeitig schaffen, würde der ganze Ort dem Untergang geweiht sein.

Ich habe unwahrscheinlich schnell in die Geschichte hineingefunden und war wirklich beinahe von Seite eins an gefesselt und begeistert. So ist da zunächst einmal der sprachliche Stil des Autors, der genau meinen Geschmack trifft. Ein wenig ausschweifend, bunt, ein grandioses Setting beschreibend, ohne dabei zu langatmig zu werden und der Geschichte den Wind aus den Segeln zu nehmen. Weiters ist es auch das Setting, Mill Grove als typisches amerikanisches Vorstadtmillieu, das mich begeistern konnte. Denn dieses ist stimmig und grandios beschrieben, sodass man ein wirklich tolles Gefühl für die Umgebung der Handlung bekommt. Auch hinsichtlich der Charaktere hat der Autor ganze Arbeit geleistet. Diese sind spannend und facettenreich, trotzdem bedient er sich bei ihrer Gestalt dem klassischen Modell von Antihelden und deren Gegenspielern, sodass bei mir ein wenig ein nostalgisches Gefühl aufkam. Wie dem auch sei, lösen diese bei der Leserschaft wahre Feuerwerke der Emotionen aus, positive, wie auch negative Emotionen. Zuguterletzt konnte mich vor allem die Spannung der Geschichte abholen. Der Spannungsbogen steigert sich immer weiter, an den Momenten, an denen man denkt, dass es nicht mehr spannender werden kann, wird man von einem komplett überraschenden Plottwist überrannt. Top Voraussetzungen für einen Pageturner.

Dementsprechend, bin ich nur so durch die Seiten geflogen und auch wenn ich an und für sich kein großer Fan dieses Genres bin und sehr wenig aus dieser Ecke lesen, bin ich dennoch begeistert.

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Veröffentlicht am 20.03.2022

Thomas Bernhard von hinten bis vorne

Die Ursache
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Die Ursache ist der erste Teil der autobiografischen Bücherreihe von Thomas Bernhard. Hier wird seine Kindheit und Jugend in der Zeit des Nationalsozialismus und den unmittelbaren Nachkriegsjahren in typischer ...

Die Ursache ist der erste Teil der autobiografischen Bücherreihe von Thomas Bernhard. Hier wird seine Kindheit und Jugend in der Zeit des Nationalsozialismus und den unmittelbaren Nachkriegsjahren in typischer Bernhard-Manier behandelt: düster, traumatisch und eindringlich. So findet eine kritische Auseinandersetzung mit der damaligen Mehrheitsgesellschaft, dem Schulsystem und der fehlgeschlagenen Trennung von Kirche zum Rest des Lebens aus Sicht eines Schülers statt.

Sprachlich war der Einstieg in das Buch recht anspruchsvoll. Die ersten 10 Seiten waren für mich sehr verwirrend und anstrengend zu lesen, was sicherlich den komplexen Satzkonstruktionen Bernhards geschuldet ist, die sich oft über ganze Seiten erstrecken. Mittlerweile ist es aber so, dass nach wenigen Seiten mit dem Einstieg und dem Lesefluss auch der Genuss kam. Sprachlich wird man beim Lesen von Thomas Bernhards Übertreibungen, der scharfen Kritik und den turmhaften Sätzen, die einen in schwindelerregende Höhen tragen, verzaubert, sodass man immer mehr möchte, das Buch nicht mehr weglegt, und nach wenigen intensiven Stunden auch schon wieder zu Ende damit ist.

Definitiv ein intensives Leseerlebnis, allerdings nicht uneingeschränkt weiterempfehlbar, Intellekt und Lesegeschmack müssen stimmen.

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Veröffentlicht am 14.03.2022

Universalität des Theaters

Die Feuer
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Während das Umland des australische Melbourne von Buschfeuern verwüstet wird, findet in der Stadt eine Theateraufführung zu einem Werk Samuel Becketts statt. Im Zuschauerraum befindet sich die Literaturprofessorin ...

Während das Umland des australische Melbourne von Buschfeuern verwüstet wird, findet in der Stadt eine Theateraufführung zu einem Werk Samuel Becketts statt. Im Zuschauerraum befindet sich die Literaturprofessorin Margot, die mit ihrer familiären Situation versucht klarzukommen, und Ivy, eine scheinbar starke Persönlichkeit, die dennoch ihre Vergangenheit nicht abschütteln kann. Verfolgt wird die Aufführung aber auch noch von der jungen Platzanweiserin Summer, die immer noch auf der Suche nach ihrer eigenen Identität ist und Tag für Tag aufs Neue mit dieser Konfrontiert wird, mit den Gedanken aber auch bei ihrer Lebensgefährtin ist, die sich durch die Buschfeuer kämpft. Und so reflektieren die drei während dieser Theatervorstellung nicht nur ihr jeweils eigenes Leben, sondern auch den Zustand der Erde und der Gesellschaft.

Stilistisch konnte mich die Autorin schon ganz zu Beginn der Geschichte mit dem ungewohnten Aufbau der direkten Rede überraschen. Meine Neugierde wurde geweckt, was sich sonst noch so im Buch an Überraschungen in dieser Hinsicht verborgen hält. Auch wenn ich dabei nicht enttäuscht wurde, war es vor allem der Schreibstil, der mich durch die Geschichte gezogen hat. Denn sprachlich entsteht eine Sogwirkung, die gepaart mit der linearen, geradlinigen und durchaus drängenden Handlung, aber auch der einzigartigen Einfachheit und Universalität des Settings und des zeitlichen Rahmens - hier entstand für mich durchaus der Eindruck eines Theaterstückes - Potential für einen Pageturner hat. Als solcher hat sich für mich das Buch dann auch herausgestellt. Denn auch die Handlung, vor allem die Reflexion des eigenen Lebens, aber auch der gesamtgesellschaftlichen Situation im Rahmen eines wenige Stunden andauernden Theaterstückes, hat mich wirklich fasziniert. Der mehr oder weniger kritische Umgang mit Identität, Klimapolitik, Familienbildern und Feminismus hat einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen und mich dazu angeregt, das eigene Leben anhand dieser Filter und der im Buch aufgegriffenen Ideen und Gedanken zu reflektieren.

Kurzum hat mich das Buch von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt und ich kann dieses literarische Experiment von Herzen weiterempfehlen.

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